Forum: Platinen Infos zum Layoutvorgehen


von ich (Gast)


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Hallo
ich weiß es gab zu dem Thema schon viele Beiträge, ich habe mir auch 
viele durchgelesen, inklusive der Links und erwähnten Bücher (mindestens 
das Inhaltsverzeichnis).
Da das aber nicht das war, was mir vorschwebt, hier nochmal die Frage:

Gibt es eine Quelle, die das Layouten einer Platine erklärt oder 
zumindest verschiedene Vorgehensweisen aufzeigt und die Vorzüge erwähnt? 
Ich weiß, EMV ist ein großes Thema, aber darüber habe ich schon ein 
Buch, über das Thema braucht es nicht viel beinhalten. Mir ist egal ob 
Deutsch oder Englisch, ob Buch, Blog, Wiki, Youtubekanal/-playlist oder 
Homepage.

Dinge, über die ich u.a. Infos haben wollen würde:

- Wie geht man Anfangs im Allgemeinen vor? Erst anhand eines Gehäuses 
den Platinenumriss und Bohrungen festlegen, dann Bauteile platzieren und 
dann routen? Ich würde mir dabei so "eingesperrt" vorkommen. Oder Umriss 
zeichnen, dann Blöcke außerhalb des Umrisses platzieren und rounten, 
anschließend dann die Blöcke verteilen und verbinden? Oder aber alles so 
klein es geht zusammenpacken und dann den Umriss festlegen und ein 
passendes Gehäuse suchen?

-Gibt es Tipps, wie man Bauteile am besten zusammen packen kann? Wie 
kann man eine komplette Platine mit Bauteilen bestücken, ohne nur eine 
Leiterbahn gezogen zu haben. Da sieht man doch irgendwann vor lauter 
Luftlinien nicht mehr, was am besten wohin kommt oder wo überhaupt noch 
Platz ist.

- Welche Signale werden zuerst verlegt? Differentail Pairs, 
Versorgungsspannung, Hochfrequente Signale, Busse oder analoge Signale 
zum messen? Ich habe hier schon öfter gesehen, das manche Probleme 
haben, lengthmatched differential pairs zu verlegen, weil kein Platz 
mehr da ist. Aber macht es nicht am meisten Sinn, diese Signale zuerst 
zu verlegen, wo noch alles Frei ist? Hätte ich ein System mit FPGA, 
schnellen DDR3-RAM und USB, würde ich doch als aller erstes den FPGA mit 
dem RAM verbinden, anschließend dann USB. Da hat man doch allen Platz 
der Welt und die Versorgung kommt doch hauptsächlich von den 
Supplyplanes im Inneren. Wenn diese kritischen Signale verlegt sind, 
routet man dann die unkritischen um Diese herum. Ich hab sowas aber auch 
noch nie gemacht und kann mir nicht vorstellen, dass die Leute das aus 
Spaß machen.

- Wo verbinde ich wie am besten die analoge Masse mit der Digitalen? Wie 
macht man das mit Masseflächen? Wann sind solche Flächen eher 
kontraproduktiv. Allgemein Grounding..

- Wie platziert man am besten kritische Bauteile (z.B. Quarz+Cs, 
Schaltregler, ...) und worauf muss man wieso achten.

- Wie gehe ich am besten (layouttechnisch) vor, wenn ich ein Signal 
hochgenau messen will?

- Was hat es mit den Guardtraces auf sich, wenn man sehr kleine Ströme 
messen will.

- Allgemeine Tipps und Dinge, die man machen oder genau nicht machen 
sollte.

- Wie route ich am besten bei 1, 2, 4, x lagigen Platinen? Ich habe 
öfter gelesen, dass auf einer Seite besser horizontale und auf der 
anderen Seite eher vertikale Leitungen kommen sollten. Doch oft ist ein 
Lagenwechsel garnicht nötig. Auch ist es ja ansich blödsinnig einen Bus 
aus 16 Leitungen auf die andere Lage zu bringen, weil eine einzelne (in 
der bevorzugten Lage liegende) Leitung quer kommt. Außerdem heißt es ja 
auch, dass es am besten nur eine Bestückungsseite gibt. Wenn aber alle 
Teile auf dieser Seite sind, kann ich doch darauf kaum horizontale oder 
vertikale Leitungen mehr ziehen!? Und wie sieht es bei quadratischen 
Bauteilen (QFP, QFN, ...) aus? Müssen dann die Leitungen von 2 der 4 
Seiten direkt mit Vias auf die andere Seite kommen, um sie verlegen zu 
können?


