Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Piezo Sensor Spannung berechen und messen -> sehr starke Abweichungen


von Dimitri (Gast)


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Hallo liebe Gemeinde,

ich habe ein Problem mit der Berechnung und Messung einer Piezoscheibe.
Es geht hier um 7BB-12-9 von Murata.
Ich will dieses Element als Sensor verwenden. und eine Kraft messen.

Die Scheibe lege ich auf eine harte Oberfläche flach drauf.

Wenn ich sie kontaktiere und einfach an den Oszi anschließe. (RIGOL 
MSO1104 mit 10MOhm Widerstand), und mit dem Finder draufdrücke, dann 
kommen beim drücken und loslassen Spannungen raus von +-10 V und mehr. 
(Die Scheibe ist isoliert)

Jetzt habe ich das ganze berechnet und komme einfach nicht drauf, wie so 
eine hohe Spannung entstehen kann.

Hier meine Berechnung:
Durchmesser d = 8 mm => r = 4 mm
Dicke der Keramik t: 0,1 mm
Angenommene Kraft: 10 N

von Murata erhaltene Materialkennwerte:
Dielektrizitätskonstante epsilon_T/epsilon_0 = epsilon_r: 1930
Piezoelektrische Konstante d33: 410 * 10^-12 C/N
Piezoelektrische Konstante g33: 22 * 10^-3 Vm/N

Meine Berechnung:
A = r^2*pi = 5,026*10^-5 m^2

U = g33  F  t / A

22*10^-3 Vm/N  10 N  0,1*10^-3 m / 5,026*10^-5 m^2 = 0,47 V

Kapazität C = epsilon_0  epsilon_r  A / t = 8,590 nF

Zeitkonstante tau = RC = 10MOhm * 8,590 nF = 85,9 ms

ich habe meine Berechnungen auf dieser Webseite verifiziert, und die 
bekommen exakt das gleiche raus wie ich:
https://www.americanpiezo.com/knowledge-center/apc-piezo-calc.html

Also mir ist das völlig unklar, wo ich den Fehler mache. Wie können da 
Spannungen von mehr als 10 V entstehen?

Vielleicht kann mir mal jemand auf die Sprünge helfen.

lg

Dimitri

PS: Benutze ich evtl die falschen Konstanten d33 und g33? Also so wie 
ich verstanden habe, nutze ich den Longitudinaleffekt aus 
(Dickenschwinger).
Die Piezoscheiben werden oben und unten kontaktiert und Die Kraft 
erfolgt auch von oben.

von Hp M. (nachtmix)


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Dimitri schrieb:
> Jetzt habe ich das ganze berechnet und komme einfach nicht drauf, wie so
> eine hohe Spannung entstehen kann.

Vielleicht ist die gar nicht so hoch und du hast die Scheibe direkt 
angeschlossen, während das Scope noch den 10:1 Tastkopf 
berücksichtigt...

: Bearbeitet durch User
von Dimitri (Gast)


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Hp M. schrieb:
> Dimitri schrieb:
>> Jetzt habe ich das ganze berechnet und komme einfach nicht drauf, wie so
>> eine hohe Spannung entstehen kann.
>
> Vielleicht ist die gar nicht so hoch und du hast die Scheibe direkt
> angeschlossen, während das Scope noch den 10:1 Tastkopf
> berücksichtigt...

Hallo Hp M.

Erstmal Danke für die Antwort. Ich hatte die gleiche Vermutung und habe 
das bereits überprüft. Der Sensor ist an einem 10:1 Tastkopf 
angeschlossen und dieser wird auch im Oszi berücksichtigt.

Gruß

Dimitri

von Hp M. (nachtmix)


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Dimitri schrieb:
> und mit dem Finder draufdrücke,

Dann nimm mal einen etwas kultivierteren Versuchsaufbau.
Wenn sich die Scheibe bei dem Druckversuch nämlich durchbiegt, treten 
wegen der Montage auf dem Messingplättchen Druck- oder Dehnkräfte quer 
zur Polarisationsrichtung auf.
Damit bekommst du es mit d31 bzw g31 zu tun, das zwar betragsmäßig nur 
etwa halb so groß ist wie g33, aber die Kräfte können bei solch harten 
Materialien recht hoch werden.

Außerdem bekommst du bei Berührung mit dem Finger leicht zusätzliche 
Fehler durch die pyrolektrischen Eigenschaften der Piezo-Materialien.

von ths (Gast)


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Üblicherweise nimmt man einen Ladungsverstärker für sowas, da man nur 
etwas über q/F weiß. Typischerweise als invertierender OP mit einem 
Kondensator in der Rückkopplung. Im vorliegenden Fall kann man sogar auf 
einen Typ mit pA Biasstrom verzichten, einer mit beliebigem FET Eingang 
sollte reichen.

von Dimitri (Gast)


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Hp M. schrieb:
> Dimitri schrieb:
>> und mit dem Finder draufdrücke,
>
> Dann nimm mal einen etwas kultivierteren Versuchsaufbau.
> Wenn sich die Scheibe bei dem Druckversuch nämlich durchbiegt, treten
> wegen der Montage auf dem Messingplättchen Druck- oder Dehnkräfte quer
> zur Polarisationsrichtung auf.
> Damit bekommst du es mit d31 bzw g31 zu tun, das zwar betragsmäßig nur
> etwa halb so groß ist wie g33, aber die Kräfte können bei solch harten
> Materialien recht hoch werden.
>
> Außerdem bekommst du bei Berührung mit dem Finger leicht zusätzliche
> Fehler durch die pyrolektrischen Eigenschaften der Piezo-Materialien.

