Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Kapazität eines pn-Übergangs


von Jan R. (rellachs) Benutzerseite


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Hallo allerseits!

Im dynamischen Kleinsignalmodell einer Diode befindet sich parallel zum 
differentiellen Widerstand r_D eine Kapazität, die abhängig von der 
Beschaffenheit des pn-Übergangs ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Diode#Dynamisches_Kleinsignalmodell

Die Raumladungszone ändert ihre Breite je nach angelegter Spannung, 
somit ändert sich auch die Kapazität. Jetzt wird bei Wikipedia bzw. im 
Buch "Halbleiterschaltungstechnik" von Tietze/Schenk eine Sperrschicht- 
und eine Diffusionskapazität unterschieden.

Sind das zwei Begriffe für den gleichen Effekt (je in Vorwärts- bzw. 
Rückwärtsrichtung) oder hab ich da was nicht richtig kappiert?

Vielen Dank!

von Ulrich (Gast)


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Die Sperrschichtkapazität bzw. Diffusionskapazität sind schon als 
Kapazität an der selben Stelle im Ersatzschaltbild, sind aber als 
parallel zu sehen. Die Trennung kommt wegen der unterschiedlichen 
Erklärungen / Berechnung, nicht weil das wirklich getrennte Kapazitäten 
wären. Je nach Spannung dominiert der eine oder andere Effekt und der 
andere kann vernachlässigt werden.

Beide Kapazitäten haben auch eine andere mikroskopische Ursache. 
Besonders bei der Diffusionkapazität ist die übliche Formel auch nur 
eine Näherung für nicht so hohe Frequenzen.

von ArnoR (Gast)


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> Die Trennung kommt wegen der unterschiedlichen
> Erklärungen / Berechnung, nicht weil das wirklich getrennte Kapazitäten
> wären.

Na, das sind schon unterschiedliche Wirkungen und daher Kapazitäten. Die 
Diffusionskapazität beschreibt die durchlassstromabhängige Ladung im 
Übergang und im Gegensatz dazu ist die Sperrschichtkapazität eine 
weitgehend "echte", die von der Fläche und dem Plattenabstand (der 
Breite der Raumladungszone) abhängt.

von Jan R. (rellachs) Benutzerseite


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Ulrich schrieb:
> Beide Kapazitäten haben auch eine andere mikroskopische Ursache.

Ok, wenn ich genau drüber nachdenke, wird mir halbwegs klar worum es 
geht:

Sperrschichtkapazität bedeutet Raumladungszone existent, d.h. sie ist 
ein Maß für den Mangel an freien Ladungsträgern in diesem Bereich 
(Spannungsbereich neg. Durchbruchsspannung bis Flussspannung).

Diffusionskapaziztät ist ein Maß für die "Überkompensation" der 
Raumladungszone, d.h. dass sich dort, wo normalerweise Raumladungszone 
wäre, (bewegte) Ladungsträger befinden - die Ladungsträgerdichte ist 
logischerweise proportional der Stromstärke. Über einer idealen Diode 
fällt max. die Flussspannung ab, damit steigt die Kapazität proportional 
zur Ladung (bzw. zum Strom). Beim Abschalten muss diese Ladung erst weg, 
bevor wieder eine Verarmungszone entstehen kann.

Kritisch ist der Übergangsbereich, weil die Sperrschichtkapazität im 
Modell divergiert und die Diffusionskapazität bei Null beginnt. Bei 
einer realen Diode fließt auch unterhalb der Flussspannung schon ein 
Strom, damit überlagern sich beide Effekte. Im einfachsten Fall wird der 
Kapazitätsverlauf in dem Bereich deshalb linearisiert und es ergibt sich 
insgesamt eine mit der Spannung monoton anwachsende Gesamtkapazität.
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Process_of_the_barrier_capacitance.svg&filetimestamp=20120119212306

Ich denke, so passt das in etwa.

von Ulrich (Gast)


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Die Diffusionskapazität entsteht nicht nur durch die Ladungsträger in 
der Raumladungszone. Außer vielleicht bei einer PIN Diode sind die 
meisten Ladungsträger (als überschüssige Minoritätsladungsträger) in der 
Bahngebieten, also außerhalb des PN Übergangs.

Wenn ein Strom in Flussrichtung fließt, fließen Ladungsträger über die 
Sperrschicht und stauen sich dann dahinter als Minoritätsladungsträger. 
Wie viel Strom bei gegebener Spannung fließt hängt davon ab, wie schnell 
die Minoritäts-Ladungsträger dann rekombinieren können. Die Ladung bei 
der Diffusionskapazität sind sozusagen die Minoritätsladungsträger die 
darauf warten zu rekombinieren. Die Energie wird dabei nicht im 
makroskopischen Elektrischen Feld gespeichert, sondern als die Energie 
für die Elektron Loch Paare.

von Kai K. (klaas)


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>Sind das zwei Begriffe für den gleichen Effekt (je in Vorwärts- bzw.
>Rückwärtsrichtung) oder hab ich da was nicht richtig kappiert?

Letztlich wird es darum gehen, eine Diode mit kleiner Kapazität zu 
wählen. Die HSMS2812 wird gerne in HF-Schaltungen genommen, eine sehr 
flinke Schottkydiode. Es gibt aber auch noch kleinere Dioden. Nur muß 
man da ein wenig mit der maximalen Sperrspannung aufpassen. Die sinkt 
dann oft dramatisch. Und auch der Serienwiderstand kann dann wieder 
ansteigen, was eventuell kontraproduktiv ist.

von Jan R. (rellachs) Benutzerseite


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Ulrich schrieb:
> Die Diffusionskapazität entsteht nicht nur durch die Ladungsträger in
> der Raumladungszone. Außer vielleicht bei einer PIN Diode sind die
> meisten Ladungsträger (als überschüssige Minoritätsladungsträger) in der
> Bahngebieten, also außerhalb des PN Übergangs.

Danke für die Korrektur, auch wenn es in meinem speziellen Fall wirklich 
um eine PIN-Diode geht (Bandstruktur verhindert eindringen in die 
gegenüberliegenden Bahngebiete weitestgehend).

Kai Klaas schrieb:
> Letztlich wird es darum gehen, eine Diode mit kleiner Kapazität zu
> wählen.

Da gibbet nix auszusetzen, aber für Diplomarbeiten muss man manchmal 
etwas weiter ausholen, um am Ende bei genau diesem Ergebnis zulanden... 
insbesondere dann, wenn die Diode selbst hergestellt wurde. seufz

von Kai K. (klaas)


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>Da gibbet nix auszusetzen, aber für Diplomarbeiten muss man manchmal
>etwas weiter ausholen, um am Ende bei genau diesem Ergebnis zulanden...
>insbesondere dann, wenn die Diode selbst hergestellt wurde.

Bei GaAs gab es da noch tiefe Donatoren und die Kapazität wurde 
frequenzabhängig, wenn ich mich richtig erinnere...

von Nedal Alshaikh Fatouh (Gast)


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Danke Schatz.

von NurEineIdee (Gast)


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Hallo,

auch wenn etwas weiter entfernt von der Thematik 
(Metall|Isolator|Halbleiter|Back-contact), ist die Studie zu 
MOS-Kondensatoren und deren frequenzabhängiges C-V-Verhalten durchaus 
hilfreich, um sich mehr in die Ersatzschaltbilder von solchen Übergängen 
und deren Verhalten einzulesen. (z.B. Physics of Semiconductor Devices, 
3rd Ed., S. M. Sze, Kwok K. NG. oder auch Semiconductor Device Physics 
and Design, U. K. Mishra, J. Singh)

MfG

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