Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Formulierung der Lagrange-Gleichung


von Ullrich von Wolfenstein (Gast)


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Hi, um ein System beschreiben zu können, wird der Lagrangeformalismus 
angewendet. Darin ist die Lagrangefunktion Summe kinetischer Energie - 
Summe potentieller Energie.

Ich habe Probleme beim Einordnen zwischen kinetisch und potentiell. Ich 
hab versucht, was aus dem Internet zu verstehen, dort heisst es, 
kinetisch ist alles, was mit Bewegung zu tun hat.

E_Feder = 0,5 m * x^2
E_Kondensator = 1/C * q^2
E_Spule = 0,5 L q_punkt ^2
E_rotatorisch = 0,5 Teta phi_punkt ^2

ist es so richtig - alle Terme mit Ableitungen , also q_punkt x_punkt, 
phi_punkt sind kinetisch, weil die Ableitung der Koordinate dessen 
Geschwindigkeit ist und alle Größen, wo kein Punkt drüber steht, also 
Kondensatorenergie und Federenergie sind potentiell? Hab ich das so 
richtig kapiert?

von Hans Mayer (Gast)


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In der Mechanik ist das wohl so, in der Elektrotechnik ist die Sache 
weniger klar, z.B. die Energie in einer Spule ist potentiell aber mit 
Punkt.
Bin mir da nicht 100% sicher.

von Hans Mayer (Gast)


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Sorry, das war Quatsch.

von Karl H. (kbuchegg)


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Ullrich von Wolfenstein schrieb:

> Geschwindigkeit ist und alle Größen, wo kein Punkt drüber steht, also
> Kondensatorenergie und Federenergie sind potentiell? Hab ich das so
> richtig kapiert?

Na ja.
Die Begriffe Kinetische und Potentielle Energie werden normalerweise 
fast ausschliesslich in der klassichen Mechanik benutzt. Also: Wagen 
fährt einen Berg runter.
Oben am Berg hatte er kinetische Energie 0 und eine potentielle Energie, 
die von seiner Höhe über 0 abhängt.
Während des Rollens wird potentielle Energie in kinetische Energie 
umgewandelt - sprich er gewinnt an kinetischer Energie - sprich er wird 
schneller.
Ist der Wagen dann bei Höhe 0 (im Tal) angelangt, ist seine potentielle 
Energie 0 (weils nicht mehr bergab geht) und dafür hat er maximale 
kinetische Energie. Kracht er dann in einen Baum, so wird die kinetische 
Energie in Verforumungsenergie bzw. Wärmeenergie umgewandelt.

Im Zusammenhang mit Spulen und Kondensatoren denke ich nicht, dass man 
die Begriffe kinetische Energie bzw. potentielle Energie benutzen 
sollte. Denn ein Kondensator funktioniert ja auf der Zugspitze auch 
nicht anders als am Bodensee. IMHO ist da der Begriff potentielle 
Energie nicht ganz angebracht.

> ist es so richtig - alle Terme mit Ableitungen , also
> q_punkt x_punkt, phi_punkt sind kinetisch,

Ich würde sagen: Maximal nur dann, wenn nach der Zeit abgeleitet wird. 
Einfach nur Ableitung ist zu wenig.

von Hans Mayer (Gast)


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Sas dachte ich auch, aber google hat mich gelehrt, daß man Lagrange auch 
in der Elektronik nutzen kann.
Dann muss man irgendwie sagen, daß ein Kondensator Energie speichert 
aber das Potential hat sie abzugeben und daß ein Stromfluss in einer 
Spule eher dem "Schwung" entspricht also kinetisch ist.
Ich konnte jedoch keine gute Quelle dazu finden und hab auch gerade 
keine Lust einen Schwingkreis mit Lagrange durchzurechnen um es 
herauszufinden.

von Karl H. (kbuchegg)


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Hans Mayer schrieb:
> Sas dachte ich auch, aber google hat mich gelehrt, daß man Lagrange auch
> in der Elektronik nutzen kann.

Ich stell ja auch nicht den Satz von der Erhaltung der Energie in Frage 
:-)

Ich bin nur nicht so glücklich mit den Bezeichnungen 'kinetische 
Energie' bzw. 'potentielle Energie' bzw. der Vereinfachung: alles was 
abgelitten wird, ist kinetisch

Nimm zb das in Wikipedia aufgerführte Beispiel:
Geladenes Teilchen im elektromagnetischen Feld.

Dort ist das Felde selber mit der Zeit variabel 
(geschwindigkeitsabhängig), ist aber trotzdem eine 'potentielle 
Energie'.