Zu solchen und ähnlichen Themen hätte ich gern Informationsquellen. Es 
kann aber auch gerne direkt auf diese Punkte eingegangen werden, doch 
dann stellt sich die Frage, woher wissen die Leute das? Erfahrung, 
Bücher (Welche? ;) ), Lehrgänge?

Vielen Dank schonmal für alle sachliche Beiträge ;)

von Georg (Gast)


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ich schrieb:
> Erst anhand eines Gehäuses
> den Platinenumriss und Bohrungen festlegen, dann Bauteile platzieren und
> dann routen?

Nein, so geht das nicht, das ist ein Prozess mit ständiger Rückkopplung: 
Bauteil platzieren, z.B. nach geringster Verbindungslänge, dann routen, 
wenn da Probleme auftauchen, müssen Bauteile auch wieder verschoben 
werden, ev. auch vorhandene Routen wieder aufgelöst (das machen sogar 
strunzdumme Autorouter so, nennt sich Rip up and Retry). Insbesondere 
zum Vorab-Platzieren braucht man viel Erfahrung, trotzdem ist es eher 
selten, dass der erste Versuch schon endgültig ist.

In der Praxis teile ich meistens das Layout noch in verschiedene 
Baugruppen auf, z.B. Stromversorgung oder Verstärkerstufen, und mache 
mich einzeln darüber her. Der Vorteil ist, wenn ich z.B. mit dem 
Netzteil für x Volt fertig bin, weiss ich, wieviel Platz es braucht, und 
kann es als Ganzes verschieben - würde ich alles auf einmal platzieren, 
müsste ich mehr Platzreserven vorsehen als beim Routen tatsächlich 
gebraucht werden.

Die Platine ist in aller Regel vorgegeben und wird nur noch angefasst, 
wenn sich herausstellt, dass der Platz nicht reicht. Aber, wie du ja 
selbst schreibst, meistens ist das vom Gehäuse abhängig und damit steht 
der Boardumriss und die Befestigungsbohrungen fest. Natürlich macht man 
das als allererstes.

Georg

von Phantomix X. (phantomix)


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von ich (Gast)


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Georg schrieb:
> Nein, so geht das nicht, das ist ein Prozess mit ständiger Rückkopplung:
> Bauteil platzieren, z.B. nach geringster Verbindungslänge, dann routen,
> wenn da Probleme auftauchen, müssen Bauteile auch wieder verschoben
> werden, ev. auch vorhandene Routen wieder aufgelöst (das machen sogar
> strunzdumme Autorouter so, nennt sich Rip up and Retry). Insbesondere
> zum Vorab-Platzieren braucht man viel Erfahrung, trotzdem ist es eher
> selten, dass der erste Versuch schon endgültig ist.
>
> In der Praxis teile ich meistens das Layout noch in verschiedene
> Baugruppen auf, z.B. Stromversorgung oder Verstärkerstufen, und mache
> mich einzeln darüber her. Der Vorteil ist, wenn ich z.B. mit dem
> Netzteil für x Volt fertig bin, weiss ich, wieviel Platz es braucht, und
> kann es als Ganzes verschieben - würde ich alles auf einmal platzieren,
> müsste ich mehr Platzreserven vorsehen als beim Routen tatsächlich
> gebraucht werden.

So mache ich es momentan auch.


> Die Platine ist in aller Regel vorgegeben und wird nur noch angefasst,
> wenn sich herausstellt, dass der Platz nicht reicht. Aber, wie du ja
> selbst schreibst, meistens ist das vom Gehäuse abhängig und damit steht
> der Boardumriss und die Befestigungsbohrungen fest. Natürlich macht man
> das als allererstes.

Das mache ich teilweise. Wenn ich ein Gehäuse habe, wo die Platine rein 
soll, geht es ja auch nicht anders.

