Forum: Digitale Signalverarbeitung / DSP / Machine Learning Leistungsverteilung im Frequenzband beim clipping von Endstufen relevant?


von Paul H. (powl)


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Hi,

die durchschnittlich erbringbare Leistung einer (Audio-)Endstufe wird 
bei einer spezifischen Lastimpedanz mit einem Testsignal gemessen, 
dessen Pegel so lange erhöht wird bis die Endstufe das Signal verzerrt.

Spielt es eine Rolle, wie die Leistung beim gegebenen Testsignal im 
Frequenzband verteilt ist, ab wann die Endstufe ins clipping gerät? D.h. 
macht es einen Unterschied ob die Leistung auf einen einzelnen Sinus, 
auf mehrere Sinus-Frequenzen oder auf ein kontinuierliches 
Rausch-Spektrum verteilt ist?

Wenn nein: Was ist die mathematische/physikalische Begründung dafür?

Genau genommen möchte ich damit auf folgenden Kommentar eingehen:
> Nimm einen "normalen" Class-D Verstärker, mal angenommen mit 100 W RMS an
> 8 Ohm. Dann hängst du einen 8 Ohm Lautsprecher drann, machst so laut das
> der Verstärker leicht clippt und dann miss mal die Leistung bei Musik. Ich
> kann dir schon sagen das es nicht 100 W sein werden...

Wie kann bei Verwendung eines rosa Rauschens überhaupt das 
Endstufen-Clipping festgestellt werden? Wie äußert sich das? Beim 
Clipping entstehen ja Oberwellen der Eingangsfrequenz. Wenn ich nun aber 
ein kontinuierliches Gemisch aus vielen Frequenzen habe müssten ja auch 
die Oberwellen beim Clipping kontinuierlich verteilt sein und nicht mehr 
auszumachen sein. Die Leistung kann aber nicht weiter steigen, sie wird 
nur umverteilt. Aber wie?

: Bearbeitet durch User
von MaWin (Gast)


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Paul H. schrieb:
> Spielt es eine Rolle, wie die Leistung beim gegebenen Testsignal im
> Frequenzband verteilt ist, ab wann die Endstufe ins clipping gerät?

Ja.

Ein Rechtecksignal hat mehr Leistung als ein Sinus, aber eine niedrigere 
Spitzenspannung, clippt also erst bei mehr Leistung.

Paul H. schrieb:
> Wie kann bei Verwendung eines rosa Rauschens überhaupt das
> Endstufen-Clipping festgestellt werden?

a) Erreichen eines maximalen Spannungswerts am Ausgang
b) Änderung des Spektrums der Übertragung.

von Rolf S. (audiorolf)


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MaWin schrieb:
> Ein Rechtecksignal hat mehr Leistung als ein Sinus, aber eine niedrigere
> Spitzenspannung, clippt also erst bei mehr Leistung.

Was vergleichst Du hier?

Richtig wäre:

Ein Rechtecksignal gleicher Leistung hat weniger Amplitude
Ein Rechtecksignal gleicher Amplitude hat mehr Leistung

zur Frage: Gemessen wird mit einem Sinus, weil das Clippen 
ausschließlich mit der Amplitude zu tun hat.

Leider ist das Clippen eine Definitionssache. Eine Verzerrung hat es 
immer. Diese wächst bei höheren Leistungen an, tritt aber nicht 
schlagartig auf.

Für mich ist die Leistungsgrenze von einem System schon dann erreicht, 
wenn sich der Klirrgrad verdoppelt. Ein typischer Amp, mit dem ich 
arbeite, hat bei 50W Dauerleistung 0,003% Klirr. Bei 250W 
Maximalleistung 0,05%. Also schon das Zehnfache. Betrieben tue ich ihn 
bis 120 W Impulsleistung für Bässe und 100W für Mitten, 80W für Höhen. 
Das System hat drei aktive Frequenzkanäle.

von Ralph B. (rberres)


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Es gibt eine Din Norm ( oder gibt es sie nicht mehr?).
Din 45500 besagt das bei Verstärker der Klirrfaktor bei der angegebene 
Sinusleistung und 1KHz 1% nicht überschreiten darf.

Die Ausgangsleistung nach Din45500 muss mindestens 2*6Watt Sinus 
betragen.
Die Leistung muss mindestens 10 Minuten lang an einen 
Abschlusswiderstand gehalten werden, wobei alle Kanäle gleichzeitig 
ausgesteuert werden müssen.


Nun ist diese Norm meines Erachtens etwas überholt, da heute jedes 
Kofferradio diese Norm mühelos erreicht.

Die Japaner waren da schon etwas strenger. Sie verlangten das dieser 
Wert bei jeder Frequenz im Bereich 20Hz bis 20KHz eingehalten wird.

Das war in den 60ger Jahren, also der Zeit der Germaniumendtransistoren, 
schon eine Herausforderung.

