Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Unbekannte DDR Halbleiter


von Matthias H. (mhage)


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Hallo,

ich versuche gerade einen alten CO-Tester, Longus 1201, zu reparieren. 
Eigentlich wurde das Gerät von Junkalor, Dessau hergestellt. Im Original 
heißt es Infralyt 1200.

Das Sympthom:
Gerät einschalten und Nullpunkt einstellen funktioniert ohne Probleme. 
Jedoch müsste man nach betätigen der Kontrolltaste einen Referenzwert 
von 4,5 einstellen. Diese Anzeige zeigt immer Null bzw 0,1 weniger als 
den Nullpunkt an.

Jetzt habe ich mich eine ganze Weile mit dem Meßverfahren beschäftigt. 
Es gibt im Gerät einen separaten Kasten, nennen wir ihn Analysator, der 
die Meßküvette, Vergleichsküvette und Emitter enthält. Es sind also zwei 
parallel verlaufende Röhren an deren Stirnseite ein Infrarotstrahler mit 
Parabolspiegel sitzt. Im weitern Verlauf der Röhren sitzen die 
Vergleichsküvetten. Eine für Luft als Referenz und die Gasprobe. 
Zwischen dem Emitter und den Vergleichsküvetten läuft ein motorisch 
angetriebenes Blendenrad. Es dient, denke ich, der Modulation des 
Infrarotstrahlers.

Nach den Vergleichsküvetten sind, vertikal zu den Röhren zwei Halbleiter 
angebracht, die allerdings keine direkte Verbindung zu den Röhren haben. 
Deren Funktion ist mir überhaupt nicht klar. Ein Bild davon befindet 
sich im Anhang. Sie sehen fast wie Widerstände längerer Bauform aus. 
Meine Vermutung ist, dass es eine Art NTC oder PTC sein könnte. Bei dem 
linken habe ich etwa 140kOhm gemessen. Beim rechten 46KOhm. Wäre gut, 
wenn mir jemand etwas dazu sagen könnte.

Am Ende der Röhren sitzt eine Messkammer. Die Röhren enden in einem 
Sackloch, an deren Fusspunkt eine Seitliche Bohrung angebracht ist, die 
in die Messkammer führt. Darin befindet sich ein Membran-Kondensator. 
Ein Bild davon ist ebenfalls im Anhang.

Vielleicht kann jemand etwas zur Funktionsweise sagen. Mir sind die 
Zusammenhänge nicht klar. Zwei vergleichsröhren, ein Membrankondensator? 
Wie und vor allem was soll der Messen? Als Infrarotdetektor kommt er 
wohl eher nicht in Frage.

Ich hoffe, mich kann jemand etwas erleuchten..

VG
Matze

: Verschoben durch Moderator
von Jens G. (jensig)


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Matthias H. schrieb:
> Meine Vermutung ist, dass es eine Art NTC oder PTC sein könnte.

Diese Vermutung ließe sich erhärten, indem man die Teile mal bißchen 
beim Messen erwärmt.

von Vanye R. (vanye_rijan)


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> Es dient, denke ich, der Modulation des Infrarotstrahlers.

Korrekt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtdispersiver_Infrarotsensor

> Ich hoffe, mich kann jemand etwas erleuchten..

Ich hab die Teile noch nie gesehen. Ich kenne aber nur neuere
Baenke von denen. Wurde also wohl spaeter wegrationalisiert. :-D

Sehe ich das richtig das die Punktgeschweisst sind? Ich wuesste
jetzt keinen Grund wieso man das bei einem normalen Widerstand
machen sollte. Kann das sein das die damit die Kuevette gegen
Beschlagen beheizt haben? Allerdings sollte da Feuchtigkeit
garnicht soweit reinkommen weil das die Messung kaputt macht.

BTW: Diese Kuevetten sind EXTREM empfindlich gegen Verschmutzung
und damit ist kein Dreck gemeint den du mit deinen Augen sehen
kannst.

Vanye

von Matthias H. (mhage)



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Ich hatte mir mal die Mühe gemacht und ein 3D Modell davon gemacht. 
Auch, weil ich nicht genau erkennen konnte wie die vermeintlichen NTC's 
verbaut sind.

Im Anhang ein paar Screenshot's. Vielleicht verbessert das etwas die 
Vorstellung.

