Forum: HF, Funk und Felder OFDM - Grundidee - Single Carrier und Multi Carrier


von Sven S. (doncolumbo)


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Ich habe eine grundlegende Frage zu OFDM:

Es heißt, die Kanalimpulsantwort erstreckt sich bei einem 
Einträgersystem (Single Carrier) über mehrere Symbolintervalle (die 
Dauer eines Symbols sei viel kürzer als die der Kanalimpulsantwort), 
sodass es zu starker ISI kommt.
Bei einem Mehrtägersystem (Multi Carrier), wie OFDM, ist die Symboldauer 
aufgrund der Parallelisierung länger, sodass die Kanalimpulsantwort nur 
einen Teil des Symbols "überdeckt". Damit ist die ISI deutlich 
reduziert.

Das habe ich sinngemäß aus dem Buch "Nachrichtenübertragung" von 
Kammeyer, 5. Auflage.

Mein Problem:
Mir fehlt jetzt "nur" noch das Verständnis zwischen der Impulsantwort 
und der ISI bzw. der Zusammenhang von Dauer der Kanalimpulsantwort und 
Symboldauer.

Was sagt mir die Dauer der Kanalimpulsantwort ?
Kann mir jemand, der sich mit OFDM auskennt, kurz und klar erklären wie 
man sich das vorstellen muss ?

: Bearbeitet durch User
von Georg A. (georga)


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> Es heißt, die Kanalimpulsantwort erstreckt sich bei einem
> Einträgersystem (Single Carrier) über mehrere Symbolintervalle

Das klingt nach einer harten Tatsache, ist aber nicht so hart. Die 
Impulsantwort hängt vom Übertragungskanal ab. Die Dauer ist grob die 
Verteilung der verschiedenen Ausbreitungswege. Wenn es nur einen Weg 
gibt (also kein verfrühtes Übersprechen, Reflexionen, Umwege etc.), dann 
ist die Impulsantwort auch nur ein Peak. Eine (1) explizite Reflexion 
(aka Verzögerung) erzeugt einen zweiten Peak dazu. In der Praxis ist das 
natürlich alles weniger diskret...

Der eigentliche Gag an OFDM ist aber, dass man mit der zusätzlichen 
Guard-Time an einem Symbol dran ein Echo mit kleinerer Länge komplett 
ignorieren kann. Man kann den Bereich eines Symbols raussuchen, der 
nicht mit anderen überlappt, damit wird ISI=0.

Beispiel aus der Broadcasttechnik:

Satellitenübertragen haben zwar ein maues SNR, aber so gut wie keine 
Reflexionen, daher ist DVB-S/S2 immer noch ein Einträgerverfahren mit 
hoher Symbolrate (vs. Kanalbreite).

Kabel-TV hat ein gutes SNR, hat aber aufgrund der grossen 
Verteilstruktur schon ziemliche Echos. DVB-C als Einträgerverfahren mit 
kleiner Kanalbreite und vielen Bits pro Symbol (QAM256) muss da schon 
heftig mit Equalizern rumspielen, damit das bei ~6.9MBaud was wird. 
Deshalb gibts ab DVB-C2 OFDM mit 3048 Trägern und einer Symboldauer von 
~500us.

Terestrische Übertragung hat massiven Mehrfachempfang. Entweder macht 
man einen extrem aufwendigen Equalizer zur Unterdrückung von langen 
Echos (VSB8 beim US-Digital-TV), oder eben OFDM. DAB/DVB-T/T2 machen je 
nach Standard 1k-32k Träger mit Symboldauern von 100-3000us. Und mehrere 
synchrone Sender mit einer Laufzeit < Guardintervall erlauben grosse 
Sendegebiete mit nur einer Frequenz. Das geht mit Einträgersystem auch 
nicht (wirklich).

von Sven S. (doncolumbo)


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Danke für deinen Beitrag.
Habe es immer noch nicht ganz begriffen..

"Die Dauer ist grob die
Verteilung der verschiedenen Ausbreitungswege."

