Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Dioden in Reihe?


von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


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Hi Jungs,

ich würde gerne zwei Dioden in Reihe schalten, um die 
Gesamt-Spannungsfestigkeit zu erhöhen.

D.h. ist hab sie schon in Reihenschaltung, aber irgendwie ist mir nicht 
ganz plausibel, warum das funktioniert...

Es handelt sich dabei um zwei MUR160 (600V, 1A), die zusammen eine 
Sperrspannung bis zu etwa 800V haben müssen, mehr brauch ich net.

Der Effektivstrom ist im Bereich von weniger als 1mA, und die 
Strompäckchen vom SNT kommen mit möchstens 100kHz.

Ist es nur Zufall, daß das funktioniert?
In Sperrichtung sollten max. etwa 600V über einer Diode abfallen, wobei 
ich mal davon ausgehe, daß sich die Sperrspannung asymmetrisch verteilt.
Wäre es möglich, daß eine der Dioden deshalb durchbricht und die 
Sperrspannung wesentlich kleiner wird, was die zweite Diode mitreissen 
würde?
Nennt sich dann wohl Lawinen- bzw. Avalanche-Effekt.

Im Test hatte ich einmal eine MUR1100, die gespezt ist bis 1000V, 1A. 
Die hatte jedoch nicht dichtgehalten... etwas unangenehm. Dabei hatte 
ich nie mehr als ca. 750V anliegen. Vielleicht war das Teil auch 
China-Murx, wer weiß. Jedenfalls werde ich keine MUR1100 mehr verwenden.

Hat jemand nen besseren Tipp anstatt 2x MUR160? Die Vorwärtsspannung ist 
mir nicht so wichtig, wichtiger wären mir schnelle Ansprech- und 
Erholungszeit sowie kleine Revers-Kapazität.

Johann

von HildeK (Gast)


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Sicher ist das nicht.
Wenn beide Dioden aus dem selben Waver stammen und möglichst identische 
Temperatur haben, dann kann das auf Dauer sogar gutgehen. Sonst wird 
eben diejenige mit dem kleineren Sperrstrom (einzeln bei gleicher 
Sperrspannung betrachtet) den größern Teil der Spannung abbekommen.
Wenn der Sperrstrom nicht ganz so wichtig ist, ev. mit zwei hochohmigen 
Widerständen, die parallel liegen, die Spannungsabfälle symetrieren.

>Wäre es möglich, daß eine der Dioden deshalb durchbricht und die
>Sperrspannung wesentlich kleiner wird, was die zweite Diode mitreissen
>würde?
Ja.

>Hat jemand nen besseren Tipp anstatt 2x MUR160?
Vielleicht mit drei oder vier der Dioden? Oder die Widerstände.

von ... (Gast)


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Das in Reihe-Schalten der Dioden ist ein allgemein verwendetes Prinzip, 
auch früher schon:

http://de.wikipedia.org/wiki/Selengleichrichter

Ich stell mir das so vor. Wenn die Spannung an einer Diode 600V erreicht 
und ein Strom zu fließen beginnen würde, dann steigt die Spannung an der 
Diode ja nicht weiter an. Aber die andere Diode sperrt ja auch noch und 
würde jetzt den Rest der Spanung übernehmen. Also kein Problem.

von yalu (Gast)


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> Also kein Problem.

Häette ich auch gesagt.

> Wäre es möglich, daß eine der Dioden deshalb durchbricht und die
> Sperrspannung wesentlich kleiner wird, was die zweite Diode mitreissen
> würde?

Wieso sollte der Spannungsabfall in Sperrrichtung beim Durchbruch
kleiner werden? S. Diodenkennlinie.

von Johannes M. (johnny-m)


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Wir arbeiten im Hochspannungslabor seit Jahren mit gaaaanz vielen in 
Reihe geschalteten (Standard-) Dioden als Hochspannungsgleichrichter und 
es hat nie Probleme mit den Dingern gegeben. Allerdings fließt da auch 
nicht viel Strom (zumindest im Regelfall nicht) und wir arbeiten im 
Netzfrequenzbereich. Wenn man nicht grad zwei Dioden, deren 
Sperrspannung mit jeweils 600 V angegeben ist, in Reihe mit 1200 V 
belasten will, dann sehe ich da auch keine größeren Probleme. Je nach 
Anordnung kann es allerdings sinnvoll oder gar erforderlich sein, das 
ganze zusätzlich zu symmetrieren (wie oben schon gesagt), v.a. dann, 
wenn höhere Frequenzen als ein paar hundert Hz ins Spiel kommen und die 
kapazitive Kopplung eine Rolle spielt. Im netzfrequenten Bereich ist das 
i.d.R. unkritisch.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Ich kenne die Reihenschaltung auch eher mit Symmetrierwiderständen
(die können recht hochohmig sein), so wurden durchaus beispielsweise
Anodenspannungen in Senderendstufen erzeugt, für die es seinerzeit
keine preiswerten Hochspannungsgleichrichter gab.

