Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Hilfe beim Verstehen und Berechnen einer OP-Schaltung (param. Filter)


von Adrian Bergmann (Gast)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Hallo miteinander!

Ich habe hier eine Schaltung vorliegen, von der mir gesagt wurde, es 
handle sich um einen parametrischen Equalizer. Leider habe ich dazu 
weder eine Erläuterung, noch einen Anhaltspunkt/Formeln, um f0, Q und 
Gain zu berechnen bzw. die Bauteile in Abhängigkeit dieser Größen zu 
dimensionieren.

Die Beschaltungen der einzelnen OPVs ähneln so rein gar keiner 
Standardschaltung, die ich im Tiezte/Schenk finde, eine Google-Suche 
nach parametrischen Filtern hilft mir ebenfalls nicht weiter, und um 
H(jw) selber zu berechnen, fehlt mir die Erfahrung und das Verständnis. 
Auch in der Simulation mit PSpice und Experimentieren mit verschiedenen 
R- und C-Werten bin ich nicht schlauer geworden.

Deshalb meine Frage: Kennt diese Topologie jemand (eventuell sogar 
namentlich) und kann mir Formeln zur Berechnung der Bauteile liefern?
Alternative Schaltungen (die ich auch schon zuhauf bei Google fand) 
helfen mir in diesem Fall nicht weiter, ich bin genau auf die im Bild 
angezeigte angewiesen.

Besten Dank schonmal!

von Uwe B. (uwe_beis)


Lesenswert?

Lösen kann ich das Puzzle auch nicht. Auch ich habe in den 
Standard-Schaltungen nichts gefunden, was dem hier ähnelt.

Auf theoretischem Weg Lösung zu finden, also die Übertragungsfunktion zu 
berechnen, mag möglich sein, aber bei weitem nicht in diesem Rahmen. Ein 
normaler 2-poliger Filter besteht aus genau zwei Kondensatoren und 
einigen Widerständen, deren Funktion im Zusammenhang mit der Schaltung 
schnell klar wird, wie z. B. Inverter mit Verstärkung = -R1/R2 oder 
Widerstand, der die Zeitkonstante eines Integrators bestimmt.

Hier hast du aber 4 Kondensatoren und jede Menge Widerstände, bei denen 
ich keinen Sinn erkenne, denn alle sind mit 1 nF bzw. 1 kOhm bezeichnet. 
Ich bin der Überzeugung, dass einige davon nur für die Praxis, z. B. zum 
Vermeiden von Schwingungen, vorgesehen sind und für die Funktion des 
Filters theoretisch irrelevant sind. Aber welche? Wenn man das weiß, 
kann man sich bei der Berechnung des Frequenzgang schon mal auf des 
Wesentliche konzentrieren, denn so würde das Ergebnis so komplex, dass 
man (oder zumindest ich) kaum erkennen könnte, an welchem Parameter man 
zur Frequenzbestimmung drehen soll.

Gibt es Angaben zu einer realen Dimensionierung?

von DocMartin (Gast)


Lesenswert?

Hallo,

die Konfiguration U2/U3 erinnert mich an einen Impedanzwandler, 
Stichwort "Gyrator". Das wäre im wesentlichen ein Umsetzer zwischen 
kapazitiven und induktivem Verhalten - die Konfiguration verhält sich 
wie eine Induktivität.

Ahoi, Martin

von Lutz v. Wangenheim (Gast)


Lesenswert?

Ich fühle mich zwar relativ kompetent, was aktive Filter angeht - diese 
Schaltung habe ich allerdings auch noch nicht gesehen.
Die Berechnung (von Hand) ist sicherlich recht aufwendig, so dass es 
sinnvoll erscheint, ein symbolisches Simulationsprogramm einzusetzen, um 
H(s) zu erhalten.
Dafür käme beispielsweise SAPWIN infrage. Ein sehr einfach zu 
bedienendes Programm (basierend auf idealen OPV`s) zur formelmäßigen 
Ermittlung der relevanten Größen (google for SAPWIN).
Nach Dimensionierung kann man auch Bode-Diagramme und 
Pol-/Nullstellenverteilung erhalten.

von Old P. (Gast)


Lesenswert?

Ich vermute, das ist eine hingeworfene Prinzipzeichnung und die 
1nf/1kohm sind nur die Standardwerte des Schaltplanzeichenprogramms.
Real ist wohl anders.

