Forum: Offtopic Vom Umbau der Universitäten zu ökonomisch arbeitenden Drillanstalten


von Uhu U. (uhu)


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Jochen Hörisch skizziert in seinem Vortrag, wie die Universitäten mit 
der Bologna-Reform verändert wurden. Man kann den Vortrag hier hören, 
oder herunterladen.

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/wissen-2-0-nutzen-und-effizienz/-/id=660374/nid=660374/did=7488166/3m1tys/

Ich kann nur sagen, daß ich unter heutigen Verhältnissen nicht studieren 
würde...

von Purzel H. (hacky)


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In den USA hat man schon seit langen das Tutor system. Dort lehren 
sogenannte Tutoren, dh knappgehaltene Mitarbeiter des Professors, die 
fachlich alles koennen. Diese Tutoren werden daran gemessen was die 
Studenten nachher koennen. Diese Einpeitscher kommen nur auf einen 
brauchbaren Lohn, wenn sie den Studenten was beibringen. Wie auch immer 
das Wissen gemessen wird.

von P. M. (o-o)


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Bologna ist Murks, da sind sich Professoren und Studenten weitestgehend 
einig. Man wollte Flexibilität und Kompatibilität. Flexibilität wurde 
nicht erreicht, da alles in Kreditpunkte gepresst und nach 
Bachelor/Master gestuft werden muss. Die meisten Studiengänge haben aber 
sinnvolle Eigenheiten, die eben nicht in das Schema passen, 
beispielsweise Praktika. Kompatibilität wurde nicht erreicht, da bloss 
die "Abrechnung" (Kreditpunkte) vereinheitlicht wurde, aber nicht 
annähernd Lerninhalte und Voraussetzungen für die Studiengänge.

von Uhu U. (uhu)


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P. M. schrieb:
> Man wollte Flexibilität und Kompatibilität.

Wenn dem so wäre, dann hätte man nicht an allen Ecken und Enden 
Kontrollen und unendliche Bürokratie eingebaut.

> Flexibilität wurde nicht erreicht,

Das wollte man auch nicht. Man wollte die akademische Freiheit 
abschaffen - und das ist zu 100% gelungen. Das hat Jochen Hörisch sehr 
plastisch dargestellt.

von Michael K. (charles_b)


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Also ICh bin auch froh, heute nicht studieren zu müssen.

Uns ging es im Studium bis in die letzten Semester stets um die Sache 
selbst, um wissenschaftliche Fragen, möglich Experimente etc. etc. 
Fragen, ob man damit reich werden würde stellten wir und nicht - und das 
war auch gut so.

Bildung ist im Grunde genommen erst einmal ein Selbszweck. Das 
Individuum macht sich ein Bild von der Welt und den Dingen. Und zwar in 
einer geordneten, bewertenden und interpretierenden Art und Weise.

Auf dieser Grundlage, die auch das Wertesystem beinhaltet, werden dann 
mehr oder weniger kreative Lösungen für aktuelle Probleme erarbeitet.

Wer sich schon heute fragt, was er in 20 Jahren einmal entdecken wird, 
hat gleich eine Antwort: Nichts, weil man zum Entdecken Freiräume und 
keinen Lernknast braucht.

P.S. Nicht das hier der Eindruck entsteht, wir hätten nur mit 
Marx-Zitaten in der Wiese gelegen. Mit den schönen Übungsaufgaben, 
Praktikumsvor- und Nachbereitungen kamen wir locker auf ne 
60-Stunden-Woche.

von P. M. (o-o)


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Michael K-punkt schrieb:
> Mit den schönen Übungsaufgaben,
> Praktikumsvor- und Nachbereitungen kamen wir locker auf ne
> 60-Stunden-Woche.

Naja, bemittleidet uns heutige Studenten mal nicht zu sehr. Mit ner 
60-Stunden-Woche schafft man auch ein Bologna-Studium locker ;-)

Das Problem, warum junge Leute teilweise grosse Probleme mit dem Druck 
haben, sehe ich woanders:

- Einerseits sind wir uns heute halt schon an viel gewöhnt. Vor sagen 
wir mal 30, 40 Jahren war ein Studium halt noch keine 
Selbstverständlichkeit, somit gingen deutlich motiviertere Leute an die 
Uni als in einer Zeit, wo man das Studium fast "braucht" und jeder ein 
Abi schafft.

- Das Bewusstsein, dass man etwas tun muss um etwas zu haben (beruflich, 
schulisch, gesellschaftlich, politisch, ...), war vermutlich auch schon 
stärker vorhanden als in unserer Generation. Von klein auf lebten wir in 
einer so stabilen und fürsorglichen Welt, dass vieles einfach als 
automatisch gegeben betrachtet wird. Keine optimalen Voraussetzungen, um 
mal richtig beissen zu können...

- Dazu kommt noch Statusdruck und ein enormes Potential an 
freizeitlichen Ablenkungen. Wo heute 3 Fernsehsendungen, 2 Partys, 5 
Internetforen und ein neues Computerspiel warten, hatte man vielleicht 
früher einfach mal Zeit, sich eine Herleitung im Skript rein aus 
Interesse zu Gemüte zu führen.

von Purzel H. (hacky)


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Ich hab vor 30 Jahren studiert. Und vor 30 Jahren war die Berufswelt 
ohne Studium eher banal. Soll man die naechsten 40 Jahre nur Kabel 
anschrauben ? Oder Locher bohren ? Verdrahtungsplaene zeichnen ? Das hat 
man alles schon nach einem Jahr gesehen, und dann soll man sich die 
naechsten 39 Jahre langweilen ?
Und das hat sich auch erfuellt. Langweilig wurde es nie. Man musste sich 
auch konstant weiterbilden. Das Studium selbst war degegen gar nichts.

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