Forum: Offtopic Schutzklasse II - Doppeltes Gehäuse zwingend erforderlich?


von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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Hallo Liebe VDE-Gurus,

ich habe mal eine Frage an euch. Ich habe hier ein Netzteil, das mit der 
Schutzklasse II ausgewiesen ist. Das Netzteil bekommt 230V Netzspannung 
und gibt 5V DC raus. Das Netzteil ist eine einzelne Platine, die durch 
einen Trafo und Optokoppler die Primär- von der Sekundärseite trennt.

Frage: Reicht es aus, wenn die Platine einfach nur in einem 
Kunststoffgehäuse steckt für eine Schutzklasse II?

Ich kenne das selbst so, dass die Netzteile ein eigenes Gehäuse haben, 
idR aus Metall (oder auch mal aus Kunststoff oder Pergamentpapier und 
diese dann in Kunststoff verschweißt sind.

Die Schutzklasse II sagt ja verstärkte oder doppelte Isolierung, doch 
was ist eine verstärkte Isolierung?

von (prx) A. K. (prx)


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Dimitri R. schrieb:
> Frage: Reicht es aus, wenn die Platine einfach nur in einem
> Kunststoffgehäuse steckt für eine Schutzklasse II?

Da praktisch alle Wandwarzen zu dieser Klasse zählen, und die aus 1-2 
Platinen in einem einfachen Kunstoffgehäuse bestehen...

von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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A. K. schrieb:
> Da praktisch alle Wandwarzen zu dieser Klasse zählen, und die aus 1-2
> Platinen in einem einfachen Kunstoffgehäuse bestehen...

Naja, "hamma imma scho so jemachd" ist irgendwie kein Argument. Hier ist 
zum Vergleich ein auseinander genommenes Apple-Netzteil / Wandwarze:

http://static.righto.com/images/ipad/ipade_case_fin.png

Wie du siehst, verwenden die eine Folie, um die Primärseite von der 
Sekundärseite zu trennen. Außerdem haben die Schlitze in die Platine für 
eine zusätzliche Isolierung gefräst. Da würde ich sagen, dass dieses 
Netzteil tatsächlich der Schutzklasse II entspricht.

von Gerd E. (robberknight)


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Dimitri R. schrieb:
> Die Schutzklasse II sagt ja verstärkte oder doppelte Isolierung, doch
> was ist eine verstärkte Isolierung?

gilt das auch fürs Gehäuse?

Ich dachte das gilt nur für die Verbindung zwischen Netzspannung und 
SELV. Also Bauteile wie Trafo, Optokoppler etc. die die Grenze 
überbrücken.

von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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Gerd E. schrieb:
> gilt das auch fürs Gehäuse?

Die Schutzklassen gelten sozusagen als Zusammenspiel zwischen dem 
Inneren und dem Äußeren eines Gehäuses. Der Sinn der Schutzklassen ist 
ja den Nutzer vor Stromschlägen zu schützen. Entschließe ich mich dafür, 
ein Gerät mit der Schutzklasse I zu bauen, dann muss ich dafür sorgen, 
dass die Metallteile, die ein Benutzer berühren kann, mit dem 
Schutzleiter verbunden sind. Wie es innen aussieht, spielt dabei 
(zumindest bei der Schutzklasse) keine Rolle.

Habe ich ein Gerät, das die Schutzklasse II hat, dann brauche ich eben 
die doppelte oder verstärkte Isolierung.

Und wenn ich ein Gerät bauen möchte, dass die Schutzklasse III erfüllt, 
dann darf da nur SLEV rein, die max "so schön hat geprickelt in mein 
Bauchnabel".

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Dimitri R. schrieb:
> Frage: Reicht es aus, wenn die Platine einfach nur in einem
> Kunststoffgehäuse steckt für eine Schutzklasse II?

Ja. Es gibt Geräte, die SK II ausgewiesen sind und sogar in einem 
Metallgehäuse stecken, nahezu alle Unterhaltungselektronik wie 
DVD/Bluray und Hifi Apparatschiks gehören dazu.
Kunststoffgehäuse ist also sicher - sofern das Netzteil die SK II auch 
ehrlich erfüllt.

von Uhu U. (uhu)


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Dimitri R. schrieb:
> SLEV

Was ist damit gemeint?

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Dimitri R. schrieb:
> Die Schutzklasse II sagt ja verstärkte oder doppelte Isolierung, doch
> was ist eine verstärkte Isolierung?

