Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Wie alt seid ihr zum Ende eurer Promotion gewesen? (Dr.-Ing)


von Steffen P. (steffen_angemeldet)


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Moin,

ich bin nun mittlerweile 34 und seit 2 Jahren von der Uni weg. Nebenbei 
versuche ich trotz Kinder und Fulltime Job meine Diss mal endlich fertig 
zu bekommen, was irgendwie nicht richtig klappen will.

Wie ist es bei euch so gelaufen? Alle fertig geworden bevor der Einstieg 
ins Berufsleben kam oder sind hier ähnliche "Schicksale" vertreten?

Viele Grüße
Steffen

: Verschoben durch Admin
von Falk B. (falk)


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Ich hab nie als Promoter gearbeitet ;-)

von Robert B. (robertb)


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Ich: zu Lehrstuhlzeiten geheiratet, ein EFH gebaut, zwei Kinder 
"bekommen" (was man als Mann dabei so macht), die zwei Monate Elternzeit 
der Zweiten die Hauselektrik in den Rohbau gekloppt, mit 32 Jahren am LS 
aufgehört, 1/2 Jahr werktags jeden Abend am LS nach der Arbeit weiter 
geschrieben (WE=Familie), Korrekturen, über ein Jahr nach Ende Prüfung 
und bestanden.

Kenne auch FACHLICH GUTE! Kollegen die vor mir gegangen sind und nie 
abgegeben haben.

Wenn deine Forschungs-/Drittmittelprojekte nicht schon als Diss taugen 
und du neben dem Job auch zu Unizeiten ein Familienleben hast muss man 
halt extrem aufpassen.

Hau rein!

Robert

: Bearbeitet durch User
von Steffen P. (steffen_angemeldet)


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Ja, ich kenne leider auch eine ganze Reihe echt guter Kollegen, die es 
an den Nagel gehängt haben. Stoff habe ich genug, aber ich habe das 
Schreiben an sich echt unterschätzt. Es ist eben halt doch deutlich mehr 
Arbeit als eine Diplomarbeit, auch wenn die Seitenzahl vergleichbar ist. 
Und wenn man seine Kinder wenigstens Abends noch kurz sehen will bevor 
sie ins Bett gehen (morgens ist man ja normal schon aus dem Haus), dann 
bleibt einem nur die Nacht zum Schreiben, damit man die Familie noch mal 
sehen kann.

Tja, alles selbst gemachtes Leid für einen Titel den man eh kaum in der 
Wirtschaft brauchen kann :)

von The D. (thedaz)


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Vielleicht kann jemand mal die Motivation hinter dem Dr.Ing. erklären. 
Zumindest in der IT Branche kann ich den nutzen nicht recht erkennen, 
ausser als persönliche Herausforderung. Und die Titelhuberei in Teilen 
der Politik bezieht sich doch eher auf die Juristerei.

von D. I. (Gast)


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The D. schrieb:
> ausser als persönliche Herausforderung.

Einmal deswegen und wenn man ein gutes Projekt und Industriepartner hat, 
baut man sich schon während der Promotion ein berufliches Netzwerk auf 
durch Konferenzbesuche etcpp.

von Steffen P. (steffen_angemeldet)


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Und in einigen Bereichen der Industrie wird es halt auch gern gesehen. 
Gerade bei forschungsnahen Themen. In dem Projektteam (Ingenieure und 
Physiker) in dem ich bin, sind wir zwei von 10 Leuten ohne Titel (und 
einer davon bin ich :().

Der Titel sagt bei den meisten schon, dass sie Laborerfahrung haben und 
das Handwerkszeug einen Versuchsaufbau sehr analytisch zu hinterfragen 
und mit wissenschaftlichen Methoden zu verifizieren. Dementsprechend 
dient es in dem Umfeld genauso wenig als Schmuck wie ein Dipl-Ing oder 
so, weil es eh jeder hat.

Bei Tätigkeiten die weniger in Richtung Forschung als in 
Produktentwicklung gehen, hätte man die 5-6 Jahre sicher lieber in 
Industrieerfahrung investiert. Wie immer: Es kommt halt darauf an..

von Robert B. (robertb)


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The D. schrieb:
> Vielleicht kann jemand mal die Motivation hinter dem Dr.Ing. erklären.

Sehr gerne.

Die Zeit am LS hat trotz allem einfach Spass gemacht. Konferenzen, 
"Forschen", ungezwungenere/agilere Projektarbeit, eine Prise Start-Up.

Ansonsten schult es, Threads richtig einzuordnen und zu merken, wann 
eine Frage in den Thread passt oder nicht.

Zudem taugt der Titel als Detektor für Leute mit geringem 
Selbstwertgefühl, was möglicherweise wieder auch ein Indiz für schlechte 
fachliche Leistungen sein könnte. Denn diese Leute versuchen sofort 
durch Lächerlichmachen der Promotion ihren - lediglich 
selbstempfundenen! - Makel zu kaschieren. Alle anderen nehmen die Eier 
in die Hand und zeigen dem Dr. ggfl. fachlich das sie es zu Recht besser 
wissen.

The D. schrieb:
> Und die Titelhuberei in Teilen der Politik bezieht sich doch eher auf
> die Juristerei.

Falk B. schrieb:
> Ich hab nie als Promoter gearbeitet ;-)

Viele Grüße
Robert

: Bearbeitet durch User
von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Steffen P. schrieb:
> Wie ist es bei euch so gelaufen?


Ich war beim Abschluss der Promotion 33.
Allerdings war mein Weg nicht ganz gradlinig. 10. Klasse, 
Berufsausbildung, gearbeitet, dann Abi nachgeholt, Studium, Promotion.

