Mini-Jakobsleiter

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Achtung, hier wird mit lebensgefährlicher Netzspannung gearbeitet. Dieses Projekt ist nur für Personen geeignet, die mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen vertraut sind.
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Jakobsleiter in Aktion (Aufbau entspricht nicht exakt den Angaben)

Schlagen irgendwo Funken über, so erregt man die Aufmerksamkeit aller Anwesenden und Jeder versteht: Hier fließt Strom! Besonders faszinierend sind die kletternden Lichtbögen der sogenannten Jakobsleiter, doch selbst Hochspannung zu erzeugen trauen sich die Wenigsten zu. Dabei macht es gar nicht so viel Aufwand, sobald der richtige Weg bekannt ist. Grundstein dieses Projekts bildete das Datenblatt für den Zündtrafo ZS 1052 auf Conrad.de. Das Ergebnis ist ein Mini-Jakobsleiter im Lochrasteraufbau.

Funktionsprinzip

Hochspannung erzeugen

Der Brückengleichrichter mit dem Elko erzeugt eine Gleichspannung in Höhe von ca. 325V. Der Widerstand (≈560 kΩ) parallel zum Elko entlädt diesen nach dem Ausschalten des Hochspannungsgenerators zügig. Bei offenem Schalter lädt sich der Schwingkreiskondensator über den Widerstand auf und bei geschlossenem Schalter bildet der Kondensator mit der Induktivität des Trafos einen Parallelschwingkreis und transformiert die Netzspannung zu etwa 11 kV Hochspannung. Der Ladewiderstand hängt an 325V und hat keinen Einfluss auf den Schwingkreis.

Hochspannungsschwingkreis.svg

Dass der Ladewiderstand mit dem Kondensator direkt gegen Masse geschaltet wird, vereinfacht den Aufbau erheblich, so ist kein Wechselschalter von Nöten. Dafür darf der Schalter nur kurz geschlossen werden. Da Elektronik zum Einsatz kommt, ist das aber kein nennenswertes Problem.

Die Resonanz spielt für die Funktion keine Rolle und stellt nur einen Nebeneffekt dar. Der Kondensator bietet zwei wesentliche Vorteile: er wird mit einer definierten Energiemenge aufgeladen und liefert eine definierte Spannung. Dadurch haben Kurzschlüsse, dazu zählen auch Lichtbögen, keine gravierenden Auswirkungen auf den Trafo. Der Trafo übersetzt die Kondensatorspannung gemäß seines Übersetzungsverhältnisses auf die Sekundärseite.

Eine genauen Berechnung der Bauteile im voraus ist nicht möglich, denn für Jakobsleitern gibt es keine spezielle Theorie. Die Ausgangsbasis bildet der Zündtrafo, dessen Datenblatt legt einen Kondensator mit Kapazität 47 nF fest. Ein Oszillogramm zeigt, dass bis zum Abklingen der Resonanz etwa 100 µs vergehen. Solange sollte also der Schalter mindestens geschlossen bleiben, aber auch nicht länger um den Ladewiderstand zu schonen. Die Ladespannung für den Kondensator wird dort mit 300 Volt angegeben, also im Bereich des Gleichrichtwerts der Netzspannung. Somit war klar, woraus die Spannungsversorgung erzeugt wird.

Nun kommt der wesentliche Praxiswert: eine Kondensatorladung enthält eine definierte Energiemenge. Daher kommt es bei der Leistungsbemessung nur noch auf die Schaltfrequenz an. Die minimale Ladezeit, Schalter offen, für den Kondensator beträgt 3* τ, sprich 3 *Ladewiderstand*Schwingkreiskondensator. Anfangs war dies ein 22 kΩ/1 W Widerstand. Ein kleiner Funke sprang über, es reichte aber nicht für eine Jakobsleiter und so kamen 22 kΩ Parallel dazu, womit die Ladezeit sank. Jetzt zeigte der Aufbau seine volle Pracht.

Der Geruch verriet allerdings, die Widerstände wurden zu heiß, denn beim Materialeinkauf wurde großzügig mit einem Tastverhältnis von 1:100 gerechnet und erst bei der Praxiserprobung auf 1:10 reduziert, wodurch wesentlich mehr Ladezyklen pro Zeit erfolgten mit wesentlich höhere Verlusten am Widerstand. Daher sei hier das Parallelschalten von drei bis vier 33 kΩ/1 W Widerständen empfohlen (genaue Berechnungen stehen noch aus). Insgesamt ergibt sich damit eine Ladezeit von 1 ms und eine Schwingzeit von 100 µs.

