Forum: HF, Funk und Felder Magnetisches Feld berechnen


von Tobias P. (hubertus)


Lesenswert?

Hallo Leute,
ich hab da mal eine Frage betreffend der Berechnung eines magnetischen 
Felds.
Gerade eben erst gelernt:
Die allgemeinste Form, um den magnetischen Feldstärkevektor zu 
berechnen, lautet:

Dabei ist der Vektor s eine Raumkurve, die den Leiter beschreibt, durch 
den der Strom I fliesst, und r ist der Abstand eines Punkts im Raum, wo 
ich die Feldstärke berechnen möchte, von dieser Raumkurve.
Soweit so gut; ich habe mal Maple angeworfen und mir eine Raum"kurve" s 
gebastelt, die lediglich einen langen, geraden Leiter darstellt.
Berechnet man dann dieses Integral, kommt erwartungsgemäss die richtige 
Feldstärke heraus, und es lässt sich sogar symbolisch berechnen, sodass 
ich die Feldstärke in einem beliebigen Punkt bestimmen kann und einen 
fieldplot ausgeben kann.
Leider wird das Integral sehr schnell sehr kompliziert.
Wähle ich

und berechne die Feldstärke in den Punkten x, y, z, dann wird

Durch das Kreuzprodukt wird der ganze Ausdruck ziemlich hässlich, und 
mein Rechner beisst sich am Integral die Zähne aus. Ich habe einen 64Bit 
Rechner mit 8GB RAM, und Maple hatte auch nach über einer Stunde rechnen 
kein Resultat gefunden :o ich gehe aber mal davon aus, dass ich richtig 
rechne, denn wenn ich die Feldstärke an fixen Punkten berechnen lasse, 
dann stimmen die Werte mit den Formeln, die man in jeder Formelsammlung 
findet, überein.
Ich denke also, dass die Berechnung dieses Integrals in kartesischen 
Koordinaten nicht mehr möglich ist, weil das Ding einfach zu kompliziert 
wird. Daher nehme ich mal an, dass ich das ganze in Zylinderkoordinaten 
rechnen muss. Dann wird

und somit

was ja schon ein wenig einfacher ist. Doch nun wie weiter? Ich kenne 
leider Zylinderkoordinaten nicht so gut. Wie integriert man da? Kann ich 
den s-Vektor überhaupt so ausdrücken, wie oben dargestellt? Das sollte 
doch einen Kreis mit Radius 1 ergeben, auf Höhe 0 um den Ursprung. Oder 
nicht?

von Biot-Savart (Gast)


Lesenswert?

Ja, das Problem hatte ich auch mal. Da die wenigsten Integrale 
analytisch lösbar sind, habe ich numerisch integriert. Damit reduziert 
sich das Problem darauf, die Geometrie des fließenden Stromes durch 
viele sehr kurze Leiterstücke zu beschreiben.

von Tobias P. (hubertus)


Lesenswert?

Hi,
ja das stimmt schon. Nur: wenn ich das Vektorfeld zeichnen möchte, muss 
ich ja eine Vektorfunktion basteln können H(x,y,z), oder? Das heisst, 
ich habe mindestens immer noch diese x, y und z Variablen in meinem 
Integral drin.
Ansonsten stimme ich dir zu - wenn x y und z bekannt sind, kann ich das 
Integral ohne Probleme berechnen.

von trabbie (Gast)


Lesenswert?

Nein, du musst nicht unbedingt die Funktion (mit x, y, z als Variablen) 
analytisch herleiten, um das Vektorfeld zeichnen zu können.
In der Regel wird in Programmen das Vektorfeld numerisch (heißt: Punkt 
für Punkt einzeln, Genauigkeit variabel) berechnet und dann gezeichnet. 
Stichwort: Finite Elemente Methode.

von Purzel H. (hacky)


Lesenswert?

