Forum: Platinen Platinenherstellung: wie lange dauert es?


von Anonym (Gast)


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Hallo,

über Preise und Qualität in Deutschland, China und Bulgarien wurde schon 
viel geschrieben. Was ich nicht verstehe ist, wozu brauchen die 
Platinenhersteller 10 oder gar 15 Arbeitstage?
In der Liste der Platinenhersteller 
http://www.mikrocontroller.net/articles/Platinenhersteller gibt es sogar 
Hersteller, die in 4 Stunden eine Platine herstellen können.

Bei Pooling könnte man denken, dass die Hersteller vielleicht zwei 
Wochen lang die Aufträge sammeln, um dann Alles auf ein Riesen-Panel zu 
packen und in einem Zug durch die Fertigung zu jagen. Aber dann würde 
der letzte Besteller seine Platinen schon nach 1 AT bekommen. Hab noch 
nie gehört, dass es sowas gab.

Ich musste letztens wieder eine mittlere Serie Platinen bestellen (ca. 
300dm³). Überall, wo ich nachgefragt habe hieß es: "Oh, auch noch mit 
chemisch Gold... nein, das schaffen wir nicht schneller... es sei denn 
Sie bestellen im Eildienst...". Das hieß 100/200/300% Aufschlag. Geht es 
nur ums Geld?

Eigentlich bin ich kein Freund von Verschwörungstheorien, aber gibt es 
denn nicht genug Konkurrenz in Deutschland, dass ein 4-Stunden Prozess 2 
Wochen auf sich warten lässt? Das erinnert an die Conrad-Bestellungen in 
den 90ern.

von Frank M. (frank_m35)


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Hier siehst du alle notwendigen Schritte:
http://www.pcb-pool.com/ppde/info_manufacturingprocess.html

Wenn ich bei PCB-Pool als Beispiel bleibe, so beginnen diese nach 
wenigen Tagen mit der Produktion und pro Tag werden dann ein paar der 
Schritte durchgeführt. (man bekommt ja regelmäßig Updates des 
Fortschritts).

Wenn du dir bspw. das Bild vom Galvanikaufbau anschaust, dann siehst du, 
dass dort Platinen mit einer Fläche deutlich größer als 300dm³ auf 
einmal behandelt werden.

Ich kenne mich zwar nicht aus, aber würde mal vermuten, dass du nicht 
deren einziger Kunde zu dem Zeitpunkt bist und du dich somit in einer 
Schlange anstellen musst, da vor dir auch noch Kunden auf ihre Platine 
warten.

Die Fertigung an sich ist bei diesen Pool-Herstellern auch vermutlich 
dahingehend optimiert, dass man möglichst viele Platinen in einem 
Schritt bearbeiten kann, somit man daran interessiert ist zu sammeln und 
einen bestimmten Fertigungsprozess an möglichst vielen Platinen an einem 
Tag durchführt.

Hast du es eilig, so bedeutet das erhöhten Verwaltungsaufwand, da du 
eben aus dem Rahmen und somit aus der Routine mit deiner Platine fällst 
und im schlimmsten Fall wird vermutlich ein Mitarbeiter deine Platine 
auch noch gesondert fertigen müssen, außerhalb des üblichen 
Produktionszeitraums, d.h. er mischt sich bei den verschiedenen 
Stationen vielleicht mit rein und bringt Überall ein bisschen Unordnung 
rein.

Auch garantieren sie eine Einhaltung der Lieferzeit. Und desto mehr Zeit 
sie haben, desto flexibler sind sie und können die günstigen Aufträge 
als Puffer verwenden um die Eilaufträge in der vorgegebenen Zeit 
abfertigen zu können ohne sich in die Quere zu kommen.

Das wäre meine Erklärung.

Geht es nur ums Geld? Natürlich. Drauflegen will keiner. So ein Pool 
lebt von einem festen Ablauf. Desto weniger Sonderwünsche, desto 
geradliniger der Fertigungsprozess und desto günstiger (siehe den 
PCB-Pool Ableger http://www.jackaltac.com/)

von Amateur (Gast)


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Die meisten Firmen, nicht nur die Leiterplattenhersteller, leben davon, 
ihren Kram möglichst schnell zu erledigen.

Im ersten Schritt wird nämlich Geld investiert. Dieses kommt frühestens 
nach der vollständigen Produktion, der Rechnungsstellung, dem Versand 
und dem Eintreffen beim Kunden, wieder rein.

Man kann also davon ausgehen, dass Firmen, in denen der 
Durchschnittliche IQ oberhalb der Zimmertemperatur liegt, ein 
grundlegendes Interesse daran haben, ihr Geld so schnell wie möglich 
wieder rein zu bekommen.
So funktioniert unsere Wirtschaft nun mal.

Eine gut durchorganisierte Produktion hat eine recht gut kalkulierbare 
"Laufzeit". Kein Wunder, es geht ja nicht um Deine Bestellung sondern um 
ein relativ großes Volumen.