Angenommen ich schicke nur ein einziges Symbol über den Kanal, kommt es 
dann zu ISI (?), weil das eine einzige Symbol beispielsweise einmal auf 
direktem Weg den Empfänger erreicht und einmal reflektiert wird und dann 
dadurch (verzögert) den Empfänger erreicht, also sich quasi das eine 
einzige Symbol "sich selbst überlagert" oder müssen mindestens 2 
verschiedene Symbole beteiligt sein damit es zu ISI kommen kann ?

Was bedeutet es wenn die Symboldauer kürzer/länger als die Impulsantwort 
ist ?
Das mit der Dauer ist mir noch nicht klar...

von MJF (Gast)


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Hallo

durch das Guard-Intervall (zyklische Wiederholung des OFDM-Symbols) gibt 
es am Empfänger eine Zeitintervall, in dem das empfangene Signal nur von 
einem OFDM-Symbol abhängt. Vereinfachtes Beispiel: Ein OFDM-Symbol 
dauert 1 Sekunde. Durch eine zyklische Wiederholung wird es 1.3 Sekunden 
gesendet. Solange der Zeitunterschied der verschiedenen 
Ausbreitungspfade einer Mehrwegeausbreitung kleiner als 0.3 Sekunden 
ist, kann der Empfänger ein mindestens eine Sekunde langes Zeutintervall 
finden, in der das Empfangssignal nur von einem OFDM-Symbol abhängt. -> 
keine ISI. In dieser  einen Sekunde steckt aber die Informstion des 
gesammten OFDM-Symbols und es kann dekodiert werden. Durch die 
Mehrwegeausbreitung hat der Kanal aber einen Frequenzgang, der mit Hilfe 
der Pilote in einem OFDM-Symbol geschätzt und durch einen einfachen 
1-Tap-Equalizer im Frequenzbereich korrigiert werden kann.

War lang, aber ich hoffe es hilft

Markus

von HF-Werkler (Gast)


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Und vielleicht noch kurz dazugesagt:
ISI ist immer zwischen zwei Symbolen zu sehen, d.h. bei zeitlich kurzen 
Symbolen (typisch Einträgerverfahren mit hoher Symbolrate) wird durch 
Echos/Mehrwegeausbreitung das vorherige Symbol als Echo dem jetzigen 
Symbol überlagert, was die Dekodierung erschwert.

Daher OFDM, das mit vielen langsam modulierten Trägern eine längere 
Symboldauer erzeugt und zusätzlich durch das Guard-Intervall 
(Zusatzdauer des gesendeten Symbols) die ISI eliminiert.

von HF-Werkler (Gast)


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Was OFDM nicht eliminieren kann, ist ein Frequenzselektiver Kanal (d.h. 
scharfe Einbrüche im Frequenzband - Notches). Diese werden durch 
Verwürfeln der Trägernutzung und/oder FEC/Kodierung korrigiert.

von Marek N. (Gast)


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HF-Werkler schrieb:
> Was OFDM nicht eliminieren kann, ist ein Frequenzselektiver Kanal
> (d.h.
> scharfe Einbrüche im Frequenzband - Notches). Diese werden durch
> Verwürfeln der Trägernutzung und/oder FEC/Kodierung korrigiert.

Richtig.
Aber der Equalizer wird "einfacher", weil man jeden Träger nur durch den 
komplexen Kanalkoeffizienten dividiere braucht, d.h. keine Faltung mit 
der Kanalimpulsantwort durchführen muss. Naja, dafür muss man eine FFT 
über die gesamte OFDM-Symboldauer + Guard-Intervall machen. Gibt halt 
nix geschenkt.
Wenn der Kanal sich nicht oder nur langsam ändert (kabelgebunene Systeme 
wie DSL) kann man auch Bit- oder Power-Loading verwenden: "Schwache" 
Träger werden abgeschaltet oder mit einer robusten Modlationsstufigkeit 
(QPSK, BPSK) belegt und auf "starken" Kanälen kann man dann "Vollgas" 
geben mit maximaler Leistung und höchster Modulationsstufigkeit (M-QAM), 
so dass im Mittel die Datenrate konstant bleibt.

von Sven S. (doncolumbo)


