Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Einige Fragen zu Transformatoren


von Sebastian R. (sebr)


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Beschäftige mich derzeit etwas intensiver mit Transformatoren da ich 
hier noch einige unidentifizierte Trafos rumliegen habe die ich sinnvoll 
einsetzen möchte.
NAch abschätzen der ungefähren Leistung käme dann Leerlauf- und 
Kurzschlußversuch. So weit so gut.

1.) Zum abschätzen der umsetzbaren Leistung des Trafos: was ist 
"genauer" Ermittlung der Leistung anhand der Abmessungen des Kerns oder 
des Drahtdurchmessers der Primärwicklung? Welche Stromdichten werden 
dort (Netztransformatoren, unvergossen, Leistung zwischen 50VA und 
200VA) angesetzt?

2.) Kurzschlußversuch. Bei nur einer Primär- und einer Sekundärwicklung 
kein Problem, hab ich schon oft gemacht. Aber die Literatur schweigt 
sich dazu aus wie der Kurzschlußversuch aussieht wenn mehrere Wicklungen 
sekundärseitig vorhanden sind. Wie ist die Durchführung der Messung(en) 
in dem Fall?

3.) Die Primärwicklung hat bei meinen Trafos oft 1.3 Anzapfungen. wie 
finde ich denn heraus welche Anzapfung für 220/230V ist? Was sind 
übliche Werte bei den Primäranzapfungen?


Vielen Dank schonmal im Voraus für eure Antworten!

von MaWin (Gast)


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1. Trafos gleicher Kerngrösse haben gleiche Leistung. Allerdings wird 
die Leistung heute bei ohm'scher Belastung angegeben. Bei Gleichrichtung 
und Siebelko ist die Verlustwärme grösser, also die erlaubte Belastung 
geringer.

2. Ermittle den Drahtwiderstand der Wicklung (aus Leerlauf/definierte 
Belastung). Verschiedene Wicklungen haben unterschiedliche Spannungen 
und unterschiedliche Widerstände. Rechnest du Widerstand * Spannung, 
hast du alle Wicklungen auf Drahtquerschnitt normiert.
Nun kannst du die (unterschiedliche) Stromverteilung berechnen, in dem 
du den Strom / Querschnitt bei allen gleich ansetzt.

3. Primäranzapfungen: Es reicht, wenn du die 115V und 230V Wicklungen 
auseinanderhalten kannst. Ob dann die Wicklung 220, 230 oder 240 hat, 
ist egal, da fliegen nicht gleich die Funken oder der Trafo geht nicht 
gleich in Sättigung. Orientierte dich lieber an der gewünschten 
Sekundär-Nenn-Spannung.

von Purzel H. (hacky)


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Der Leerlaufversuch wird nicht das Gewuenschte ergeben. Denn die 
Nennspannung ist definiert bei Nennlast. Je nach Trafogroesse kann die 
Leerlaufspannung bis 50% (bei kleinen Trafos), resp 5% (bei grossen 
Trafos) groesser sein. Dasselbe bei kurzschluss. Der Kurzschlussstrom 
ist groesser als der Nennstrom. Und zwar haben die grossen Trafos den 
prozentual groesseren Kurzschlussstrom

von Sebastian R. (sebr)


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MaWin schrieb:
> 1. Trafos gleicher Kerngrösse haben gleiche Leistung. Allerdings wird
> die Leistung heute bei ohm'scher Belastung angegeben. Bei Gleichrichtung
> und Siebelko ist die Verlustwärme grösser, also die erlaubte Belastung
> geringer.
Ok, danke dass du meine Vermutung bestätigt hast. Werde dann noch ein 
bischen Sicherheitsreserve zugeben und per Handauflegen die Erwärmung 
prüfen.

MaWin schrieb:
> 2. Ermittle den Drahtwiderstand der Wicklung (aus Leerlauf/definierte
> Belastung). Verschiedene Wicklungen haben unterschiedliche Spannungen
> und unterschiedliche Widerstände. Rechnest du Widerstand * Spannung,
> hast du alle Wicklungen auf Drahtquerschnitt normiert.
> Nun kannst du die (unterschiedliche) Stromverteilung berechnen, in dem
> du den Strom / Querschnitt bei allen gleich ansetzt.
Da stelle ich mir die Frage WIE ich die einzelnen Primärwicklungen 
belasten soll. Am sinnvollsten Nennlast, oder? Aber da brennen mir doch 
Wicklungen aus dünnem Draht durch.
Geht es so: Annahme: Stromdichte Primärwicklung = Stromdichte 
Sekundärwicklung(en)! Aus Nennleistung (Kernquerschnitt), Nennspannung 
und Primärwicklungsdurchmesser die Stromdichte errechnen und den Wert 
dann auch zur Berechnung der Sekundärströme nutzen?!

