Forum: Haus & Smart Home Einbindung Raumthermostate in Heizungsregelung


von Dieter Mahr (Gast)


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Hallo,

ich möchte gerne meine Heizungsregelung von außentemperaturgeführt auf 
raumtemperaturgeführt umstellen. Raumthermostate sind HomeMatic über 
FHEM, Heizungsregelung läuft als C-Programm direkt auf dem Beaglebone 
Black (Brenner, Pumpen, Warmwasser, Heizungsmischer).

Sinn und Zweck ist es, durch optimale Vorlauftemperatur unnötigen 
Ölverbrauch zu reduzieren. Daher bin ich gerade am Knobeln, wie ich die 
Parameter Raum-Soll-Temperatur, Raum-Ist-Temperatur, Ventilöffnung und 
ggf. Außentemperatur am besten kombiniere um daraus den eigentlichen 
Heizbedarf abzuleiten.

Erster Ansatz wäre ein (P)I-Regler der über die Vorlauftemperatur auf 
eine Ventilöffnung zwischen z.B. 90% und 95% regelt. Hier ist allerdings 
die Frage, wie ich die Vorlauftemperatur sinnvoll begrenze, denn es 
kommt vermutlich beim morgendlichen Sprung von der Nachtabsenkung kurz- 
bis mittelfristig zu einem satten Überschwinger der die Rohre mit 70 
Grad heißem Wasser flutet.

Hat sich über eine solche Einzelraumregelung in Verbindung mit einer 
Kesselsteuerung schonmal Gedanken gemacht? Bin für konstruktive Hinweise 
in jegliche Richtung offen.

von simpel (Gast)


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Wenn du die Steuerung schon als freiprogrammierbare Lösung parat hast, 
würde ich für die kommende Saison ein Programm schreiben, das 
selbstlernend die minimal nötige Vorlauftemperatur in Abhängigkeit von 
Aussentemperatur und gewünschter Raum-Solltemeperatur ermittelt, als 
Kennfeld anlegt und darüber regelt.

Dabei geht es auch um Komfort. Wenn du schnell von eine kalten Wohnung 
auf Wohlfühltemperatur kommen willst, musst du entsprechend stark die 
Vorlauftemp. überhöhen, im Gegensatz zur reinen Erhaltungsheizung einer 
schon aufgewärmten Wohnung (Wände, Einrichtung).

Der Mischer hat z.B. die Funktion, die Häufigkeit der Brenner-Hysterese 
etwas auszudehnen, so dass dieser nicht allzu häufig an- und abschaltet. 
Andererseits bewirkt das Überheizen des Kessels auf Temperaturen 
oberhalb der notwendigen Vorlauftemperatur zusätzliche Energieverluste. 
Da muss ein optimaler Kompromiss zwischen Brennerverschleiss durch 
häufige Taktung und Überheizung des Kesselwassers gefunden werden.

Statt Kennfeld kannst du auch eine direkte Regelung entwerfen, wenn du 
über das Delta_IST-Temperatur/dt die Reaktionsgeschwindigkeit der 
Raumtemperaturveränderung pro Zeiteinheit als Input für die 
Vorlauftemp.-Überhöhung heranziehst.

Die Sache sieht auf den ersten Blick trivial aus, ist sie aber nicht. Es 
gibt einige nichtlineare Parameter, die gegenseitig verknüpft sind und 
ein mehrdimensionales Feld repräsentieren.

von Dieter Mahr (Gast)


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Trivial ist das nicht, das ist mir schon klar.

Das mit dem Kennfeld ist eine gute Idee. Bei einem richtig ausgelegten 
Regler müsste ja der I-Anteil die Erhaltungstemperatur widerspiegeln und 
der P-Anteil die Temperaturüberhöhung zur WAF-Temperatur beitragen. Die 
Werte werden eh in einer RRD gespeichert, da müsste sich sowas auch 
daraus ermitteln lassen.

Alleine der Umbau auf eine eigene Steuerung hat dazu beigetragen, dass 
durch dynamische Hysterese der Brenner länger läuft, der Schornsteinkopf 
im Winter trocken bleibt und witterungsbereinigt der Ölverbrauch etwas 
gesunken ist.

von Axel L. (axel_5)


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Dieter Mahr schrieb:
> Hallo,
>

> Erster Ansatz wäre ein (P)I-Regler der über die Vorlauftemperatur auf
> eine Ventilöffnung zwischen z.B. 90% und 95% regelt. Hier ist allerdings
> die Frage, wie ich die Vorlauftemperatur sinnvoll begrenze, denn es
> kommt vermutlich beim morgendlichen Sprung von der Nachtabsenkung kurz-
> bis mittelfristig zu einem satten Überschwinger der die Rohre mit 70
> Grad heißem Wasser flutet.
>

Das kann man ja sinnvoll nutzen. Ich mache morgens um 5:30 immer 
Warmwasser, der Kessel ist dann auf 70°, damit kann ich die Hütte 
schnell aus der Nachtabsenkung rausholen und ruckzuck aufwärmen.

