Forum: HF, Funk und Felder d/dt des D-Flusses in den Maxwellgleichungen


von hans (Gast)


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Zu allen Termen der Maxwell-Gleichungen gibt es eigentlich eine einfache 
Erklärung bzw. ein eine direkte praktische Anwendung.

div D = rho (=> Kondensator)
div B = 0 (=> Keine magnetischen Monopole)
rot E = -(d/dt)B (=>Induktionsgesetz, z.B. Generator)
rot H = J + (d/dt)D

Die vierte Gleichung kann ich mir auf diese Weise aber nur bis auf den 
ersten Summanden erklären, J beschreibt ja einfach die Entstehung eines 
Magnetfelds und ist z.B. in einem Motor oder in einer Spule von 
Interesse.

Aber was ist mit (d/dt)D? Was es bedeutet ist klar, aber gibt es irgend 
eine praktisch greifbare Anwendung dafür? (Dass es für die Entstehung 
von Wellen notwendig ist, ist klar. Aber darüber hinaus...?)

von Marcel (Gast)


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J ist doch formal die Stromdichte und ist damit nicht nur in Motoren 
oder Spulen wichtig.

Aber du sagst es doch selber, wenn ein (d/dt)D kein rot H erzeugen 
würde, gäbe es keine elektromagnetischen Wellen. Reicht dir das nicht 
als Anwendung?

von hans (Gast)


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Marcel schrieb:
> Aber du sagst es doch selber, wenn ein (d/dt)D kein rot H erzeugen
> würde, gäbe es keine elektromagnetischen Wellen. Reicht dir das nicht
> als Anwendung?

Hätte ich dann gefragt? ;-) Natürlich ist es eine extrem wichtige und 
praxisrelevante Anwendung. Mir geht es eher um eine direkte, vielleicht 
etwas plakative Anwendung wie eben das Induktionsgesetz.

von Marcel (Gast)


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Die Antwort auf die Frage, warum das Dielektrikum eines Kondensator für 
Wechselstrom quasi leitfähig ist?

von hans (Gast)


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Marcel schrieb:
> Die Antwort auf die Frage, warum das Dielektrikum eines Kondensator für
> Wechselstrom quasi leitfähig ist?

Sehe den Zusammenhang jetzt irgendwie nicht...?

von Purzel H. (hacky)


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Also. Rot H ist eine Stromlinie und die gibt es um eine (statische) 
Stromdichte J, ebenso wie um einen sich zeitlich aendernden 
Verschiebungsstrom dD/dt.

von Nils (Gast)


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hans schrieb:
> Marcel schrieb:
>> Die Antwort auf die Frage, warum das Dielektrikum eines Kondensator für
>> Wechselstrom quasi leitfähig ist?
>
> Sehe den Zusammenhang jetzt irgendwie nicht...?
Nach Anwendung von div folgt (da div rot H = 0 = 'das Magnetfeld hat 
keine Quellen und Senken'):
0 = div j + d/dt(div D) = div j + d/dt rho
(Faktoren wie pi und so weggelassen).
Man sieht, dass dies eine Kontinuitätsglg. darstellt, die ohne (d/dt)D 
verletzt wäre.
Deutung: Es gibt nur geschlossene Ströme.
Bei Wechselstrom folgt mit obiger Kontinuitätsglg., dass die Feldlinien 
im Kondensator fortgesetzt werden und die Ladungsbilanz auch in diesem 
Fall erhalten bleibt.

Ansonsten hat Marcel die Frage eigentlich beantwortet:
rot H = J + (d/dt)D
führt in Verbindung mit den anderen Gleichungen bei nicht 
verschwindendem (d/dt)D (besser schnellem (d/dt)D) direkt zur 
Wellengleichung und stellt damit den allgemeinen Fall der 
Maxwell-Theorie dar.
Ohne das, gäbe es im Großen und Ganzen nur die Effekte, die Du bereits 
beschrieben hast.

von Nils (Gast)


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Nachtrag:
Die Sichtweise kann man auch umkehren. Man könnte einfach die ersten 
Gleichungen hinschreiben und nur die stationären Fälle und den 
quasistaionären Fall betrachten. Diese vier Gleichungen:
div D = rho
div B = 0
rot E = -(d/dt)B
rot H = J
Mit der Betrachtung der Ladungsbilanz sieht man, dass 'rot H = J' nicht 
richtig sein kann und führt zusätzlich den Term (d/dt)D ein.
Und allein aus der Schlüssigkeit dieser Gleichungen, kann man schließen, 
dass es so etwas wie elektromagnet. Wellen geben muss.
Soweit ich weiß, war das der historische Weg - und wenn ich mich nicht 
irre hat Maxwell allein aus dieser Betrachtungsweise heraus auf die 
Existenz elektromagnetischer Wellen geschlossen, bevor diese bekannt 
waren.

von Michael L. (Gast)


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Hallo hans,

wie Du sicher oft gehört hast, ist der Stromkreis immer geschlossen. Bei 
genauerem Hinsehen stellt sich jedoch die Frage, wie sich der Stromkreis 
wohl in einem Kondensator schließt. Schließlich ist das Dielektrikum 
zwischen den Platten nicht leitfähig.