Statt eines richtigen Schalters befindet sich in der Schaltung ein MOSFET (z. B. BUZ91A) der für 300 Volt ausgelegt ist. Eine Zeitgeberelektronik steuert die Gatespannung, siehe nächster Abschnitt.

Die Experimentierfreude soll jedem selbst überlassen bleiben in Form weiterer Tuningmaßnahmen durch mehr Widerstände und in Folge geringer Ladezeit nach dem Prinzip mehr Leistung = mehr Spaß. Eine Halbierung sollte noch drin sein, die Verlustleistung steigt aber mit der Schaltfrequenz weiter und der Wert der einzelnen Widerstände sollte auf 39 kΩ oder 39 kΩ erhöht werden.

Statt eines Trafos können sekundärseitig auch zwei in Serie geschaltet werden und die Spannung verdoppelt sich. Mehrere geht nicht, da ansonsten die Potentialdifferenz zur Primärseite zu hoch wird und der Trafo durchschlägt.

Zeitgeber NE555

Als Zeitgeber kommt der allseits-bekannte NE555 als astabiler Multivibrator zum Einsatz. Der obere Teil bildet die Spannungsversorgung mit 78xx in Standardschaltung.

Hochspannung ne555.svg

Zur Spannungsversorgung muss nichts weiter erklärt werden.

Die Schaltung an Output dient als Inverter da die Multivibratorschaltung lange Pulse mit kurzen Pausen erzeugt, der MOSFET genau umgekehrt lange aus und kurz ein sein soll. Der Arbeitswiderstand beträgt 470 Ω der Basisvorwiderstand 10 kΩ. Der Kondensator parallel beträgt 500 pF und soll die Basis-Emitter-Kapazität füllen, damit der Transistor schneller durchschaltet. Keine Ahnung, ob das überhaupt notwendig ist, aber wer will schon sein Oszi mit Hochspannungsmessungen zerstören? Der Bipolar-Transistor ist ein BC557B also pnp. Signal-Masse ist mit der Source vom MOSFET verbunden der Inverter-Ausgang mit Gate.

Der Kern des Multivibrators besteht aus zwei Widerständen und einem Kondensator. Die Puls und Pausenzeit ergibt sich grob nach folgender Formel:

[math]\displaystyle{ t = 0{,}7 \cdot R \cdot C }[/math]
[math]\displaystyle{ R = \frac {t}{0{,}7 \cdot C} }[/math]

Die Kapazität beträgt 100 nF. Bei 1 ms Pausenzeit beträgt der Widerstand an Versorgungsspannung 14 kΩ und der zum Disch-Eingang 1,4 kΩ. Letztenlich zum Einsatz kam die Paarung 10 kΩ/1 kΩ.

Jakobsleiter

Aufgrund der geringen Leistung wird die Jakobsleiter nicht überdimensional groß. Als Leiter genügt der für den Lochrasteraufbau übliche Silberdraht. Das untere Ende muss einen sanften Übergang zu den Versorgungsleitungen bilden, ein scharfer Knick führt zu Verzerrungen im elektrischen Feld und der Lichtbogen kommt nicht vom Fleck. Damit der Lichtbogen genug beschleunigt, so dass er auch am oberen Ende abreißt, muss er genug Anlauf bekommen. Die Jakobsleiter darf dabei nicht zu weit auseinander gehen, da sonst kein Speed zustande kommt. Ein leichtes Öffnen ist trotzdem wichtig, denn es hat sich gezeigt, dass ansonsten der Lichtbogen gerne zu weit oben zündet. Die Abriss sollte nicht zu lange sein, sonst tritt wieder der Effekt des einschlafenden Lichtbogens auf, aber auch nicht zu schroff, denn ein Knick bewirkt Zündungen an der falschen Stelle. Nicht nur aus ästhetischen Gründen ist daher das obere Ende bei manchen Aufbauten gekringelt. Einfache gebogene Konstruktionen funktionieren auch.

Insgesamt ist die Konstruktion der Jakobsleiter der fieseligste Teil des Aufbau. Bevor die Funken dauerhaft steigen und nicht ständig einschlafen braucht es eine gewisse Probier- und Lernphase.

Jakobsleiter.svg

Inbetriebnahme

Für das Lochraster-Layout sei hier kein Plan vorgegeben und kann sich jeder selbst zusammenreimen.

Hochspannungsteil aufbauen und Gate, Drain und Source mit Lötbrücke kurzschließen. Wenn alles in Ordnung ist leuchtet die LED permanent. Lötbrücke zwischen Drain und Gate auftrennen dann darf die LED nicht mehr leuchten. Ansonsten ist der MOSFET defekt.