Es ist nicht in allen Details vollendet...

von Vanye R. (vanye_rijan)


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> Ich hatte mir mal die Mühe gemacht und ein 3D Modell davon gemacht.

WAere fotografieren nicht einfacher?
BTW: Was willst du eigentlich mit dem Teil machen wenn es
funktioniert? Ich nehme auch mal an du hast weder Pruefgase
noch die olle DOS Software um das Zeug zu kalibrieren oder?

Und so eine richtig tolle Anwendung jenseits industrieller
Nutzung faellt mir jetzt auch nicht ein.

Vanye

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Matthias H. schrieb:
> Meine Vermutung ist, dass es eine Art NTC oder PTC sein könnte.

NTC, Reihe TNM [(T)hermistor, (N)egativer TK, für (M)esszwecke]

Der linke hat einen Kaltwiderstand (bei 20 °C) von 100 kΩ, der rechte 47 
kΩ.

Die Konstante b ist für den 100er 4800 K, für den 47er 4300 K.

von Matthias H. (mhage)


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Vanye R. schrieb:
>> Ich hatte mir mal die Mühe gemacht und ein 3D Modell davon gemacht.
>
> WAere fotografieren nicht einfacher?
> BTW: Was willst du eigentlich mit dem Teil machen wenn es
> funktioniert? Ich nehme auch mal an du hast weder Pruefgase
> noch die olle DOS Software um das Zeug zu kalibrieren oder?
>
> Und so eine richtig tolle Anwendung jenseits industrieller
> Nutzung faellt mir jetzt auch nicht ein.
>
> Vanye

Fotografieren hätte leider nicht gereicht. Wie die Kanäle, quasi der 
innere Aufbau, zusammenhängen auch von den Proportionen her, war für 
mich nicht ersichtlich. Die beiden "NTC's" z.B. wo sitzen die genau? 
Dicht an den Röhren? Auf gleicher höhe? Darüber oder seitlich? Es diente 
nur dazu mir selbst zu Veranschaulichen und eventuell besser verstehen 
zu können.

Was für eine DOS Software? Da weißt du mehr als ich. Was wurde damit 
gemacht? Kann ja eigentlich nur an der Zusatzbuchse für zusätzliche 
Geräte (Schreiber oder Drucker) angeschlossen gewesen sein. Dann zur 
Darstellung auf dem Rechner?

von Matthias H. (mhage)


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Jörg W. schrieb:
> Matthias H. schrieb:
>> Meine Vermutung ist, dass es eine Art NTC oder PTC sein könnte.
>
> NTC, Reihe TNM [(T)hermistor, (N)egativer TK, für (M)esszwecke]
>
> Der linke hat einen Kaltwiderstand (bei 20 °C) von 100 kΩ, der rechte 47
> kΩ.
>
> Die Konstante b ist für den 100er 4800 K, für den 47er 4300 K.

Oh... vielen Dank!
Findet man dazu eventuell noch ein Datenblatt? Oder hast du eine 
genauere Bezeichnung?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Matthias H. schrieb:
> Findet man dazu eventuell noch ein Datenblatt? Oder hast du eine
> genauere Bezeichnung?

Ich habe hier nur Klaus K. Streng, „abc von Elektronenröhre und 
Halbleiterbauelement“. Die Dinger heißen einfach TNM100k und TNM47k. Es 
gab davon drei Varianten, die durch Suffixbuchstaben gekennzeichnet 
wurden, aber die betrafen letztlich nur die Klimaschutz-Ausführung, 
nicht die elektrischen Parameter.

Was brauchst du noch außer dem b-Wert? Zusammen mit R20 sollte sich 
daraus die komplette Kurve berechnen lassen.

Datenblatt als solches gab es damals nicht. Sehr sicher wird es eine TGL 
gegeben haben (DDR-Standard-Dokument), möglicherweise könnte es die auch 
noch irgendwo im Archiv einer Uni-Bibliothek geben (beispielsweise der 
SLUB hier).

von Matthias H. (mhage)


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Ich hatt bei dem 100er 147 kΩ gemessen. Kann ich davon ausgehen, das 
dieser nicht mehr in Ordnung ist?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Matthias H. schrieb:
> Kann ich davon ausgehen, das dieser nicht mehr in Ordnung ist?

