Forum: Platinen EMV konformes Leiterplattendesign für AUX Board


von Markus W. (markusw1984)


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Hallo Forenmitglieder,
beruflich habe ich vor einigen Wochen ein Pojekt übernommen, indem ein 
medizintechnisches Gerät weiterentwickelt wird. Mein Teil des Projektes 
ist die Weiterentwicklung eines Aux Boards, das als Herzstück des 
Gerätes arbeitet. Von hier aus werden alle Einzelkomponenten mit der 
Versorgungsspannung bedient und die Signalleitungen werden 
weitergeleitet. Auf dem Board selbst befinden sich auch ein paar 24V 
Relais.
Im Gesamtsystem existieren zwei Netzteile. Eins erzeugt 24 Vdc, das 
andere 5Vdc und +-15V, zusätzlich muss ich mit einem Festspannungsregler 
aus den 5 Vdc, 3.3Vdc erzeugen, da der Mikrocontroller (sbRIO 9636) für 
die digitalen Eingänge diese Spannung braucht.
Da ich bzgl EMV noch unerfahren bin, mich aber in der letzten Zeit 
intensiv in das Thema eingelesen habe, habe ich ein paar Fragen an euch.
Natürlich kann ich mit mehr Detail zu dem Projekt rausrucken, sofern das 
erforderlich ist.

Die erste Frage ist, wie ich die Ebenen am besten anordne. Ich habe vor 
eine komplette Ebene dem Ground (0V aus Netzteilen) zu widmen. Macht es 
Sinn, wenn ich die anderen Spannungen auch auf eigene Ebnene lege? 
Zumindest 24V und 5V, da diese oft benutzt werden? Sollte dann die 
Ground Ebene zwischen 24V und 5V liegen oder eine andere Reihenfolge?

Das Gesamtsystem soll am Ende nach ISO 60601 zertifiziert werden und der 
Schutzklasse 1 genügen.

Vom AUX Board werden auch die Datenleitungen zu den Einzelkomponenten 
einseitig geerdet. Für die Erde auch eine eigene Ebene?

Die nächste Frage geht Richtung Ground-Loop: Auf dem sbRIO existieren 
viele analoge und digitale GND Pins, müssen diese alle mit der GND Ebene 
des AUX Boards verbunden werden, oder reicht es wenn ich nur den GND der 
Versorgungsspannung des sbRIOs mit dem GND des AUX Boards verbinde, da 
alle grounds auf dem sbRIO verbunden sind? Das geht nach meinem 
Verständniss eher Richtung Sternanschluss und vermeidet Loops, wenn ich 
nur eine GND Verbindung habe. Ist es denn okey wenn alle Signale über 
eine Ader wieder zurück zum AUX Board fließen?

Es fällt mir etwas schwer so ein Gesamtsystem in wenigen Worten 
ausreichend zu beschrieben. Ich hoffe, Ihr könnt damit etwas anfangen.

Beste Grüße, Markus

: Bearbeitet durch User
von U. M. (oeletronika)


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Markus Wallentin schrieb:
Hallo,
> Die erste Frage ist, wie ich die Ebenen am besten anordne. Ich habe vor
> eine komplette Ebene dem Ground (0V aus Netzteilen) zu widmen.
zumindest bei einem Layout mit mehr als 2 Ebenen ist das gängige Praxis.
Bei 4 Eebene werden z.B. die mittleren Ebenen oft als Powerplanes 
genutzt.
Zu Details siehe z.B.
http://wiki.fed.de/images/0/00/PG-Design-Powerplane.pdf

> Macht es
> Sinn, wenn ich die anderen Spannungen auch auf eigene Ebnene lege?
Ja.
24V evtl. weniger problematisch, wenn da keine hohen Frequenzen 
vorkommen, aber 5V und 3,3V sowei auch separate Bereiche mit gelv,. 
getrennten Versorgungsspannungen.