Zum schriftlichen Teil:  Ich zitiere mal Wikipedia:

„Die Promotion ist der Nachweis der Befähigung zu vertiefter 
wissenschaftlicher Arbeit. Eine wissenschaftliche Arbeit ist ein 
systematisch gegliederter Text, in dem ein oder mehrere Wissenschaftler 
das Ergebnis seiner oder ihrer eigenständigen Forschung darstellt.“

Die Promotion beinhaltet also grob zwei Anteile:
-  Eigenständige Forschungsarbeit
-  Systematisch gegliederter Text
Ist ein Part nicht erfüllt – keine Promotion. Leider ist die Zweiteilung 
nicht allen Kandidaten vorab in dieser Tiefe bewusst. Das „Schreiben“ 
wird oft etwas stiefmütterlich behandelt. Bin ich jedoch kein begnadeter 
Autor, so ist dieser Teil mit erheblichen Aufwand verbunden.

Wenn du also zum Abschluss kommen möchtest, organisiere dir 
„generalstabsmäßig“ das „Schreiben“ mit hoher Priorität.

von Geo M. (geomed)


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Also ich war 31 Jahre alt. Habe auch den Umweg über den 2. Bildungsweg 
genommen, aber relativ fix in 3,5 Jahren promoviert.

Eine erfolgreiche Promotion hängt meiner Erfahrung nach von vielen 
Faktoren ab. Ich hatte das Glück, dass ich nur zwei Semester Lehre 
machen musste und durch die Projektpartner (drittmittelgefördertes 
Projekt) einige Dinge schon von vornherein vorgegeben waren. Die 
Themensuche bzw. Forschungsfrage fiel somit komplett weg. Andere 
benötigen hierfür schon mal 9-12 Monate.

Mit meinen Veröffentlichungen hatte ich ebenfalls Glück, die meisten 
wurden angenommen und es gab nur zweimal ein "reject". Insgesamt war es 
mir möglich nach 2,75 Jahren mit dem Zusammenschreiben zu beginnen. Das 
war sehr mühselig und ich möchte es nicht noch einmal machen. Schade, 
dass es an unserer Universität nicht erlaubt war kummulativ zu 
promovieren!

Ich kenne Kollegen, die haben ca. fünf Jahre gebraucht und andere haben 
es nicht in der Zeit geschafft und schreiben nun in ihrer Freizeit 
weiter, falls es die Zeit überhaupt her gibt. Mit Kindern ist das alles 
andere als einfach und man benötigt eine gehörige Portion 
Selbstdisziplin.

Gerade in den Ingenieur-Wissenschaften sehe ich nicht zwangsweise wofür 
der Titel benötigt wird. Ein paar Gründe wurden schon genannt, die ich 
so unterschreibe, aber im Großen und Ganzen lohnt sich der Dr. doch nur, 
wenn man auch weiterhin in der Wissenschaft bleiben möchte.

Rein finanziell bin ich etwas skeptisch, ob sich dieser lange steinige 
Weg tatsächlich irgendwann auszahlt. Meine ehemaligen Kollegen aus 
meinem Ausbildungsbetrieb haben mittlerweile zig Zertifizierungen und 
haben auch Führungsaufgaben übertragen bekommen. Sie verdienen heute mit 
ca. 10 Jahren Berufserfahrung sicherlich nicht schlechter als ich und 
sind meiner Meinung nach auch viel näher am Produkt und an der Praxis.

von Tim  . (cpldcpu)


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Kann allerdings die Kommentare oben nur bestätigen. Man sollte sich über 
den Nutzen einer Promotion sehr im Klaren sein. Mir fallen eigentlich 
nur die folgenden Gründe zur Promotion ein:

- Man will in der Wissenschaft bleiben. Dann sollte man schon während 
des Studiums sein Netzwerk aufgebaut haben und entsprechende Noten 
haben.

- Man hat eine Promotionsstelle, die einen in der Industrie gut 
Vernetzt.

- Man hat eine Promotionsstelle, die einem die spätere Selbstständigkeit 
ermöglicht (Geschäftsidee ausprobiern).

Leider besteht die Motivation für 80% der Doktoranden darin, sich noch 
nicht auf das "echte" Arbeitsleben einzulassen... Selber Schuld.

: Bearbeitet durch User
von Steffen P. (steffen_angemeldet)


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Tim  . schrieb:
> Leider besteht die Motivation für 80% der Doktoranden darin, sich noch
> nicht auf das "echte" Arbeitsleben einzulassen... Selber Schuld.

Naja, in vielfacher Hinsicht selbst schuld. Das Leben an der Uni ist bei 
fast allen Leuten dich ich kenne deutlich arbeitsintensiver gewesen als 
in der Wirtschaft. Da stempelt keiner und in der Wirtschaft habe ich 
auch noch niemanden gesehen, der bis tief in die Nacht Messungen macht. 
Alleine was man in der Uni an Stunden gemacht hat ist nicht zu 
vergleichen mit einem Job in der Wirtschaft. Und zusätzlich gab es 
etliche Wochenenden an denen man noch Paper geschrieben hat, damit die 
Deadlines eingehalten wurden oder die Studien- und Diplomarbeiten seiner 
Studenten Korrektur gelesen hat.

von Hannes J. (Firma: _⌨_) (pnuebergang)


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Tim  . schrieb:
> - Man will in der Wissenschaft bleiben. Dann sollte man schon während
> des Studiums sein Netzwerk aufgebaut haben und entsprechende Noten
> haben.
>
> - Man hat eine Promotionsstelle, die einen in der Industrie gut
> Vernetzt.
>
> - Man hat eine Promotionsstelle, die einem die spätere Selbstständigkeit
> ermöglicht (Geschäftsidee ausprobiern).

