Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Verdrillte Leitungen


von Karl (Gast)


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Hallo,

ich habe einige Fragen zum Thema verdrillte Leiungen.

Zunächst einige Fragen was die erzielten Effekte betrifft:

Man erreicht eine Verringerung der induktiven Kopplung da sich entlang 
des verdrillten Leitungspaares Leiterschleifen mit jeweils 
entgegengesetzter Polarität ausbilden und sich die induzierten 
Spannungen damit gegenseitig kompensieren. Aber einen ähnlichen Effekt 
hab ich doch, wenn ich beide Leitungen einfach nur eng beieinander 
führe. Im Hin- und Rückleiter bilden sich Magnetfelder aus dich sich 
aufgund der entgegengesetzen Flussrichtung des Strom aufheben, und somit 
gibts kein Magnetfeld mehr, oder?

Durch möglichst enges Zusammenführen der Signalleitung mit dem 
jeweiligen Bezugspotential koppeln Störungen auf beide Leiungen und 
wirken als Gleichtaktsignale welche sich i.d.R. gut unterdrücken lassen. 
Auch hier sollte doch enges Zusammenführen beider Leitungen den selben 
Effekt haben, auch ohne Verdrillung.

Gibt es noch mehr Effekte durch Verdrillen der Leitung?

Nun noch eine Frage zur Umsetzung: Damit das überhaupt funktionieren 
kann, muss im Hin- und Rückleiter der gleiche Strom fliessen. Wenn ich 
aber jede Signalleitung mit einer eigenen Masseleitung verdrille, biete 
ich dem Strom mehrere Wege zurückzufliessen. Wie stellt man sicher, dass 
der Signalstrom auch durch die jeweils "richtige" Ader zurückfliesst?

Danke im Voraus für eure Antworten

von Marc S. (euro)


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stell dir mal 3 leiter nebeneinander vor...einfaches flachbandkabel. und 
nu leg auf das ganz linke ein HF-Störsignal. Das mittlere kabel wird 
stärker beeinflusst als das rechte. Nu verdrill das mittlere mit dem 
rechten leiter und schau dir dir konstruktion an. liegt nu das vorher 
mittlere oder das vorer rechte näher am HF-Störsignal ?

von Karl (Gast)


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Ok, das ist ein Argument für die reine induktive Kopplung, aber bei 
Strahlungskopplung sollte es egal sein, da hier das Fernfeld betrachtet 
wird und ein paar mm sicherlich keinen wesentlichen Unterschied machen.

von A. F. (artur-f) Benutzerseite


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Ich hatte das Thema in meiner Dipl. Arbeit angeschnitten gehabt. Woran 
ich mich noch erinnern kann:
Wenn man bei einer verdrillten Leitung die Signale zu einer gemeinsamen 
Rückleitung und nicht zu Masse auswertet, reduziert dies die kapazitive 
Einflüsse. Allgemein ist die kapazitive Last einer Signalleitung zur 
Masse größer als bei einer verdrillten Signalleitung zur Rückleitung.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Stell dir eine lange gepaarte Leitung vor und einen Sender weit weg. Die 
Leitung macht eine Stromschleife auf, das ist wie ein Trafo mit 1 
Wicklung, da lässt sich sauber was induzieren (-->--) .
1
     .------------>------------------------>---------------.
2
     |                                                     v  I
3
     '------------<------------------------<---------------'

Wenn du die Leitungen verdrillst, ist der induzierte Strom (-->--) von 
Schlag zu Schlag invertiert und hebt sich so pro 2 Verdrillungen auf.
1
     .------------>----------. .------------>---------------.
2
     |                        X                             | I = 0
3
     '------------<----------' '------------<---------------'

von Gast (Gast)


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> Im Hin- und Rückleiter bilden sich Magnetfelder aus dich sich
> aufgund der entgegengesetzen Flussrichtung des Strom aufheben, und somit
> gibts kein Magnetfeld mehr, oder?

Nein. Das (externe Stör-)Magnetfeld induziert einen Strom in eine 
Leiterschleife. Je grösser die Fläche zwischen den Leitungen ist umso 
mehr Strom. Stichwort: Magnetische Flussdichte. Woher das externe Feld 
kommt ist erst mal belanglos. Das kann von ner Stromleitung kommen oder 
von deiner nebenanliegenden Datenleitung.
Beim Verdrillen ist die Fläche einmal nach oben und einmal nach unten 
ausgerichtet, somit einmal positiver Strom plus einmal negativer Strom 
ergibt null, mal ganz einfach gesprochen :-)

von Falk B. (falk)


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@Gast (Gast)

>Nein. Das (externe Stör-)Magnetfeld induziert einen Strom in eine
>Leiterschleife.

Erstmal ne Spannung. Ob dann Strom fliesst und wieviel entscheider der 
Schleifenwiderstand.

>Je grösser die Fläche zwischen den Leitungen ist umso
>mehr Strom.

Nöö, umso mehr Spannung.

> Stichwort: Magnetische Flussdichte.

Stichwort Maxwellsche Gleichungen. Oder wenn nicht ganz so hoch sein 
soll, Faradaysches Induktionsgesetz.

MFG
Falk

von Karl (Gast)


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Danke für eure Antworten. Aber was ist mit dem letzten Teil meiner 
Frage: Wie sag ich dem Signalstrom, dass er durch genau die Ader 
zurückliessen soll, die mit der er Verdrillt ist? Wo ich das hier 
schreibe fällt mir grad ein Grund ein: Der Strom nimmt den Weg des 
geringsten Widerstandes und das ist bei einer Wechselspannung nicht 
zwingend der niederohmigste Weg sondern der mit der geringsten Impedanz, 
also sucht er sich einen Weg, wo die Leiterschleife möglichst klein 
bleibt, so oder so ähnlich könnt ich mir das vorstellen...

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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> also sucht er sich einen Weg, wo die Leiterschleife möglichst klein
> bleibt, so oder so ähnlich könnt ich mir das vorstellen...
Nicht schlecht, der Gedankengang. Um auf dieses Ergebnis zu kommen 
brauchen andere wesentlich länger, manche kommen nie drauf ;-)
Du kannst es dem Strom nicht sagen. Du kannst ihm nur helfen, einen Weg 
mit möglichst geringem Widerstand (Impedanz) zu finden, indem du so 
einen Weg anbietest. Und das ist idR. einfach der nächstliegende Leiter.

BTW:
Das gilt auch auf Leiterplatten: wenn da ein Strom durch eine 
Signalleitung fließt, möchte er möglichst in der Nähe dieser Leitung 
(normalerweise auf GND) wieder zurück. Ist der Rückweg versperrt (keine 
Massefläche) oder unterbrochen (Einschnitte in der Massefläche) dann 
gibts Punktabzug in der Note Störabstrahlung und Störfestigkeit.

von Karl (Gast)


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@Lothar Miller

Interessanter Punkt, hab ich bisher auch nie drüber nachgedacht.

Übrigens sind in deiner "Zeichnung" die Strompfeile falsch, glaub ich...

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