Rein rechnerisch sieht das so aus: Wird der gesamte Leerlauf minimiert, 
so wird auch gleichzeitig der Gewinn maximiert. Von einem gewissen Punkt 
aus kostet die Beschleunigung aber mehr, als man dem "normalen" Kunden 
zumuten kann - oder glaubt ihm zumuten zu können.
Selbst den letzten Auftrag, in der Reihe nach vorne zu schieben, kostet. 
In diesem Falle Aufschlag.
Auch sind verschieden Prozesse, vor allem wenn's um Chemie geht, nicht 
beliebig in Gang zu setzen oder zu stoppen. Alles muss seinen Gang 
gehen.

Ein beliebter Trick die Laufzeit zu verkürzen ist: Man schicke die 
Bestätigung der Bestellung erst einen Tag später – achte mal drauf wann 
die Bestätigung eingetroffen ist.

von Anonym (Gast)


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@Frank M.
Danke für deine Erklärung. Bei PCB-Pool sind die maximalen 
Platinenabmessungen 370mm x 500mm. Ich denke, das ist eine Platine wie 
auf den Fotos zu sehen ist. Theoretisch müsste diese Größe die Grenze 
zwischen Pooling (warten auf andere Aufträge bis das Panel voll ist) und 
sofort Loslegen darstellen.

In der Prozessauflistung von PCB-Pool habe ich zwei Zeiten gefunden - 60 
Minuten zur Trocknung des Lötstopplackes und 90 Minuten zum Verpressen 
bei Multilayer. Ich denke, wenn sie diese Zeiten so hervorheben, dann 
werden die anderen Schritte wohl deutlich weiniger Zeit benötigen. Die 
Verzögerung kommt also durch den Takt. D.h. die Hersteller, die 
schneller sind takten schneller, weil sie entweder mehr Aufträge oder 
kleinere Losgrößen haben?
Um mal einen zweiten Hersteller zu nennen, Vi&Rus zum Beispiel hat eine 
Standardfertigungszeit von 3AT.

P.S. 300dm³ würden ca. 16 PCB-Pool-Nutzen einnehmen, auf dem Foto gehen 
15 Stück durch die Galvanik. Einer würde tatsächlich aus der Reihe 
tanzen :-)

von Mikki M. (mmerten)


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Falls die Leiterplattenhersteller freie Kapazitäten in ihrer planbaren 
Produktion haben, erfolgt bei allen die ich kenne die Auslieferung so
schnell wie möglich, oftmals vor dem garantierten Fertigstellungstermin.
Wer aber unbedingt Eildienst braucht wird halt mit mehr oder minder 
hohen
Aufpreisen zur Kasse gebeten.

von Reinhard Kern (Gast)


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Anonym schrieb:
> Ich denke, wenn sie diese Zeiten so hervorheben, dann
> werden die anderen Schritte wohl deutlich weiniger Zeit benötigen.

Kaum - auch wenn z.B. die Zeit zum Aufverkupfern nur 20 min beträgt, so 
ist das die Taktzeit, aber eben nicht die Durchlaufzeit - der gesamte 
Prozess (und nur dieser eine) besteht aus mehr als 10 Bädern, mehrere 
zur Vorbehandlung, eine ganze Anzahl Spülprozesse, Trocknen nicht zu 
vergessen, das ganze liegt dann eher über 1 Std. Und erst wenn die LP 
aus diesem Teil der Fertigungsstrassen herausgekommen sind, kann 
Fotolack auflaminiert werden, usw.

In der Halbleiterfertigung sind die Taktzeiten einzelner Prozesse auch 
recht harmlos, aber bis aus einer Scheibe Silizium fertige Prozessoren 
geworden sind, vergehen teilweise Wochen.

Gruss Reinhard

von ... (Gast)


Angehängte Dateien:

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Anonym schrieb:
> Um mal einen zweiten Hersteller zu nennen, Vi&Rus zum Beispiel hat eine
> Standardfertigungszeit von 3AT.

Hä? Siehe Anhang!

von Anonym (Gast)


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... schrieb:
> Hä? Siehe Anhang!

Ups, tatsächlich. Ich habe immer mit 3AT bestellt. Wahrscheinlich, weil 
die Preise dann ungefähr wie in Deutschland sind. Gegenüber 10AT sind es 
auch "nur" 50% Aufschlag.

Aber muss Contag (der mit 4 Stunden) denn nicht die ganzen 
Prozessschritte durchlaufen? Oder hat er leistungsfähigere Trockner und 
aggressivere Chemie?

von Reinhard Kern (Gast)


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Anonym schrieb:
> Aber muss Contag (der mit 4 Stunden) denn nicht die ganzen
> Prozessschritte durchlaufen?

