Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Klemmdiodenfunktionsweise


von Martin (Gast)


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Hallo!
Ich habe da ein kleines Verständnisproblem von Klemmdioden.
In folgender Darstellung, soll mal irgendein Eingang dargestellt werde, 
der mit Klemmdioden jeweils gegen Vcc und GND versehen ist.


    Vcc
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Vin--|-------
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   /   \
   -----
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     |
    Gnd

Sagen wir Vcc ist +5 Volt. Jetzt kommt ein Impuls von 6V (Diode 0,7V).
Was passiert? Die obere Diode wird jetzt leitend, aber dann würde ja ein 
Strom von Vin nach Vcc fließen, also in die Spannungsquelle hinein. Ist 
das nicht ein Problem?

Und die andere Richtung:
Sagen wir es kommt ein Impuls von -1 Volt. Dann würde ja die untere 
Diode leitend werden. Nun würden ja aber ein Strom von GND in Richtung 
Vin entstehen, aber das wollen wir doch eigentlich gar nicht?

Entschuldigt wenn meine Frage zu dumm ist.
Gruß,
Martin

von Johannes M. (johnny-m)


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Doch, genau das wollen wir. Die Dioden sorgen dafür, dass der 
Eingangspin ein maximal ca. 0,6 V höheres Potenzial als Vcc und ein 
minimal ca. 0,6 V niedrigeres Potenzial als GND haben kann, was für den 
Chip an sich noch ungefährlich ist (zumindest dann, wenn man es nicht 
übertreibt). Wenn die Signalquelle, die am Pin hängt, nicht zu 
niederohmig ist, stellt der über die Dioden fleißende Strom auch 
überhaupt kein Problem dar. Wenn natürlich die Signalquelle 
vergleichsweise niederohmig ist, dann können einerseits Probleme wegen 
der Strombelastbarkeit der Dioden und andererseits auch weitere 
Störungen auftreten.

Das mit dem "Strom, der in die Spannungsquelle fließt" ist, vereinfacht 
gesagt, insofern unkritisch, als dass eine Spannungsquelle i.d.R. einen 
vergleichsweise niedrigen Innenwiderstand hat.

von Michael Nagler (Gast)


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Hallo Martin,
die Frage ist nicht dumm. Du musst Dir nur am Eingang einen möglichst 
hochohmigen Widerstand vorstellen (der fehlt in der Skizze). Alles, was 
größer als Vcc ist, fließt an Vcc ab, der hinter den Dioden liegende 
Teil wird vor Überspannung geschützt. Ebenso funktioniert es mit 
negativen Eingangspotenzialen.

Wichtig ist der Widerstand vor den Dioden: Der begrenzt den 
Eingangsstrom auf einen Wert, den Vcc (der Spannungsregler) aufnehmen 
kann. Gleichzeitig schützt der Widerstand die Schaltung vor den Dioden, 
wenn das Potenzial negativ zu Gnd liegt.

von Andreas K. (a-k)


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Serienwiderstände sind nicht in allen Fällen möglich, beispielsweise 
sind sie bei bidirektionalen Leitungen nicht einsetzbar.

Richtig ist, dass Schaltungen mit geringem Stromverbrauch u.U. 
versehentlich allein über die Schutzdioden mit Strom versorgt werden. 
Kann man gelegentlich auch beobachten, so ist schon der eine oder andere 
AVR ganz ohne VCC-Anschluss ausgekommen. Oder wenn AVCC vergessen wurde 
und der dadurch versorgte Port sich recht sonderbar benahm.

In Umgebungen, in denen Störungen zu erwarten sind, muss man daher 
zusätzliche Massnahmen ergreifen. So kann es u.U. sinnvoll sein, den 
Schaden durch extern einlaufende "Hochspannung" mit einer 
Überspannungs-Sicherung (z.B. Z-Diode) an Vcc auf das Interface-IC zu 
beschränken, so dass nicht auch der Rest der Schaltung dabei mit über 
die Wupper geht.

von Tcf K. (tcfkat)


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Johannes M. wrote:
> Das mit dem "Strom, der in die Spannungsquelle fließt" ist, vereinfacht
> gesagt, insofern unkritisch, als dass eine Spannungsquelle i.d.R. einen
> vergleichsweise niedrigen Innenwiderstand hat.

