Forum: Mechanik, Gehäuse, Werkzeug PMMA reinigen - rissfrei


von Timm T. (Gast)


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Ich habe einige Scheiben PMMA gesägt und gebohrt. Was ich vorher nicht 
bedacht habe: Ich habe die Schnittkanten und Bohrachsen großzügig mit 
einem CD-Marker angezeichnet, und müsste den jetzt wieder 
runterbekommen. Normalerweise nehme ich da Spititus, aber...

An einem Probestück versucht: Mit Spiritus oder Isopropanol an einem 
Wattebausch gibt es auch bei kleinesten Mengen an der Kante sofort Risse 
bis 2mm in die Platte hinein.

1. Warum reisst das Plexiglas bei Kontakt mit Spiritus?

2. Wie bekomme ich den CD-Marker zerstörungsfrei da runter? Spiritus und 
Isoprop fallen schonmal aus, Aceton sowieso.

von radiostar (Gast)


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Benzin und Petroleum sind weniger aggressive Reiniger.

von Timm T. (Gast)


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Ja, das fand der CD-Marker auch und hat sich durch das Waschbenzin sowas 
von garnicht beeindrucken lassen.

Auch verdünntes Isopropanol scheint zwar keine Risse mehr zu erzeugen, 
aber juckt auch den CD-Marker überhaupt nicht.

Komisch ist, dass die Risse zwar an den frischen Schnittkanten 
auftreten, aber eine polierte originale Kante der Scheibe (es ist ein 
4mm dicke Platte aus einem TFT-Display) überhaupt nicht auf den Spiritus 
reagiert.

Auch komisch, dass die Risse sofort 2mm tief ins Material gehen, wenn 
man den Spiritus drüberreibt. So schnell kann das Zeug doch gar nicht 
eindringen... Also was passiert da?

von Magnus M. (magnetus) Benutzerseite


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Ich schätze, dass diese Risse bereits vor dem Kontakt mit dem Spiritus 
vorhanden waren. Vermutlich sind sie beim Sägen entstanden.

von Timm T. (Gast)


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Magnus M. schrieb:
> Ich schätze, dass diese Risse bereits vor dem Kontakt mit dem
> Spiritus
> vorhanden waren. Vermutlich sind sie beim Sägen entstanden.

Nein, definitiv nicht. Ich habe mir die Platten genau angesehen. Beim 
Abreiben der Kante mit Spiritus sieht man sofort die Rissbildung, beim 
Abreiben mit Spülmittel-Wasser passiert gar nichts.

Die Risse gehen 2mm ins Material und reissen dann weiter parallel zur 
Schnittkante, bis hin zu Ausplatzungen wenn sich Risse treffen.

Links im Bild abgewischt mit Wasser, rechts mit Spiritus.

Es hilft leider nichts, nur die Fläche abzuwischen, schon kleinste 
Mengen an der Kante reichen, und die Striche gehen nunmal bis zur Kante.

von never ever (Gast)


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versuchsmal mit speiseöl (babyöl) das geht auch etwas einwirken lassen

von Gerhard W. (gerhard86)


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Die Folienmarker lassen sich von glatten Oberflächen oft auch mechanisch 
durch Reiben mit einem groben Tuch o.Ä. beseitigen. Hoffentlich löst der 
CD-Marker nicht die Oberfläche an....

von Georg (Gast)


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>Warum reisst das Plexiglas bei Kontakt mit Spiritus?

Das sind Spannungsrisse. Die Spannungen wurden durch die thermische 
Belastung beim Sägen erzeugt. Plexiglas ist dafür bekannt, dass solche 
Spannungen beim Kontakt mit diversen Lösungsmitteln oder auch beim 
Verkleben zu Spannungsrissen führen.

Google mal mit "PMMA Spannungsrisse", da gibt es zahlreiche 
Informationen zu dem Thema.

>Wie bekomme ich den CD-Marker zerstörungsfrei da runter?