Bei den Selengleichrichtern haben die relativ hohen Leckströme des
Gleichrichters selbst die Symmetrierung übernommen.  Dadurch konnte
man relativ bequem durch Übereinanderstapeln ganz vieler Plättchen
(jeder Se-Gleichrichter kann nur (15...20) V ab) die im Wikipedia-
Artikel genannten Hochspannungsgleichrichter für Fernsehgeräte
bauen.

Andererseits sind natürlich 800 V für zwei 600-V-Dioden wirklich
Peanuts.  Die Wahrscheinlichkeit ist ja recht hoch, dass jede dieser
Dioden bereits einzeln bei gewöhnlichen Betriebsbedingungen (also
weit weg von der höchstzulässigen Betriebstemperatur) die 800 V
locker allein wegstecken kann.

Schließlich frage ich mich allerdings, ob nicht die für die Diskussion
hier aufgewändete Zeit heutzutage bereits teurer geworden ist als der
Kauf einer einzelnen Diode, die 1 kV aushält...

von Jorge (Gast)


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Bei der Hochspannungskaskade im Fernseher wird das so gemacht (10 Dioden 
und mehr). Die Leckströme reichen zur Symmetrierung reichen wohl aus, 
die parasitären Kapazitäten tun ein übriges. Vielleicht nimmt man lieber 
2-4 Dioden mehr. Am besten kauft man die Dioden zusammen dann stammen 
sie vielleicht aus einer Serie.

von Jörg R. (Firma: Rehrmann Elektronik) (j_r)


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Die Serienschaltung von Dioden ist bei 50 Hz relativ unproblematisch. Da 
reicht die Parallelschaltung von Widerständen aus. Da die Sperrströme 
zumindest bei Raumtemperatur relativ gering sind, funktioniert es 
meistens auch ohne Widerstände. Bei höheren Frequenzen geht das 
allerdings nicht mehr. Neben den unterschiedlichen Sperrströmen kommt 
noch die unterschiedliche Sperrverzugsladung dazu, die die schnellsten 
Dioden mit einem erheblichen Sperrstrom belastet und diese leicht 
zerstören, was dann natürlich im Endeffekt zur Zerstörung aller Dioden 
führt. In solchen Fällen müssen zusätzlich zu den Widerständen noch 
Kondensatoren parallel geschaltet werden, deren minimale Größe sich aus 
der Toleranz der Sperrverzugsladungen berechnen läßt. Die Kondensatoren 
können bei höheren Frequenzen aber recht störend werden.
Idealerweise verwendet man in Hochspannungsgleichrichtern 
Avalanche-Dioden, die ein kontrolliertes Durchbruchsverhalten (ähnlich 
einer Zenerdiode) besitzen und sich auf diese Weise ihre max. 
Sperrspannung selbst zuteilen bzw. begrenzen.
Es kann übrigens tatsächlich sinnvoll sein, zwei 600-V-Dioden statt 
einer 1000-V-Diode zu verwenden, da 1000-V-Dioden in der 1-Ampere-Klasse 
i.d.R. deutlich langsamer sind als vergleichbare 600-V-Dioden. 
1000-V-Dioden haben meistens trr > 75ns, während man 600-V-Dioden auch 
problemlos mit trr < 25ns bekommt.

Jörg

von oszi40 (Gast)


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Johann schrieb oben
100kHz. MUR160 (600V, 1A) Effektivstrom  weniger als 1mA,
Da wird die Kapazität einer Diode schon viel interessanter.

von Jorge (Gast)


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>Avalanche-Dioden, die ein kontrolliertes Durchbruchsverhalten (ähnlich
>einer Zenerdiode) besitzen und sich auf diese Weise ihre max.
>Sperrspannung selbst zuteilen bzw. begrenzen.

Bin mit allem einverstanden und bekenne meine fehlende Erfahrung damit, 
nur sind nicht alle Dioden auch Avalanche Dioden ohne definierten 
Durchbruch.

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


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Jörg R. wrote:
> Die Serienschaltung von Dioden ist bei 50 Hz relativ unproblematisch. Da
> reicht die Parallelschaltung von Widerständen aus. Da die Sperrströme
> zumindest bei Raumtemperatur relativ gering sind, funktioniert es
> meistens auch ohne Widerstände. Bei höheren Frequenzen geht das
> allerdings nicht mehr. Neben den unterschiedlichen Sperrströmen kommt
> noch die unterschiedliche Sperrverzugsladung dazu, die die schnellsten
> Dioden mit einem erheblichen Sperrstrom belastet und diese leicht
> zerstören, was dann natürlich im Endeffekt zur Zerstörung aller Dioden
> führt. In solchen Fällen müssen zusätzlich zu den Widerständen noch
> Kondensatoren parallel geschaltet werden, deren minimale Größe sich aus
> der Toleranz der Sperrverzugsladungen berechnen läßt. Die Kondensatoren
> können bei höheren Frequenzen aber recht störend werden.