Verstärkte Isolierung besagt, das der Leckstrom ('Berührstrom') vom Netz 
zur Sekundärseite max. 0,25mA betragen darf:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schutzklasse_%28Elektrotechnik%29#Schutzklasse_II_.2F_Schutz_durch_doppelte_oder_verst.C3.A4rkte_Isolierung

von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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Matthias S. schrieb:
>> Die Schutzklasse II sagt ja verstärkte oder doppelte Isolierung, doch
>> was ist eine verstärkte Isolierung?
>
> Verstärkte Isolierung besagt, das der Leckstrom ('Berührstrom') vom Netz
> zur Sekundärseite max. 0,25mA betragen darf:
> 
https://de.wikipedia.org/wiki/Schutzklasse_%28Elektrotechnik%29#Schutzklasse_II_.2F_Schutz_durch_doppelte_oder_verst.C3.A4rkte_Isolierung

Was hat das denn mit einer verstärkten Isolierung zutun? Bei der 
Isolierung gibt es grundsätzlich zwei Werte. Das ist einmal der 
(spezifische) Widerstand und die Durchschlagsfestigkeit.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Dimitri R. schrieb:
> Das ist einmal der
> (spezifische) Widerstand und die Durchschlagsfestigkeit.

Schön. Das, was du 'spezifischen Widerstand' nennst, sind die 0,25mA und 
die Durchschlagsfestigkeit ist gegeben durch die 
Bemessungsisolationsspannung.
Lies doch den Artikel - deswegen habe ich ihn ja verlinkt. Die Frage des 
TE ist allerdings schon beantwortet. Viel Spass noch.

: Bearbeitet durch User
von Michael B. (laberkopp)


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Dimitri R. schrieb:
> Frage: Reicht es aus, wenn die Platine einfach nur in einem
> Kunststoffgehäuse steckt für eine Schutzklasse II?

Ja, ABER: Du musst dafür sorgen, daß die Netzzuleitung, auch wenn ein 
Stecker oder Lötverbindung abgeht, schon rein mechanisch nicht den 
Sekundärteil berühren kann, entweder weil sie zu kurz sind, mit 
Kabelbindern gehalten werden, oder selbst nochmal isoliert sind.

Ebenso darf das abgefallende Netzkabel keine Metallteile berühren 
können, die aus dem Gehäuse herausragen, wie z.B. Schrauben von Griffen 
oder so, die sonst normalerweise weit genug weg wären und isoliert 
wären.

Zusammengefasst: Auch wenn das Ding mehrmals runterfällt, darf keine 
Netzspannung berührbar sein.

: Bearbeitet durch User
von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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Matthias S. schrieb:
> Schön. Das, was du 'spezifischen Widerstand' nennst, sind die 0,25mA

Wie kommst du darauf, dass ein Strum ein spezifischer Widerstand ist?

Matthias S. schrieb:
> Durchschlagsfestigkeit ist gegeben durch die
> Bemessungsisolationsspannung

Und was meinst du damit? Und welche Bemessungsisolationsspannung nimmst 
du an? Bzw. wie kann eine Durchschlagsfestigkeit durch die 
Bemessungsisolationsspannung gegeben sein, da die Durchschlagsfestigkeit 
immer in Spannung/Dicke angegeben wird.

von Uwe M. (uwe_mettmann)


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Dimitri R. schrieb:
> Frage: Reicht es aus, wenn die Platine einfach nur in einem
> Kunststoffgehäuse steckt für eine Schutzklasse II?

Nein, das reicht nicht aus. Es gibt noch einige Anforderungen, die 
einzuhalten sind. Genannt wurde schon der Ableit- bzw. Berührungsstrom. 
Hier gelten für Schutzklasse II Geräte deutlich höhere Anforderungen als 
bei einem Schutzklasse I Gerät. Weiterhin muss natürlich das Netzteil 
selber auch für den Schutzklasse II Einsatz vorgesehen sein.

Unabhängig von der Schutzklasse muss ein Netzteil immer in einem 
Brandschutzgehäuse eingebaut sein. Für ein Kunststoffgehäuse gelten 
daher Anforderungen für das Kunststoffmaterial, denn das muss 
brandhemmend sein.

In deinem Nick ist angegeben, dass es sich um eine Firma handelt. Wenn 
das Gerät nicht für den Eigenbedarf ist und mehrere Geräte davon in 
Umlauf gebracht werden, kann ich dir nur dringend empfehlen, dir die für 
das Gerät anzuwendende Sicherheitsnorm zu besorgen. Weiterhin kann es 
auch sinnvoll sein, dein Konzept mit einem Fachmann oder einem 
Prüfinstitut, dass auch Prüfungen der el. Sicherheit durchführt, zu 
besprechen, auch wenn das etwas Geld kostet.


Gruß

Uwe

von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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Uwe M. schrieb:
> In deinem Nick ist angegeben, dass es sich um eine Firma handelt. Wenn
> das Gerät nicht für den Eigenbedarf ist und mehrere Geräte davon in
> Umlauf gebracht werden, kann ich dir nur dringend empfehlen, dir die für
> das Gerät anzuwendende Sicherheitsnorm zu besorgen.

Hallo Uwe,

Danke dir für deine bisherige Antwort. Kurz gesagt, ja es geht um 
Geräte, die in Umlauf gebracht werden sollen, allerdings nicht durch 
uns. Ich wurde nur gebeten mir das Netzteil mal anzuschauen und dazu 
Stellung zu nehmen, bevor ein Prüfinstitut sich damit beschäftigt.

