Forum: Ausbildung, Studium & Beruf In welchem Bereich arbeitet ihr?


von Jens (Gast)


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Hallo,
ich habe techn. Informatik studiert und absolviere gerade mein Praktikum 
in einer Firma, die Hard- und Software entwickelt.

Bisher (also während des Studiums als auch privat) fand ich sowas 
absolut klasse, neue Geräte zu entwickeln.
Leider macht es mir nun überhaupt keinen Spass mehr.

Erstens ist es etwas komplett anderes, ob man in der Uni in einem 
Projekt etwas entwickelt (ich habe da ein Interface mit GrafikLCD und 
Drehgeber gebaut, das Geräte wie Netzteil, Funktionsgenerator etc [so 
wie das ct'lab, aber eben alles selbst entwickelt] über I2C 
kontrolliert).

In der Firma macht es aber überhaupt keine Freude mehr. Es wird 
projektorientiert gearbeitet; ich hab mehr Projektoverhead, als ich 
eigentlich hinterher produziere. Die Arbeitsweisen, wie ich sie mir in 
der FH angeeignet habe, scheinen dort nicht praktiziert zu werden; es 
ist eher ein einziges Chaos.

Die Entwicklung, wie ich sie mir bisher vorgestellt habe, ist in der 
Realität (ich zähle die Uni, wo ich wie gesagt auch entwickelt hab, 
nicht dazu) ganz anders. 90% ist nur Papierschlacht...


Das alles lässt mich mehr und mehr daran zweifeln, ob mir das wirklich 
Spass macht. Ich glaube nicht...
Das wundert mich, weil ich mich in diesem Bereich eigentlich bisher wohl 
gefühlt habe.


In welchen Bereichen arbeitet ihr? Was kann ich mit einem B.Sc. Techn. 
Inf. machen?
Ich bin am überlegen, noch den Master draufzusetzen. Das verlagert das 
Problem, was ich dann machen will, aber nur etwas nach hinten...

Gruß
Jens

von Gast (Gast)


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Je größer die Firma, desto bürokratischer läuft es ab. Such dir eine 
kleine Bastel-Bude. :-)

von Gast Nr. 3341 (Gast)


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Und halt dich bloß von Auto-/Flugzeug-/Rüstungsfirmen fern.

von Jens (Gast)


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Die ist eher klein, 150 Leute...

von Mousse-T (Gast)


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>> Und halt dich bloß von Auto-/Flugzeug-/Rüstungsfirmen fern.

Und warum?

von Gast Nr. 3341 (Gast)


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Weil du da am Zertifizierungs-Papierkram erstickst.

von Jens (Gast)


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In der Firma wo ich bin sind es Bahn-Normen... So strikt wie Rüstung 
sind die sicher nicht. Trotzdem nur nervig.

von jim (Gast)


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Hallo,

bin als Softwareentwickler im Automotive tätig und man kann über den 
Daumen sagen, dass ich vielleicht 10% meiner Zeit programmiere und 
sonst:

- Requirements anpassen\reviewen
- Analyse erstellen\ anpassen\reviewen
- Design erstellen\ anpassen\reviewen
- Modultests Spezifikation schreiben\ anpassen\reviewen

Und dazu kommen jede menge Code - Reviews\Meetings usw.

Und wenn ein Fehler in der Software entdeckt wird und man die Software 
anpasst, dann fängt alles wieder von vorne an, da neue Seiteneffekte 
auftreten könnten.


Vielleicht ist es im Automotive Exterm, aber habe das schon von mehreren 
Kollegen gehört, die in verschiedenen Bereichen tätig sind.

Das ist halt die Realität.


Gruss

von Jens (Gast)


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Hi,
genau abschätzen kann ich es noch nicht, aber die Größenordnung vermute 
ich hier auch.
Genau so, wie du es beschreibst.

Und ich glaube, das geht mir gewatltig auf den Keks. Das ist ja alles 
nur formaler Krieg, wo man (ich jedenfalls zur Zeit :)) regelmäßig zur 
Sau gemacht wird.
Ich habe bis jetzt noch keine einzige Zeile Code geschrieben etc.

