Augendiagramm

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Erklärung der Entstehung eines sogenannten Augendiagramms (engl. eye pattern)

von J.S.

Bedeutung

Ein Augendiagramm ist eine bildliche Darstellung eines elektrischen Signalverlaufs, mit dessen Hilfe die Signalqualität einer digitalen Datenübertragung beurteilt werden kann. Es entsteht durch die grafische Überlagerung von mehreren Messungen eines Signals zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Phasen. Es entsteht eine Art von Summation der statistisch verteilten Signalverläufe.

Durch die systematischen und zufälligen Einflüsse, denen das Signal unterworfen ist, verlaufen die theoretisch unendlich steilen Übergänge von 0 auf 1 und umgekehrt dabei nicht mathematisch rechteckig oder konstant an derselben Stelle, sondern als mehr oder weniger breit verschmierte Rampen, wodurch im Zentrum die typische Form eines Auges entsteht. Dabei spielen die Impedanz, Dämpfung und Reflektionen auf der Leitung eine Rolle.

Datengewinnung

Das Signal wird mehrfach vermessen und die Ergebnisse phasenrichtig überlagert. Aus technischen Gründen müssen dabei mehrere mögliche Kombinationen von Bitfolgen betrachtet werden, weil der Übergang von z.B. 0 auf 1 auch davon abhängt, wie die Historie des Signals und dessen Zukunft aussieht. Es macht z.B. einen Unterschied, ob der Pegel aufgrund von 2 oder mehr Null-Bits schon eingeschwungen ist oder kurz zuvor erst ein 1-0-Übergang stattgefunden hat. Dasselbe gilt für das Folgebit: Bei einem Übergang von 0 auf 1 entsteht gfs ein Überschwinger, der sich im Zusammenspiel mit Reflektionen bei einer Folge 010 und 011 anders abbilden kann. Im folgenden Beispiel werden jeweils 4er-Gruppen durchgespielt und überlagert, also 00->01, 00->10 und 00->11 danach 01->01, 01-10 und 01-11 usw. 3er-Gruppen bei einer ausgewählten Bitfolge würden im Einzelfall ebenfalls genügen. Aus Darstellungsgründen sind hier Punkte statt Linien verwendet, da sich in der schemtatischn Darstellung in Excel sonst ein unschöner Rücklauf ergeben würde. Zudem sind dies die realen Messpunkte des Signals.

Teildatensatz Beginn

Eye-pattern-explain1.gif Signalverlauf der ersten drei Kombinationen 0000.0001.0010


Beim Signalverlauf der ersten drei Kombinationen rangiert die Spannung bei 0,2V-3,2V und zeigt einen overshoot von 0,3V. Die Pegel sind erst in der Mitte des Bits voll eingeschwungen, was auch den Zacken links (abklingende "1" zu Beginn der 3. Gruppe) erklärt.

Teildatensatz Mitte

Eye-pattern-explain2.gif Signalverlauf des Übergangs von 0111.1000


Bei den Kombinationen 0111 und 1000 erkennt man den Übergang von overshoot in den statischen Bereich der eigentlich richtigen Spannung, wenn die Bits lange genug stabil bleiben und sich nicht schon im nächsten Takt wieder ändern.

Gesamter Datensatz wenige Durchläufe

Eye-pattern-explain3.gif Signalverläufe aller Kombinationen überlagert.


Bei sich schnell ändernden Bits kommt immer mehr die Bandbreite des Kabels und der Treiber/Empfänger zur Geltung sodass sich das Auge langsam schließt.

Durch Aufsummieren aller statistisch auftretenden Signalverläufe und Histogrambildung entsteht das eigentliche Augendiagramm.

Gesamter Datensatz viele Durchläufe

Eye-pattern-explain4.gif Eingefärbtes Augendiagramm


Das 2D-Histogrammbild, das zunächst für jeden Bildpunkt in der T,U-Ebene (Zeitpunkt/Phase sowie Spannung) die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Durchlaufs darstellt, wird mit einem Farbprofil ähnlich der Wärmekameras eingefärbt, um die Häufungen zu zeigen. Massgeblich ist letzlich die Breite und Höhe des Auges. Das Zentrum definiert den Punkt, an dem die Abtastung optimal ist.

Zu berücksichtigen sind dabei auch die absoluten Pegel, die jeweils den Empfänger sicher durchsteuern müssen.

Beispiel I2S-Audio-Signal

Augendiagramm fpga scan I2S bit signal.png

Augendiagram eines I2S-Datensignals aufgenommen mit einem FPGA-basierten DIY-Tester unter Nutzung eines 6-Bit-Musters (000.000 -> 111.111) = 64 Kombinationen und 4 überlagerten Durchläufen. Nutzfrequenz 49152 MHz (768 kHz Audio), Abtastung x 4, Plattform: Terrasic DE-115 mit Cyclone IV-FPGA. Am Ende der Leitung ist das Auge noch gerade ausreichend groß, um die Nutzdaten trotz Überschwinger und Störungen mit einem um etwa 100° verschobenen Takt sicher und fehlerfrei einsynchronisieren und im FPGA verarbeiten zu können. Ein angeschlossener kommerzieller Chip in einer äquivalenten Schaltung arbeitete dagegen mit den standardmässigen 180° nicht fehlerfrei und war nur mit 192kHz zu betreiben.


Interpretationsproblem

Bei differentiellen Leitungen entsteht bei der längeren Betrachtung der beiden Signale in den Fällen starker Störungen oftmals der Eindruck, dass das Auge geschlossen sei und keine Übertragung möglich ist. Dies muss jedoch nicht der Fall sein! Differenzielle Leitungen sind oftmals von Störungen in gleicher Weise betroffen und zeigen einen ähnlichen Spannungshub, der vom differenziellen Verstärker tolerant verarbeitet werden kann. Daher kommt mitunter dennoch wieder ein stabiles und jederzeit eindeutiges Signal heraus. Daher müssen differentielle Leitungen vor und nach dem Receiver betrachtet werden. Ist das nicht möglich, weil der Receiver in einem FPGA sitzt, muss der Logikpegel anhand von realen Messungen validiert werden.

Anwendungsbeispiele

  • Lokalisierung von Problemen
  • Optimierung der Impedanzanpassung
  • Formelle Validierung
  • Bestimmung der Störreserve
  • Bestimmung maximale Bandbreite

Fußnoten


Links

http://www.mikrocontroller.net/topic/233342

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