Die Lösung: Es ist der Verschiebungsstrom dD/dt*A, der dort den 
Stromkreis schließt, und auch dieser Verschiebungsstrom hat ein 
Magnetfeld.

Zur Erklärung:
Dem Gaußschen Gesetz entsprechend gehört zu jeder Ladung eine bestimmte 
Menge an elektrischem Fluß D*A (A: Oberfläche). Die Größe D*A ist also 
so etwas wie eine Ladung.
Beim Durchflutungsgesetz (Gl. 4) betrachtet man im Gegensatz zum 
Gaußschen Gesetz jedoch keine Oberfläche, sondern irgendeine gewöhnliche 
Fläche und macht sich Gedanken darüber, was passiert, wenn nicht die 
Ladungen selbst, sondern nur das von dieser Ladung erzeugte D-Feld durch 
die Querschnittsfläche dringt.

Das Ergebnis: Der Querschnittsfläche ist es egal, ob die Ladungen selbst 
in einer bestimmten Zeit die Querschnittsfläche durchläufen, oder ob die 
Ladung kurz vor der Querschnittsfläche anhält und nur ihr Feld die 
Querschnittsfläche durchdringen läßt.
Die Querschnittsfläche erkennt beides als Strom und läßt sich nicht 
weiter beeindrucken ;-)

Gut für den Funk: Die elektromagnetischen Wellen lösen von den Ladungen. 
Die Ladungen müssen beim Funk nicht mit ausgesendet werden, um Induktion 
zu erzeugen. So wirken auch Änderungen des D-Feldes in der Luft wie 
Ströme.

Also:
> div D = rho             (=> Kondensator)
> div B = 0               (=> Keine magnetischen Monopole)
> rot E = -(d/dt)B        (=>Induktionsgesetz, z.B. Generator)
> rot H = J + (d/dt)D     (Der Stromkreis ist geschlossen.)


Gruß,
  Michael

von hans (Gast)


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Genau das hat mich interessiert! Vielen Dank für die gute Erklärung! :-)

von Michael L. (Gast)


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hans schrieb:
> Genau das hat mich interessiert! Vielen Dank für die gute Erklärung! :-)

Hallo Hans,

gerne geschehen.

Beschäftige Dich bei Interesse unbedingt auch mit folgenden zum 
Verständnis ungemein nützlichen Fragen:

- zum Induktionsgesetz
Weshalb ist es vollkommen logisch, daß (obwohl tausendfach behauptet) in 
Spulen keine "Gegenspannungen" existiert? Was passiert mit der 
Lorentzkraft, die bei Induktion auf die Ladungen im Wickeldraht wirkt, 
d. h. wann und wodurch wird sie kompensiert?

- zum Poyntingvektor
Was macht der Poyntingvektor bei statischen 
Feldern?(http://de.wikipedia.org/wiki/Poynting-Vektor#Poyntingvektor_bei_statischen_Feldern)

- zum Gaußschen Gesetz
Ist das D-Feld einer Ladung bereits heute im Unendlichen angekommen? 
Schließlich ist die Gleichung
 nur vom Ort, aber nicht von der Zeit abhängig. Wenn ich eine Fläche A 
wähle, deren Abstand r größer als r>c*T (T: Alter des Universums, c: 
Lichtgeschwindigkeit) ist, so befindet sich dort dem Gaußschen Gesetz 
entsprechend schon ein Feld.

- zum Durchflutungssatz
Breitet sich das H-Feld mit mehr als der Lichtgeschwindigkeit aus?
Man wähle einen großen Radius r > t0*c um einen zunächst nicht 
stromführenden Leiter. Nach Einschalten eines Stromes (linear 
ansteigend, eine Rechteckfunktion geht ja nicht) breitet sich eine Welle 
aus. Zur Zeit t0 kann noch kein H-Feld am Umkreis r angekommen sein.

Weshalb also gilt:
für den Umlaufweg in der Entfernung r.

- zur Lorentzkraft
Wie ergibt sich der magnetische Teil der Lorentzkraft bei 
relativistischer Betrachtung aus der Coloumb-Kraft (nach Orear):
http://www.imn.htwk-leipzig.de/~lueders/informatik/lehrinhalte/b08_magstat.pdf

Gruß,
  Michael

von Martin Althaus (Gast)


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Michael Lenz schrieb:
> Weshalb ist es vollkommen logisch, daß (obwohl tausendfach behauptet) in
> Spulen keine "Gegenspannungen" existiert?