Allgemein:

- Man strebt anspruchsvolle technische, wissenschaftliche, Führungs- 
oder Management-Positionen an. Wenn in der Industrie dann gerne mit 
erhöhten Verdienstmöglichkeiten.


Zum Beispiel:

- Man möchte in der klassischen Unternehmensberatung arbeiten

- Man strebt eine Führungsposition in einer eher konservativen Branche 
an. Auf dem Weg zum Mitglied des Vorstands ist der Doktor in manchen 
Branchen und Unternehmen noch immer nützlich.

von Steffen P. (steffen_angemeldet)


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Hannes J. schrieb:
> Allgemein:
>
> - Man strebt anspruchsvolle technische, wissenschaftliche, Führungs-
> oder Management-Positionen an. Wenn in der Industrie dann gerne mit
> erhöhten Verdienstmöglichkeiten.
>
> Zum Beispiel:
>
> - Man möchte in der klassischen Unternehmensberatung arbeiten
>
> - Man strebt eine Führungsposition in einer eher konservativen Branche
> an. Auf dem Weg zum Mitglied des Vorstands ist der Doktor in manchen
> Branchen und Unternehmen noch immer nützlich.

Kann ich so zumindest für unsere Firma nicht bestätigen. Allerdings ist 
bei uns die Dichte an Leuten mit Promotion auch sehr hoch. In den 
Entwicklungsabteilungen haben ca. 80% einen Titel. Und die werden sicher 
nicht alle Manager. Viele (die Meisten) davon werden ihr ganzes 
Berufsleben fachlich arbeiten.

von Tim  . (cpldcpu)


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Hannes J. schrieb:
> - Man strebt eine Führungsposition in einer eher konservativen Branche
> an. Auf dem Weg zum Mitglied des Vorstands ist der Doktor in manchen
> Branchen und Unternehmen noch immer nützlich.

Wenn es nur um den Titelerwerb geht, ist der Dr.-Ing. sicherlich nicht 
die einfachste Option.

von Richy B. (derrichi)


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Ich bin mit 31 in die Wirtschaft und war etw. über 4 Jahre am LS.

Zur Motivation:
Ich glaube jeder der promoviert erhofft sich, dass der Titel evtl. mal 
das Zünglein an der Wage spielen könnte, wenn es um Beförderungen geht. 
Gleichzeitig sollte jedem klar sein, dass das Ganze karrieremäßig recht 
neutral sein bzw. sogar nach hinten losgehen kann. Meine Motivation war 
es, völlig unabhängig was danach kommt, es einfach zu schaffen. Mir 
selber zu beweisen, dass ich es kann. Ich habe es als etw. angesehen, 
was man nur einmal im Leben machen kann, quasi jetzt oder nie. Wenn ich 
es nicht gemacht hätte, hätte ich wahrscheinlich mein Leben lang darüber 
nachgedacht. Das ist natürlich eine Typenfrage. Zudem wollte ich die 
Option haben, später in der Forschung zu arbeiten.

Ich muss aber mal was zu "die wollten sich vor dem Arbeitsleben drücken“ 
loswerden:

Mein Arbeitsleben jetzt, ist verglichen mit der Zeit am LS total 
entspannt. Klar macht man auch mal 10-12 Std, wenn das Projekt es 
erfordert, aber das ist die Ausnahme. Den Schnitt würde ich bei etw. 
über 40h die Woche ansetzen. ABER, Feierabend ist Feierabend , 
Wochenende ist Wochenende und Urlaub ist Urlaub! Was mussten wir an der 
Uni ackern, damit es nicht 6 Jahre oder mehr werden. Wochentags 
teilweise bis spät in die Nacht, an Wochenenden, an Feiertage und 
teilweise auch im Urlaub. Natürlich nicht nur für die eigene Forschung 
(das wäre ja noch ok), sondern vor allem für den Lehrbetrieb und das 
Projekt in dem man arbeitet.

Aber die Arbeitsbelastung ist eigentlich gar nicht das Problem. Das 
Problem ist, dass man am Anfang einfach nur ein Absolvent ist und dann 
total alleine gelassen wird. Man bekommt das Diplom in die Hand gedrückt 
und auf einmal erwarte alle, dass man alles kann. In der Lehre erwarten 
die Studenten, dass man auf jede Frage wie aus der Pistole geschossen 
eine Antwort parat hat. Die Projektpartner erwarten, dass man liefert, 
als wenn man 5 Jahre Berufserfahrung hat und Vollzeit im Projekt 
arbeitet. In der Forschung soll man innerhalb weniger Monate nach dem 
Abschluss auf einmal die Welt retten (die ganz Großen Probleme 
identifizieren und lösen).

Da gibt’s niemanden der einem Zeigt wie Tools und Geräte funktionieren. 
Da gibt es keine grauen Eminenzen zu denen man gehen kann, wenn man 
nicht weiter weiß. Man muss einfach direkt nach dem Studium 
Verantwortung übernehmen, sei es für die eigene Forschung oder beim 
betreuen der Studenten. Das sehe ich bei einem Direkteinstieg in einem 
Unternehmen nicht so.

Jetzt aber genug geheult. Ich würde es trotzdem wieder machen :-)

: Bearbeitet durch User
von Falk B. (falk)


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@ Richy Bruch (derrichi)

>Problem ist, dass man am Anfang einfach nur ein Absolvent ist und dann
>total alleine gelassen wird. Man bekommt das Diplom in die Hand gedrückt
>und auf einmal erwarte alle, dass man alles kann. In der Lehre erwarten
>die Studenten, dass man auf jede Frage wie aus der Pistole geschossen
>eine Antwort parat hat. Die Projektpartner erwarten, dass man liefert,
>als wenn man 5 Jahre Berufserfahrung hat und Vollzeit im Projekt
>arbeitet. In der Forschung soll man innerhalb weniger Monate nach dem
>Abschluss auf einmal die Welt retten (die ganz Großen Probleme
>identifizieren und lösen).