Stört dich das denn überhaupt nicht? Gewöhnt man sich daran?
Gibt es da denn keinen Ausweg...? Es wird ja wohl relativ egal sein, in 
welcher Firma ich arbeite - der Projektoverhead wird wohl immer 
erschlagend sein.

von madler (Gast)


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1. Am Anfang ist immer alles toller. Da kann man nichts machen.

2. Es gibt immer Phasen wo alles sch.. ist. Da muss man durch. Dann 
wirds besser.

3. Es gibt definitiv auch Firmen wo nicht >75% Papierkrieg ist.
Den Hinweis auf keine Auto-/Flugzeug-/Rüstungsfirmen halte ich auch für 
richtig. Klar gibt es aber auch da Stellen, wo man nicht soviel 
schreiben muss. Wenns gar nicht anders geht musst Du Dir halt eine 
solche suchen. Da helfen Bekannte/alte 
Kommilitonen/Praktikumserfahrungen sicherlich weiter.

von Mousse-T (Gast)


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Eigentlich wollte ich mich bei Automobilzulieferern bewerben, aber wenn 
ich das hier so lese... Naja mal abwarten

von Christian R. (supachris)


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@Jens: Willkommen in der Realität. Ich arbeite beim Fraunhofer Institut, 
und einen höheren Verwaltungsaufwand hat wohl nur noch der Bundestag 
oder Gott persönlich. Aber es macht trotzdem Spaß. Den Papierkrieg hat 
man überall, das dazwischen muss halt stimmen.

von Bernd G. (Gast)


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Genau der Grund, weshalb ich vor mittlerweile 18 Jahren selbständig 
geworden bin.

von Patrick (Gast)


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Das Problem mit dem Papierkram wirst Du in praktisch allen Branchen 
wiederfinden. Sobald ein Produkt/Gerät eine Zulassung braucht, musst Du 
je nach Zulassungsland die jeweiligen Dokumente liefern. Auch wenn Du 
für bestimmte Länder bestimmte Produkte entwickeln willst, musst Du die 
entsprechenden Dokumente vorweisen können.

Wenn Du also z.B. Medizinprodukte in den USA verkaufen willst, kommt bei 
Dir die FDA vorbei und prüft, ob Du alle Dokumente so geführt hast, wie 
sie das wollen. Ansonsten darfst Du Deine Produkte da halt nicht 
verkaufen.

Ausserdem: Was ist, wenn Du eine Software geschrieben hast, Du diese 
Firma verlässt und nichts dokumentiert hast? Wenn jetzt diese Software 
weiterentwickelt werden soll, müssen die sich erst Wochen oder Monate 
damit beschäftigen, Deinen Code zu verstehen.

Der ganze Papierkrieg wird nicht ohne Sinn veranstaltet. Damit muss sich 
jeder Entwickler rumschlagen. Aber dadurch solltest Du Dir die Freude am 
entwickeln nicht nehmen lassen.

MFG
Patrick

von Jens (Gast)


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Ja, das ist mir schon klar.

Ich hab mir die Entwicklung nur ganz anders vorgestellt.

Es ist so, wie Jim gesagt hat.

Aber selbst wenn man den Papierkrieg einmal ignoriert, ist auch der 
Teil, der die eigentliche Entwicklung sein soll, absolut nicht so, wie 
ich dachte.

Ich habe bis heute nicht verstanden, wie ich im Vorweg eine Kalkulation 
anstellen soll, wenn ich das Produkt erst in der Planung habe. Woher 
weiß ich, ob das Design, was mir vorschwebt, so klappt? Ob ich andere 
Bauteile / Resourcen brauche? Und was das kostet?

Ich muss aufstellen, wieviel Zeit mich was kostet, und was an 
Materialkosten anfällt. Und danach geht man erst in die eigentliche 
Entwicklung, also die Umsetzung der Spezifikation. Woher soll ich aber 
vorher wissen, ob die "sauber" ist? Vielleicht passt das Programm, das 
ich schreibe, nicht in einen ATmega, oder der ist einfach zu langsam? 
Dann kann ich das gesamte Produkt neu entwerfen, weil sich der 
Prozessor, das PCB, das Gehäuse, ... ändert.

