Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Software für Medizintechnik


von ratloser (Gast)


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Hallo zusammen,

für einen Kunden sollen wir eine elektronische Komponente entwickeln, in 
der auch eine Firmware zum Einsatz kommen wird.

Nun ist eine Forderung des Kunden die Einhaltung der IEC 62304.
Ich bin nun auf der Suche nach einem Fachmann, der uns zu diesem Thema 
an die Hand nehmen kann.

Hat jemand persönliche Erfahrung mit einem Consultant oder ähnlichem?

Gruß,
Kalli

von sun (Gast)


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Spart euch das Geld.

*Stellt einen Softwareprozess auf.
*Erstellt einen Projektplan
*betrachtet Risiken
 (Je nach Software Risikoklasse a, b oder c entsprechend entwickeln
  und dokumentieren.
  Begründet warum ihr a, b oder c seid. Wenn ihr das Risiko für den
  Patienten nicht selber einschätzen könnt, fragt einen Arzt.)
*Entwickelt z.B. nach dem V Modell.

Das ist soweit das wesentliche.
Wichtig: Alles gut dokumentieren und alles muss verfolgbar sein.
Also, die Anforderungen an die Software kommen irgendwo her und die
muss auch irgendwo abgetestet werden.
Habt ihr Fremdsoftware? benennt sie.
Wenn Betriebssystem, dann sollte es eines sein, das für Medizin 
zugelassen ist. Denn je nachdem, ob eure Software indirekt Menschenleben 
gefährdet (c),
muss jede Funktion verifiziert sein.

Steht aber alles in der 62304.

von satprog (Gast)


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sun schrieb:
> Spart euch das Geld.

Spart euch NICHT das Geld. Macht das anständig, da gehört auch viel 
Erfahrung dazu. Das kann man sich mal nicht eben anlesen, dass muss man 
schonmal gemacht haben.
Allein schon die Auswahl+Konfiguration der verschiedenen Tests und 
Codeanalyse Programme ist eine Wissenschaft für sich.
Stell dich auch schonmal drauf ein, massenhaft Dokumente zu schreiben 
und verschiedenste Nachweise zu führen.

Glaubs mir, ich schreib grad Software für Raumfahrt. Da ists ähnlich 
extrem.

von Tilo (Gast)


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Wobei die 62304 nicht alles ist. Mind. die 60601-1 abschnitt PEMS gilt 
auch.
Je nach Anwendungsfall kommen noch 60601-1-x und 60601-2-x Unternormen 
dazu.

Es reicht nicht nur, ein paar Dokumente zu erstellen. Die Normen wollen, 
dass Prozesse eingehalten werden.

Wenn es sich um eine Komponente handelt wird diese Teil eines PEMS 
werden?
Da müsste euer Auftraggeber eigentlich schon ein System haben, in das 
ihr euch integrieren könnt?

von thomas s (Gast)


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Der TÜV berät auch in Sachen Medizintechnik. Mit etwas Glück in der 
ersten Phase ohne Kosten.

von Sina A. (sinapse)


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ratloser schrieb:
> Hat jemand persönliche Erfahrung mit einem Consultant oder ähnlichem?

ja... alles bisher gesagte, kann ich nur bestätigen... auch wenn 
widersprüchlich.  consultants sind teuer und erzählen dir nur dinge, die 
du dir selber schon denken konntest. sowas wie: deine software muss 
getestet werden... wow, danke! allerdings koennen sie dir (wenn du nen 
vernuenftigen erwischst) ziemlich gut ein gefühl dafür vermitteln wie 
weit du alles treiben musst und was du für einen 
interpretationsspielraum hast. also sowas wie: wie viel aufwand soll ich 
betreiben bis ich behaupten kann, dass meine software sicher genug ist 
(insbesondere wenn du damit jemanden umlegen kannst).

leider weisst du nicht, was fuer nen consultant du erwischt hast... also 
einfach loslaufen und on the job immer nachbessern... immer parallel von 
den prüfenden stellen mitberaten lassen und abtasten, wie genau die die 
einzelnen stellen in den normen nehmen.

meine empfehlung: bei eindeutig risikoklasse a produkt,kann man das 
ruhig erstmal alleine starten... bei klasse b-c von anfang an das volle 
programm fahren mit consultants, tuev etc.

lg

von sun (Gast)


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wenn der kunde ahnung von medizintechnik hat,
kommuniziert mit ihm und fragt, welche dokumente er erwartet und nach 
welcher software risiko klasse ihr entwicheln sollt.
ich gehe davon aus, das der kunde die komponente im gesamtsystem 
zulassen will.
der kunde weiß auch auf welchem markt er das zulassen will.

von Wastl F. (rescuetigerchen)


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Als Entwickler von Medizintechnik (Software, Elektronik sowie 
zugehöriger Dokumentation) gehören die 62304, 14971 sowie 60601 zu 
meinem täglich Brot.
Bei Interesse kannst Du mir ja eine PN schicken, dann können wir über 
Umfang und Details reden. Vielleicht reichen ja auch schon ein paar 
kurze Informationsrunden.