>Da gibt’s niemanden der einem Zeigt wie Tools und Geräte funktionieren.
>Da gibt es keine grauen Eminenzen zu denen man gehen kann, wenn man
>nicht weiter weiß.

Das kann ich so allgemein kaum glauben. Das klingt so, als ob man im 
luftleeren Raum arbeiten würde und keinerlei andere Menschen drum herum 
wären.

> Man muss einfach direkt nach dem Studium
>Verantwortung übernehmen, sei es für die eigene Forschung oder beim
>betreuen der Studenten.

Das ist ein anderes Thema.

> Das sehe ich bei einem Direkteinstieg in einem Unternehmen nicht so.

Mag sein. Dafür gibt es am Ende ein nette Urkunde in einem schönen 
Plastikrahmen ;-)

von Geo M. (geomed)


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@Richy Bruch

Danke für deinen Kommentar. Ehrlich gesagt sehe ich es ehrlich wie du. 
Ich kenne leider die Wirtschaft nur aus Werkstudententätigkeiten und 
nicht als richtiger Mitarbeiter. Da du beide Welten kennst würde mich 
interessieren wie du die Wirtschaft so siehst. Was sind die Vor- und 
Nachteile mal abgesehen vom Gehalt eher auf die Arbeit an sich bezogen? 
Hattest du dir mal überlegt an der Uni zu bleiben? Weshalb hast du dich 
gegen eine Uni Karriere entschieden?

Viele Grüße

von Richy B. (derrichi)


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Heute werde ich nicht mehr dazu kommen, aber morgen oder übermorgen 
antworte ich dir gerne. Wahrscheinlich stehst du vor der Entscheidung. 
Damals war ich auch für jeden Erfahrungsbericht dankbar ;-)

von Geo M. (geomed)


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Richy B. schrieb:
> Heute werde ich nicht mehr dazu kommen, aber morgen oder übermorgen
> antworte ich dir gerne. Wahrscheinlich stehst du vor der Entscheidung.
> Damals war ich auch für jeden Erfahrungsbericht dankbar ;-)

Das ist sehr freundlich. Ich bin gespannt. ;)

von Richy B. (derrichi)


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Ich gehe mal davon aus, dass du wissen möchtest, was die Vorteile bei 
einem Direkteinstieg nach dem Studium sind. Das ist natürlich schwer zu 
sagen, da ich selbst erstmal an der Uni geblieben bin.

Einige Vorteile des Direkteinstiegs:
-wie schon im ersten Post gesagt, direkt nach dem Studium Verwantwortung 
zu übernehmen (und sei es nur für sich selbst) ist gar nicht ohne. 
Selbstständig zu entscheiden, woran man die nächsten Monate bzw. Jahre 
arbeitet, immer mit der Gefahr dass es eine Sackgasse ist, muss man 
ertragen können.
-beim Direkteinstieg bekommt man von Anfang an die Richtung vorgegeben. 
Man kann also gleich Zielgerichtet arbeiten und hat dadurch in 
Normalfall regelmäßige Erfolgserlebnisse (ganz wichtig).
-man hat immer Kollegen die man Fragen kann. Das sollte man natürlich 
nicht bis zum Abwinken ausreizen, aber die Option zu haben beruhigt doch 
sehr. Bei der Promotion arbeitet man im Normalfall alleine.
-man hat deutlich geregeltere Arbeitszeiten. Ich persönlich habe über 4 
Jahre fast immer an mein Promotionsvorhaben gedacht, auch wenn ich 
natürlich nicht nur gearbeitet habe (das schlaucht!). Ist aber wieder 
eine Typenfrage.
-man ist nicht permanent hin und her gerissen. Während der Promotion hat 
man drei Halbtagsjobs parallel. Lehre, Projektarbeit und Forschung (in 
der Reihenfolge).

An der Uni zu bleiben war für mich keine Option. Gerne nochmal 
Forschung, dann aber in einem Großkonzern mit ernsthafter 
Forschungsabteilung. Was mich an der Uni sehr genervt hat ist, dass zu 
95% die Sachen weggeschmissen werden, sobald sie publiziert wurden. Man 
baut also immer nur Prototypen, die nur zum Aufnehmen von Daten dienen. 
Die Uni-Karriere ist mir persönlich zu unsicher. Das muss aber auch 
jeder für sich entscheiden. Als Prof sieht die Sache natürlich anders 
aus ;-)

BTW:
Du hast nach den Vorteilen der Wirtschaft gefragt. Ich glaube ich habe 
mich sehr weiterentwickelt während meiner Doktorandenzeit. Ich sehe es 
also nicht so negativ, wie es vlt. klingt. Wie schon gesagt, ich würde 
es wieder machen.

: Bearbeitet durch User
von Pink S. (pinkshell)


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Nur für die Statistik:

Mit 32. Im Sommer (da war ich noch 30) mit dem Prof einig gewesen, dass 
wir zum Jahresende fertig sind. Wohnung gekündigt, Job gesucht. Für 1. 
April zugesagt, weil ich noch ein bisschen Urlaub machen wollte.

Aus Jahresende wurde nichts, drei Monate bei einem Freund gewohnt. 
Urlaub ist entfallen. In der ganzen Zeit durchaus engen Kontakt zum 
Prof.

Im April angefangen bei der neuen Firma. Abends noch die Diss optimiert, 
alle paar Woche angereist (ca. 800km) zum Termin mit dem Prof. Im Sommer 
abgegeben und Kolloquium oder wie das damals hieß.