Das ist nur frustrierend. Ich stocher eigentlich nur im Trüben und 
versuche, irgendwas zu kalkulieren. Ich könnte wetten, ich habe ungefähr 
1.000 Sachen nicht bedacht. Im besten Fall resultiert das dann einfach 
in Nachtschichten...


Und außerdem: Wo bleibt die Freude bei der Entwicklung, wenn alles auf 
Papier passiert?
Der Firma wäre es am liebsten, wenn man das Ganze nicht einmal mehr 
aufbauen muss, um es zu testen. Wo bleibt denn da der Spass an der 
Sache?

Und was passiert, wenn ich erst nach der ganzen Designphase ein 
Problem feststelle, wie z.B. einen zu langsamen Prozessor (oder einen zu 
vollen oder so)?

@Bernd G:
Was machst du denn? Magst du mal etwas berichten, wie das so läuft etc.?

von Mathi (Gast)


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Die Antwort auf Deine Fragen lautet: Erfahrung!
Alle diese Entwurfsentscheidungen basieren auf Deiner Erfahrung. Und 
wenn Du jetzt noch keine hast, irgendwann muss man ja anfangen.

von Nixwisser (Gast)


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Seh's mal so:

Viel von diesem Papierkram ist eben genau das, was einen Ingenieur 
ausmacht:

Requirements festlegen, Design erstellen, Testfälle ausdenken, 
Spezifikationen schreiben mit denen andere arbeiten können etc. Um "nur" 
zu programmieren, braucht man kein Studium, die meisten Sprachen kann 
man sich sogar selbst aneignen wenn man motiviert ist.

Es geht eben nicht darum, Frickelprogramme zu erstellen die zwar super 
funktionieren, aber außer dir keiner versteht. Es geht um 
ingenieurmäßige Entwicklung, also planbare Abläufe innerhalb der 
Entwicklung.

Dazu kommt, je nach Branche, der Zeitaufwand für 
Projektsteuerungsmaßnahmen (Meetings, Schriftverkehr mit dem PM, 
Dokumentation was man gerade macht/gemacht hat) sowie alles was unter 
Qualitätssicherung fällt.

Im Automotive-Bereich ist Projektsteuerung und QM schon sehr aufwendig, 
weil Autos sozusagen das Aushängeschild der Wirtschaft sind und alles 
perfekt sein muss. Dazu kommen die Sicherheitsüberlegungen (ein Fehler 
in der Software kann Leben kosten, ähnlich wie in der 
Flugzeugindustrie). Von daher hast du wohl genau die falsche Branche für 
dein Praktikum erwischt, andererseits wirst du ähnliche Dinge in allen 
Branchen finden, wenn vielleicht auch nicht ganz so extrem. Aber auf 
Projektmanagement und QM kannst du heute kaum noch verzichten, wenn du 
mit günstigeren Anbietern aus dem Ausland konkurrieren mußt.

Bin selbst in einer Firma der Automotive-Branche unterwegs und fühlte 
mich am Anfang auch erschlagen von den formalen Abläufen. Sollte zur 
Einarbeitung einem Kollegen über die Schulter gucken. In den ersten zwei 
Wochen hat er nicht eine Zeile Code getippt!

Jede kleinste Änderung an einem Softwaremodul, und wenn es nur die 
Umbenennung einer Variablen oder Verbesserung von Tippfehlern in 
Kommentaren ist, muss in einer Datenbank kommentiert werden. Zudem muss 
auf Kommentare von anderen Beteiligten gewartet werden, die ebenfalls 
davon betroffen sein könnten. Nach der Codeänderung muss dann über das 
Versionsmanagement-Tool ein neues Release des Moduls erfolgen, man muss 
wieder kommentieren was man gemacht hat und warum. So gehen schonmal 2 
Stunden drauf für eine Änderung von einer Zeile Code, die 1 Minute 
gedauert hat inklusive Compilerdurchlauf.