Also doch komplizierter, als ich erst dachte...

Sperrverzugsladung ist im Datenblatt der MUR160 nicht angegeben, die 
Revers-Kapazität liegt im Bereich von ein paar pF.

Die Dioden arbeiten in einem SNT, sitzen also hinter einer Drossel. Mit 
den Parallel-Rs wäre dann die volle Sekundärspannung auf dem Schalt-FET 
(IRF 9630, hält -200V), und mit den Parallel-Cs baut man nen hübschen 
parasitären Schwingkreis zusätzlich zu dem aus der Drossel und der 
Dioden-Kapazität.

Gibt's da grobe Richtwerte für die Dimensionierung? Die 
Parallelwiderstände "gefühlt" im Bereich von 50MOhm aufwärts und die 
Kapazitäten ebenfalls im pF-Bereich?

> Idealerweise verwendet man in Hochspannungsgleichrichtern
> Avalanche-Dioden, die ein kontrolliertes Durchbruchsverhalten (ähnlich
> einer Zenerdiode) besitzen und sich auf diese Weise ihre max.
> Sperrspannung selbst zuteilen bzw. begrenzen.

Naja, daß ich die MUR160 verwende ist eher Zufall. Bin bem Wühlen im 
Natz mal darauf gestossen, als ich ein 250V-SNT baute. Dioden sind wie 
Transistoren ne Wissenschaft für sich, und Vergleichstabellen sucht man 
sich den Wolf und findet trotzdem keine (zumindest nicht im Netz).

> Es kann übrigens tatsächlich sinnvoll sein, zwei 600-V-Dioden statt
> einer 1000-V-Diode zu verwenden, da 1000-V-Dioden in der 1-Ampere-Klasse
> i.d.R. deutlich langsamer sind als vergleichbare 600-V-Dioden.
> 1000-V-Dioden haben meistens trr > 75ns, während man 600-V-Dioden auch
> problemlos mit trr < 25ns bekommt.
>
> Jörg

Danke für die Erklärungen!

Johann

von Jörg R. (Firma: Rehrmann Elektronik) (j_r)


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@Jorge:
> nur sind nicht alle Dioden auch Avalanche Dioden ohne definierten
> Durchbruch.

Der wesentliche Unterschied zu normalen Dioden besteht darin, dass 
Avalanche-Dioden in Sperrrichtung auch eine erhebliche Energiemenge 
absorbieren können. Voraussetzung dafür ist ein definierter Durchbruch 
über die ganze Chipfläche hinweg.
Bei normalen Dioden ist der Durchbruch in der Sperrschicht nur punktuell 
dort, wo sie am schwächsten ist. Folglich kommt es bei nennenswerten 
Sperrströmen lokal zu einer unkontrollierten Überhitzung und Zerstörung 
der Sperschicht, genau wie beim 2. Durchbruch bipolarer Transistoren.

@Johann:

> Sperrverzugsladung ist im Datenblatt der MUR160 nicht angegeben, die
> Revers-Kapazität liegt im Bereich von ein paar pF.

Ja, sie wird bei kleinen Dioden gerne weggelassen. Die Reverse-Kapazität 
ist eher vernachlässigbar gering gegenüber den benötigten 
Parallelkapazitäten.

> Gibt's da grobe Richtwerte für die Dimensionierung? Die
> Parallelwiderstände "gefühlt" im Bereich von 50MOhm aufwärts und die
> Kapazitäten ebenfalls im pF-Bereich?

Das hängt natürlich von den Toleranzen der Dioden ab. Ich würde eher von 
einer Größenordnung von 1 MOhm aufwärts und die Kapazität im 
100-pF-Bereich aufwärts ausgehen.
Das Problem kann man übrigens elegant umgehen, indem man die 
Wechselspannung entsprechend der Sperrspannung der Dioden geringer wählt 
und eine Kaskade nachschaltet.

Jörg

von Jorge (Gast)


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>Bei normalen Dioden ist der Durchbruch in der Sperrschicht nur punktuell
>dort, wo sie am schwächsten ist. Folglich kommt es bei nennenswerten
>Sperrströmen lokal zu einer unkontrollierten Überhitzung und Zerstörung
>der Sperschicht, genau wie beim 2. Durchbruch bipolarer Transistoren.

Ich möchte mich nochmals bedanken. Deine Argumentation ist schlagfertig. 
Ein Grinsen kann ich mir trotzdem nicht verkneifen und zwar erinnert es 
mich an die Empfehlung beim Gewitter einen Baum zu suchen...

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