MaWin schrieb:
> 3. Primäranzapfungen: Es reicht, wenn du die 115V und 230V Wicklungen
> auseinanderhalten kannst. Ob dann die Wicklung 220, 230 oder 240 hat,
> ist egal, da fliegen nicht gleich die Funken oder der Trafo geht nicht
> gleich in Sättigung. Orientierte dich lieber an der gewünschten
> Sekundär-Nenn-Spannung.
Es ist sowieso kein 115V-Kandidat dabei, der müsste ja dann die 
Anzapfung widerstandsmäßig gesehen in der Mitte der Wicklung haben. Die 
Anzapfungen hier liegen aber ziemlich am Ende der Wicklung (bei ca. 5% 
der Windungen).

Hey noch Was schrieb:
> Der Leerlaufversuch wird nicht das Gewuenschte ergeben. Denn die
> Nennspannung ist definiert bei Nennlast. Je nach Trafogroesse kann die
> Leerlaufspannung bis 50% (bei kleinen Trafos), resp 5% (bei grossen
> Trafos) groesser sein. Dasselbe bei kurzschluss. Der Kurzschlussstrom
> ist groesser als der Nennstrom. Und zwar haben die grossen Trafos den
> prozentual groesseren Kurzschlussstrom.
Das ist zwar prinzipiell alles richtig, aber hier irrelevant/unpassend, 
denn:
a) Sekundärseitige Spannungen interessieren beim Leerlaufversuch nicht.
b) Beim Kurzschlussversuch wird primärseitig Nennstrom eingestellt.

Nachzulesen z.B. hier: 
http://www.pmf.fh-goettingen.de/lehrgebiete/elektrotechnik/pdf/GET%20V4.pdf

von byte (Gast)


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Sebastian R. schrieb:
> Kurzschlußversuch

Was meinst du damit? Uk messen oder schlichtweg kurzgeschlossen?

Grundsätzlich kann man die Trafos anhand der Kerngrößen einer Leistung 
zuordnen wie du schon erkannt hast. Dann kommts halt auf die Art an. Es 
gibt harte und weiche, das sieht man nicht auf den ersten Blick. 
Rinkerne sind meist sehr "hart" und Klingeltrafos oder 
BilligAkkuladerTrafo ziemlich weich.

Wenn ich einen unbekannten Kandidaten vor mir habe gehe ich meist so 
vor.

* Kernleistung abschätzen (Tabellen)
* Sofern möglich sicherheitshalber Drahtdurchmesser erfassen und 
max.Strom "schätzen" (Tabellen, R, n, etc)
* Wicklungen Identifizieren (Pri, Sec, 110, 220, etc)
* Leerlaufspannung(en) messen
* Ri mit einer Ohmschen Belastung ermitteln
* Anhand der geschätzten Kernleistung und Ri grob Unenn und Inenn 
berechnen (P=I²xR)
* Anhand Unen und Uleer Uk berechnen, evtl. mal nachmessen ob Plausibel.

Man nehme sich alle erfassten Daten und male sich ein Bild von dem 
Unbekannten ;) Mann hat dann grob Unenn, Inenn und die 
Spannungssteifheit durch Uk.

Schwieriger wirds bei mehreren Sek.Wicklungen verschiedener Bauart 
(untersch. Drahtdurchmesser). Gleiche Durchmesser (auch wenn 
unterschiedliche Spannungen) kann man zum Messen in Reihe schalten 
(Achung, Phasengleich). Die kann man nachher Anhand der 
Wicklungswiderstände oder Uleer wieder aufdröseln.

Das ganze ist halt wirklich schätzerei. Desto mehr man misst, desto 
genauer kann man schätzen. Wenn man paranoid genug ist, kann man den 
dann auch mit Nennlast ein paar Stunden laufen lassen und Temperatur 
messen. Geschickterweise mit Gleichrichter+Elko.

Falls sich unplausible Werte ergeben, insbesondere wenn man einen 
Kandidaten mit >10 wirren Drähten hat.... schlichtweg die Finger weg 
lassen. Damit kann man sich die Hütte abfacklen wenn man einen Fehler 
macht.

von Sebastian R. (sebr)


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byte schrieb:
> Sebastian R. schrieb:
>> Kurzschlußversuch
>
> Was meinst du damit? Uk messen oder schlichtweg kurzgeschlossen?
Sekundärseitig kurzgeschlossen, genau so wie mans eben kennt. Dann auf 
Nennstrom einstellen und Uk ablesen. Und da stellt sich mir die Frage 
wie mit mehren Sekundärwicklungen umzugehen ist. Einfach jede 
kurzschließen? Glaube ich eher weniger.

byte schrieb:
> Dann kommts halt auf die Art an. Es
> gibt harte und weiche, das sieht man nicht auf den ersten Blick.
> Rinkerne sind meist sehr "hart" und Klingeltrafos oder
> BilligAkkuladerTrafo ziemlich weich.
Das sind alles geblechte (0,5mm) EI-Kerne so zwischen 50VA und200VA.

byte schrieb:
> * Kernleistung abschätzen (Tabellen)
Ich schau dazu immer hier: 
http://www.jogis-roehrenbude.de/Transformator.htm

von byte (Gast)


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Sebastian R. schrieb:
>> Was meinst du damit? Uk messen oder schlichtweg kurzgeschlossen?
> Sekundärseitig kurzgeschlossen, genau so wie mans eben kennt. Dann auf
> Nennstrom einstellen und Uk ablesen.