Aber diese Standards verlangt eben der Kunde, deshalb muss man sich 
anpassen. Im Studium hast du für dich selbst programmiert, da konnte 
höchstens der Prof irgendwelche Anforderungen an den Arbeitsablauf 
stellen. In der Industrie arbeitest du innerhalb eines Teams, das 
wiederum innerhalb eines Projektes arbeitet. Viele Stellen müssen von 
deinem Tun informiert werden, du musst dich auf andere verlassen. Das 
erfordert eben Verwaltungsaufwand.

Natürlich steigt dieser Aufwand, je größer die Firma ist. Eine kleine 
Firma hat nur mit den Kundenanforderungen zu kämpfen, das interne 
Projektmanagement kann evtl. lockerer sein.

Aber kannst dich trotzdem schonmal drauf einstellen, dass du ohne diese 
Dinge nicht auskommst. Code tippen lassen kann man auch in China oder 
Rumänien, Spezifikationen und Designs erstellen lassen nicht unbedingt 
überall, von Qualitätsstandards ganz zu schweigen. Das ist im Moment 
noch unser Vorteil gegenüber anderen Ländern, der aber auch mehr und 
mehr schmilzt weil die anderen dazulernen.

Also, halt die Ohren steif.

von Nixwisser (Gast)


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>Ich habe bis heute nicht verstanden, wie ich im Vorweg eine Kalkulation
>anstellen soll, wenn ich das Produkt erst in der Planung habe. Woher
>weiß ich, ob das Design, was mir vorschwebt, so klappt? Ob ich andere
>Bauteile / Resourcen brauche? Und was das kostet?

Das kannst du auch noch gar nicht wissen. Wie schon jemand schrieb, das 
kommt über die Erfahrung. Jetzt im Praktikum fühlst du dich natürlich 
total überfordert davon. Aber ich denke, es erwartet auch niemand von 
dir dass du das schon kannst. Du wirst halt ins kalte Wasser 
geschmissen, zum Üben.

>Ich muss aufstellen, wieviel Zeit mich was kostet, und was an
>Materialkosten anfällt. Und danach geht man erst in die eigentliche
>Entwicklung, also die Umsetzung der Spezifikation. Woher soll ich aber
>vorher wissen, ob die "sauber" ist? Vielleicht passt das Programm, das
>ich schreibe, nicht in einen ATmega, oder der ist einfach zu langsam?
>Dann kann ich das gesamte Produkt neu entwerfen, weil sich der
>Prozessor, das PCB, das Gehäuse, ... ändert.

Ja, sowas kann passieren. Aber besser sowas passiert im Praktikum, als 
später bei einem Kundenprojekt, oder?

Für mich sind grade die Abschätzungen nach einem halben Jahr 
Berufserfahrung immer noch sehr schwierig. Ich frage meistens 
erfahrenere Kollegen oder schaue mir ähnliche Projekte an. Sicher bin 
ich mir dann trotzdem nicht. Aber es reißt dir auch niemand den Kopf ab 
wenn es nicht 100%ig stimmt. Auch die erfahrenen Kollegen haben da immer 
noch Probleme.
Es nennt sich deshalb ja auch AbSCHÄTZUNG ;)

Frag doch am besten Mal in deiner Firma jemand, der sowas schon öfter 
gemacht hat.

>Das ist nur frustrierend. Ich stocher eigentlich nur im Trüben und
>versuche, irgendwas zu kalkulieren. Ich könnte wetten, ich habe ungefähr
>1.000 Sachen nicht bedacht. Im besten Fall resultiert das dann einfach
>in Nachtschichten...

Man bedenkt selten alles in so einer Kalkulation. Wenn man ungefähr ein 
Gefühl dafür entwickelt hat, sollte man immer versuchen noch etwas 
draufzuschlagen, falls etwas schief geht. Ein bißchen Flunkern ist 
besser, als wenn ein Projekt in den Sand gesetzt wird weil die 
Abschätzung viel zu knapp war.

von Norbert X. (noppes)


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>Ich habe bis heute nicht verstanden, wie ich im Vorweg eine Kalkulation
>anstellen soll, wenn ich das Produkt erst in der Planung habe. Woher
>weiß ich, ob das Design, was mir vorschwebt, so klappt? Ob ich andere
>Bauteile / Resourcen brauche? Und was das kostet?