Nur schon wegen des Kreuzproduktes wuerde ich in kartesischen 
Koordinaten rechnen. Ich hab solche Rechnungen schon von 10 Jahren auf 
einem 300MHz 386 gemacht. Der war hinreichend schnell. Einfach die 
Geometrie des Leiters in hinreichend kleine Stuecklein zerscheibeln und 
dann numerisch drueber. Du wirst staunen wie schnell das berechnet ist.

von Tobias P. (hubertus)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Hi Trippel Oschi,
danke für deinen Hinweis.
Zwar ist mir schon klar, dass sich auch ein moderner Rechner an einem 
solchen Integral die Zähne ausbeisst - jedoch bin ich davon ausgegangen, 
dass meine Mathesoftware das auch weiss und dementsprechend rundet.
Ich habs jetzt hingekriegt - nach langem gurgeln habe ich rausgefunden, 
dass der int-Befehl, welcher zum Berechnen des Integrals verwendet wird, 
eine zusätzliche option namens numeric=true unterstützt - dann wird rein 
numerisch gerechnet.
Im Anhang mal ein Bild, wie nun bei mir das magnetische Vektorfeld einer 
kreisförmigen Leiterschleife aussieht (ich hab, damit man was sehen 
kann, extra nur wenige Pfeile aktiviert).

von Daniel (Gast)


Lesenswert?

Hallo Tobias, falls dich das Thema näher interessiert...
http://www.falstad.com/mathphysics.html

von Martin (Gast)


Lesenswert?

Bei einer kreisförmigen Leiterschleife wird das ganze leider nicht mehr 
so einfach. Diese Leiterschleife stellt ein magnetisches Dipolmoment da. 
Eine Taylorentwicklung liefert:
Kann sein, dass Vorfaktoren anders sind, wichtig ist erstmal die Gestalt 
des Problems. Wie schon gesagt, ist das hier nur eine Taylorentwicklung. 
Ein knapper analytischer Ausdruck ist nicht möglich. Du kannst auf 
Legendre Polynome umsteigen und nach Winkel entwicklen anstatt nach
 aber dadurch wird es auch nicht schöner. Was du allerdings lösen kannst 
ist der Fall, wenn du dich entlang der Symmetrieachse bewegst [math}\vec 
r \ortho.

Wenn du über Zylinderkoordinaten integrierst, dann lautet das 
Volumenelement:

Hier bietet es sich außerdem an die Leiterschleife als:
 zu definieren. Dirac Deltas erleichtern das Integrieren unheimlich.

Ausgehend der (wirklich) allgemeinsten Form:

ergibt sich mit der oben genannten Stromdichte folgendes Integral:

Nun muss man
 in Zylinderkoordinaten angeben. Der Cosinus Satz liefert fast gerade 
die erzeugende Funktion der Legendre Polynome:
. Das scheint jetzt ein bisschen chaotisch, aber die Dirac Deltas helfen 
uns gleich sehr!
In der letzten Zeile wurde die Rotationssymmetrie ausgenutzt!

Nun wird integriert:


Falls du die Dirac-Deltas nicht kennst:



Ab jetzt solltest du nur die Symmetrieachse
 betrachten, oder auf Legendre-Polynome umsteigen. Ein paar Komponten 
könnten zwar noch wegfallen, aber es vereinfacht sich nicht sehr stark. 
Oder du benutzt gleich das magnetische Dipolmoment von oben und plottest 
dir das.

Auf der Symmetrieachse lässt sich das Magnetfeld sehr leicht angeben:
Der zweite Term fällt beim integrieren weg:

das wichtige was man sich hier merken sollte ist, das dirac deltas für 
einen die ganze Arbeit machen. Ich musste kein einziges Integral lösen, 
lediglich ein paar Kreuzprodukte kennen.

Ich hoffe das hat geholfen!

martin

von Martin W. (martin123)


Lesenswert?

Der letzte Beitrag war von mir, war leider nicht angemeldet.

von Tobias P. (hubertus)


Lesenswert?