Wenn es aber eine Schaltung ist, zu der ich noch kein Gehäuse habe, 
dieses aber größentechnisch auch nicht so wichtig ist, mache ich meist 
zuerst die Platine. Denn angenommen ich nehme im Vorfeld ein Gehäuse, in 
das eine 50x50mm Platine passt, ist die Größe festgelegt. Unter 
Umständen ist dann noch masse Platz (was nicht so schlimm wäre). Es kann 
aber auch sein, dass es sehr eng wird, man also sehr viel ummodeln muss, 
immer die dünnst mögliche Leiterbahnbreite nehmen muss und es durch das 
alles viel länger dauert. Wenn man zuerst die Platine relativ eng 
zusammenbaut und diese dann z.B. 60x60mm groß ist, wählt man eben ein 
Gehäuse, wo die Platine rein passt. Ist ggf. 1-2€ teurer, dafür spart 
man aber ggf mehrere Stunden arbeit.
So zumindest bisher mein Gedanke.


Phantomix Ximotnahp schrieb:
> Youtube-Video "EEVblog #244 - PSU Design Part 9 - PCB Layout"

Seinen Blog verfolge ich schon länger, hatte daher das Video schonmal 
gesehen. Ist aber schon etwas länger her gewesen, daher hab ich es mir 
nochmal angeguckt ;)

Da z.B. routet er alles bis auf Versorgung. Diese dann zum Schluss und 
als aller letztes routet er GND, indem er eine Massefläche erstellt und 
guckt, dass alle Pins erreicht werden.

In einem relativ neuen Thread hier im Forum habe ich aber gelesen, dass 
man am besten Vdd und GND sehr nahe beieinander führen sollte, damit die 
eingeschlossene Fläche möglichst klein ist.


Es wäre nett, wenn vielleicht sich doch jemand meiner für mich 
wichtigsten Fragen oben annehmen kann. Zumindest das, worauf man eine 
"knappe" Antwort geben kann. Es soll ja hier niemand ein Fachbuch 
schreiben ;)

von Georg (Gast)


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ich schrieb:
> Außerdem heißt es ja
> auch, dass es am besten nur eine Bestückungsseite gibt. Wenn aber alle
> Teile auf dieser Seite sind

Ich weiss ja nicht für wen oder wofür du arbeitest, aber beidseitige 
Bestückung ist ein erheblicher Kostenfaktor, das zu vermeiden hat also 
hohe Priorität, und dazu kommt, dass du ja nicht beliebig beide Seiten 
vollknallen kannst wegen der Vias - da landest du schnell bei der 
Notwendigkeit von Blind Vias, damit du nicht die andere Seite 
blockierst, und das treibt dann die Kosten nochmal erheblich nach oben. 
Lieber 2 Lagen mehr.

Die Frage nach "Layouten - wie mache ich das" erfordert wohl ein 
mehrhundertseitiges Buch als Antwort, das kann man hier nicht machen, 
selbst wenn man dazu bereit ist. Dazu kommt dass Erfahrung nicht richtig 
vermittelbar ist, solange Copy and Paste  von Gehirn zu Gehirn noch 
nicht verbreitet ist.

Georg

von ich (Gast)


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Georg schrieb:
> Ich weiss ja nicht für wen oder wofür du arbeitest, aber beidseitige
> Bestückung ist ein erheblicher Kostenfaktor, das zu vermeiden hat also
> hohe Priorität, und dazu kommt, dass du ja nicht beliebig beide Seiten
> vollknallen kannst wegen der Vias - da landest du schnell bei der
> Notwendigkeit von Blind Vias, damit du nicht die andere Seite
> blockierst, und das treibt dann die Kosten nochmal erheblich nach oben.
> Lieber 2 Lagen mehr.

Ich arbeite für keinen, also eher Hobby. Daher löte ich auch per Hand. 
ICs kommen dabei alle auf eine Seite, aber mal n paar Rs oder Cs auf die 
andere Seite, die kann man ja gut per Hand mitn Lötkolben löten. Wobei 
Schaltungsentwicklung und PCB Design mir schon viel Spaß macht. Ich 
könnte mir daher vorstellen, nach meinem Elektronikstudium in diesem 
Bereich zu arbeiten. Doch im Studium wird das ansich garnicht behandelt, 
bis auf ein Wahlfach PCB Design. Das sind allerdings nur ein paar 
Vorlesungen und dann Praxis im Umgang mit Eagle...