Das Plexiglas VOR dem Reinigen spannungsfrei tempern, mehrere Stunden 
bei ca. 80°C.

Weitere Informationen dazu:

http://www.plexiglas.de/product/plexiglas/de/ueber/faq/Pages/bearbeiten.aspx

Zur Vermeidung solcher Probleme sollte man Plexiglas fachgerecht 
bearbeiten, also das richtige Werkzeug mit dem richtigen Spanwinkel 
verwenden, Vorschub und Schnittgeschwindigkeit richtig wählen, kühlen 
mit geeignetem Kühlmittel bei allen Schneid- und Bohrarbeiten, 
spannungsfrei tempern nach jeder mechanischen Bearbeitung.

von Da Didi (Gast)


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Abgesehen von den Spannungsrissen:

Für mich stellt sich auch noch die Frage, warum du eigentlich direkt auf 
dem Plexiglas herumgemalt hast. Plexiglas wird doch ohne Ausnahme mit 
Schutzfolie verkauft. Das Anzeichnen von Schnittkanten und Bohrungen 
sollte man doch auf dieser Folie machen, die kommt erst dann herunter, 
wenn das Werkstück komplett fertig ist.

Schneidest und bohrst du ohne dieser Schutzfolie? Da wird doch alles 
komplett zerkratzt?

von Timm T. (Gast)


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Da Didi schrieb:
> Plexiglas wird doch ohne Ausnahme mit
> Schutzfolie verkauft.

Die hat der Hersteller des TFT, aus dem die Platte ist 
(Beitrag "Re: PMMA reinigen - rissfrei") gemeinerweise 
schon runtergezogen.

Ich nahm an, das ist Macrolon, dann hätte ich es mit Spiritus abwischen 
können. Als ich ein Randstück abgewischt habe, hab ich dann die Risse 
gesehen und gedacht: Oh, doch PMMA.

Für die nächsten Bohrungen klebe ich Malerkrepp drauf und zeichne darauf 
an.

Also tempern und hoffen, dass es spannungsfrei wird. Bei 4mm Dicke 
müssten (nach 
http://www.plexiglas.de/product/plexiglas/de/ueber/faq/Pages/bearbeiten.aspx) 
2 Stunden bei 80°C und dann langsam 2 Stunden abkühlen lassen reichen, 
oder?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Timm Thaler schrieb:
> Ja, das fand der CD-Marker auch und hat sich durch das Waschbenzin sowas
> von garnicht beeindrucken lassen.

Normales Reinigungsmittel ("Fit" für die Ossis ;-) könnte zusammen
mit kräftigem Reiben auch helfen.

von G. C. (_agp_)


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Magnus M. schrieb:
> Ich schätze, dass diese Risse bereits vor dem Kontakt mit dem Spiritus
> vorhanden waren. Vermutlich sind sie beim Sägen entstanden.

Nein, genau das eben nicht. Ist mir selber schon passiert. Sacklöcher in 
dickes Acrylglas gebohrt und kurz mit Isopropanol gereinigt. So schnell 
kannst du gar nicht schauen wie sich dann Risse bilden. Dann war das 
Werkstück ruiniert. Deshalb NIEMALS mit Isopropanol oder Spiritus in 
solchen Fällen reinigen. Macht man genau einmal und NIE wieder. 
Höchstens auf der polierten Oberfläche kann man verdünnte 
Alkohollösungen mal anwenden. Aber auch das würde ich vermeiden und 
sanftere Mittel (Spüli) nehmen.

Reinigungsbenzin ist dagegen selbst in Bohrungen völlig unproblematisch.

von Walter T. (nicolas)


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g. c. schrieb:
> Macht man genau einmal und NIE wieder.

Genau, und das eigene Glasreiniger-/Spiritusmahnmal bewahrt man gut auf 
als Andenken, warum Alkohol und Plexi nicht zusammenpassen.

Im Anhang übrigens meins. War, kurz vor dem "noch eben reinigen und dann 
einbauen" ganz glatt.

