Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Unterschiede in der Stabilisierung mit C und L


von Michael W. (Gast)


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Hallo Leute,

in den Schaltungen sieht man hin und wieder Stabilisierungen, die aus 
einem seriell eingebundenen Induktivität bestehen. So wie etwa hier:

http://www.dse-faq.elektronik-kompendium.de/dse-faq.htm#F.23

Zugegeben kein gutes Beispiel, da hier noch einiges mehr dranhängt, aber 
so in etwa.Normalerweise werden jedoch Abblockkondensatoren von meist 
100 nF verwendet. Kapazitäten sind deutlich günstiger, deshalb nimmt man 
sie wohl lieber.

Wären aber statt Abblockkondensatoren entsprechend dimensionierte 
Induktivitäten gleichwertig? Wenn ja, wie würde man so ein Drossel 
dimensionieren (z.B. entsprechend einem 100nF C)?

Hat die "Drosselvariante" Vor- oder Nachteile gegenüber der 
"Kapazitätsvariante"?

Hätte es Sinn, in einer digitalen Schaltung den Blindwiderstand zu 
kompensieren (wegen Resonanz)?

Habt vielen Dank für Eure Antworten schon im Voraus!

Michael

von The D. (devil_86)


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Eine Drossel ist das für die Spannung was ein Kondensator für den Strom 
ist.

von Michael W. (Gast)


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Hi Devil,

hab vielen Dank für dein Beitrag, das wusste ich nicht. Es beantwortet 
alle meine Fragen fast restlos :-)))))

Jetzt im Ernst: Kennt sich jemand mit der Materie aus?

von Raccoon (Gast)


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In Digitalschaltungen werden durch die Kondensatoren Spitzen geblockt 
und Spannungnsschwankungen ausgeglichen.
Kondensatoren sind nicht nur günstiger, sondern auch einfacher zu 
fertigen.
Spulen nimmt man z.B. in DC-DC-Wandlern, um die Ströme zu 
"stabilisieren".
Mit Kondensatoren glättet man die Spannung.

Was genau hast du vor, bzw. wo liegt der Einsatz?

von Michael W. (Gast)


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Hi Raccoon,

es ging mir um die Funktion prinzipiell, weniger um eine konkrete 
Anwendung. Der Kondensator versucht ja an seinen Ausgängen die Spannung 
konstant zu halten, die Spule tut dasselbe mit dem Strom. Deshalb 
erfüllt ja eine seriell eingeschleifte Induktivität dasselbe Funktion 
wie ein Abblockkondensator, es glättet die Spannungsversorgung in der 
Schaltung bzw. versucht das Bezugspotential Masse möglichst "sauber" zu 
halten.

In diesem Thread geht es mir um die Diskussion, wie man eine solche 
Induktivität dimensioniert und welche Vor- oder Nachteile es in einer 
Schaltung haben könnte.

Gruss: Michael

von chris (guest) (Gast)


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Anm.:
Nachteil des L-s:

Beim Ausschalten versucht die Spule den Strom zu "halten"
=> führt oft zu Funken/kann es
=> daher Freilaufdiode  (Bauteil mehr)


Die Drossel ist gerade bei Spannungsspitzen sehr interessant:
  z.B. Zündung,
da "einfache" Kondensatoren im oberen Freq.-spek. als L agieren, daher
werden für "schnelle Störungen"/Änderungen
Keramikkond. genommen, die aber i.d.R. kleiner sind.

von peter-neu-ulm (Gast)


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Faustregeln zum Einsatz von L's in Netzteilen:

Ein Ladekondensator ist Teil eines Tiefpasses, dessen R bei geringer 
Leistung aus dem Innenwiderstand des Trafo  besteht.
Im R gibt es bei großen Strömen Leistungsverluste.

Ein LC-Tiefpass erreicht die Glättung mit wesentlich weniger 
Leistungsverlust.

Bei Leistungsnetzteilen  mit 50 Hz war früher meistens die Drossel etwa 
gleich groß wie der Trafo, was Eisen- und Kupfergewicht angeht. Diese 
ganz grobe Faustregel gilt auch für Leistungs-Schaltwandler, die als 
Durchflußwandler arbeiten.


Oder anders: L muss so groß wie möglich sein. R der Spule muss so klein 
wie möglich sein. Sättigung des Eisens bzw. des Ferrits darf nicht 
eintreten.