Contac behauptet ja nicht, 4 Stunden wären die normale Fertigungszeit, 
vielmehr:

"STANDARD sind 5 Arbeitstage, aber es geht auch schneller. Unsere 
Maxime: der schnellste Hersteller von Leiterplatten-Prototypen in Europa 
zu sein.
Soll es einmal ganz schnell gehen, liefern wir Ihnen einfache 
Leiterplatten bereits ab 4 Stunden, komplexe Multilayer bereits ab 14 
Stunden in Ihr Haus."

Da ist schon mal die Frage, was genau sind einfache Leiterplatten, und 
14 Std für Multilayer hört sich auch schon ganz anders an.

Mit Geld kann man viel erreichen, besonders mit viel oder sehr viel 
Geld, nur 2 Beispiele:

Für supereilige Aufträge wird die normale Fertigung unterbrochen und der 
Eilauftrag sofort weiter duchgeführt, der übliche Weg, oder es stehen 
ansonsten ungenutzte Anlagen zur Verfügung.

Für einen Blitzauftrag ist es i.a. notwendig, dass ein entsprechend 
geschulter Mitarbeiter den Auftrag ständig durch die Fertigung begleitet 
und alle Hindernisse umgehend aus dem Weg räumt, sonst klappt das nicht.

Nachtschicht ist auch eine Möglichkeit.

Das verursacht natürlich alles erhebliche Mehrkosten. Man kann auch 
technisch da oder dort was abknapsen, etwa bei höherer Temperatur 
trocknen, was man wegen des Energieverbrauchs sonst nicht macht. 
Ausserdem sind die Fertigungstechniken für Muster und Kleinststückzahlen 
optimiert, es gibt nur sehr selten Verrückte, die 1000 Leiterplatten 
innerhalb eines Tages brauchen und bezahlen wollen.

Mir ist ein durchgeführter Auftrag bekannt über einen 
16-Lagen-Multilayer innerhalb eines Tages, dafür erhielt der Hersteller 
25000 Euro. Für 1 Stück. Das muss es dann für den Kunden echt wert sein.

Gruss Reinhard

von Anonym (Gast)


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Um bei der Analogie zum Versandhandel zu bleiben, fasse ich zusammen:
in 10-20 Jahren wird automatisierte Leiterplattenproduktion in 1-2 AT 
der Normalfall sein. Aufpreise wird es nur für extra schnellen Versand 
(vgl. Amazon Morning- oder Evening- Express) der Platinen geben.

von Jens B. (fernostler)


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Anonym schrieb:
> Bei Pooling könnte man denken, dass die Hersteller vielleicht zwei
> Wochen lang die Aufträge sammeln, um dann Alles auf ein Riesen-Panel zu
> packen und in einem Zug durch die Fertigung zu jagen. Aber dann würde
> der letzte Besteller seine Platinen schon nach 1 AT bekommen. Hab noch
> nie gehört, dass es sowas gab.

Sowas geht nicht. PCB haben ja auch verschiedenen Dicken, verschiedene 
Cu Stärken, verschiedene Lötstoppfarben. Alles was ich bisher gesehen 
hab: Eine Leiterplatte, ein Nutzen. Es sei denn der Kunde legt schon 
verschiedene Leiterplatten zusammen in einen Nutzen.

von ... (Gast)


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jan bader schrieb:
> Sowas geht nicht. PCB haben ja auch verschiedenen Dicken, verschiedene
> Cu Stärken, verschiedene Lötstoppfarben.

Aber doch nicht im Pool. Da gibt es genau eine Dicke, eine CU-Stärke und 
eine Lötstoppfarbe. Alles andere läuft auf Mehrpreis hinaus.

von asd (Gast)


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Naja, jeder Platinenfertiger hat für ein paar Tage Aufträge "auf Lager", 
die kommen ja unregelmäßig rein und die Maschinen und Mitarbeiter 
möchten aber gleichmäßig ausgelastet werden (schon wegen der knappen 
Kalkulation). Eilfertigung ist da i.A. einfach dass man sich Vordrängeln 
darf und gleich als nächstes dran kommt obwohl noch für 5 Tage andere 
Aufträge auf dem Schreibtisch liegen. Und ja, das muß extra kosten weil 
sonst jeder den Eildienst will. Außerdem: Standard-Lieferzeit geht fast 
immer, während Eildienst schon mal abgelehnt wird wenn kurz vorher zu 
viele Eilaufräge rein gekommen sind.

von O. D. (odbs)


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Beim Eildienst gelten oft auch Einschränkungen in der Auswahl der 
Parameter. Eine Dicke, ein Oberflächenfinish, nur grüner Lötstopplack, 
etc. Bei meinem "Stammhersteller" haben die 1AT-Jobs einen anderen 
Lötstopplack, der etwas weniger kratzfest ist als der in der Serie 
verwendete. Somit nehme ich an, dass eine andere Fertigungslinie 
verwendet wird und der Prozess auf Zeitersparnis ausgelegt ist.

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