Das ist etwas zu kurz formuliert. Einen niedrigen Innenwiderstand hat 
eine Spannungsquelle meist nur "sourcend", nicht "sinkend". Fließt also 
genügend Strom "hinein", und ist die Belastung der Versorgung gering, 
kann das durchaus die Versorgung anheben. Die 4000er-CMOS Schaltung 
konnte man durchaus betreiben über einen kräftigt getriebenen Inputpin, 
der dann über die Substratdioden die Vdd versorgt hat.

Edit: Andreas war schneller.

von Johannes M. (johnny-m)


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Tcf Kat wrote:
> Die 4000er-CMOS Schaltung
> konnte man durchaus betreiben über einen kräftigt getriebenen Inputpin,
> der dann über die Substratdioden die Vdd versorgt hat.
Richtig. Wenn viel Strom fließt, dann gilt das nicht mehr. Es ging mir 
um "normale" Ströme. Wobei "viel" und "normal" wie immer relativ sind... 
Im "Normalfall" sollte man ja auch die Klemmdioden nicht beanspruchen. 
Und wenn man es dennoch tut, dann ist man mit ausreichend bemessenen 
Vorwiderständen gut bedient. Soll ja Leute geben, die 230V-Signale 
einfach über einen Vorwiderstand an einen µC-Pin hängen und sich darauf 
verlassen, dass die Schutzdioden ihren Dienst ordnungsgemäß verrichten.

von Andreas K. (a-k)


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Johannes M. wrote:

> Soll ja Leute geben, die 230V-Signale
> einfach über einen Vorwiderstand an einen µC-Pin hängen und sich darauf
> verlassen, dass die Schutzdioden ihren Dienst ordnungsgemäß verrichten.

Jenen möchte ich die Seiten 31-32 von 
http://www.standardics.nxp.com/support/documents/logic/pdf/user.guide.hcmos.pdf 
empfehlen.

von Stefan W. (wswbln)


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...wobei das mit dem "richtig viel Strom" relativ ist:

Stellt euch mal eine Schaltung vor, wo so ein kleines Stromsparwunder 
(z.B. MSP430 oder Picopower-AVR) über zwei Dioden wahlweise aus dem Netz 
oder aus einer Batterie versorgt werden kann (hinter den Dioden also nur 
noch ein paar Block-Cs als Energiepuffer am Prozessor sind), und dann 
kommt da einer auf die Idee, über die Klemmdioden einen Strom von - 
sagen wir mal - 500µA in das Vcc-Netz(chen) zu treiben. Das kann schon 
schnell mal zum Verlassen des zulässigen Betriebsspannungsbereiches der 
Schaltung führen.
Autsch!

von Martin (Gast)


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Danke für die Antworten!
Eine letzte Sache habe ich aber noch nicht ganz verstanden. Für positive 
Impulse weiß ich jetzt dass es geht.
Wenn der Impuls über Vin aber negativ ist (z.B. -1 V wie oben) würde ja 
wie gesagt "aus" der Masse ein Ausgleichsstrom in Richtung Vin fließen. 
Ist das kein Problem für Spannungsregler wenn die Masse quasi 
"umgedreht" belastet wird?

von Johannes M. (johnny-m)


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Ist das gleiche Prinzip wie oben, nur umgekehrt. Es kann passieren (wenn 
ein nennenswerter Strom fließt), dass das Massepotenzial abgesenkt wird. 
Deshalb gilt auch hier: Solche Zustände vermeiden.

Die Klemmdioden sind, wie oben bereits gesagt, eigentlich nur für 
Notfälle da, um den Chip gegen kurzfristige Überspannungen zu schützen, 
und nicht für den Dauerbetrieb außerhalb der Spezifikationen!

von Martin (Gast)


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Damit sind meine Fragen beantwortet! Ich dank euch für die Hilfe! :)

von Tcf K. (tcfkat)


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Stefan Wimmer wrote:
> ...wobei das mit dem "richtig viel Strom" relativ ist:
>
> Stellt euch mal eine Schaltung vor, wo so ein kleines Stromsparwunder
> (z.B. MSP430 oder Picopower-AVR) über zwei Dioden wahlweise aus dem Netz
> oder aus einer Batterie versorgt werden kann (hinter den Dioden also nur
> noch ein paar Block-Cs als Energiepuffer am Prozessor sind), und dann
> kommt da einer auf die Idee, über die Klemmdioden einen Strom von -
> sagen wir mal - 500µA in das Vcc-Netz(chen) zu treiben. Das kann schon
> schnell mal zum Verlassen des zulässigen Betriebsspannungsbereiches der
> Schaltung führen.
> Autsch!