Viele Grüße
Nicolas

: Bearbeitet durch User
von Björn R. (sushi)


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Kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe schon oft Plexiglas entweder mit 
der bandsäge gesägt oder mit der cnc-fräse bearbeitet(Einzahnfräser, 
relativ hoher Vorschub, langsame Drehzahl->lange Späne, weniger 
Hitzestau). Danach immer mit Spiritus gereinigt(und sei es nur, um die 
fingerabdrücke zu entfernen) und nie auch nur den Hauch eines Problems 
gehabt. Aus welchem material letztendlich dein wiederverwertetes Stück 
transparenter Kunststoff ist, wird man so einfach wohl nicht sagen 
können. Es gibt da ja durchaus mehrere. PC und PMMA sind nur zwei 
davon(und denen ist Spiritus meiner Erfahrung nach beiden völlig egal). 
Ich unterstütze daher die These mit den Spannungsrissen, oder es ist ein 
ganz anderes Material.
Ich würde, um deine Werkstücke noch zu retten, die mechanische Methode 
ausprobieren oder vor der Reinigung tempern.

LG, Björn

von Timm T. (Gast)


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Björn R. schrieb:
> Danach immer mit Spiritus gereinigt(und sei es nur, um die
> fingerabdrücke zu entfernen) und nie auch nur den Hauch eines Problems
> gehabt.

Wenn das "Plexiglas" aus dem Baumarkt war, dort Bastlerglas genannt, 
dann ist das kein PMMA, sondern Polystyrol. Das lässt sich problemlos 
mit Spiritus reinigen.

von Björn R. (sushi)


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Ist ja schon was länger her der Beitrag, bin gerade nochmal drüber 
gestolpert. Es handelt sich um Plexiglas XT, also extrudiertes PMMA. Ich 
bearbeite es immer noch genau so ;-)
Mit Kleber habe ich solche Risse mittlerweile auch schon zu sehen 
bekommen(Ruderer L530TF), mit Spiritus habe ich es immer noch nicht 
geschafft. Trotzdem ist natürlich der Hinweis gut, mit der Kombination 
MMA/Alkohol vorsichtig zu sein. Es kommt offenbar tatsächlich auf die 
genaue mechanische Bearbeitung an, ob die Risse entstehen oder nicht. 
Und letztendlich gibt es ja auch noch andere Reiniger als Propanol und 
Ethanol.

LG, Björn

von Poly-Ing (Gast)


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Wen es interessiert:
Das beschrieben Phänomen der Spannungsrisskorrosion welches hier 
beobachtet wird wird durch Crazes verursacht.
Wie bereits richtig erläutert ist die Ursache die thermische Belastung 
des Werkstücks bei der mechanischen Verarbeitung. Dadurch entstehen 
lokale Spannungen im Material. Diese Spannungen sorgen dafür, dass bei 
vielen (thermoplastischen) Kunststoffen  die ansonsten verknäulten 
Polymerketten lokal gestreckt werden.
Wird nun mit einem entsprechenden Lösungsmittel gearbeitet, können die 
Polymerketten teilweise aneinander entlanggleiten (auch unterhalb der 
sog.  Glasübergangstemperatur) und sich so (→ Entropie!) wieder 
verknäulen. Dieses verknäulen verkürzt aber natürlich die Polymerkette, 
was wiederum an den gestreckten Teil zu noch größeren Zugkräften führt, 
bis die Molekülketten schließlich reißen (dies ist eine Theorie nach 
Maxwell und Rahm, es gibt auch eine Oberflächenenergiehypothese, die ich 
dem Leser hier erspare).

Durch das reißen einzelner Ketten müssen nun die übrig gestreckten 
Ketten noch mehr Zugkräfte aufnehmen und es kommt zu einer 
Kettenreaktion bis sich die Spannungen soweit abgebaut haben, das die 
übrigen Ketten dies kompensieren können --> Ein Riß hat sich gebildet.