> Zumindest 24V und 5V, da diese oft benutzt werden? Sollte dann die
> Ground Ebene zwischen 24V und 5V liegen oder eine andere Reihenfolge?
Die gängige Reihenfolge wäre für 4 Ebenen: Signal-Us-Masse-Signal
Zwischen den inneren Ebene ist eine möglichst geringe Kerndicke 
anzustreben, um einen max. kapazitätsbelag der Powerplanes zu erreichen.
Rede mit dem Hersteller, was technologisch ohne erhöhte Kosten machbar 
ist (z.B. 100...150um).

> Das Gesamtsystem soll am Ende nach ISO 60601 zertifiziert werden und der
> Schutzklasse 1 genügen.
Lese die Normen ausführlich und beachte alle relvanten Details.

> Vom AUX Board werden auch die Datenleitungen zu den Einzelkomponenten
> einseitig geerdet. Für die Erde auch eine eigene Ebene?
???  Erde bezieht sich eher auf elektrische Sicherheit.
Geht es dabei aber nicht vielmehr um EMV (Störsicherheit)?

> Die nächste Frage geht Richtung Ground-Loop: Auf dem sbRIO existieren
> viele analoge und digitale GND Pins, müssen diese alle mit der GND Ebene
> des AUX Boards verbunden werden, oder reicht es wenn ich nur den GND der
> Versorgungsspannung des sbRIOs mit dem GND des AUX Boards verbinde, da
> alle grounds auf dem sbRIO verbunden sind? Das geht nach meinem
> Verständniss eher Richtung Sternanschluss und vermeidet Loops, wenn ich
> nur eine GND Verbindung habe. Ist es denn okey wenn alle Signale über
> eine Ader wieder zurück zum AUX Board fließen?
Niemand wird dir hier ein Kochrezept geben können, ohne Einsicht in die 
Details des Gesamtkonzeptes.
Ob Loops überhaupt kritisch sind, hängt ja auch stark davon ab, welche 
Ströme über welche Impedanzen fließen und wie störempfindlich die 
betrachteten Schaltungen sind.
Sternförmige Anordnungen mit möglichst niederimpedanten Anschlüssen sind 
ein mögliches Konzept, das zum Erfolg führt.
Gruß Öletronika

von Tom (Gast)


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von MaWin (Gast)


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Eigentlich heissen solche Boards nicht AUX sondern MAIN.


Zentraler Massepunkt und sternförmige Verdrahtung, Relais sind 
Störenfriede denn Kontaktfunken funken, d.h. gehen durch die Luft, also 
Entfernung hilft.

Man BRAUCHT keine Masseebene, der Strom fliesst auch auf ihr auf dem 
kürzesten Weg bzw. Unter der Hinleitung, aber man sollte Leiterschleufen 
und Schlitasntennen vermeiden.

Ich würde für die Versorgung keine Flächen reservieren, sondern wenn nan 
für Masse eine hat, dann eine andere die je nach Ort 5V, 3.3V, 24V führt 
und abgeblockt ist.

ALLE 3.3V Anschlüsse des sbRIO sind anzuschliessen, gehen zusammen auf 
eine Fläche.

von Markus W. (markusw1984)


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Zuerst einmal vielen Dank für die hilfreichen Antworten.

>Die gängige Reihenfolge wäre für 4 Ebenen: Signal-Us-Masse-Signal
>Zwischen den inneren Ebene ist eine möglichst geringe Kerndicke
>anzustreben, um einen max. kapazitätsbelag der Powerplanes zu erreichen.
>Rede mit dem Hersteller, was technologisch ohne erhöhte Kosten machbar
>ist (z.B. 100...150um).

Dann werde ich auf die Us Ebene alle 24V, 5V und +-15V legen und die 
Ebene dann in Quadranten aufteilen. Zwischen welche Ebene kommt dann die 
Trägerebene?


>???  Erde bezieht sich eher auf elektrische Sicherheit.
>Geht es dabei aber nicht vielmehr um EMV (Störsicherheit)?