Die Vermutung hab ich nun auch. Stellt sich die Frage ob meine 
Berechnungen denn wenigstens in Ordnung sind, wenn der Aufbau hinkt.


ths schrieb:
> Üblicherweise nimmt man einen Ladungsverstärker für sowas, da man
> nur
> etwas über q/F weiß. Typischerweise als invertierender OP mit einem
> Kondensator in der Rückkopplung. Im vorliegenden Fall kann man sogar auf
> einen Typ mit pA Biasstrom verzichten, einer mit beliebigem FET Eingang
> sollte reichen.

Mit einem Ladungsverstärker ergibt sich die gleiche Problematik. Ich 
habe zum Beispiel einen Ladungsverstärker mit einem Widerstand R = 1MOhm 
und einem Kondensator von 10 nF. Daran schließe ich mein Piezoelement an 
und messe Uout = 4 V

Also ich glaube nicht dass ich mit meinem Finger eine Kraft von 98 N 
aufbringe.

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Versuche es doch mal mit einem systematischen Versuchsaufbau.
Kein Finger sondern definierte Massen, 500g, 1kg, 2kg usw. Dann eine 
Messreihe dazu...

von Dimitri (Gast)


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So ein Versuchsaufbau ist schwierig, da der Piezo keine statischen 
Kräfte messen kann, sondern nur dynamische.

Es ist ein Unterschied ob ich die 500g langsam drauf stelle oder 
schnell. Bei einem langsamen Anstieg der Kraft F, fällt die Spannung zu 
schnell ab und ich messe nichts. In meiner Berechnung gehe ich von einem 
Kraftsprung von 0 auf 10 N. In Realität verläuft der Kraftsprung ja 
nicht unendlich schnell, also muss ich bereits mit einem Spannungsabfall 
rechnen, und das Ergebnis müsste noch kleiner sein, als die Spannung die 
ich berechnet habe.

Wenn ich ein Gewicht nehme, welches ich schnell drauf stelle, dann gibt 
es Vibrationen, da das Gewicht springt.

Ich habe leider kein Prüfstand, welcher mir eine definierte Kraft 
erzeugt.

Das einzige was ich sagen kann ist, dass ich auf jeden Fall zu viel 
messe, als das was in der Rechnung vorkommen dürfte. Also um das 10 bis 
20 fache.

von ths (Gast)


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Da fragt man sich, ob die Werkstoffdaten stimmen. Gibt's von Murata 
Piezowerkstoffe, mit denen die Rechnerei so ungefähr aufgeht?

von Hp M. (nachtmix)


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ths schrieb:
> Da fragt man sich, ob die Werkstoffdaten stimmen.

Die werden i.O. sein.
Sie entsprechen etwa den Daten, die auch andere Hersteller für 
entsprechende Keramiken, z.B. PXE21, nennen.

Dimitri schrieb:
> Also ich glaube nicht dass ich mit meinem Finger eine Kraft von 98 N
> aufbringe

Messen wäre besser als glauben. Leg die Anordnung doch auf eine 
Küchenwaage.


Dimitri schrieb:
> Wenn ich ein Gewicht nehme, welches ich schnell drauf stelle, dann gibt
> es Vibrationen, da das Gewicht springt.

Du brauchst die Last ja nicht draufzuwerfen, sondern kannst sie auch 
schlagartig wegnehmen.
Auf jeden Fall aber eine Durchbiegung des Plättchens vermeiden.

: Bearbeitet durch User
von Henrik V. (henrik_v)


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Dimitri schrieb:
> Ich habe leider kein Prüfstand, welcher mir eine definierte Kraft
> erzeugt.



Eine Basis mit Sensor und Gewicht an einen Baumwollfaden aufhängen und 
diesen dann durchbrennen. -> 1g Sprung :) je nach Gewicht eben ein 
Kraftsprung.


Aufwändiger:
Basslautsprecher, Konus mit Platte versehen (oder Shaker :) )
Sensor und definiertes Gewicht drauflegen!
Sensor mit Öltropfen oder etwas Vaseline auf der Platte fixieren, aber 
nicht das Gewicht!

Sinusanregung, Amplitude langsam erhöhen bis das aufgelegte Gewicht 
abhebt.
Mit Scope/Soundkarte ansehen, bzw. FFT Oberwellen. Wenn das Gewicht 
wegrutscht war's zuviel :D

Wenn das Gewicht gerade noch nicht abhebt, hast Du etwa 1g :) und dann 
F=m*g

: Bearbeitet durch User
von Henrik V. (henrik_v)


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Baumwollfaden! Nix Kunstoff.. das fließt ...