Genau das meinte ich, das "fremdspeisen" über Inputpins geht nicht nur 
bei 4000er.

@Martin: Damit sind aber lange noch nicht alle Fragen beantwortet... ;)

Der maximale Strom per Inputpin, der über die Dioden abgeführt werden 
darf, ist im Datenblatt spezifiziert, meist so 10...20mA.
Wenn es mehr wird, kann es noch einen anderen, bösen Effekt geben... den 
Latchup durch parasitäre SCRs. Bedingt durch den Herstellungsprozess 
gibt es im Chip PNPN-Übergänge, die einen parasitären, also ungewollten 
SCR (Thyristor) bilden. Wird dieser durch einen zu hohen Strom gezündet, 
wird der dauerhaft leitend, und schliesst im Chip die Vcc kurz - wenn 
die Versorgung stark genug ist (man denke an die Blockkondensatoren), 
brennt der Chip intern durch. Abhilfe ist hier meist ein 
Reihenwiderstand, der den Strom auf einen sicheren Wert begrenzt. Manche 
Chips sind als "latchup free" spezifiziert, aber auch nur, wenn man den 
maximalen Strom einhält. Zu diesem ungewollten Stromfluß kann es 
schneller kommen, als einem lieb ist. Man denke nur an gemischte 
Analog-/Digitalschaltungen, die mit unterschiedlichen Spannungen 
versorgt werden. Steigen die Spannungen beim Einschalten nicht 
gleichzeitig schnell an (und das kann je nach Netzteilkonzept sehr 
leicht passieren), ist es eben so, dass ein Schaltungsteil schon 
versorgt ist, und einen anderen Teil speist, dessen Versorgung noch 
nicht volle Höhe erreicht hat. Gleiches gilt auch beim Ausschalten, hier 
hängt der Verlauf nur von der Belastung und der Gesamtkapazität im 
System ab.

Weiterhin gibt es die ESD-Problematik, z.B. ein "geladener" User, der 
sich über einen Taster, der direkt an einem Portpin hängt, entlädt. 
Manche Pins sind als ESD-sicher spezifiziert, dabei bedient man sich des 
HBM - Human Body Model. Das ist ein R in Reihe mit einem C, über das an 
den Pin eine definierte Spannung im kV-Bereich plötzlich gelegt wird. 
Das simuliert wohl elektrisch recht nahe einen menschlichen Körper.

Du siehst, ein weites Feld. Ich hatte schon den Fall eines unsauber 
terminierten AT96-Busses: Je weiter der Steckplatz von der CPU weg war, 
desto größer waren die Über- und Unterschwinger (im Voltbereich!). Bei 
einer Karte mit einem Adressdekoder-PLD (alter Mach-Chip von Amd) wurde 
durch die Ströme durch die Schutzdioden die interne Vcc des Chips 
gestört, und damit  die Flipflops; die Karte spinnte somit total... 
naher Steckplatz, Karte läuft, weiter Steckplatz, Karte spinnt. Das zu 
suchen ist spaßig, zudem andere Karten (mit Bustreibern zwischen Bus und 
Logik) auf allen Steckplätzen bisher problemlos liefen.
Das Problem war eben das Zusammentreffen der beiden. Ein einzelner 
Designfehler bleibt manchmal unentdeckt, treffen jedoch mehrere 
zusammen, kann es zu völlig unerwarteten Effekten kommen. Hier war es 
die Karte mit dem PLD ohne Buffer, die ich gemacht hatte, und der 
unterminierte Bus, den ein Kollege gemacht hatte, mit dem ich es absolut 
nicht konnte. Da gibt es dann auch unschöne nicht-technische Konflikte 
und Schuldzuweisungen...

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