Old-Papa

von derguteweka (Gast)


Lesenswert?

Moin,

Ich bereichere das Raetselraten mal um einen "dual amplifier band pass" 
fuer den Teil um U2/U3 - mit den ueblichen, durch mehrfaches Abmalen und 
gekonnte Bauteildimensionierungen eingefangenen "Verbesserungen"...

Gruss
WK

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


Lesenswert?

Weiß man denn, welche der Widerstände dazu vorgesehen sind, die
Parameter einzustellen?

von Adrian Bergmann (Gast)


Lesenswert?

Vielen Dank schonmal für die Antworten!

Die Topologie stammt aus einer Projektdoku von jemandem, der seinen 
Lebensunterhalt verdient mit solchen Schaltungen. Ich habe keine 
sinnvolle Dimensionierung hierfür mitgeliefert bekommen, auch weiss ich 
nicht, welche Rs und Cs für Stabilisierung gedacht sind und welche 
tatsächlich das Nutzsignal bearbeiten sollen.
Danke für die Hinweise auf Gyrator und SAPWIN, werde mal sehen, ob ich 
damit weiterkomme.

von Lutz H. (luhe)


Lesenswert?

In LTspice eingegeben und Frequenzgang simulieren lassen ... .

von Frickelfritze (Gast)


Lesenswert?

SAPWIN könnte evtl. ein bisschen auf dem Rechner herumspionieren ....

Diesen WebInstallern traue ich kein bisschen

von Frickelfritze (Gast)


Lesenswert?

Lutz H. schrieb:
> In LTspice eingegeben und Frequenzgang simulieren lassen ... .

Das nützt dir nichts wenn du dir ein Übertragunsgverhalten
wünschst das du dir erst einstellen musst. Du bewgst dich
da mit den vielen Parametern im n-dimensionalen Raum.

von Jay (Gast)


Lesenswert?

derguteweka schrieb:
> Moin,
>
> Ich bereichere das Raetselraten mal um einen "dual amplifier band pass"
> fuer den Teil um U2/U3 - mit den ueblichen, durch mehrfaches Abmalen und
> gekonnte Bauteildimensionierungen eingefangenen "Verbesserungen"...


Ein 1 minus Bandpass Notch, wobei der Bandpass als Dual Amplifier Band 
Pass realisiert ist:

http://www.analog.com/library/analogDialogue/archives/39-05/Web_Ch5_final_PtB_F.pdf

von Lutz H. (luhe)


Lesenswert?

Frickelfritze schrieb:
> Du bewgst dich
> da mit den vielen Parametern im n-dimensionalen Raum.

Mit allen  Widerständen 1k und allen  Kondensatoren 1n würde ich auf 
keinen Fall anfangen, weil die so im Schaltplan sind.

von Lutz v. Wangenheim (Gast)


Lesenswert?

Frickelfritze schrieb:
> SAPWIN könnte evtl. ein bisschen auf dem Rechner herumspionieren ....
>
> Diesen WebInstallern traue ich kein bisschen

Ich arbeite mit SAPWIN seit ca. 10 Jahren - bisher ohne Probleme.
Programm wurde von Uni Florenz entwickelt.

von Jay (Gast)


Lesenswert?

Falls es nicht aufgefallen ist, man kann das auch berechnen. Die Formeln 
stehen in der von mit angegebenen Referenz.

von Uwe B. (uwe_beis)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Jay schrieb:
> Falls es nicht aufgefallen ist, man kann das auch berechnen. Die Formeln
> stehen in der von mit angegebenen Referenz.
Das fällt auch nicht gerade direkt auf. Du meinst also den DABP auf 
Seite 5.74. Ganz zu 100 % kann ich das nicht nachvollziehen, aber es 
scheint so zu sein, dass die Einspeisung dort geschieht, wo sonst Masse 
ist und umgekehrt. Das könnte gehen. Auch die unter dem Bild erwähnte 
Option, R1 zu einem Teiler (-> R8,9) zu machen, wird angewendet.

Ich habe die Schaltung dementsprechend mal auf das funktionell 
Wesentliche reduziert. So könnte man sie simulieren und berechnen. R5 
und R7 scheinen die wesentlichen frequenzbestimmenden Widerstände zu 
sein. U1 ist dann der Summierer.

von Lutz v. Wangenheim (Gast)


Lesenswert?