Um Crazes „auszuheilen“ ist es bei thermoplastischen Polymeren möglich 
diese bis zur Glasübergangstemperatur zu erwärmen (das bereits 
beschriebene Tempern). Dabei können die Polymerketten aneinander 
vorbeigleiten und die Spannungen durch Neuorientierung abbauen ohne zu 
reißen, da auch Bereiche erwärmt werden, indem die Polymerketten 
verknäult vorliegen und so sozusagen „Längen-Reserven“ freigeben können, 
um die lokalen Spannungen abzubauen.
Nach dem Tempern sollte es an der bearbeiteten Oberfläche durch 
Lösungsmittel nicht zur Crazes-Bildung kommen. Allerdings hängt dies 
auch von dem Herstellungsverfahren / Art des Polymers ab, aber für PMMA 
ist Tempern die 1. Wahl (dies wird auch von Evonik empfohlen, die dieses 
Polymer produzieren).

von Codix (Gast)


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Timm T. schrieb:
> CD-Marker angezeichnet, und müsste den jetzt wieder
> runterbekommen. Normalerweise nehme ich da Spititus, aber...
Als kleiner Tipp:
Zum Reinigen von jedweden Kunststoffen benutze schon seit Jahren
ein Produkt mit dem Namen LIXTOP.
Ein spezieller Reiniger für Kunststoffe jeglicher Art.

Damit habe ich immer alle Verschmutzungen (Marker, usw.) einwandfrei
entfernen können.
Ein weiterer Vorteil von dem Mittel ist, dass es antistatische Wirkung 
hat und einen angenehmen Geruch hat.
Kann auch mit Wasser verdünnt werden, wenn man große Flächen 
(Schreibtische, usw.)die keine starken Anhaftungen haben, reinigen 
möchte.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Codix schrieb:
> Zum Reinigen von jedweden Kunststoffen benutze schon seit Jahren
> ein Produkt mit dem Namen LIXTOP.

Laut Sicherheitsdatenblatt auch nur eine Mischung diverser Alkohole,
also kein Grund, den Thread nun von vorn wieder aufzurollen, denn es
ist nicht anzunehmen, dass sich das PMMA mit dem Zeug anders
verhalten hätte.

Der Hinweis von Poly-Ing war dagegen wirklich eine gute Ergänzung
des Threads.

von Steven (. (ovular) Benutzerseite


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Ich geb auch mal noch meinen Senf dazu...


Warum nicht mit einer Polierpaste?
https://www.plexiglas-shop.com/DE/de/zubehoer-zur-bearbeitung/polieren-k3fdo5cr8ot.html
Klappt wunderbar.

Verdünnter Orangenreiniger könnte auch gehen.

Gruß
Steven

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Steven (. schrieb:
> Warum nicht mit einer Polierpaste?

Wie willst du damit Risse im Material wegpolieren?

von Schreiber (Gast)


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Timm T. schrieb:
> 2. Wie bekomme ich den CD-Marker zerstörungsfrei da runter? Spiritus und
> Isoprop fallen schonmal aus, Aceton sowieso.

mit ganz feiner Polierpaste

von Paul B. (paul_baumann)


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Jörg W. schrieb:
> Wie willst du damit Risse im Material wegpolieren?

Mit Sandpapier grober Körnung. Das trägt das Material ab, so daß nur 
noch die Risse übrigbleiben.

mfG Paul

von Timm T. (Gast)


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Schreiber schrieb:
> mit ganz feiner Polierpaste

Das habe ich dann vor drei Jahren auch gemacht, allerdings mit 600er 
Schleifpapier nass geschliffen, und eine schöne mattierte Oberfläche 
erhalten. Sah an der verwendeten Stelle gut aus.

von D. M. (da_miez)


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"Terpentinersatz" ist das Mittel das du brauchst.

Das benutze ich um Schmauchspuren nach dem Lasern von PMMA zu entfernen.

Löst aber auch wasserfeste Stifte wie edding etc.

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