Gruß, Peter

von Marius S. (lupin) Benutzerseite


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wenn man der spannungsversorgung z.B. eines controllers ein L in Reihe 
vor schalten würde, würde dann nicht sobald der controller auf einmal 
weniger Strom benötigt (sleep mode) das L den Stromfluss aufrecht 
erhalten wollen? d.h. die spannung ansteigen lassen?

Deshalb denke ich nimmt man nie ein L alleine zur "Spannungsglättung", 
sondern ein LC - dadurch ist der Effekt des "abschaltens" (geringere 
Stromaufnahme) für das L verzögert (durch den nachgeschalteten C welcher 
im Falle weniger Stromaufnahme den Spannungsanstieg als Ladung 
speichert)

Liege ich da einigermaßen richtig? War nur geraten :)

von Michael W. (wiebel42)


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Ein RC Tiefpass ist für hochohmige Anwendungen ein LR Tiefpass für 
niederohmige. Beim RC wird die Quelle nicht oder zumindest nicht sehr 
belastet dafür eehöht der Widerstand aber den Innenwiderstand, sprich 
man kann das Ganze nicht mehr stark belasten, macht man vor OpAmps oder 
andere Hochohmige Sachen. Wenn man aber Leistung haben will, also PWM 
oder Schaltnetzteil muss man das mit LR (oder auch LC) machen, das 
belastet zwar die Quelle die ja aber ohnehin schon sehr niederohmig ist 
und das daher abkann, da man aber lediglich die Spule und kein R mehr in 
Reihe hat, kann man das ganze auch noch richtig ordendlich belasten, da 
die AusgangsImpedanz sehr gering ist, Class-D Verstärker sind ein gutes 
Beispiel.
Also nochmal wenn ich ein z.B. ein PWM Signal habe kann ich es RC 
filtern und danach noch linear Verstärken ODER ich bleib im 
Frequenzbereich (ungefilterte PWM) mit starken FETs und filtere es erst 
unmittelbar vor dem Verbraucher, dann aber mit LR.
Ich hoffe das war verständlich. -wiebel

P.S. Kondensatoren sind oft auch deshalb beliebter, weil sie schlicht 
näher an idealen Kapazitäten sind als Spulen an idealen Induktivitäten, 
will sagen der Innenwiderstand einer Spule ist immer zu hoch, der 
Leckstrom eines Kondensators ist hingegen hinreichend nahe Null. Daher 
hat peter auch völlig recht, zumindest was die Menge des Kupfers und den 
Innenwiderstand angeht. Die Induktivität sollte allerdings schon eher 
passend gewöhlt werden.
Und wieder die Stom-Spannungsdualität: eine Ideale Spule hat Null Ohm 
und erträgt damit unendlich viel Stom (ohne Thermisch zu sterben), 
wärend ein idealer Kondensator auch bei einer Bazillionen Volt noch 
unendlichen Widerstand hat. Mit dem Spannungslimit realler Kondensatoren 
kann man aber meist besser leben.

von Matthias L. (Gast)


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>L muss so groß wie möglich sein...

Falsch! Wie wiebel schon sagte: passend gewählt.
Umso höher L ist, umso kleier ist die Restwelligkeit des Stromes, aber 
umso träger ist die Regelung! Weil das L in 1/sL in die 
Übertragungsfunktion der Strecke eingeht!
Fausformel: Welligkeit = 10% vom Stromnennwert

von Michael W. (Gast)


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Morgens um 3 Uhr soetwas so verständlich erklären zu können verdient 
grossen Respekt!! Vielen Dank dafür, ich habe einiges dabei gelernt.

Im Endeffekt kann man als Fazit des Threads bisher folgendes 
zusammenfassen:

- wenn möglich Kapazitäten verwenden, da sie 
kleiner/leichter/günstiger/etwas "idealer" sind. Sie bilden selbst dann, 
wenn sie anscheinend "frei" stehen einen RC-Tiefpass.
- Ein RC-Tiefpass ist für hochohmige Schaltungen ideal, wobei die 
meisten uC-Schaltungen in diese Kategorie fallen. (da meist "nur" 
Signale verarbeitet werden)
- Ein LR- oder LC-Tiefpass eignet sich zum Glätten in niederohmigen 
Schaltungen, wie etwa in Motortreibern o.ä.  Da der Strom durch die 
Spule fliesst, ist der Widerstand im Vergleich zum RC-Tiefpass 
wesentlich geringer, da nur der Innenwiderstand der Spule und nicht der 
"R"-Anteil des RC auftritt. Somit kann die Glättung direkt am 
Verbraucher erfolgen und nicht wie bei der RC-Tiefpass nur vor der 
Verstärkung. --> Daraus folgt vermutlich, dass die RC-Lösung etwas 
bessere EMV-Werte hat, und die LR/LC-Lösung den Verbraucher etwas besser 
stabilisiert. Liege ich da richtig?