Bei den heutigen Verstärker würde ich die Grenze dahin legen , wo man 
gerade noch kein Clippen der Sinuskurve sieht, und dort sowohl die 
Ausgangsleistung als auch den Klirrfaktor messen.

Ralph Berres

von J. S. (engineer) Benutzerseite


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Ralph Berres schrieb:
> Bei den heutigen Verstärker würde ich die Grenze dahin legen , wo man
> gerade noch kein Clippen der Sinuskurve sieht,
"Gerade nichts sehen" würde aber bedeuten, einen Klirrfaktor 0 zu 
messen, oder? :-)

Das Problem solche Messungen ist, dass man erst einmal einen guten Sinus 
haben muss, mit dem man messen könnte. Den stellen 99% der Geräte ja 
schon garnicht bereit. Dann ist es auch ein Unterschied, ob man das 
gleichspannungsmäßig oder wechselspannungsmäßig misst. Es ist z.b. bei 
heutiger Technologie kein Problem, das bei 10kHz sauber hinzubekommen, 
aber unten in den Tiefen geben die Stützkondensatoren nach und gängeln 
die Signalamplitude dynamisch, was zu einer deutlichen Verzerrung führt, 
aber nur in Teilen nichtsinusförmig ist. Das Netzteil macht da immer 
mehr aus.

Und dann hätten wir noch das Thema Laststabilität: Je nach Verhalten der 
Gegen-EMK verzerren Verstärker mehr oder minder stark, was nicht direkt 
messbar ist und sich auch nicht vollständig im Klirr ausdrückt.

>1% Klirrfaktor
Bei hochwertigen Mikrofonen gilt die 0,5%-Grenze als Wert für den 
maximalen Schallpegel.

von Ralph B. (rberres)


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Jürgen Schuhmacher schrieb:
> "Gerade nichts sehen" würde aber bedeuten, einen Klirrfaktor 0 zu
> messen, oder? :-)

wenn noch kein Klippen zu sehen ist, muss es ja noch lange nicht 
bedeuten das der Klirrfaktor =0 ist. Der Klirrfaktor kann auch durch 
Verformungen an andere Stelle des Sinus entstehen. Schon bei 1% 
Klirrfaktor sieht man der Sinus nicht an , das sie klirrt.

Jürgen Schuhmacher schrieb:
> Das Problem solche Messungen ist, dass man erst einmal einen guten Sinus
> haben muss, mit dem man messen könnte. Den stellen 99% der Geräte ja
> schon garnicht bereit.

Ich weis nicht welche Geräte du meinst? ein Funktionsgenerator mit den 
alten XR2206 oder ICL8038 kann es schon auf 0,5% Klirrfaktor packen, 
sofern man ihn vernünftig einmal abgleicht. Ohne Abgleich sind es 
vielleicht 2%

Ein Wienbrückengenerator ( genau so einfach nachbaubar, wie der XR2206 
Generator ) schafft es locker auf 0,1% wenn man ich  ein bisschen 
optimiert sind auch 0,01% drin.

Ein DDS Synthesizer mit 12 Bit DA-Wandler schafft 0,02% wenn man das 
Aliasingfilter hinter dem DA Wandler auch vorsieht.

Das sind schon Werte mit den man ganz gut leben kann.

Jürgen Schuhmacher schrieb:
> Dann ist es auch ein Unterschied, ob man das
> gleichspannungsmäßig oder wechselspannungsmäßig misst.

Man misst immer wechselspannungsgekoppelt.

Jürgen Schuhmacher schrieb:
> Es ist z.b. bei
> heutiger Technologie kein Problem, das bei 10kHz sauber hinzubekommen,
> aber unten in den Tiefen geben die Stützkondensatoren nach und gängeln
> die Signalamplitude dynamisch, was zu einer deutlichen Verzerrung führt,
> aber nur in Teilen nichtsinusförmig ist. Das Netzteil macht da immer
> mehr aus.

So weit darf man dann eben nicht aussteuern. Da kommt der Unterschied 
zwischen Sinus und Musikleistung zum tragen.

Jürgen Schuhmacher schrieb:
> Und dann hätten wir noch das Thema Laststabilität: Je nach Verhalten der
> Gegen-EMK verzerren Verstärker mehr oder minder stark, was nicht direkt
> messbar ist und sich auch nicht vollständig im Klirr ausdrückt.

Und ob sich das bemerkbar macht.

Jürgen Schuhmacher schrieb:
> Bei hochwertigen Mikrofonen gilt die 0,5%-Grenze als Wert für den
> maximalen Schallpegel.

Das ist wieder eine andere Baustelle.

Ralph Berres

von J. S. (engineer) Benutzerseite


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Ralph Berres schrieb:
> wenn noch kein Klippen zu sehen ist, muss es ja noch lange nicht
> bedeuten ...
> Schon bei 1%
> Klirrfaktor sieht man der Sinus nicht an , das sie klirrt.
Deshalb ja mein Einwand, dass "Hingucken" nicht die Aussage sein kann. 
Ohne irgendeinen Vergleich sind selbst 5% nicht unbedingt zu entdecken. 
Mit Vergleich, also technischem Abziehen des idealen Sinus und 
Hochverstärkung der Differenz, ist es 100mal genauer.