Ansonsten ist das bei mir grob so geregelt, dass alle Thermostate für 
sich selbst regeln, wenn einzelne (je nach Priorität) 100% Öffnung 
haben, wird der Brenner angeworfen.

Eine PI-Regelung für den Kessel habe ich verworfen, der Brenner kann nur 
An oder Aus, da gibt es nicht viel zu regeln und einen Mischer habe ich 
bewusst nicht.

Gruss
Axel

von Sebastian L. (sebastian_l72)


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> Hat sich über eine solche Einzelraumregelung in Verbindung mit einer
> Kesselsteuerung schonmal Gedanken gemacht?

Ja dazu haben sich sehr viele Leute schon Gedanken gemacht. Optimale 
Vorlauftemperatur ist das A & O beim effizienten Heizenergieeinsatz.

Die klassische Regelung mit Vorlauftemperatur nach Aussentemperatur und 
Raumtemperatur durch Soll-Ist Abgleich am Radiatorventil ist 
regelungstechnisch gesehen eine Kaskadenregelung.
Einfach nur Differenz Raum-Soll und Raum-Ist zu regeln, ist so wie nach 
Differenz Vorlauf-Rücklauf-Temperatur bei einem vernünftig abgeglichenem 
Heizkreis.
Wer jeden Raumtermostat abfragt und die Aussentemperatur vernachlässigt 
Da schmeisst die Kaskade über Bord.

Einziger Vorteil der Ansteuerung einzelner Radiatorventilen ist die 
bessere Verteilung der Heizleistung unter den Heizkörpern und somit 
besserer Wirkungsgrad.

Wer glaubt die Radiatorventilregler seihen P-Regler, dem sei die Lektüre 
der Ventil- und Heizkörperkennlinien empfohlen.



Die wesentliche Störgrösse ist das Aussenklima, die internen 
Wärmequellen und die Lüftungsverluste.

Wesentlich dabei sind:
- Aussenlufttemperatur,
- eingetragene Strahlungsleistung der Sonne,
- interne Wärmeleistung,
- Windgeschwindigkeit (bestimmt die Infiltrationsverluste)
- Lüftungsverluste.

Bei Heizungen von modernen Gebäuden schwerer Bauart sind Verzögerungen 
in Stunden oder Tagen zu messen.
Eine Störgrossenaufschaltung ist regelungstechnisch eine sehr sehr gute 
Sache. Das macht den Regler schneller und somit präziser. Daher ist 
soetwas heute Standard.

Grundsätzlich gilt: elektronische Regler sind generell nicht besser als 
hydraulische. Wenn man sich dennoch alle Regelkreise eletronisieren 
will:

_Meine Empfehlung_: Ermittele das Verzögerungsglied empirisch so gut wie 
möglich (Das Haus gibt es ja schon. Problematisch ist natürlich dass das 
ceteris paribus Versuche kaum möglich sind.)
Anstelle der Auschaltung der aktuelle Störgrösse habe ich Regelungen 
implementiert die die vorgesehene Störgrösse (aka. Wettervorhersage) 
aufgeschaltet. Sozusagen ein Smith-Prädiktor nach zu erwartetem 
Aussenklimaparameter.
Im der Praxis: Wenn die Märzsonne morgen ins Haus scheinen wird, wird 
die Heizung nicht gebraucht. Das ist ganz nett, wenn mein ein 
vollverglastes Bürohaus mit Fussbodenheizung hat.

Die Vorlauftemperatur muss so ausgelegt sein, dass_alle_ Heizkörper, 
auch der letzte/kleinste, ausreichende Leistung liefern können. Machmal 
hilft es da wenig die Regelung zu optimieren. Ein einzelner grösserer 
Heizkörper wirkt manchmal grössere Wunder als ewiges rumgefrickel am 
Regler.