Kommt mir schon so vor. Die Farbcodierung ist ja ein einfacher 
Widerstands-Farbcode, und da sehe ich auf deinem Bild 
braun-schwarz-gelb, also 1-0-4, oder 10 · 10^4 Ω.

von Matthias H. (mhage)


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Dann werde ich mir wohl um Ersatz Gedanken machen müssen....

von Gerald B. (gerald_b)


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NTC wurde schon gesagt, ich erkenne noch deren charakteristische Form, 
allerdigs habeich noch keinen mit Zemment Kapselung, oder was das ist, 
gesehen.
Punktgeschweißt eventuell um kein zusätzliches Thermoelement im 
Messzweig zu haben. Wenn da feinste Temperaturunterschiede aufgelöst 
werden sollen, wird durch die IR Strahlung ebenfalls die Verbindung mit 
erwärmt und eine zusätzliche Thermospannung kann man dort nicht 
gebrauchen.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Gerald B. schrieb:
> allerdigs habeich noch keinen mit Zemment Kapselung, oder was das ist,
> gesehen

Laut Klaus Streng ist das eine Glas-Kapselung.

Einen habe ich von dieser Sorte auch in der Kiste, die anderen sind alle 
ohne Umhüllung. Wenn ich mit dem Teil aus dem warmen Zimmer (da bringt 
er es auf 24 kΩ) auf den kühlen Balkon gehe, stimmt der R20 auch ganz 
gut. ;-)

von Matthias H. (mhage)


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Es scheint schwierig zu werden überhaupt einen Ersatz für den 100er zu 
finden.
Der b-Wert von 4800K ist scheinbar ziemlich Ungewöhnlich.

Habe noch nicht mal annähernd etwas vergleichbares gefunden.
Du bist dir mit diesem hohen Wert schon sicher?

von Matthias H. (mhage)


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Kann noch jemand etwas zu dem Membran-Kondensator sagen?
Vielleicht in dem Zusammenhang etwas zur Funktionsweise?

Für mich sieht das Teil ja eigentlich wie eine etwas übergroße 
Mikrofonkapsel aus... :-)

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Matthias H. schrieb:
> Du bist dir mit diesem hohen Wert schon sicher?

Ich kann nur sagen, was da im Buch steht. Gemessen habe ich nicht.

Ich habe nochmal in meinem Fundus geschaut, 100k ist nicht dabei, 
lediglich 150k (und unglasiert). Der 150er hat bei meiner 
Zimmertemperatur schon 100 kΩ, ist halt etwas wärmer als 20 °C hier.

Du musst auch vorsichtig gucken: wenn ich bei Mouser suche, dann haben 
die T25 als Referenzwiderstand angegeben, nicht T20 wie bei den 
TNM-Teilen. Wenn ich richtig gerechnet habe, hat ein TNM100k bei 25 °C 
einen Sollwiderstand von 76 kΩ.

von Rick (rick)


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Matthias H. schrieb:
> Kann noch jemand etwas zu dem Membran-Kondensator sagen?
Ist das evtl. ein Schwingkondensator?
Den habe ich schon im Zusammenhang mit Verstärkern gesehen, die 
wahnsinnig hohe Eingangsimpedanzen haben:
https://www.spektrum.de/lexikon/physik/schwingkondensator/13038

von Matthias H. (mhage)


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In der Doku wird das Teil als Membran-Kondensator beschrieben. Auf die 
Schnelle folgendes gefunden:

https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/membrankapazitaet/7558

Ich kann mir einfach nicht vorstellen was seine Aufgabe ist. Von zwei 
Vergleichsküvetten, von Infrarotstrahlen durchdrungen, kommt die 
Strahlung von der Seite (links und rechts) in die Messkammer. Was kann 
der Membran-Kondensator dort differenziert aufnehmen? Ich vermute 
Schwingungen.

Oben auf dem "Analysator" oberhalb der Membran sitzt die 
Verstärkerschaltung. Soweit ich sehen konnte, wird die Membran mit etwa 
64V versorgt.

Was mich ein wenig an eine Phantomspeisung erinnert. :-)

Am Ausgang der Verstärkerschaltung ist derzeit keine Spannung zu messen. 
Ich habe das zwar nicht mit einer Gasprobe probiert, aber ich denke, 
irgendetwas sollte dort schon zu messen sein.

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