Das heißt dann doch, daß es die Lenzsche Regel nicht gibt. Oder versteh 
da was falsch?

Bei uns im Mikrowellen Labor hieß es damals immer:

Gott sprach

div D = rho
div B = 0
rot E = -(d/dt)B
rot H = J
und es herrschte Finsterniss

Gott sprach

 div D = rho
 div B = 0
 rot E = -(d/dt)B
 rot H = J + (d/dt)D
 und es ward Licht
 Gruß Martin

von Michael L. (Gast)


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Hallo Martin,

>> Weshalb ist es vollkommen logisch, daß (obwohl tausendfach behauptet) in
>> Spulen keine "Gegenspannungen" existiert?
>
> Das heißt dann doch, daß es die Lenzsche Regel nicht gibt. Oder versteh
> da was falsch?

da mißverstehst Du mich. Es bedeutet nur, daß in der Spule (bei 
physikalisch korrekter, aber idealtypischer Betrachtung) keine Spannung 
herrscht, so wie das für einem Draht mit R=0 sich gehört.

Die Kirchhoffsche Maschengleichung heißt:

Sie bedeutet: Im Stromkreis herrscht Kräftegleichgewicht in Bezug auf 
die Ladungen. Die Stromstärke bleibt so, wie sie ist. Das ist der Fall 
bei Gleichstrom.


Das Induktionsgesetz sagt:

Es bedeutet: Im Stromkreis herrscht kein Kräftegleichgewicht in Bezug 
auf die Ladungen. Man kann dieses Kräfteungleichgewicht dadurch 
erzeugen, daß man den magnetischen Fluß ändert, und umgekehrt, wenn man 
ein Kräfteungleichgewicht erzeugt, entsteht ein Magnetfeld.
Die Stromstärke ändert sich (aufgrund des Kräfteungleichgewichtes).

Gruß,
  Michael

von hans (Gast)


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Die Spannung ist aber als Wegintegral über ein elektrisches Feld 
definiert. Integriert man entlang der Spulendrähte, so kommt man sehr 
wohl auf eine Spannung.

von Michael L. (Gast)


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Hallo Hans,

> Die Spannung ist aber als Wegintegral über ein elektrisches Feld
> definiert. Integriert man entlang der Spulendrähte, so kommt man sehr
> wohl auf eine Spannung.
um Dir Deinen Irrtum klarzumachen, will ich den Fall eines 
Transformators diskutieren, der primärseitig gespeist wird und sich 
sekundärseitig im Leerlauf befindet.

Da der Sekundärstrom I2 bei Leerlauf in sehr guter Näherung gleich Null 
ist (wir wollen die Verschiebungsströme und die resistiven Ströme durch 
die Luft vernachlässigen), und der Widerstand R2 des Wickeldrahtes bei 
idealtypischer Betrachtung ebenfalls näherungsweise gleich Null ist, 
gilt im Spulendraht:

U_Draht = R2 * I2 = 0

Das ist sozusagen "Null zum Quadrat". Noch kleiner geht es nicht.
Es kann also kein E-Feld im Draht sein.

Diese Aussage widerspricht in keiner Weise dem Induktionsgesetz oder der 
Erfahrung, daß Du an den Klemmen eine Spannung mißt.
Das Induktionsgesetz sagt nur etwas darüber aus, was als Summe "einmal 
im Kreis herum" für eine Spannung herauskommt.

Und als Summe "einmal im Kreis herum" kommt heraus:
Uind = U_Draht + U_Klemme = 0^2 + U_Klemme

Du mißt an den Klemmen also die induzierte Spannung genau deshalb, 
WEIL (und nicht: obwohl) die Spannung im Draht gleich Null ist.

Um es nochmal mit anderen Worten auszudrücken: Bei Induktion ist die 
Spannung, die Du mißt, abhängig vom Weg, über den Du integriert. Das ist 
genau die Eigenschaft, die ein Wirbelfeld von einem Potentialfeld (oder 
konservativen Feld) unterscheidet und die eigentliche Bedeutung der 
"geschlossenen" E-Feldlinien bei Induktion.

Geschlossene Feldlinien kennst Du übrigens aus dem Alltag - vom 
Fahrradfahren beispielsweise!

Stell Dir einen kreisförmigen Windwirbel vor (Wirbelfeld) und eine 
Straße, die diesen Kreis nachzeichnet. Wenn Du von einem Punkt A zu 
einem Punkt B kommen willst, so hast Du die Möglichkeit, auf der Straße
1) mit dem Wind und
2) gegen den Wind
zu fahren.
Und nun überlege einmal kurz, ob die beim Fahren verrichtete Arbeit 
wegabhängig ist :-)


Gruß,
  Michael

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