Im Januar danach endlich das Zeugnis bekommen und damit meine 
Personalakte bei der neuen Firma geschmückt.

von Geo M. (geomed)


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@Richy Bruch

Danke für deine Einschätzung. Ich gebe dir in einigen Punkten vollkommen 
Recht. Vor Allem dem letzten Punkt, dass man eigentlich drei 
Halbtagsjobs hat, stimmte ich vollkommen zu. Einerseits ist es 
abwechselungsreich, aber andererseits kann man sich nie längerfristig 
auf eine Sache konzentrieren. Dafür hat man aber auch mehr Verantwortung 
als in der Wirtschaft.

Was mich noch interessieren würde ist, wie der Direkteinstieg nach der 
Promotion bei dir lief? Hast du leicht einen Job gefunden oder 
möglicherweise schon die notwendigen Kontakte während der Promotion 
hergestellt? Ich habe auch über ein Thema in Kooperation mit der 
Industrie promoviert, allerdings geht es diesem Wirtschaftszweig derzeit 
nicht so gut, so dass mir keine konkreten Jobs in Aussicht gestellt 
wurden. Aus diesem Grund bin ich erstmal an der Uni geblieben. Ich 
wollte auch vermeiden "irgendeinen" Job anzunehmen, nur damit ich weg 
von dir Uni bin. Meine größte Sorge ist dahingehend, dass mir die 
Wirtschaft/Industrie irgendwann die kalte Schulter zeigt, weil ich dann 
einfach zu alt bin und den Ruf eines reinen Akademikers habe. An und für 
sich wollte ich diese Situation immer vermeiden... Deshalb vielleicht 
auch die Frage, wie du aufgenommen wurdest und ob du dich nicht ab und 
an sogar langweilst? ;)

Viele Grüße

von Richy B. (derrichi)


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Lass dich von den Schauermärchen bloß nicht verrückt machen! Ich kenne 
nicht einen einzigen, der keinen vernünftigen Job nach der Promotion 
gefunden hat. Auch die, die schon Mitte/Ende 30 waren. Was habe auch ich 
mich damals von dem ganzen Gequatsche verrückt machen lassen.

Ich würde allerdings die Kontakte durch Projektstellen nicht 
überbewerten. Im Endeffekt ist es so, dass du dich ganz normal (auf 
offene Stellen) bei den Firmen bewerben würdest und die Personen dann 
evtl. ein gutes Wort für dich einlegen würden, wenn sie denn gefragt 
werden. Erfahrungsgemäß reißt sich da aber keiner ein Bein aus, um dich 
unbedingt reinzuholen. Nach meinen Beobachtungen sind die Kontakte 
deines Doktorvaters schon wichtiger Bei mir ging es ganz ohne Vitamin B 
(auch das gibt's noch).

Aufgenommen wurde ich sehr positiv. Man darf halt nicht als Klugscheißer 
auftreten, bzw. den Titel raushängen lassen. Denn die ersten Monat ist 
jeder "erfahrene" Werksstudent produktivier als du. Die kennen sich dann 
halt schon mit den Tools und den Prozessen aus und du musst sie fragen. 
Das dreht sich natürlich nach ein paar Monaten. Daher erstmal 
zurückhalten und so schnell wie möglich produktiv werden. Ne, langweilig 
ist mir ganz bestimmt nicht :-)

: Bearbeitet durch User
von Geo M. (geomed)


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Diese Schauermärchen hört man leider vor allem im Forum ständig. Ich 
mache mir aber schon so meine Gedanken, wenn heutzutage jemand schon mit 
24,25 Jahren mit seinem Studium fertig ist und anschließend bei einem 
Konzern einsteigt. Der hat massig Berufserfahrung, wenn ich mit Mitte 30 
einsteige und dementsprechend einiges voraus. Deshalb bleibt bei mir 
immer eine gewisse Skepsis hängen. Klar, drehe ich an der Uni nicht nur 
Däumchen, aber wie das in der freien Wirtschaft gesehen wird, kann ich 
immer nur schwer einschätzen. Nicht umsonst hört man immer wieder von 
vielen Seiten, dass ein Beamter oder allg. der öffentliche Dienst nicht 
den besten Ruf haben.

Um ehrlich zu sein, kenne ich auch niemanden der nach der Promotion 
arbeitslos wäre. Ob man jedoch den Job bekommt, den man sich wünscht, 
kann ich nur schwer einschätzen. Selbstständigkeit schließe ich z.B. 
kategorisch aus. Das wäre nichts für mich.

Letzte Frage: Bist du in einem Konzern oder KMU eingestiegen?

von Dom F. (daniel_f745)


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Hallo

Vielleicht tanze ich etwas aus der Reihe, bin zwar auch kein Deutscher.. 
aber.. versuche es so wie mein Cousin zu machen:

Der hat nach dem Diplom ein Jobangebot angenommen immer mit dem 
Hintergrund, dass er mal später wieder auf die Uni zurück kehren wird um 
eine Promotion anzuschließen.

So hat er dann immer beides, Berufserfahrung und akademische Ausbildung. 
Wenn es ihn dann noch freut, kann er den Dr. anhängen und sich danach 
auch schon mit Erfahrung für eine höher dotierte Stelle bewerben.

Er ist im Bereich OpResearch/Systemoptimierung/ERP tätig und vor allem 
an der Schnittstelle Informatik/Logistik.