Jetzt aber mal im Ernst: Welche Firma erwartet das den von einem 
Absolventen der nur schulisches Wissen besitzt?
Muss ein solcher Absolvent nicht erst einmal für ein Jahr der Assistent 
eines Senior-Entwicklers sein?

von jim (Gast)


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@Nixwisser:

Genau so ist es.


Zu dem:

Softwareentwicklung hat nichts mit (reinen) Programmieren zu tun.
Das Programmieren ist der kleinste Teil davon.



Gruss

von Daniel (Gast)


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Projektaufwand und Kosten abschätzen ist tatsächlich etwas vom 
schwirigsten überhaupt in der Hard- und Softwareentwicklung... vor allem 
wenn man nicht weiss, wie oft und andauernd man während des 
entsprechenden projektes noch mit anderem beauftragt wird... (hatte 
gerade letzthin ein Projekt, wo ich mit einem halben jahr bis zur 
0-Serie kalkulierte... nach 2 monaten musste ich 2 Monate ein anderes 
7-Wöchiges Projekt dazwischenschieben und wurde dann gefragt, wiso ich 
nicht zur zeit fertig geworden bin ggg
Da ich ich trotz 4 jahren Berufserfahrung den Aufwand meist etwas 
unterschätze, nehme ihc jeweils meine Abschätzung und multipliziere sie 
mit 3... Klappt ganz gut...

P.S. ich hab vielfach ein gegenteiliges Problem wie die meinsten hier, 
sprich zu wenig Papierkram ggg. Bin ziemlich frei was ich 
dokumentieren will und was nicht (naja solange es eine brauchbares 
usermanual gibt) was grundsätzlich zur tendenz führt, das man messungen 
aus zeitgründen zu wenig ausführlich dokumentiert, oder auch allgemein 
das dokumentieren auf nächste woche verschiebt... :-)

von jim (Gast)


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@Daniel:

Dann werden aber bei dir keine Reviews vom Qualitäter oder vom PL 
durchgeführt!?




Gruss

von Christian R. (supachris)


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Daniel wrote:

> Da ich ich trotz 4 jahren Berufserfahrung den Aufwand meist etwas
> unterschätze, nehme ihc jeweils meine Abschätzung und multipliziere sie
> mit 3... Klappt ganz gut...
>

Hihi, wir multiplizieren mit Pi, das klappt auch meist ganz gut :)

von ADrei (Gast)


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Das ist auch meine Erfahrung mit dem Abschätzen des 
Entwicklungszeitaufwands. Im Laufe der Jahre bin ich für mich auf den 
Wert 3,6 gekommen.

von Thomas R. (ziggy)


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Sagen Euch die Namen Toll Collect oder Transrapid etwas?

Hehe, soviel zum Thema Abschätzung und Kalkulation. Manchmal dauerts 
eben ein bißchen länger oder übersteigt den Etat um ein Vielfaches.

von Bernd G. (Gast)


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Hallo Jens,

ich komme erst jetzt zu einer Antwort:
Das Problem, dass in der Entwicklung einer Firma alles anders ist, als 
gedacht, hatte ich auch, alles war auf Papier, weit und breit kein 
Lötkolben, keine Meßgeräte, nichts, nur eine Papierwüste. Im ersten Jahr 
habe ich nur Akten und Dokumentation einsortiert. Als Krönung des ganzen
durfte ich auch mal ein Stammoriginal bearbeiten (wissen nur noch die 
Alten hier im Forum, was das ist).
Dann habe ich Prüf- und Inbetriebsetzungsvorschriften für Geräte und 
Anlagen geschrieben, die ich nur vom Hörensagen kannte.
Aber: ich wurde einem erfahrenen Ing zur Seite gestellt, der mich 
einzuarbeiten hatte. Den Absolventen selbst schwimmen lernen zu lassen, 
halte ich für unverantwortlich
Irgendwann habe ich gekündigt und bin zu einer richtigen Entwicklung 
gegangen.
Die Entwicklung war dort auch nicht so toll, wenn man bedenkt, dass es 
eben nicht so einfach ist, High-tech ohne die heutigen Möglichkeiten 
(PC, Nutzung des Internet als Informationsquelle) zu machen. 
Schaltkreisentwurf:
auf dem Mainframe-Rechner mit Verilog.