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Ich danke euch für die zahlreichen Kommentare.
Bitte verzeiht mir meine Unwissenheit, aber ich möchte nochmal auf meine 
Frage zurückkommen und versuche mal zusammenzufassen, so wie ich es 
bisher "verstanden" habe - falls ich Unsinn schreibe, dann stellt es 
bitte richtig:

Einfach ausgedrückt gibt die Dauer der Kanlimpulsantwort die 
Verzögerungszeit, welche jedes einzelne Symbol erfährt, an. D.h. ist die 
Dauer der Kanalimpulsantwort 0, dann gibt es keine Verzögerung und damit 
auch keine ISI.
Beispiel: (Ich nehme hier jetzt einfach Sekunden als Einheit an)
Angenommen die Symboldauer sei 2 Sekunden.
Ich schicke jetzt das 1. Symbol über den Kanal. Danach ein 2. Symbol.
Angenommen das 1. Symbol wird reflektiert (wird also nicht auf direktem 
Weg zum Emüfänger übertragen) und erfährt aufgrund der Reflexion eine 
Verzögerung von 1 Sekunde.
Es braucht also 3 Sekunden bis es den Empfänger erreicht.
Das 2. Symbol (angenommen es wird auf direktem Weg zum Empfänger 
übertragen) hat ja dieselbe Symboldauer und hat deshalb 1 Sekunde 
bereits zurückgelegt - gerade zu dem Zeitpunkt erreicht das 1. Symbol 
den Empfänger.
Das heißt, dass das 1. Symbol für 1 Sekunde lang sich dem 2. Symbol 
überlagert hat. Damit ist es zu ISI gekommen und das 2. Symbol wurde 
durch das 1. Symbol verfälscht.

Bei einem Single Carrier System ist die Symboldauer viel kürzer als die 
Dauer der Impulsantwort.
D.h. eine bestimmte Anzahl von Symbolen erfährt eine Verzögerung, 
wodurch sich die Symbole den jeweils nächsten Symbolen überlagern -> 
Starke ISI

Bei einem Multi Carrier System, wie eben OFDM, ist die Symboldauer 
länger als die Dauer der Impulsantwort.
D.h. nur ein "Teil" eines Symbols erfährt eine Verzögerung, wodurch es 
sich dem nächsten Symbol überlagert -> ISI ist hier, im Vergleich zu 
Single Carrier, deutlich reduziert

Ich hoffe ihr versteht meine Erklärung. Kann mir jemand sagen, ob ich 
das so im Prinzip richtig sehe oder muss man sich das anders vorstellen 
?

von Georg A. (georga)


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Kommt schon hin. Man verlängert durch die Parallelisierung der Träger, 
die sich nicht gegenseitig beeinflussen (=orthogonal) die Symboldauer, 
damit die langen Zeiten der Überlappung relativ zur neuen Symboldauer 
gesehen wieder kleiner werden.

Alerdings gibt es da einen kleinen Haken, der bei der oberflächlichen 
Betrachtung eben gern unterschlagen wird, und der dann das 
Guardintervall erfordert:

Damit das mit dem "orthogonal" funktioniert, darf man zur 
Symboldekodierung nur den Zeitraum nehmen, in dem keine Überlappung 
zweier Symbole ist. Auf der anderen Seite will man ja die höchstmögliche 
Symbolrate. Die ist wiederum dadurch begrenzt, dass sie nicht grösser 
als 1/Trägerabstand sein darf, sonst sind die Träger nicht mehr 
orthogonal.

Im Ergebnis muss man also ein ungestörtes Fenster im Signal mit exakt 
der Symboldauer (=1/Trägerabstand) finden, das geht in die FFT. Damit 
das "ungestört" aber mit vorhandenem ISI überhaupt so möglich ist, muss 
man das Symbol durch das Guardintervall künstlich verlängern (praktisch 
gesehen ist das einfach ein Loopen). Das verringert zwar die Symbolrate 
wieder, aber ermöglicht überhaupt die ISI-Toleranz.

Ohne das Guard-Intervall wäre OFDM nur eine sinnlose Demonstration, dass 
nach zwei FFTs hintereinander (bis auf die Skalierung) wieder dasselbe 
Signal rauskommt ;)

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