Da arbeitet er z.B. an der Fabrikplanung und effizienten und 
ausgeklügelten Prozessen mit kurzen Durchlaufzeiten. Hat soviel ich weiß 
mit dem bekannten "Industrie 4.0" zu tun. Frag ihn mal nach Details bei 
Interesse.

von Dipl.- G. (hipot)


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Steffen P. schrieb:

> Das Leben an der Uni ist bei
> fast allen Leuten dich ich kenne deutlich arbeitsintensiver gewesen als
> in der Wirtschaft. Da stempelt keiner und in der Wirtschaft habe ich
> auch noch niemanden gesehen, der bis tief in die Nacht Messungen macht.
> Alleine was man in der Uni an Stunden gemacht hat, ist nicht zu
> vergleichen mit einem Job in der Wirtschaft. Und zusätzlich gab es
> etliche Wochenenden an denen man noch Paper geschrieben hat, damit die
> Deadlines eingehalten wurden oder die Studien- und Diplomarbeiten seiner
> Studenten Korrektur gelesen hat.

Das ist doch nur die halbe Wahrheit. Ich stimme vollständig zu, daß die 
große Mehrheit derjenigen, die nach dem Abschluß bleiben um zu 
promovieren, das nur tun, weil die Uni ein Schonraum ist. Sicherlich, 
wenn man erst richtig mit den Drittmittelprojekten und dem 
Promotionsthema anfängt, dann ist das keine Angelegenheit von 40 Stunden 
mehr. Allerdings wird an der Uni wesentlich gemütlicher gearbeitet, der 
Streß ist deutlich geringer, das Risiko von Arbeitslosigkeit hält sich 
in Grenzen sofern einen der Prof leiden kann, und man kann im 
Wesentlichen schalten und walten wie man will, weil die meisten Profs 
keine Mikromanager sind.

Problematisch - und das einzig Positive an einer unmittelbaren Promotion 
- ist tatsächlich, sich im Beruf stehen nochmal aufzuraffen mit 
Mitte/Ende 30, um sich an eine Promotion zu machen. Das ist eine 
gigantische Hürde. Erlebe ich ja selber. Ich genieße meinen Verdienst 
und vor allem das, was ich mir davon leisten kann. Ich genieße die 
Freizeit, den Dienst nach Vorschrift (soweit dies hier möglich ist im 
Vgl. mit dem IGM-Disneyland), das "kostenfreie" Reisen usw.
Ich stecke mitten in meiner Ingenieurlizenz (PE - professional engineer 
https://www.nspe.org/resources/licensure/what-pe)und kriege nichtmal das 
fertig. Termin um Termin verstreicht und ich kriege Vorbereitung und 
Anmeldung nicht gebacken. Ich geh lieber Fallschirmspringen, Kajaken 
oder so. Deswegen höchster Respekt für die Leute, die sich wirklich 
nochmal hinsetzen können. Es ist ja auch ein Einschnitt für den 
Lebensstandard, besonders bei den Gehältern im deutschen Bildungssystem.

von Richy B. (derrichi)


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@Geo-Med
Bei einem Konzern.

@Dipl.-Gott
Genau bei solchen Kommentaren muss ich mir immer extrem auf die Zunge 
beißen. Aus deinem Post wird ersichtlich, dass du nicht aus eigener 
Erfahrung sprichst. Wie genau willst du das beurteilen können? Du hast 
schon recht, am Anfang hat man noch keine Deadlines und muss keine 
Ergebnisse liefern. Aber genau diese Zeit ist für die allermeisten 
Doktoranden die schwierigste. Alle Doktoranden die ich kenne, waren gute 
bis sehr gute Studenten. Genau für solche Leute ist es extrem schwierig 
erstmal rumzuschwimmen und nicht zielgerichtet arbeiten zu können.

Zudem scheinst du trotzdem in deiner Lebensplanung irgendwie eine 
Promotion vorgesehen zu haben. Wir kennen uns zwar nicht, aber kann es 
sein, dass du auch gerne promoviert hättest, aber aus welchen Gründen 
auch immer, die Chance nicht bekommen hast? Bei dir klingt es so, als 
wenn alle die promovieren Weicheier sind (wie oben schon erwähnt, meist 
gute bis sehr gute Studenten) und die richtigen Kerle (natürlich wie du 
selbst) gleich in die Wirtschaft gehen.

von D. I. (Gast)


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Dipl.-Gott ist nur manchmal ein bisschen absolut in seinen Aussagen ;)

Es gibt durchaus auch Themen wo man direkt zielgerichtet loslegen kann, 
das ist häufig der Fall wenns thematisch nach der Abschlussarbeit direkt 
weitergeht oder ein Industriepartner mit drinhängt.

Wie die Promotion abläuft ist sehr vom Gusto des Doktorvaters abhängig, 
ich habe nach nem Jahr gequittet als klar absehbar war, dass völlig egal 
wie sehr man reinpowert nicht unter 5 Jahre rausgelassen wird, obwohl 
ich mit etwas Glück einen Headstart mit insgesamt zwei First-Author 
Veröffentlichungen auf der FCCM hatte (Toronto war ganz nett :) ).
Und man kann sagen was man will, universitäre Forschung ist auch mit 
einem gewissen politischen Filz durchzogen, das merkt man sobald man mit 
Antragssstellung etc. zu tun hat.
Jedenfalls, wer einen Dr.-Ing. ordentlich durchzieht hat definitiv eine 
würdige Leistung erbracht und kann stolz darauf sein, aber um in der 
Wirtschaft Karriere zu machen ist er nicht nötig und einen garantierten 
Boost bringt er auch nicht. Man muss halt abwägen ob man für die 
persönliche Herausforderung und Erfahrung bereit ist einige Jahre zu 
investieren.

von Richy B. (derrichi)


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Kann ich so unterschreiben ;-)

: Bearbeitet durch User
von D. I. (Gast)


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Wo ich aber unterstützend Dipl.-Goot beipflichten muss ist, dass es 
durchaus einige Doktoranden/Kollegen gibt, die den Arbeitsalltag sagen 
wir mal relativ gemütlich und/oder ineffizient angehen aber einen dann 
schief angucken wenn man pünktlich geht während sie selbst bis 20+ Uhr 
rumeiern.