Dabei ist mir aufgefallen, dass die Netzteile, die wir in kommerziellen 
Produkten verwenden, deutlich komplexer aufgebaut sind und ALLE ein 
weiteres Gehäuse (in der Regel aus Metall) haben, bevor das 
Außen-Kunststoffgehäuse kommt.

Die Frage ist nur welche Normen relevant sind. Und so das z.B. mit dem 
brandhemmenden Kunststoff steht.

Ich kenne einmal die VDE 0868-1:2016-05 und die 72/23/EEC 
Niederspannungsrichtlinie.

von Dumdi D. (dumdidum)


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Dimitri R. schrieb:
> Das Netzteil ist eine einzelne Platine, die durch einen Trafo und
> Optokoppler die Primär- von der Sekundärseite trennt

Mit eine Optikoppler wird das getrennt?? Das glaube ich eher nicht 
(außer das ist gar kein Netzteil).

von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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Dumdi D. schrieb:
> Mit eine Optikoppler wird das getrennt?? Das glaube ich eher nicht

Den Einwand verstehe ich jetzt nicht.

von Uwe M. (uwe_mettmann)


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Dimitri R. schrieb:
> Dabei ist mir aufgefallen, dass die Netzteile, die wir in kommerziellen
> Produkten verwenden, deutlich komplexer aufgebaut sind und ALLE ein
> weiteres Gehäuse (in der Regel aus Metall) haben, bevor das
> Außen-Kunststoffgehäuse kommt.

Wenn das Netzteil selber schon in einem Metallgehäuse eingebaut ist, 
welches die Anforderungen eines Brandschutzgehäuses erfüllt, braucht das 
Kunststoffgehäuse diese Anforderungen nicht mehr erfüllen. Dennoch kann 
es sein, dass es (geringere) Anforderungen bezüglich des 
Kunststoffmaterials gibt.


Dimitri R. schrieb:
> Die Frage ist nur welche Normen relevant sind. Und so das z.B. mit dem
> brandhemmenden Kunststoff steht.

Die Norm hängt von der Anwendung ab, für die das Netzteil eingesetzt 
wird. Wird das Netzteil z.B. in einem Computer oder einem 
Multimedia-Gerät eingesetzt, kann die von dir zitierte Norm EN 62368-1 
herangezogen werden. In dieser Norm findest du dann auch, welche 
Anforderungen bei einem Brandschutzgehäuse für das Kunststoffmaterial 
gelten (V1 oder HF1).

Wird das Netzteil für andere Anwendungen eingesetzt, so findest du in 
folgender Liste die passende Norm:
https://ec.europa.eu/growth/single-market/european-standards/harmonised-standards/low-voltage_en

Dort kannst du auch entnehmen, dass die Niederspannungsrichtlinie 
72/23/EEC inzwischen durch die neue Fassung 2014/35/EU ersetzt wurde.

Sollte das Netzteil allerdings für ein Medizinprodukt oder ein Funkgerät 
oder ähnliches eingesetzt werden, so gilt nicht die 
Niederspannungsrichtlinie sondern es sind andere Richtlinien 
heranzuziehen.

Welche Richtlinien es zur CE-Kennzeichnung gibt und die dazugehörigen 
Normenlisten, kannst du folgenden Link entnehmen:
http://ec.europa.eu/growth/single-market/european-standards/harmonised-standards/

Gruß

Uwe

von Dumdi D. (dumdidum)


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Dann zeichne mal einen Schaltplan. Ein Optokoppler braucht an der 
'Ausgangsseite' eine Spannungsversorgung. Wenn die von Netzteil selbst 
kommt, gibt es keine Trennung. Wenn nicht, keine Ausgangsspannung.

von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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@Uwe
Danke dir, ich werde mir die Normen noch einmal anschauen.

@Dumdi Dum
Ich verstehe den Einwand immer noch nicht. Hier mal ein 
Beispiel-Schaltplan eines anderen Netzteils:

https://www.luetze.de/assets/katalog/spannungsversorgungen/722989-schaltnetzteil-einphasig-x-00585631_0.jpg

von Dumdi D. (dumdidum)


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So ist ok. Da ist die Rückkopplung durch eibe Optokoppler getrennt. 
Zschuldigung für das Missverständnis.

Um noch vielleicht etwss Nützliches hinzuzufügen:  Netzteile haben eine 
eigene Produktnorm, falls diese erfüllt ist darf der Hersteller CE 
draufkleben (z.B  sibd EMV Messungen bei ohmscher Last zulässig). Sobald 
das Netzteil jedoch Teil (beilegen reicht) eines anderen Produktes wird, 
dann gilt die Produktnorm für das Gerät, und jetzt darf z.B. EMV im 
reallast Betrieb gemessen werden. Oder wie man so schön sagen kann: 
CE+CE != CE
Dasselbe natürlich für die LVD.

Vermutlich ist auch das ein Grund für den anderen Aufbau von Netzteile 
die für den Gerätebau vorgesehen sind.

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