Aber das Problem ist doch das du die Nennwerte nicht kennst, oder? Also 
insbesondere den Nennstrom.

> Und da stellt sich mir die Frage wie mit mehren Sekundärwicklungen umzugehen
> ist. Einfach jede kurzschließen? Glaube ich eher weniger.

Theoretisch ja. Müstest halt für jede Wicklung dann entsprechend ein 
Amperemeter einschleifen. Oder gleiche Drahtdurchmesser in Reihe 
schalten. (richtigherum!!) Wobei ich ersteres noch nie selber 
ausprobiert habe. Heute abend gleich mal testen.

Wichtig bei der Uk-Messung ist das alle Wicklungen mit dem Nennstrom 
laufen. Wenn man nur eine Wicklung nimmt.. bekommt man evtl viel zu hohe 
Werte. Die Leistungen in Summe müssen am Ende wider zusammenpassen.

> Das sind alles geblechte (0,5mm) EI-Kerne so zwischen 50VA und200VA.

Kommt halt aufs Blech an. Hatte auch schon so Ladetrafos die erstmal 
total unverdächtig aussahen aber so "weich" waren das man sich jedwede 
Strombegrenzung sparen konnte. :)

> * Kernleistung abschätzen (Tabellen)
> Ich schau dazu immer hier:
> http://www.jogis-roehrenbude.de/Transformator.htm

Oder halt im guten alten E-Tech Tabellenbuch. Bei normalen Netztrafos 
(EI, Standarttrafoblech) kannst auch eine "schnellschätzung" machen 
wennst einfach Uleer - 10% machst.

von Falk B. (falk)


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von MaWin (Gast)


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> Da stelle ich mir die Frage WIE ich die einzelnen Primärwicklungen

Primär ?

> belasten soll. Am sinnvollsten Nennlast, oder?

Kennst du nicht. Natürlich nicht drüberleigend, also wirst du drunter 
bleiben. trotzdem schon eine relevante Last anlegen, je nach Trafo.
Also irgendeine aus der Leerlaufspannung ermittelte brauchbar definierte 
Last.

> Geht es so: Annahme: Stromdichte Primärwicklung = Stromdichte
> Sekundärwicklung(en)!

Ein Trafo könnte zwar so ausgelegt sein, muß er aber nicht.
Besser ist: Stromdichte pro Querschnitt in allen Sekundärwicklungen 
gleich.
Das reicht schon.

> den Wert dann auch zur Berechnung der Sekundärströme nutzen?!

Du bekommst ein Verhältnis der Sekundärwicklungen.
Die Summe hast du aus Spannung und Gesamtleistung.
Dann musst du die einzelnen Ströme aufteilen.

von Sebastian R. (sebr)


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byte schrieb:
> Aber das Problem ist doch das du die Nennwerte nicht kennst, oder? Also
> insbesondere den Nennstrom.
Nennleistung bekommt man über die Kernabmessungen, Nennspannung 
(Netzspannung) ist auch bekannt, daraus dann Nennstrom errechnen?!

byte schrieb:
> Theoretisch ja. Müstest halt für jede Wicklung dann entsprechend ein
> Amperemeter einschleifen. Oder gleiche Drahtdurchmesser in Reihe
> schalten. (richtigherum!!) Wobei ich ersteres noch nie selber
> ausprobiert habe. Heute abend gleich mal testen.
>
> Wichtig bei der Uk-Messung ist das alle Wicklungen mit dem Nennstrom
> laufen. Wenn man nur eine Wicklung nimmt.. bekommt man evtl viel zu hohe
> Werte. Die Leistungen in Summe müssen am Ende wider zusammenpassen.
Da bin ich sehr gespannt über deine Erkenntnisse - berichte uns mal! 
Leider kann ich selber noch keine Messungen machen da ich noch auf ne 
neue Kohlerolle für meinen Stelltrafo warte :(

MaWin schrieb:
>> Da stelle ich mir die Frage WIE ich die einzelnen Primärwicklungen
>
> Primär ?
Sorry, sollte natürlich Sekundärwicklungen sein!

MaWin schrieb:
>> Geht es so: Annahme: Stromdichte Primärwicklung = Stromdichte
>> Sekundärwicklung(en)!
>
> Ein Trafo könnte zwar so ausgelegt sein, muß er aber nicht.
> Besser ist: Stromdichte pro Querschnitt in allen Sekundärwicklungen
> gleich.
> Das reicht schon.
Unter http://www.jogis-roehrenbude.de/Transformator.htm kann man sehen 
dass die primärseitige Stromdichte immer etwas unter der der 
sekundärseitigen liegt. Vermute mal das liegt daran, dass man primär 
Draht mit höherem (als für den Nennstrom nötigen) Durchmesser verwendet 
um die Kupferverluste (hohe Windungszahl primärseitig) gering zu halten. 
Auf der Website gibts auch ein Diagramm Leistung / Stromdichte.

von Sebastian R. (sebr)


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@byte: hast du mal Messungen gemacht?

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