Gut, sowas lässt sich mit einem freundlich-kollegialen Hinweis auf die 
Tatsache, dass sie vielleicht auch früher rauskämen wenn sie nicht jeden 
Tag 2+ Stunden in der Kaffeeküche schnacken würden, beheben.

Ich empfand die Freiheit seine Arbeit selbst organisieren zu können 
größtenteils als positiv, setzt aber auch ein gewisses Maß an 
Selbstdisziplin voraus sich damit nicht zu verzetteln.

von Richy B. (derrichi)


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Auch da stimme ich dir vollkommen zu. Natürlich gibt es viele 
Doktoranden, die jeden Tag 2h in der Kaffeeküche hocken. Genauso gibt es 
aber auch Kollegen (in der Wirtschaft), die gefühlt mehr in der 
Raucherecke stehen, als am Schriebtisch zu sitzen. Wie es immer so ist, 
im Endeffekt sind alles Menschen.

Als es lief, habe die Freiheit auch als sehr schön empfunden. 
Selbstständig Forschungsthemen auszusuchen und die anfallenden 
Tätigkeiten in Arbeitspakete zu zerlegen und teilweise als studentische 
Arbeiten auszuschreiben. Und wenn dann nach ein paar Monaten alles wie 
geplant zusammenläuft und eine Publikation ensteht, herrlich :-)

Mir geht es gar nicht darum Doktoranden oder Doktoren in irgendeiner Art 
hervorzuheben. Meine Posts waren meist Reaktionen auf Aussagen wie "die 
haben nur Angst zu arbeiten und Stellen sich lieber als Kuscheltier in 
den Streichelzoo. Aber wir (in der Wirtschaft), wir sind die Raubtiere, 
wir sind ganz gefährlich, rrrrrrr.".

Im Endeffekt braucht man gewisse Eigenschaften um beruflich Erfolg zu 
haben. Sind die vorhanden, ist es egal was man für eine Ausbildung hat, 
ob Lehre, FH oder Uni Studium, oder halt noch die beiden Buchtsaben vor 
dem Namen. Ich würde schon behaupten, dass mit der "Höhe" der Bildung 
tendenziell der Anteil der entsprechenden Leute steigt. Das liegt aber 
nicht an der Ausbildung an sich (auch wenn die Hilft), sondern daran 
dass diese Leute (auch kulturell bedingt) eher dazu tendieren den Weg 
(Bildung) bis zum Schluss gehen. Aber klar, es gibt auch promovierte 
Luftpumpen, keine Frage.

: Bearbeitet durch User
von Tim  . (cpldcpu)


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Es ist doch völlig unnütz darüber zu diskutieren, ob Promotion oder 
Arbeitsleben anstrengender sind. Es ist klar, dass kaum jemand, dem die 
Entscheidung nach dem Studium bevorsteht, wirklich objektiv darüber 
urteilen kann.

Meist ist es wohl eher eine Angst vor Veränderung. Es natürlich 
einfacher, an dem Lehrstuhl zu bleiben, an dem man seine Master-Arbeit 
gemacht hat. Da spart man sich gleich die Bewerbungsrunden und das damit 
verbundene unangenehmene Feedback...

Das gleiche Problem stellt sich hinterher wieder anders herum, wenn es 
nach einigen Jahren Berufserfahrung darum geht, doch noch eine Promotion 
aufzunehmen.

: Bearbeitet durch User
von Dipl.- G. (hipot)


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Richy B. schrieb:
> @Geo-Med
> Bei einem Konzern.
>
> @Dipl.-Gott
> Genau bei solchen Kommentaren muss ich mir immer extrem auf die Zunge
> beißen. Aus deinem Post wird ersichtlich, dass du nicht aus eigener
> Erfahrung sprichst.

Das Gegenteil ist der Fall. Ich war jahrelang Hiwi und habe fleißig in 
Drittmittelprojekten mitgerechnet, wodurch ich mehr oder weniger direkt 
beim Thema meiner Diplomarbeit landete. Von meinen zwei besten Freunden 
habe ich neulich die Dissertation korrekturgelesen.



> Zudem scheinst du trotzdem in deiner Lebensplanung irgendwie eine
> Promotion vorgesehen zu haben.

Ich hatte ne volle Stelle sicher, die ich nicht angenommen habe. Eine 
wesentlich besser dotierte Stelle wartete.



> Bei dir klingt es so, als
> wenn alle die promovieren Weicheier sind und die richtigen Kerle
> gleich in die Wirtschaft gehen.

Im Grunde ist das korrekt. Der Wertung Weicheier stimme ich allerdings 
nicht zu. Die Sache ist doch ganz einfach: Man hat Jahre im Schonraum 
Uni verbracht. Man kennt die Wege, die Leute, und man wohnt entweder in 
einer geilen WG mit hübschen Weibern oder hat ne bescheidene kleine 
Bude.
Die Uni ist ein pulsierender Raum voll von jungen Leuten; Partys, 
Freizeitgestaltung, vergünstigter Zugang zu allen möglichen logistischen 
und kulturellen Dingen, (in unserem Fall) gutes günstiges Mensaessen.
Professoren suchen immer und überall nach Doktoranden. Die Anzahl der 
Studenten, die das Hauptstudium mit mindestens 2,0 abschließen ist 
relativ hoch; die Anzahl der Studenten bis 2,3, die dann bis zum 
Rigorosum Nachprüfungen in den Hauptfächern absolvieren, noch viel 
höher.