Den 'Shaker' kann man natürlich mit einem 3D Mems versehen, den man bei 
1g statisch kalibriert hat.

: Bearbeitet durch User
von Henrik V. (henrik_v)


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Ich frage mich, ob die Kapazitätsangabe auch nahe DC stimmt, im 
Datenblatt wird bei 1kHz gemessen, und das ist dan schon recht nahe an 
der Resonanzfrequenz. Sensor an DC und dann über die 10M eines Scopes 
die Entladekurve messen und daraus die Kapazität abschätzen.

von Dimitri (Gast)


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Danke für die Antworten,

Die Kapazität habe ich anhand der Materialkennwerte und der Dimension 
berechnet.

Die Idee mit der Waage werde ich mal ausprobieren. Definiertes Gewicht 
z.B. 1kg drauflegen Schlagartig wegnehmen. Das hört sich vernünftig an.

von Unendlich (Gast)


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Dimitri schrieb:
> Hp M. schrieb:
>> Dimitri schrieb:
>>> und mit dem Finder draufdrücke,
>>
>> Dann nimm mal einen etwas kultivierteren Versuchsaufbau.
>> ...
>>
> ths schrieb:
>> Üblicherweise nimmt man einen Ladungsverstärker für sowas, ...
>
> Mit einem Ladungsverstärker ergibt sich die gleiche Problematik. Ich
> habe zum Beispiel einen Ladungsverstärker mit einem Widerstand R = 1MOhm
> und einem Kondensator von 10 nF.

Die Diagramme zeigen nicht die Piezospannung an! Ja man statisch messen 
man muss es nur richtig machen! Ladungspool vier stärker mit einem 
Eingangswiderstand von 1.000.000 Ohm??? Darf ich mal laut lachen....

von Unendlich (Gast)


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>> Mit einem Ladungsverstärker ergibt sich die gleiche Problematik. Ich
>> habe zum Beispiel einen Ladungsverstärker mit einem Widerstand R = 1MOhm
>> und einem Kondensator von 10 nF.
>
> Die Diagramme zeigen nicht die Piezospannung an! Ja man kann statisch messen, 
man muss es nur richtig machen! Ladungsverstärker mit einem
> Eingangswiderstand von 1.000.000 Ohm??? Darf ich mal laut lachen....

von Dimitri (Gast)


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Unendlich schrieb:
> Dimitri schrieb:
>> Hp M. schrieb:
>>> Dimitri schrieb:
>>>> und mit dem Finder draufdrücke,
>>>
>>> Dann nimm mal einen etwas kultivierteren Versuchsaufbau.
>>> ...
>>>
>> ths schrieb:
>>> Üblicherweise nimmt man einen Ladungsverstärker für sowas, ...
>>
>> Mit einem Ladungsverstärker ergibt sich die gleiche Problematik. Ich
>> habe zum Beispiel einen Ladungsverstärker mit einem Widerstand R = 1MOhm
>> und einem Kondensator von 10 nF.
>
> Die Diagramme zeigen nicht die Piezospannung an! Ja man statisch messen
> man muss es nur richtig machen! Ladungspool vier stärker mit einem
> Eingangswiderstand von 1.000.000 Ohm??? Darf ich mal laut lachen....

Die Diagramme Zeigen die Spannung am Ausgang des Ladungsverstärkers.
R = 1MOhm
C = 10 nF

Dabei ist q die vom Piezo gelieferte Ladung und u_out die gemessene 
Spannung. Über diese Ladung kann ich wieder auf die Kraft zurückrechnen.

Ich bräuchte einen viel größeren Widerstand R, um eine größere 
Zeitkonstante RC zu bekommen. den Hab ich nicht. Ich versuche grad mit 
dem zu arbeiten, was ich zur Verfügung habe.

Du darfst gerne Lachen, hilft mir leider nicht weiter. Danke dir 
trotzdem.

von Unendlich (Gast)


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Dann besorge dir erst einmal die Grundlagen und die entsprechenden 
Bauteile...

von Achim S. (Gast)


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Dimitri schrieb:
> Ich bräuchte einen viel größeren Widerstand R, um eine größere
> Zeitkonstante RC zu bekommen. den Hab ich nicht.

doch, hast du. Knipps den 1MOhm raus, dann bist du im GOhm-Bereich und 
kannst quasistatisch messen. Dann läuft dir zwar der Ausgang des OPV 
langsam davon, aber den kannst du auf Null setzen indem du den 
Kondensator zum Reseten kurz mal überbrückst (z.B. mit einem parallel 
geschalteten 1MOhm-Widerstand).

von tmomas (Gast)


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Dimitri schrieb:
> Durchmesser d = 8 mm => r = 4 mm

Das Datenblatt sagt 9mm?

von Dimitri (Gast)


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Für die Berechnung der Kapazität spielt doch die Fläche der Elektrode 
eine Rolle. Die ist bei 8mm.

Wenn ich mit 9mm rechne, dann kommt eine noch viel kleinere Spannung 
raus.

von Florian K. (florian_k187)


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Hallo Dimitri,

ich stehe gerade vor dem selben Problem und wollte Fragen wie du es 
damals hinbekommen hast?
LG

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