> Die Frage nach "Layouten - wie mache ich das" erfordert wohl ein
> mehrhundertseitiges Buch als Antwort, das kann man hier nicht machen,
> selbst wenn man dazu bereit ist. Dazu kommt dass Erfahrung nicht richtig
> vermittelbar ist, solange Copy and Paste  von Gehirn zu Gehirn noch
> nicht verbreitet ist.

Und eben so ein Buch suche ich verzweifelt. Es gibt 1000 seitige Bücher 
über IC Entwicklung oder um die theorie über Hochfrequentes PCB Design. 
Aber es gibt ja noch sehr viel anderes...

von klaro (Gast)


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Vereinfacht:
-Erst mal muss die Schaltung stehen.
-Dann schauen welche Bauteileformen man nimmt/geliefert bekommt.
-Dann Gehäuse auswählen und schauen ob alles rein passt.
-Dann erst die fixen Bauteile platzieren.
-Dann die flexen Bauteile (kurze kreuzungsfreie Verbindungen) 
platzieren.
-Dann kann geroutet werden.

EMV ist meist eine Frage der Erfahrung, die zwar schon früh einfließen
kann, aber die muss man dann auch erst mal haben.

von 6A66 (Gast)


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ich schrieb:
> Und eben so ein Buch suche ich verzweifelt.

Meine 2 cent:

Was du suchst ist ein Buch "Formel1 fahren in 100 Lektionen".
So etwas gibt es meines Erachtens nicht.
Layouten ist auch so etwas wie eine Kunst. Davon sind etwa 99 
Transpiration - heißt die normalen Regeln die du oben im Prinzip schon 
kennst - und 1% Inspiration - das ist das Quäntchen Genialität das man 
von sich aus hat oder sich im Laufe der Zeit aneignet. Eben wie Formel1 
fahren. Das brauht also Zeit und viel Übung - also Layouts.

rgds

ich schrieb:
> Wobei
> Schaltungsentwicklung und PCB Design mir schon viel Spaß macht. Ich
> könnte mir daher vorstellen, nach meinem Elektronikstudium in diesem
> Bereich zu arbeiten.

Schaltungsentwicklung und PCB Design sind zwei Bereiche wie Feuer und 
Wasser.
Die beiden gehören zusammen. Der eine kann ohne den anderen 
normalerweise nicht. Und wer beides gut kann ist sicher gefragt. Aber 
der PCB-Design-Part ist der - für mich - eindeutig ödere Job.

rgds

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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ich schrieb:
> Da z.B. routet er alles bis auf Versorgung. Diese dann zum Schluss und
> als aller letztes routet er GND, indem er eine Massefläche erstellt und
> guckt, dass alle Pins erreicht werden.
Das ist ein Schmarrn! Zuerst muss die Versorgung (Vcc UND Ground) 
optimal passen, denn ohne die funktioniert ein IC nicht. Dann kommen die 
schwierigen Signale, dann der Rest.

Wenn es dann schwierig wird, kann schon mal das optimale 
Versorgungskonzept dann abgeändert (also verschlechtert) werden.

Aber gar nicht auf die Versorgung zu achten und hinterher alles mit 
Kupfer zu fluten ist extrem riskant...

von Dietrich L. (dietrichl)


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Lothar Miller schrieb:
> Aber gar nicht auf die Versorgung zu achten und hinterher alles mit
> Kupfer zu fluten ist extrem riskant...

Full ACK!
Mit der Methode baut man sich leicht Inseln, die dann eventuell nur mit 
winzigen Verbindungen quasi in der Luft hängen. Um das zu beheben, wirft 
man das halbe Layout wieder weg - oder man nimmt gleich einen 
4-Lagen-Multilayer :-))

Wobei der GND wichtiger ist - Vcc kann man immer noch abblocken.
So wie bei einem Haus: das Fundament muss stimmen, das Dach kann man mit 
genügend vielen Stützen auf einem soliden Fundament "stabilisieren".

Gruß Dietrich

von klaro (Gast)


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6A66 schrieb:
> Feuer und Wasser.
> Die beiden gehören zusammen.

So ein Quatsch. Wo braucht ein Fluss oder Meer das Feuer?
Berührungspunkte haben die oft bei der Feuerwehr oder anderen
eher trivialen Ereignissen. Zu Feuer gehört auch kein Wasser,
Sauerstoff wäre da schon symbiotischer.

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