Selbstverfreilich schlägt hier total die Mischung aus Bequemlichkeit und 
Zukunftsangst zu. Wer das bestreitet, ist nichts Geringeres als 
realitätsfern, oder hat nie eine echte Uni von innen gesehen, oder war 
ein totaler hoffnungsloser "Nerd". Ich schätze, mindestens 8 von 10 
Leuten rutschen auf diese Weise einfach in die Promotion hinein und sind 
froh, sich nicht mit dem "Ernst des Lebens" auseinandersetzen zu müssen 
bzw. den unvermeidlichen Moment weitere 6 Jahre hinauszögern zu können.

Denn ja, es ist etwas ganz anderes, sich ohne Spaß um ne Stelle kümmern 
zu müssen. Sich plötzlich entscheiden zu müssen, welche Wissensbereiche 
man hinter sich läßt und wohinein man sich vertieft. Auf der Uni hat man 
den Luxus der Unbestimmtheit. Man kann alle möglichen Dinge tun, 
ungehemmt und so gut wie ohne Fremdsteuerung allen Interessen nachgehen. 
Man fällt quasi aus dem im besten Sinne sozialistischen System Uni in 
den kapitalistischen Arbeitsalltag. Verdammt richtig, daß das zu 
Vermeidungsreaktionen auf studentischer Seite führt.

von Richy B. (derrichi)


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Naja, wir kommen da nicht zusammen. Ich könnte jetzt wieder auf einige 
Punkte eingehen (ich war HiWi und weiß Bescheid), worauf du dann wieder 
"zurückschießt". Das würde jetzt ewig hin und her gehen.

von Geo M. (geomed)


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Mal zum Thema "in die Promotion hineinrutschen":

Ich muss zugeben, dass ich mir nach meinem Studium vielleicht nicht 
ausreichend Gedanken gemacht habe, was ich eigentlich will. Nachdem ich 
das Studium mit Auszeichnung bestanden hatte und ich die Wirtschaft aus 
der Werkstudententätigkeit einigermaßen kannte, entstand in mir der 
Wunsch noch einen drauf zu setzen und zu promovieren. Zu diesem 
Zeitpunkt war ich mir nicht darüber im klaren, was es für die spätere 
Karriere bedeuten kann, weitere vier Jahre an der Uni zu bleiben. Noch 
dazu hat sich ein angestrebtes Forschungsprojekt nicht ergeben und ich 
habe ein Alternativangebot letztlich angenommen. Dies hat dazu geführt, 
dass ich von den Bereichen, wo ich ursprünglich hin wollte noch weiter 
weggekommen bin.

Kurz vor Abschluß der Promotion hatten meine Bewerbungen teilweise 
Erfolg. Inhaltlich hat mich kaum eine Stelle vollends überzeugt, einen 
Kompromiss wollte ich nicht schon wieder eingehen und ich hatte auch 
Sorge nur noch "einer unter vielen" zu sein. Ich denke, in meinem 
Forschungsprojekt an der Uni habe ich mir durchaus eine kleine 
Reputation erarbeiten können und das wollte ich nicht einfach so 
aufgeben, zumal mir hier auch eine Perspektive geboten wurde. Letztlich 
hat dies den Ausschlag gegeben und ich habe mich wiederum vorerst für 
die Uni anstatt der freien Wirtschaft entschieden...

... dennoch suche ich immer wieder Antworten auf die Frage, was der 
richtige Weg nun ist. Gerade eine Unikarriere ist mit sehr vielen 
Hürden verbunden und es gibt genug Leute, die sich dafür komplett 
aufopfern. Das ist allerdings gewiss nicht meine Philosphie. Schließlich 
gibt es auch noch andere Dinge als Arbeit!

von Jonathan W. (anoj_ettiw)


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Geo M. schrieb:
> Mal zum Thema "in die Promotion hineinrutschen":
>
> ... dennoch suche ich immer wieder Antworten auf die Frage, was der
> richtige Weg nun ist.

Das machen, was einem Spaß macht und gleichzeitig "angemessen" bezahlt 
wird. Wie viel "angemessen" ist, muss jedoch jeder selber entscheiden.

Wie sehr haben sich denn die Stellen in der Wirtschaft von denen 
unterschieden, die dich "vollends überzeugt" hätten?

von Geo M. (geomed)


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Jona W. schrieb:
> Wie sehr haben sich denn die Stellen in der Wirtschaft von denen
> unterschieden, die dich "vollends überzeugt" hätten?

Das Problem war, dass ich wie oben angesprochen mit dem Thema meiner 
Promotion nicht so zufrieden war. Also habe ich geschaut, wie ich diese 
am besten verkaufen könnte, um in andere Bereiche zu kommen. Das hat 
auch außergewöhnlich gut funktioniert, aber:
1) Stellen waren ganz normale Absolventenstellen ohne Ausblick auf mehr. 
Ich hatte Angst davor, dass es eine Sackgasse sein könnte
2) Ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, da mir die 
Erwartungshaltung meiner Person gegenüber teilweise zu hoch vorkam
3) Das Aufgabengebiet wäre wieder ein fauler Kompromiss gewesen.

Ich sag mal die Stellen haben sich zu 50 % und mehr davon unterschieden, 
was mich vollends überzeugt hätte. Es kommt ja auch auf das Gesamtpaket 
an, wo Gehalt, Familienfreundlichkeit, Verlegung des Lebensmittelpunktes 
etc. auch eine Rolle spielen. Was nutzt mir bspw. ein 60k Job in 
München, wenn die Miete doppelt so hoch ist, wie in meiner Heimatstadt 
und meine Frau erstmal arbeitslos wird?

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