Zum Problem der Kalkulation von Entwicklungsaufwendungen haben meine 
Vorredner eigentlich schon alles gesagt: es geht nur, wenn man alle 
Detailprozesse kennt und bewerten kann. Das ist eine Sache der 
Erfahrung,
die nie jemand sicher ausführen kann. Ich dimensioniere meine Geräte 
lieber erst mal mit einem gewissen Overkill. Was es dann gekostet hat, 
weiß man erst in der Retrospektive.

Zur Selbständigkeit: würde ich erst nach Aneignung von umfassenden 
Berufserfahrungen empfehlen.
Denke aber bitte nicht, dass ich kein Papier erzeuge. Das passiert bei 
mir ganz genauso: Zeichnungsnummernverwaltung, Entwicklungssdok., 
Fertigungsdok., Kundendok., Änderungen, Änderungsmitteilungen, 
Änderungsanweisungen, Ausgabestände, Prüfberichte  usw. usf. Bei der 
Riesenanzahl von Baugruppen und Geräten kann man sich nichts mehr 
merken. Der Kunde darf mit Recht erwarten, dass seine Geräte auch nach 
10 Jahren noch repariert und gewartet werden können!

Mein Vorteil ist klar erkennbar: ich muß zu keinen Blabla-Meetings mit 
den ewig gleichen Selbsdarstellern gehen und der Entwicklungsanteil 
passiert noch mit fleischgewordenen Baugruppen und richtigen Meßgeräten.
Da ich vermute, dass die Angabe  meiner HP als Werbung aufgefasst wird, 
lasse ich es sein.

von Norbert X. (noppes)


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> ... dass die Angabe  meiner HP als Werbung aufgefasst wird,


Jetzt hast du uns aber heiss gemacht!

Los auf, zeig was du bist ;-)

von Bernd G. (Gast)


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Nein, ich habe Angst. Der Moderator wird mich verhauen.

von Sebastian (Gast)


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Prüfmittelbau (für den firmeninternen Gebrauch) ist auch noch ein 
interessantes Thema. Viel Freiraum, alles Einzelstücke, wenig 
Papierkram... aber mäßiger Verdienst.

von Christian J. (elektroniker1968)


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Kleiner Tip:

In Bereichen wo man mit Papier erschlagen wird, also alles was Normung 
angeht, Verfahren nach IEC61508, V&V Plan, Sicherheitstechnik kann man 
Geld verdienen. Als Hardwaremuckel in einer privaten Bastelbude hast Du 
erstens kaum Rechte, verdienst schlecht und zweitens fliegst Du, wenn es 
Deinem AG grad passt. In Rüstungsfirmen ist das alles noch etwas 
heftiger, muss aber jeder selbst wissen ob er mit Waffen glücklich wird. 
Diehl Defecence sucht derzeit Leute für FPGA Design für 
Raketensteuerungen aber eher Leute mit Erfahrung.

Ich empfehle nur grosse zertifizierte Konzerne und weiss auch warum, 
gerade wegen der Regelungen, die einem AN Pflichten und Rechte 
einräumen.

Und Kalkulationen gehören nunmal dazu, das lernt man aber mit der Zeit, 
wenn man erstmal einige Aufträge abgewickelt hat geht das wie im Schlaf.

von Jens (Gast)


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Was kann man denn sonst mit einem BSc in Techn. Informatik anfangen?

Auf so typischen Server- und Rechnernetze-Wartungs-Krams hab ich 
eigentlich keine rechte Lust...

von Nixwisser (Gast)


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>Auf so typischen Server- und Rechnernetze-Wartungs-Krams hab ich
>eigentlich keine rechte Lust...