Viele Grüße,
Wastl

von bal (Gast)


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Wenn eure Firma auf dem Gebiet kein Know-How hat wird es sehr schwer.
Theoretisch steht in den Normen alles was getan werden muss um.
In der Praxis kann damit aber keiner so ein Projekt stemmen. Im Prinzip 
braucht man immer jemanden der sowas schon oft gemacht hat, egal ob 
intern oder extern.
Vorraussetzung ist ein einigermasen funktionierendes Prozesswesen bei 
euch in der Firma.

Normalerweise steigt eine Firma, während sie wächst, immer tiefer in die 
Materie ein.
Am Anfang sollte ein kleines Projekt umgesetzt werden um Erfahrungen zu 
sammeln, darauf aufbauend dann ein etwas größeres Projekt etc.
Auserdem sollte die Firma nicht von diesem Projekt abhängig sein, denn 
ein Scheitern würde dann das Aus bedeuten.

Sina Anargo schrieb:
> leider weisst du nicht, was fuer nen consultant du erwischt hast... also
> einfach loslaufen und on the job immer nachbessern... immer parallel von
> den prüfenden stellen mitberaten lassen und abtasten, wie genau die die
> einzelnen stellen in den normen nehmen.

Wenn ihr das so macht (einfach mal drauf los, on-the-fly nachbessern) 
dann wird das Projekt scheitern oder zumindest das Budget bei weitem 
überschreiten. Handelt es sich dabei um ein sehr großes Projekt kannst 
du dir anschließend einen neuen Job suchen.

BTDT

von vaid (Gast)


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bal schrieb:
> Wenn ihr das so macht (einfach mal drauf los, on-the-fly nachbessern)
> dann wird das Projekt scheitern oder zumindest das Budget bei weitem
> überschreiten. Handelt es sich dabei um ein sehr großes Projekt kannst
> du dir anschließend einen neuen Job suchen.

Arbeite in der QM von einem Mittelständler und wir kämpfen immer noch 
mit den Wachstumsschmerzen beim Anlegen eines einigermaßen normkonformen 
Systems.

Mein erste Gedanke war: lehnt diesen Auftrag ab.

von ratloser (Gast)


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Angenommen man hat die Prozesse nach 62304 und Co. implmentiert, müssen 
die dann auch durch Unabhängige zertifiziert werden?
Also vergleichbar mit den wiederkehrenden Audits bei ISO9001?

von bal (Gast)


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vaid schrieb:
> Mein erste Gedanke war: lehnt diesen Auftrag ab.

Das war auch mein Gedanke, ich hab ihn nur nicht so direkt formuliert 
;-)

Falls der TO noch reinschaut:
Was sind denn eure Kernkompetenzen?
Seid ihr zumindest im Automotive Bereich unterwegs?
Oder habt ihr gar bisher nur Consumer-Produkte entwickelt?

von ratloser (Gast)


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vaid schrieb:
> Mein erste Gedanke war: lehnt diesen Auftrag ab.
Ist leider keine Option

von Andrew T. (marsufant)


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ratloser schrieb:
> Angenommen man hat die Prozesse nach 62304 und Co. implmentiert,
> müssen
> die dann auch durch Unabhängige zertifiziert werden?


Kommt a bisserl drauf an in welchem Land Du/Ihr das Gerät mit der 
Software verkaufen wollt. Als Beispiel:

Ich habe gerade Japan dazu in einem Projekt abzuwickeln, da wird das 
KOMPLETTE Set von der dortigne Behörde gegengeprüft.

USA ist schon abgeschlossen, deren Prüfung war heftig aber im Vergleich 
zu Japan ist die us Seite verhältnismäßig leicht.

von Wastl F. (rescuetigerchen)


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Nein. Ihr liefert ja "nur" zu. Die Verantwortung trägt der Auftraggeber. 
Es ist natürlich sicherer für den Auftraggeber wenn ihr ein QM System 
(9001 oder besser 13485) implementiert habt. Aber auch durch gemeinsame 
Reviews und definiere Meilensteine kann die Qualität und Richtigkeit der 
abgelieferten Arbeit (Software, Dokumentation) sichergestellt werden. Es 
soll ja "nach Norm" entwickelt werden, eine 9001 garantiert ja nicht 
automatisch die korrekte Umsetzung. Das garantiert ihr ja, mit der 
Abgabe des Projektes bzw. mit Abschluss des Vertrages. Man kann 
natürlich jederzeit eine unabhängige Firma drübergucken lassen, aber die 
übernehmen auch nicht die Haftung, sondern liefern ein "entspricht der 
Norm". Kostet aber natürlich extra und würde in diesem Fall keinen 
Mehrwert bringen. Bei el. Sicherheit bzw. EMV Prüfungen gilt das 
natürlich nicht, hier ist ein externes Labor immer der beste und 
sicherste Weg die Qualität der Sache darzustellen.