Ich bin nun nicht so sicher, ob die oben angegebene - auf das 
"wesentliche reduzierte - Schaltung wirklich mit dem Original 
vergleichbar ist.
Es fehlt z.B. der Integrator von U2, wodurch die Ordnung der Schaltung 
verändert worden ist.
Wenn schon simuliren - warum denn nicht die komplette Schaltung?

Noch ein Hinweis für den Fragesteller:
Wieso ist er an Q unf fo interessiert? Was ist damit überhaupt gemeint?
Güte und Polfrequenz sind doch eigentlich Parameter, die nur für eine 
Übertragungsfunktion zweiter Ordnung definiert sind.

von Possetitjel (Gast)


Lesenswert?

Adrian Bergmann schrieb:

> Deshalb meine Frage: Kennt diese Topologie jemand
> (eventuell sogar namentlich) [...]

Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass U2/U3 ein
Fliege-Glied bilden. Erwähnt werden diese z.B. in der
Broschüre "Berechnung und Aufbau aktiver RC Filter" von
Hans-Jürgen Kowalski.

von Lutz V. (lvw)


Lesenswert?

Possetitjel schrieb:
> Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass U2/U3 ein
> Fliege-Glied bilden.

Die Fliege-Filter basieren auf dem GIC-Block von Antoniou (Generalized 
Impedance Converter) - und in diesem Fall müssten beide inv. Eingänge 
verbunden sein (R6=0).

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


Lesenswert?

Ein "state-variable-filter" hat zwar auch drei OPs, aber die sind 
hintereinandergeschaltet, anders als hier.

Als IC gibt es das von Burr-Brown, heute TI:
http://www.ti.com/lit/ds/symlink/uaf42.pdf

von Possetitjel (Gast)


Lesenswert?

Lutz V. schrieb:

> Possetitjel schrieb:
>> Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass U2/U3 ein
>> Fliege-Glied bilden.
>
> Die Fliege-Filter basieren auf dem GIC-Block von Antoniou
> (Generalized Impedance Converter) - und in diesem Fall
> müssten beide inv. Eingänge verbunden sein (R6=0).

Tatsächlich. Du hast Recht. C2/R6 sind "zuviel".

von Adrian Bergmann (Gast)


Lesenswert?

Uwe B. schrieb:
> Jay schrieb:
>> Falls es nicht aufgefallen ist, man kann das auch berechnen. Die Formeln
>> stehen in der von mit angegebenen Referenz.
> Das fällt auch nicht gerade direkt auf. Du meinst also den DABP auf
> Seite 5.74. Ganz zu 100 % kann ich das nicht nachvollziehen, aber es
> scheint so zu sein, dass die Einspeisung dort geschieht, wo sonst Masse
> ist und umgekehrt. Das könnte gehen. Auch die unter dem Bild erwähnte
> Option, R1 zu einem Teiler (-> R8,9) zu machen, wird angewendet.

Zwei Hinweise, die mich sehr weitergebracht haben, dies ist in der Tat 
so!
C2 und R6 scheinen eher esoterische Komponenten darzustellen und können 
als Unterbrechung bzw. Kurzschluss (zumindest in der Sim) aussen 
vorgelassen werden.
Mit R7 wird dann Centerfrequenz bestimmt, mit R8 Q und mit R9 die 
Dämpfung an der Mittenfrequenz.

Dann erschliesst sich mir jetzt auch der Sinn der oberen Hälfte der 
Schaltung (die genaue Funktion aber nicht :) ) mit R4 kann man dann 
bestimmen, das Bandpasssignal(genauer:Bandsperre) aus der unteren Hälfte 
der Schaltung aufs Eingangssignal addiert oder subtrahiert werden soll.


Lutz v. Wangenheim schrieb:
> Noch ein Hinweis für den Fragesteller:
> Wieso ist er an Q unf fo interessiert? Was ist damit überhaupt gemeint?
> Güte und Polfrequenz sind doch eigentlich Parameter, die nur für eine
> Übertragungsfunktion zweiter Ordnung definiert sind.

Das ganze soll eine Schaltung sein, um einen generischen Single-Band 
Audiofilter (-> parametrischer Equalizer) zu realisieren. Dieser soll 
mit vorher bestimmten Werten auf ein Board gelötet werden, also nicht 
mit Potis nachträglich änderbar oder ähnliches. Deshalb ist's jetzt auch 
nicht schlimm, dass das Q frequenzabhängig ist.