Würde ich auch nicht machen, für sowas muss man nicht studiert haben und 
deshalb sitzen in den IT-Abteilungen auch oft noch Quereinsteiger ohne 
Studium.

Wenn das wirklich so ein Problem für dich ist, such dir ne kleine 
Klitsche wo drauf los entwickelt wird. Aber erwarte nicht, dass du da 
groß verdienst oder Aufstiegschancen hast.

von Johannes L (Gast)


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Hallo,

ist das wirklich so wie hier geschrieben wird?

Ich studiere grade technische informatik (2. Semester, natürlich auch 
Bachelor), aber wenn ich dass hier lese, vergeht mir etwas die lust. 
Wird echt alles mit Papier erschlagen (ich soll 90% meiner Zeit mit 
Papierkrieg vertun??), oder gibt es vll auch andere Beispiele wo es 
besser läuft?

Ist das bei jedem Ingenieurs-Beruf so? Wo ist es besser?

mfg
Johannes

von UBoot-Stocki (Gast)


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Moin,

habe vor 10 Jahren mal ein Praktikum und anschließend einen Ferienjob in 
einer Forschungseinrichtung gemacht. Dort wird noch (bzw. wurde damals) 
noch "richtig" gebastelt. Alle Versuchsstände etc. werden dort von Hand 
aufgebaut und sind unikate - Damals gab es dort keinen Papierkram...

Vielleicht ist das ja eher was ?

Gruß

Andreas

von Bernd G. (Gast)


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@ Johannes L.

> Wird echt alles mit Papier erschlagen (ich soll 90% meiner Zeit mit
Papierkrieg vertun??), oder gibt es vll auch andere Beispiele wo es
besser läuft?

Ich würde es so definieren: mit 70%-iger Wahrscheinlichkeit wirst du 
solch eine Stelle erwischen.

Das Problem ist, dass die Papierstellen meist besser bezahlt werden, als 
die Lötstellen.

Denkst du etwa, ein Maschinenbau-Ing steht im Blaumann an der Drehbank?

Am Ende kommt es darauf an, was du selbst daraus machst. Also kein Grund 
zur Verzweiflung.

von Nixwisser (Gast)


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Verabschiedet euch von dem Gedanken, wie im Studium drauf los 
programmieren zu können. Try'n Error wird bei den wenigsten Firmen 
geduldet. Man will gut dokumentierten, leicht wartbaren, leicht zu 
testenden und wiederverwertbaren Code. Anständiges Design und Papierkram 
zur Qualitätssicherung - das ist es was einen Ing. auszeichnet und was 
von den Kunden verlangt wird. Die Umsetzung in die Programmiersprache 
kann man jedem Schimpansen beibringen. Dieser "Overhead" ist im Übrigen 
auch noch unser Vorteil gegenüber Frickelbuden in Indien oder China. 
Wenn ihr das nicht machen wollt könnt ihr euch ja dort bewerben ;)

von Herbert von Caravan (Gast)


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>Denkst du etwa, ein Maschinenbau-Ing steht im Blaumann an der Drehbank?

Allerdings denke ich das. Es kann nie schaden, wenn man vor dem Studium 
einen anstaendigen Beruf gelernt hat und auch mal selbst ein Drehteil 
herstellen kann.

Hochachtungsvoll
Herbert von Caravan

von Kiti Fix (Gast)


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>Bisher (also während des Studiums als auch privat) fand ich sowas
>absolut klasse, neue Geräte zu entwickeln.
>Leider macht es mir nun überhaupt keinen Spass mehr.

>Erstens ist es etwas komplett anderes, ob man in der Uni in einem
>Projekt etwas entwickelt (ich habe da ein Interface mit GrafikLCD und
>Drehgeber gebaut, das Geräte wie Netzteil, Funktionsgenerator etc [so
>wie das ct'lab, aber eben alles selbst entwickelt] über I2C
>kontrolliert).

wilkommen im Leben, wo Du Deine Subsistenz-Mittel selber
selber erwirtschaften mußt!

3 x Angestellte
1 x Ich

Gruß Fred

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