Hallo Martin,
willst du mir damit sagen, meine Rechnung sei falsch?
Wie bereits angedeutet, lässt sich dieses Linienintegral oder wie man 
das auch nennen will berechnen, wenn ich für x, y und z konkrete Werte 
einsetze. Symbolisch geht es nicht, da gebe ich dir recht, aber 
numerisch klappt das mit Maple ganz gut. Ausserdem stimmt die 
Feldstärke, die ich im Zentrum der kreisförmigen Leiterschleife erhalte, 
ja auch überein mit der Wert, den die Formeln aus jedem Physik- oder 
E-Tech Buch liefern. Wo liegt denn mein Fehler?
Ein Kollege meinte, er hätte sowas schon mal mit finiten Elementen 
gerechnet - die Leiterschleife also in kleine Geraden zerlegt und dann 
mit der Formel aus dem Physikbuch, welche für gerade Leiter gilt, 
gerechnet. Addition bringe ähnliche Werte wie mein Integral hier, meinte 
er.

ist doch die allgemeine Form, oder nicht?

von Martin W. (martin123)


Lesenswert?

Die von dir angegebene Formel ist eigentlich ein spezialfall für 
unendlich dünne Leiter. Du kannst natürlich damit das Problem im oben 
genannten Rahmen analytisch lösen, aber es ist deutlich komplizierter. 
Dein erster fehler ist bei der Parametrisierung. ds zeigt in die 
Richtung eines Linienelements. So wie du es angegeben hast:
zeigt es radial nach außen. Richtig wäre:
Nun zeigt die Parametrisierung der Kurve tangential, also entlang der 
Leiterschleife. Aber das Ganze hilft dir nur begrenzt, weil du wieder 
alle Einheitsvektoren einsetzen musst und dann drei Integrale ausführen 
musst. Die Vektornotation vereinfacht es da leider überhaupt nicht, weil 
man so nicht integrieren kann!

Der Sinn meines Beitrags war zum einen zu zeigen, wie man zwei dieser 
Integrale geschickt durchführen kann und so das Problem deutlich 
vereinfacht und zum anderen Lösungsvorschläge anzugeben, wie zum 
Beispiel das oben angegebene Dipolfeld. Im Fernfeld dominiert diese 
Lösung und weshalb nicht die dann verwenden. Es kommt da dann ein 
bisschen darauf an, was du eigentlich machen möchtest:

- Möchtest du es nur plotten, dann benutz einfach weiter Maple
- Möchtest du hingegen einen theoretischen Hintegrundherleiten, dann 
wirst du auf Reihenentwicklungen nicht verzichten können, um weitehrin 
geschlossene Ausdrücke angeben zu können.
-Interessierst du dich fürs Nahfeld und möchtest zum Beispiel Messwerte 
mit einer Simulation vergleichen, dann wäre (wie du schon geschrieben 
hast) eine numerische Berechnung sinnvoll.

von branadic (Gast)


Lesenswert?

Hallo Tobias,

ich bin vor einiger Zeit auf eine recht interessante Vorlesung gestoßen, 
die dich vielleicht auch interessieren könnte und dir bei deinen 
Überlegung unterstützend hilft?

http://www.iks.tugraz.at/lehre/unterlagen/rfid-systems

Schau dir mal Kapitel 3 Nahfeld-Grundlagen an, denn sicherlich 
interessiert dich nicht das Fernfeld des Magnetfeldes.
In dieser Vorlesung werden die zwei Ansätze Magnetisches Moment und 
Biot-Savart-Gesetz für die Bestimmung der H-Feldstärke betrachtet.
Der Herr Finkenzeller geht in seinem Buch auf diese Geschichten leider 
nur sehr oberflächlich ein, möglicherweise um den RFID-interessierten 
Leser nicht zu langweilen oder weil er es nicht besser weiß.

In dem Zusammenhang ist vielleicht auch die Dissertation von Herrn 
Soffke zu nennen "Modellierung, Simulation und Entwurf induktiv 
gekoppelter Transpondersysteme" ab Kapitel 2.

branadic

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.