Ich hab gelesen dass eine gute Abschirmung der Kabel durch erden des 
Schirms erfolgt. Das sbRIO hat eine Klemme mit der man das Board erden 
kann (Shield). Bei den RS232 Anschlüssen kann man dann diesen Shield an 
das Kabel anschließen. Das habe ich auch mit meinem AUX Board vor.
http://www.pci-card.com/phoenix-emv-leitfaden.pdf

>Zentraler Massepunkt und sternförmige Verdrahtung, Relais sind
>Störenfriede denn Kontaktfunken funken, d.h. gehen durch die Luft, also
>Entfernung hilft.
Danke für den Tip, ich werde zu meinem AUX (oder MAIN) Board noch ein 
Relais Board erzeugen um da ein wenig Abstand zu schaffen

Gruß, Markus

von voltwide (Gast)


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Angesichts des nicht so trivialen Designs würde ich in jedem Falle 
wenigstens 4-Layer einplanen - 2-seitig macht da sehr schnell Probleme.
Vor allem ist mixed-signal, also eng benachbarte digital- und 
analog-Technik, ein tückisches Thema.

von Markus W. (markusw1984)


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Hallo zusammen,

zu meinem Projekt habe ich erneut eine Frage und brauche eure Hilfe.
Es geht um Photodiodensignale. In dem System befinden sich zwei 
Photodioden, die Signale in einem sehr kleinem Strom liefern (einige 
nA). Die Dioden sind an einen Transimpedance-Platine (Zukaufteil) 
angeschlossen, die mit einer Verstärkung von 10^6 V/A das Signal in 
einige mV umwandelt. Das Signal wir dann über die analogen Eingänge des 
sbRIO (differential) ausgewertet.
Das System existierte bereits und funktioniert auch soweit. Leider sind 
die Signale aber störempfindlich. Die Photodioden (redundant) 
detektieren einen Fehlersignal und lösen dann möglichst schnell eine 
Abschaltung aus. Das Fehlersignal ist ähnlich einer Rechteckfunktion, 
also eine steile Flanke.
Ich habe jetzt vor die Photodioden über einen SMA Anschluss mit 
Antennenkabel mit dem Verstärker zu verbinden.
Meine Frage ist, ob ich vom Verstärker weiter zum sbRIO auch mit einem 
Antennenkabel weitergehen soll oder beide Signale in ein abgeschirmtes 
Kabel stecken und den Schirm mit dem Shield verbinden soll?
Welche Variante wird wohl eine bessere Entstörung erzeugen? Was meint 
Ihr?
Oder mache ich etwas grundsätzlich falsch?

Beste Grüsse, Markus

von U. M. (oeletronika)


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Hallo,
> Photodioden,
> die Signale in einem sehr kleinem Strom liefern (einige nA).
Das sind ja noch recht angenehme Ströme.
> Die Dioden sind an einen Transimpedance-Platine (Zukaufteil)
Warum ist das ein Kaufteil? Da geht man oft Kompromisse ein.

> angeschlossen, die mit einer Verstärkung von 10^6 V/A das Signal in
> einige mV umwandelt.
Ich entwickle optoelektronische Messgeräte (z.B. für Streulichtmessung)
da ist die max. Verstärkung oft noch um Faktor 10...200 höher.

Wie ist die Transimpedanz-Schaltung konfiguriert?
Finde die Ursache für die Störungen.
Bei sauberen Design sollte es kein Problem sein, die ziemlich störsicher 
zu bekommen.

> Das Signal wir dann über die analogen Eingänge des
> sbRIO (differential) ausgewertet.
> Ich habe jetzt vor die Photodioden über einen SMA Anschluss mit
> Antennenkabel mit dem Verstärker zu verbinden.
Wenn möglich, sollte man zwischen Fotodioden und Verstärker so kurze 
Leitungen haben, wie überhaupt möglich. Koaxkabel mit den SMA-Steckern 
sind natürlich auch nicht schlecht, sofern die Kabelkapazitäten die 
Dynamik nicht zu sehr beeinflussen.

> Meine Frage ist, ob ich vom Verstärker weiter zum sbRIO auch mit einem
> Antennenkabel weitergehen soll
Wenn man schon eine große Verstärkung hinter sich hat und aus einem OPV 
mit niedriger Impedanz kommt, sollte der Einfluss von Störungen 
entsprechend gering sein. Da dürfte solch Aufwand nicht mehr nötig sein.