Also vielen Dank nochmal an alle Hinweise!

von Lutz V. (lvw)


Lesenswert?

Adrian Bergmann schrieb:
> Deshalb ist's jetzt auch
> nicht schlimm, dass das Q frequenzabhängig ist.

Die Polgüte Q (besser: Qp) ist eine Zahl, mit der die Lage eines 
Polpaars  in der s-Ebene gekennzeichnet wird. Bei einem Bandpass 
(zweiter Ordung!!) ist dieser Wert identisch mit der sog. 
"Bandpass-Güte" Q=fo/B. Beim Tiefpass zweiter Ordnung kennzeichnet Qp 
die Überhöhung des Frequenzgangs im Bereich der Polfrequenz 
(Butterworth, Qp=0.7071, keine Überhöhung).

Also: Qp ist per definition niemals frequenzabhängig.

Außerdem: Wieso sind C2 und R6 scheinbar "esoterische" Komponenten? Was 
spricht denn dagegen, diese Werte in der Simulation zu berücksichtigen 
und ihren Einfluss zu untersuchen?

von Adrian Bergmann (Gast)


Lesenswert?

Lutz V. schrieb:
> Also: Qp ist per definition niemals frequenzabhängig.

Da habe ich mich falsch ausgedrückt. Gemeint war: Verändert man die 
Mittenfrequenz der Schaltung durch ändern von R7, verändert sich auch Q. 
Das will der tontechnische Anwender in der Regel nicht, wenn er einen 
parametrischen EQ bedient, spielt in meiner Anwendung aber keine Rolle.

Lutz V. schrieb:
> Außerdem: Wieso sind C2 und R6 scheinbar "esoterische" Komponenten? Was
> spricht denn dagegen, diese Werte in der Simulation zu berücksichtigen
> und ihren Einfluss zu untersuchen?

Ganz offen: Ich verstehe die konkrete Funktion von C2 und R6 (und auch 
C1) nicht wirklich. Nach ein paar Sims gewinne ich den Eindruck, dass 
ich die besten Ergebnisse erziele, wenn C2 den selben Wert wie C3 und C4 
annimmt. Wenn ich R6 ausreichend klein dimensioniere, komme ich 
ebenfalls auf die gewünschten Ergebnisse. Ein größeres R6 verursacht 
scheinbar nichts außer Assymetrien im Frequenzgang.
Wenn du eine Idee hast, was genau diese Widerstände/Kondensatoren 
verursachen, teile sie gerne mit mir!

von Lutz V. (lvw)


Lesenswert?

Also - was die genannten Komponenten (bzw. ihre Änderungen) nun 
verursachen, weiß ich nicht - man müsste ein Genie sein, um das aus der 
Schaltskizze zu ersehen durch bloßes betrachten. Dazu ja gerade die 
Simulation!

Frage: Ist denn "Symmetrie" im Frequenzgang wichtig? Und was heißt das 
genau? Jeder Bandpass ist unsymmetrisch und jeder Tiefpass sowieso. Beim 
Equalizer ist ja vor allem auch der Phasengang wichtig, oder?

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


Lesenswert?

Adrian Bergmann schrieb:
> auch weiss ich nicht, welche Rs und Cs für Stabilisierung gedacht sind

Vermutlich (eigentlich sogar fast sicher) hast du deine Frage bereits
selber beantwortet:

Adrian Bergmann schrieb:
> C2 und R6 (und auch C1)

C1 und C2 sind dabei so klein, dass sie das Verhalten der Schaltung bei
Audiofrequenzen so gut wie nicht beeinflussen. R6 verhindert, dass
zwischen den Ausgängen von U2 und U3 bei hohen Frequenzen über C2 und C3
ein Kurzschluss entsteht.

Adrian Bergmann schrieb:
> Das ganze soll eine Schaltung sein, um einen generischen Single-Band
> Audiofilter (-> parametrischer Equalizer) zu realisieren. Dieser soll
> mit vorher bestimmten Werten auf ein Board gelötet werden, also nicht
> mit Potis nachträglich änderbar oder ähnliches.

Ist die Schaltung dafür nicht etwas oversized? Einen Bandpass mit festen
Parametern kann man doch schon mit einem einzelnen Opamp aufbauen.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.