Die Ersparnisse einer Nachtabsenkung bei modernen schweren Gebäuden kann 
man ganz leicht durch morgendliche Leistungsspitzen wieder wegbrennen.

von Chris (Gast)


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Hi,

ich habe eine einzelraumabhängige Regelung im Eigenbau seit einigen 
Jahren im Einsatz. Ausgabspunkt war, dass die Räume sehr individuell und 
zu verschiedenen Zeiten geheizt werden sollen. Die Vorlauftemperatur 
musste ganztägig stark überhöht sein, nur, um z.B. Abends das Wohnzimmer 
hochheizen zu können. Außerdem gibt es Fremdwärmequellen wie Kochen oder 
Kachelofen, die, besonders am Wochenende, quasi ganztägig eine Absenkung 
der Vorlauftemperatur ermöglichen.

Zum Einsatz kommen nun HR20 Heizkörperthermostate, teils mit der 
OpenHR20 Firmware. Diese geben alle 4 Minuten die Raumtemperatur, die 
Solltemperatur und die Ventilstellung seriell aus. Eine externe Platine 
mit Atmega8 wird über die Batterien des HR20 gespeist, nimmt die 
seriellen Daten entgegen und sendet sie über ein rfm12 Funkmodul in den 
Keller. Zusätzlich sind an den Platinen noch Sensoren, Aktoren, LEDs 
usw. angeschlossen, je nachdem, was im Raum noch so gebraucht wird.

Das zentrale Gerät im Keller (Atmega128) errechnet aus den Daten einen 
Reglerwert und manipuliert den Eingang für den Raumfühler der Heizung. 
Eine andere Steuerungsmöglichkeit habe ich leider nicht gefunden. Die 
Außentemperatur wird von der Heizung weiterhin berücksichtigt, meine 
simulierte Innentemperatur dient also nur der Korrektur. Diese ist aber 
in weiten Grenzen möglich.

Zusätzlich übernimmt das zentrale Gerät noch Logging (SD-Karte), 
Zählerauswertungen, Messungen Vor-/Rücklauf und Speicher und steuert die 
Zirkultionspumpe (Brauchwasser) vorrausschauend, also automatisch 
lernend, an.



Was ich heute anders machen würde: Vermutlich würde ich eine Kombination 
aus Mikrocontroller und Rasperry Pi nutzen. Auf dem Pi könnte man die 
Regelung ohne Firmwareupdaterei anpassen und die Daten gleich in einer 
Datenbank erfassen und ein Webinterface bereit stellen.

Es sind einige Sonderfälle abzufangen, mit denen ein klassischer Regler 
überfordert wäre. Beispiel: Nutzer dreht Thermostat ab, öffnet Fenster, 
kühlt den Raum aus, schließt Fenster, öffnet Thermostat. -> Große 
Abweichung vom Sollwert, Vorlauftemperatur schießt hoch.
Oder: Nutzer dreht in schneller Folge am Thermostat hin und her. Erst 
runter, dann rauf, dann wieder ein halbes Grad runter.

Und zuletzt hat meine Regelung noch das Problem, dass hier zwei 
Regelungen gegeneinander arbeiten. Bei steigender Zimmertemperatur 
reduziert das zentrale Gerät die Vorlauftemperatur. Im Raum schließt 
aber auch das Ventil.

von Chris (Gast)


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Nachtrag: Unsere Heizung führt morgens eine Schnellaufheizung durch. Das 
Überschwingen konnte ich mit einem D-Anteil aber gut in den Griff 
bekommen.
Und, wie weiter oben geschrieben, empfielt es sich, die 
Warmwassererhitzung so zu wählen, dass danach gleich in den Heizbetrieb 
gewechselt wird.

von Rainer D. (rainer4x4)


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Dieter Mahr schrieb:
> Sinn und Zweck ist es, durch optimale Vorlauftemperatur unnötigen
> Ölverbrauch zu reduzieren.
>
> Hat sich über eine solche Einzelraumregelung in Verbindung mit einer
> Kesselsteuerung schonmal Gedanken gemacht? Bin für konstruktive Hinweise
> in jegliche Richtung offen.

Schmeiss die Raumthermostate weg und optimiere den hydraulischen 
Abgleich! So kannst Du mit minimaler Vorlauftemperatur arbeiten und 
Heizöl sparen.
Die einzelnen Heizkörper zu regeln ist suboptimal, da dadurch der 
Volumenstrom beeinträchtigt wird. Als Resultat wird der Heizkessel die 
Energie nicht los und er fängt an zu takten.

Ausserdem führt die "Absenkerei" zu Auskühlung der Wände und Möbel und 
es wird daher ein schlechteres Wohlfühlklima erzeugt, dem in der Regel 
mit höheren Raumtemperaturen gegengesteuert wird.

Und die erhöhte Wieder-Aufheizphase bedeutet zusätzliche ineffizientere 
Energienutzung.

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