von Cha-woma M. (Firma: --------------) (cha-ar-196)


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ratloser schrieb:
> Nun ist eine Forderung des Kunden die Einhaltung der IEC 62304.
> Ich bin nun auf der Suche nach einem Fachmann, der uns zu diesem Thema
> an die Hand nehmen kann.

Mal "by the way":
Wie wollt ihr überhaupt ein Angebot abgeben, ohne zu wissen was alles 
ihr an Zertifizierungs- uns Dokumentationspflichten  zu erbringen habt?

Wenn ich für jemanden was entwickeln soll, und ich weis ned was alles so 
an Aufwand dahinter steht, da lass ich die Finger davon, oder ich 
sichere mich 100000000% ab gegen jeden Mehraufwand.

von vaid (Gast)


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ratloser schrieb:
> Angenommen man hat die Prozesse nach 62304 und Co. implmentiert,
> müssen
> die dann auch durch Unabhängige zertifiziert werden?
> Also vergleichbar mit den wiederkehrenden Audits bei ISO9001?

Kommt auf euer Verhältnis an. Seid ihr nicht durch eine benannte Stelle 
auditiert, kann euch euer Auftraggeber auditieren und muss dann bei 
seinem Audit beweisen, dass ihr in der Lage seid 62304 konform zu 
entwickeln. Das sparen sich natürlich die meisten Auftraggeber indem sie 
vom Auftragnehmer ein Zertifikat über die Konformität zur 13485 
verlangen.

von Alid (Gast)


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Das ist jetzt mehr eine Frage als eine Antwort, da ich davon gar keine 
Ahnung habe. Bin gerade erst mit dem Studium fertig geworden.

Wäre es allgemein gesehen nicht vernünftig einen oder zwei Mitarbeiter 
auf ein Seminar des Tüvs zu schicken und diese dadurch zertifizieren zu 
lassen?

Mein gedanke dabei ist, dass es billiger ist als einen Consultant hinzu 
zu ziehen. Außerdem kann man für zukünftige Projekte gleich mit der 
Zertifizierung aufwarten.

Auf der anderen Seite sehe ich die Gefahr, dass ein zweitägiger Kurs 
wohl nur theoretische Kentnisse vermittelt und das Projekt dann trotz 
zertifizierter Mitarbeiter an die Wand fährt.

Lasst mich an eurer jahrelangen Erfahrungen teilhaben :-)

von vaid (Gast)


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Alid schrieb:
> Auf der anderen Seite sehe ich die Gefahr, dass ein zweitägiger Kurs
> wohl nur theoretische Kentnisse vermittelt und das Projekt dann trotz
> zertifizierter Mitarbeiter an die Wand fährt.
>
> Lasst mich an eurer jahrelangen Erfahrungen teilhaben :-)

Das Projekt fährt auch mit den Beratern an die Wand.

Das Projektteam selbst muss die Durchführung nach dem durch die 62304 
vorgegebenem Vorgehen wollen. Wenn das nicht so ist, kannst du dich 
beraten lassen bis du schwarz wirst.

Wenn sich das Team dabei einig ist, braucht es nur in seltenen Fällen 
echte Beratung. Das meiste findet man auch im Internet oder diversen 
Webinaren.

Ich empfehle jedem mal die entsprechenden Stellen in den Normen 
anzusehen. Ist alles kein Hexenwerk.

von Alid (Gast)


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vaid schrieb:
> Ich empfehle jedem mal die entsprechenden Stellen in den Normen
> anzusehen. Ist alles kein Hexenwerk.


Eine Tüv zertifikat ist also rausgeworfenes Geld?

von vaid (Gast)


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Alid schrieb:
> Eine Tüv zertifikat ist also rausgeworfenes Geld?

Ich nehme mal an mit Zertifikat meinst du eine Schulung mit 
entsprechendem Nachweis.
Rausgeworfenes Geld ist das nicht immer, kommt auf den Dozenten an. Eins 
von vier Seminaren die ich besucht habe, haben mir etwas gebracht. Hängt 
aber sicherlich auch vom Lerntyp ab. Pauschalisieren kann man das nicht.

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