Eine Frage bleibt noch offen: wie dimensioniert man einen LR- oder LC- 
Tiefpass in der Praxis? Ich habe das Gefühl, dass der "gelehrte" Weg 
über Fouriertransformation eher weniger angewendet wird. Gibt es 
Faustformeln oder Anhaltswerte (besonders für die erforderliche 
Kapazität)?

Peter schrieb weiter oben, dass idealerweise die Induktivität so groß 
wie möglich gewählt werden sollte bei möglichst kleinem R_i.

D.h. die Grenzen liegen eigentlich nur bei Preis/Größe bzw. Gewicht?

Gruss:  Michael

von Michael W. (wiebel42)


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Für die Dimensionierung von Filtern gibt es sehr einfache Formeln für 
die Grenzfrequenz. Wikipedia ist da sehr ergiebig -> Tiefpassfilter
Für RC gilt beispielsweise:
fg=1/2*Pi*R*C
Für LR gilt äquivalent IIRC:
fg=L/2*Pi*R
In jedem Fall ist die Grenzfrequenz definiert als die Frequenz bei der 
das Signal um 3dB also um die Hälfte gedämpft wird. Daher ist die Wahl 
der Grenzfrequenz kritisch und sollte genügend Luft lassen in beide 
Richtungen, oder natürlich man erhöht die Polzahl macht also mehrere 
Stufen und erhält somit eine steiler Flanke, wohlgemerkt im 
Frequenzbereich. Hier wird auch klar warum der Abstand zw. der Frequenz 
des Nutzsignals und z.B. der PWM so viel höher sein sollte als das 
Nyquist Theorem eigentlich erlauben würde, man bekommt es anders einfach 
nicht gefiltert.
Als beispiel arbeitet mein feiner Class D Verstärker von www.41hz.com 
mit einer 300kHz PWM um den Audiobereich abzubilden.

Was LR Filter angeht kann man manchmal auch schlicht drauf verzichten da 
Motoren und Lautsprecher ja schon eine ordentliche Induktivität haben, 
muss man aber natürlich aufpassen, das diese nicht zu warm werden. Auch 
gilt fast immer das physische Aktuatoren, meist dank Massenträgheit oder 
Wärmekapazität, sehr stark integrierend wirken (haben also in sich schon 
Tiefpasscharakteristik) daher kann man ja auch Herdplatten oder so mit 
lästerlich niedrigen Frequenzen ohne jede Filterung schön ansteuern. Ein 
Filter der eine 0.5Hz PWM filtern könnte wäre auch unfassbar unhandlich. 
-wiebel

[edit: der math tag scheint grade nicht zu gehen, oder ich mach was 
falsch]

P.S. Eine Unendliche Induktivität mit einem sehr kleinen Widerstand 
hätte die Grenzfrequenz Null man hätte also eine saubere Gleichspannung 
(ober besser Gleichstrom) für Schaltnetzteile wäre das gut für andere 
Aufgaben verheerend. Wobei der kleine R auch mächtig heizt, weshalb 
Schaltnetzteile ja auch am glücklichsten sind wenn sie eine konstante 
(kalkulierbare) Last haben, dann nämlich kann man die Last mit in den 
Filter einbauen, ist die Last zu gering muss der Widerstand tatsächlich 
ordendlich Heizen. Das Gewicht einer Spule ist Proportional zu L/Ri also 
kauft man sich ohnehin hohe induktivitäten mit schlechten 
Innenwiderständen oder mit massivem Kupfer. Nur so als Gedanke

von Manfred (Gast)


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@ wiebel42

das Signal ist bei der Grenzfrequenz auf ca. 70,7% (1/sqrt(2)) und nicht 
auf 50% gesunken.

Gruß

Manfred

von Michael W. (wiebel42)


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Ack, 50% sind 6db, wusste doch das ich mich vertan hab, 3dB sind 50% der 
Leistung nicht der Signalamplitude. Sorry mein Fehler.

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