Eventuell würde man es so formulieren können:
Wenn man jedem Ortspunkt eines Systems (wobei auch der Begriff 'Ort' 
nicht unbedingt einen 3D-Raum kennzeichnen muss) einen bestimmten 
Energieinhalt zuschreiben kann, dann ist das eine potentielle Energie. 
Dieser Energieinhalt ist unabhängig von sonstigen Bestimmungsgrößen und 
wird erhalten, einfach nur dadurch, dass man sich an diesem Ort befindet 
(wobei, stimmt eigentlich auch nicht ganz, denn Elektron im Feld: Das 
Potnetial ist geschwindigkeitsabhängig)

von Harald M. (mare_crisium)


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Da habt ihr ein kniffliges Thema angeschnitten :-)!

Um beim Beantworten der Frage sicher zu sein, wovon die Rede ist, muss 
man zwischen Elektrodynamik und Elektrotechnik unterscheiden.

Die Elektrodynamik beschäftigt sich mit den Energiearten und Bewegungen 
reiner, masseloser Ladungen. Das alles wird durch die Maxwellschen 
Gleichungen ausserordentlich präzise beschrieben.

Die Elektrotechnik beschäftigt sich mit der Strömen und Spannungen, die 
in elektrischen Bauteilen (Drähte, Widerstände, Halbleitern usw.) 
herrschen. Die Ströme werden von bewegten Elektronen verursacht, deren 
Masse aber so unglaublich klein ist, dass man sie vernachlässigen kann. 
Deshalb lassen sich auch alle Gleichungen der Elektrotechnik aus den 
Maxwellschen Gleichungen ableiten.

Dss bedeutet, dass klassische Mechanik und Elektrotechnik ganz 
unterschiedlichen physikalischen Gesetzen gehorchen.

Wenn also in der Elektrotechnik Gleichungen auftauchen, die so aussehen, 
wie Lagrangegleichungen aus der klassischen Mechanik, und die man mit 
denselben Methoden lösen kann, dann bedeutet das nicht, dass man auch 
die physikalische Bedeutung der mathematischen Ausdrücke gleichsetzen 
darf. Wenn man's trotzdem tut kommt manchmal (selten) etwas Sinnvolles 
heraus, manchmal aber auch nur Mist (meistens).

In der Elektrotechnik könnte man statt von potenieller Energie im Sinne 
der klassichen Mechanik, von statisch gepeicherter Energie sprechen. Das 
wäre dann z.B. ein geladener Kondensator, in dem man Energie über 
mehrere Sekunden (oder noch länger) speichern und in der Gegend 
herumtragen kann.

Statt der kinetischen Energie müsste man von dynamisch gespeicherter 
Energie sprechen. Das wäre dann z.B. die Energie die im Magnetfeld einer 
stromdurchflossenen Spule gespeichert ist. Sie wird aber nur so lange 
gespeichert, wie der Strom durch die Spule fliesst. Unterbricht man die 
Anschlüsse der Spule, dann hört der Stromfluss sehr schnell auf, das 
Magnetfeld bricht zusammen und die Energie ist futsch.

mare_crisium

von Frank B. (frank501)


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Karl heinz Buchegger schrieb:
> Denn ein Kondensator funktioniert ja auf der Zugspitze auch
> nicht anders als am Bodensee.

Hat auf der Zugspitze aber eine grössere potentielle Energie als am 
Bodensee.

SCNR

von Stefan (Gast)


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Wenn man weiß, wovon man spricht, kann man durchaus Analogien erkennen, 
z.B. die Masse, die nach oben transportiert wird, wird in einem Feld 
gegen die Kraft bewegt, wodurch das System Energie gewinnt. Genau das 
gleiche würde passieren, wenn man die Platten eines geladenen 
Kondensators auseinander zieht. Hier äußert sich die verrichtete Arbeit 
dann in einer höheren Spannung, also in entnehmbarer elektrischer 
Energie. So lassen sich eine ganze Reihe von Entsprechungen finden. 
Nicht zuletzt deswegen auch die Ähnlichkeit zwischen einem schwingenden 
mechanischen Federpendel und einem Schwingkreis.

von Thomas B. (detritus)


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Die Analogien sind da und werden z.B. auf dem Feld der Modellbildung 
ausgenutzt. Da arbeitet man mit verallgemeinerten Fluss- und 
Potentialvariablen, und kann damit mit einem Formalismus beliebige 
Systeme (hydraulisch, chemisch, ...) u.a. mittels Lagrange als DGL 
beschreiben oder als elektrisches Netzwerk darstellen.
Die Begriffe der potentiellen und kinetischen Energien werden dabei 
ebenfalls verallgemeinert, und so führen Feder-Masse-Dämpfer-Systeme zu 
den gleichen DGLs wie LCR-Schwingkreise.

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