> oder beide Signale in ein abgeschirmtes
> Kabel stecken und den Schirm mit dem Shield verbinden soll?
> Welche Variante wird wohl eine bessere Entstörung erzeugen? Was meint
> Ihr?
Hast du denn überhaupt eine Ahnung, woher die Störungen kommen?

Werden die von außen eingestreut oder ist es evtl. elektrische 
Übersprechen von Signalen in der Schaltung, evtl. auch vom Ausgang auf 
den Eingang des Transimpedanzverst. ?
Auch Rippel auf Stromversorgungen können sich bei so hohen Verstärkungen 
leicht bemerkbar machen.
Ich habe da zwar einige Erfahrungen, aber ohne selber das ganze Design 
genau zu kennen, kann man schlecht einen guten Rat geben.
Gruß Öletronika

von Christian B. (luckyfu)


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U. M. schrieb:
> Die gängige Reihenfolge wäre für 4 Ebenen: Signal-Us-Masse-Signal
> Zwischen den inneren Ebene ist eine möglichst geringe Kerndicke
> anzustreben, um einen max. kapazitätsbelag der Powerplanes zu erreichen.
> Rede mit dem Hersteller, was technologisch ohne erhöhte Kosten machbar
> ist (z.B. 100...150um).

Das bringt ein paar wenige nF, wenn überhaupt aber die Platinen werden 
dadurch mit Sicherheit teurer. Besonders wenn man 1,6mm Dicke haben 
will.
Denn das dickste Prepreg, welches ich kenne ist das 7628 mit ca. 0,18mm 
Dicke. mehr als 3 Prepregs wird kaum ein Hersteller übereinanderstapeln, 
d.h. du kannst maximal ca. 1,1mm Dicke dadurch erzielen. Wenn dann die 
Kernlage bei 0,1mm ist, ist man bei 1,2mm Aber auf 1,6 kommt man so 
nicht.

Die Mähr von der Kondensatorwirkung der Powerplanes wird halt immer noch 
gern zitiert. Dabei ist es, bis auf ganz wenige Einzelfälle, fast immer 
nutzlos.

von U. M. (oeletronika)


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Hallo,
> Christian B. schrieb:
> Das bringt ein paar wenige nF, wenn überhaupt aber die Platinen werden
> dadurch mit Sicherheit teurer.
Wir machen das so seit ewigen Zeiten mit Standarddicke 1,6mm.
Der Aufbau ist kein Problem für die LPL-Hersteller, bei denen wir 
fertigen lassen. Ich habe noch nicht gehört, dass bei solchem Aufbau 
relevante Mehrkosten entstanden sind.
>Besonders wenn man 1,6mm Dicke haben will.
Das ist bei uns die Standarddicke.

> Denn das dickste Prepreg, welches ich kenne ist das 7628 mit ca. 0,18mm
> Dicke. mehr als 3 Prepregs wird kaum ein Hersteller übereinanderstapeln,
> d.h. du kannst maximal ca. 1,1mm Dicke dadurch erzielen. Wenn dann die
> Kernlage bei 0,1mm ist, ist man bei 1,2mm Aber auf 1,6 kommt man so
> nicht.
Offensichtlich ist das kein wirkliches Problem.
> Die Mähr von der Kondensatorwirkung der Powerplanes wird halt immer noch
> gern zitiert. Dabei ist es, bis auf ganz wenige Einzelfälle, fast immer
> nutzlos.
EMV-Prüfungen gehen bei bestimmten Elektroniken bis 4GHz. Da sind selbst 
kleine Effekte manchmal sehr relvant, so z.B. die Impedanzen an 
Durchkontaktierungen und die HF-Eigenschaften von MLCC.
Die Powerplanes habe da unter Umständen schon einen nicht 
vernachlässigbaren Einfluss.

Natürlich wird man nicht immer eine Grundlagenentwicklung draus machen, 
sondern das machen, was nach besten Wissen Erfolg verspricht. Ein paar 
Cent Mehrkosten bei den LPL würden da rein weg gar keine Rolle spielen.
Immerhin bin ich mit meinen Elektroniken seit fast 20 Jahren bei keiner 
EMV-Prüfung durchgefallen (und das waren nicht wenige).
Gruß Öletronika

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