Nun den Schaltungsteil für den Zeitgeber aufbauen, aber noch nicht mit dem MOSFET verbinden. Leuchtet die LED der Versorgungsspannung ist alles in Ordnung. Jetzt Zeitgeber und MOSFET verbinden und Lötbrücke auftrennen. Der Luftspalt zwischen der Jakobsleiter sollte anfangs eher klein sein. Nach dem einstecken leuchten beide LEDs und Funken schlagen über, die Schaltung ist Einsatzbereit.

Bei der Fehlersuche helfen zusätzliche LEDs etwa mit Vorwiderstand Parallel zum Arbeitswiderstand des Inverters oder am Output vom NE555.

Die gesamte Schaltung ist mit der Netzspannung verbunden vor dem Berühren der Schaltung immer Netzstecker ziehen, da Kabelschalter meist nur ein-polig Trennen.

Material

  • Schraubklemme RM 5,0 zum Netzkabel anschließen
  • Sicherung
  • Lochrasterplatine ca. 10cm x 10cm
  • Netzkabel (Vorsicht: Kabelschalter trennen meist nur einpolig)
  • 4x M3 Schraube 25mm und Mutter als Füßchen

Hochspannungsteil

  • 5x 33 kOhm 1W Metallschichtwiderstände zum Kondensatoraufladen
  • LED mit 10mA Nennstrom in Reihe zu einem der Ladewiderstände als Funktionsanzeige
  • FET (BUZ90, BUZ91, IRF730 o.ä)
  • Zündspule (ZS 1052, Conrad/Voelkner) und passenden Kondensator mit 47 nF/X2 für Schwingkreis
  • Brückengleichrichter (B250C800 o.ä.)
  • Siebkondensator ≈ 4,7µF/350V
  • Entladewiderstand mit ≈ 560 kΩ für den Siebkondensator

Taktgenerator

  • NE555
  • Brückengleichrichter (B250C800 o.ä.)
  • Siebkondensator ≈ 100 µF
  • LED mit passendem Vorwiderstand als Betriebsanzeige
  • Stabi LM7812
  • Kondensator 0.1µF für Stabi-Ausgang
  • Trafo 12V/30 mA o.ä.
  • Zeitgeber-Kondensator 0.1 µF
  • Zeitgeber-Widerstände 1kΩ + 10kΩ
  • BC557B als Inverter für NE555 Ausgang
  • Boostkondensator für BC557B 500 pF
  • 10 kΩ Basisvorwiderstand für BC557B
  • 560 Ω Arbeitswiderstand für BC557B

Sicherheitshinweise

  • Trotz Trafo hängt die gesamte Schaltung an Netzpotential.
  • Nach dem Ausstecken noch 10 Sekunden warten bis die Kondensatoren sicher entladen sind.
  • Kabelschalter trennen nicht immer allpolig, also lieber den Stecker ziehen.
  • Um den Hochspannungsanschluss herum die überflüssigen Lötaugen entfernen, sonst verkürzt sich die Funkenstrecke zur Primärseite.
  • Vor der Erstinbetriebnahme den Hochspannungsbereich mit Spiritus gründlich von Lötfett befreien
  • Beim Lochrasteraufbau ist darauf zu achten, dass genügen Abstand zwischen Primär und Hochspannungsseite eingehalten wird.
  • Für Schäden durch Hochspannung ist jeder selbst verantwortlich
  • Beim Betrieb kann durch die hohen Temperaturen der Stickstoff aus der Luft zu giftigen Stickoxiden verbrannt sowie der Luftsauerstoff zu Ozon umgeformt werden, welches die Atemwege reizt. Allerdings ist das bei solch kleinen Leistungen relativ unbedenklich.
  • Beim Betrieb wird durch den Lichtbogen unsichtbare UV(C) Strahlung abgegeben. Allerdings ist das bei solch kleinen Leistungen relativ unbedenklich.

Alternativen

  • Zeilentrafo aus dem Fernseher
  • Kfz-Zündspule vom Schrottplatz
  • Hochspannungskaskade
  • Zwei Mikrowellentrafos (MOT) für ca. 4 kV, vom Schrott
  • Neon Sign Transformer (NST), bei Ebay
  • Messwandler für Hochspannungsmessung (Potential-Transformer), wenn man sowas hat
  • Elektor-Projekt Jakobsleiter (03/2006), für Leute mit Geld
  • (Netzteil einer Kaltkathodenröhre (CCFL), meist aber zu schwach)
  • Labornetzgerät für Hochspannung, für Leute mit ganz viel Geld
  • "100kV" Trafo aus China für ~3€

Zündkabel, Anodenkabel, und Laborleitungen haben eine hohe Isolationsspannung, so kann Spannung sicher transportiert werden.

Weblinks

Videos