Siehe diese Sinusdifferenz:
https://www.mikrocontroller.net/articles/Datei:Opimierte_naeherung_sinusfunktion2_js.png


> alten XR2206 oder ICL8038 kann es schon auf 0,5% Klirrfaktor packen,
> Wienbrückengenerator optimiert sind auch 0,01% drin.
Die Linearitätsfehler guter Studiowandler samt Vor-Verstärker liegen 
zusammen bei 0,005% Klirr. Gute Endverstärker kommen ja im Arbeitspunkt 
auch etwa dran.

> Das sind schon Werte mit den man ganz gut leben kann.
Eher nicht. Der Linearitätsfehler des Messsystems muss mal wenigstens 
Faktor 10 kleiner sein, als der, den ich messen möchte.
Mit Standardmethodik und -geräten kann man höchstens mittlmässiges 
Consumer-Audio "vermessen".

> Ein DDS Synthesizer mit 12 Bit DA-Wandler schafft 0,02%
Jaha, aber bei Audio wird DDS mit 24 Bit betrieben. :D :D
Ein DDS muss (auch mit DDS-Vorstufe für die Steuer-Frequenz) mal 
mindestens zu genau sein, wie die digitale Auflösung des zu messenden 
Signals, denn auch das kann ganzahlig zur Abtassfrequenz passen und 
einen guten AA-filter hintendran haben. Da gibt es einiges an 
Phasenjitter.


> Man misst immer wechselspannungsgekoppelt.
Und das ist ein Problem. Der Klirrfaktor beinhaltet nur die 
nichtlinearen Verzerrungen. Lineare Verzerrungen hingegen, also 
frequenzabhängige Amplitudendämpfung werden ohne Gleichspannungsbezug 
nicht erfasst. Dasselbe gilt für Phasenfehler. Deshalb auch:

>> Gegen-EMK verzerren Verstärker mehr oder minder stark, was nicht direkt
>> messbar ist und sich auch nicht vollständig im Klirr ausdrückt.
> Und ob sich das bemerkbar macht.
Aber nicht vollständig, wie ich schreibe - siehe die Ausführungen oben 
drüber. Der Klirrfaktor macht noch keine vollständige Aussage über die 
Qualität des Systems im Bezug auf Verzerrungen.


> Jürgen Schuhmacher schrieb:
>> die Signalamplitude dynamisch, was zu einer deutlichen Verzerrung führt,
>> aber nur in Teilen nichtsinusförmig ist.
> So weit darf man dann eben nicht aussteuern.
Na, das wird aber doch gemacht! Das ist ja gerade der Witz mit den 
angeblichen Leistungen, die die Verstärker bringen sollen. Weil ein 
kurzer Impuls noch abgefangen wird, errechnet man eine extreme 
Leistungsreserve und schummelt dabei bei der Linearität. Im Prinzip ist 
jegliche Belastung des Ausgangs eine Belastung der Treiberstufe und des 
Netzteils, welche nicht 100% durch Elkos geblockt wird und auch nicht 
100% durch den A/B oder Class-D weggeregelt werden kann. Und gerade der 
niederfrequente Anteil saugt die Elkos leer, bzw bringt Schaltnetzteile 
an die Regelgrenze, was dann die nächste Höhenfrequenz zu spüren 
bekommt. Diese Einbrüche sind erstens ein Abweichung von der Linearität 
und bringen zweitens eine gewisse Deformation des Signals, weil der 
Spannungseinbruch am Netzteil nicht komplett ungedämpft am Ausgang 
erscheint.

> Da kommt der Unterschied
> zwischen Sinus und Musikleistung zum tragen.
Diesbezüglich warte ich immer noch auf eine plausible Definition eines 
Test-Musiksignals. Da sind sich selbst die HIFI-Puristen nicht einig: 
Kürzlich gab es eine Diskussion in einem Forum, die offenbarte, dass 
verschiedene Hersteller extreme Unterschiede in ihren Messmethoden 
hatten, was Musiksignal / Sinus-Leistung anbelangt. Da findet man 
Angaben von 50/80 bis hin zu 50/300.

von Ralph B. (rberres)


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Naja die Musikleistung wird gemessen, in dem man mit Hilfe eines 
geregelten Netzteil die Leerlaufspannung des Originalen ungeregelten 
Netzteiles an die Endstufe legt. Das wäre dann die Leistung die die 
Endstufe kurzzeitig ( bevor dem Netzelco die Puste ausgeht ) abgeben 
kann.

Die Sinusleistung ist die Leistung die konstant abgegeben wird. ( Also 
wenn die Spannung am Netzelco sich unter der Stromentnahme eingependelt 
hat. Man darf natürlich nur soweit aussteuern bis noch kein 100Hz 
Sägezahnbrumm am Ausgang erscheint.

Ralph Berres

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