Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Transistor Datenblätter (Bi-Polar u. FET)


von Dominik W. (crispy)


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Hallo Leute,

ich beschäftige mich seit einiger zeit hobbymäßig mit uC und Elektronik 
allgemein.

Allerdings habe ich immer wieder Probleme die Daten aus den 
Datenblättern zu interpretieren.

Ich würde mich freuen wenn mir jemand anhand eines Beispiels die Daten 
ein wenig erklären könnte:

http://www.datasheetcatalog.org/datasheet/irf/irl3103s.pdf
Diesen FET habe ich aus einem alten Motherboard ausgeschlachtet und 
möchte damit jetzt eine Last von 2,6 Ampere bei 12V schalten.

dazu habe ich Drain an die +12V, Source an 0V und Gate testweise an +12V 
gelegt, Bzw die Last hängt zwischen Source und 0V. Das Schalten 
funktioniert auch!

Jedoch frage ich mich wie es mit der Dimensionierung aussieht. Nach ein 
paar Sekunden Belastung mit 2,5A wird der FET wirklich heiß und nach ca 
20 Sekunden wir die max temp vom 175°C überschritten (ohne jegliche 
Kühlung) (gemessen mit Infrarot)

Jetzt zum Datenblatt:
Da steht: "ID @ TC = 25°C Continuous Drain Current, VGS @ 10V  = 64A"
Ich verstehe das so: Bei 25°C Umgebungstemperatur und einer Gate-Source 
Spannung von 10V darf ein konstanter Strom von 64Ampere durch den FET 
fließen!? Aber schon bei 2,5A wird das Ding zu heiß ???

Ich habe ein Problem damit die Ampere angaben in den Datenblättern zu 
verstehen. Da steht 64A, aber bei welcher Spannung gilt das? P=I*U !??? 
Also 64A*30V = 1920W ???? Warum werden in den Datenblättern überhaupt 
Ampereangaben gemacht und nicht Leistungsangaben?

Vielleicht kann da jemand Licht in(s) ( mein ) Dunkel bringen!?
Vielleicht gibt es ja auch einen guten Link dazu, wo erklärt wird wie 
die Daten aus Datenblättern für Transistoren Interpretiert werden 
müssen.

Vielen Dank im Voraus!

Gruß Dominik

von Michael H* (Gast)


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Dominik Winkler wrote:
> dazu habe ich Drain an die +12V, Source an 0V und Gate testweise an +12V
> gelegt, Bzw die Last hängt zwischen Source und 0V. Das Schalten
> funktioniert auch!
is aber so ned grad der hit.
ein fet hat eine quadratische kennlinie zwischen gate-source-spannung
und strom über die drain-source-strecke.
ein n-kanal, wie du ihn hier hast, schaltet bei positiver GS-spannung.
je größer die GS-spannung, desto niederohmiger wird die DS-strecke.
siehe dazu wiki - entweder hier oder wikipedia oder
elektronik-kompendium, oderoderoder.

> Jedoch frage ich mich wie es mit der Dimensionierung aussieht. Nach ein
> paar Sekunden Belastung mit 2,5A wird der FET wirklich heiß und nach ca
> 20 Sekunden wir die max temp vom 175°C überschritten (ohne jegliche
> Kühlung) (gemessen mit Infrarot)

wenn du dir jetzt deine GS-spg mal anschaunst, wirst du merken, dass die
ned sonderlich groß werden kann - du hast den n-kanal als sog
high-side-switch (wiki!) verbaut.
wenn du den fet gegen masse schalten lässt, kriegt du eine wesentlich
höhere GS-spg zusammen -> der fet wird niederohmiger zwischen D und S
und es fällt weniger leistung an ihm ab.

> Jetzt zum Datenblatt:
> Da steht: "ID @ TC = 25°C Continuous Drain Current, VGS @ 10V  = 64A"
> Ich verstehe das so: Bei 25°C Umgebungstemperatur und einer Gate-Source
> Spannung von 10V darf ein konstanter Strom von 64Ampere durch den FET
> fließen!? Aber schon bei 2,5A wird das Ding zu heiß ???
du sagst es. 10V GS-spg! hast du hier aber ned. kommt auf deine last an.

> Ich habe ein Problem damit die Ampere angaben in den Datenblättern zu
> verstehen. Da steht 64A, aber bei welcher Spannung gilt das? P=I*U !???
> Also 64A*30V = 1920W ???? Warum werden in den Datenblättern überhaupt
> Ampereangaben gemacht und nicht Leistungsangaben?
langsam! datenblätter machen meistens sinnvolle angaben.
die 30V sind eine spitzenangabe der DS-spannung. wenn du mehr als
30V zwischen drain und source im sperrenden zustand anlegt, gibts - ich 
glaube - einen lawinendurchbruch in der DS-strecke.
mehr zum durchbruch bei fets sagt google.
die spannung, die über der DS-strecke im leitenden zustand abfällt, 
hängt praktisch nur vom fließenden strom und dem widerstand der strecke 
ab - der wiederum von der GS-spg abhängt. U_DS = R_DS_on * I_D. der 
strom sättigt dann irgendwann und die U_DS- gegen I_D-gerade mit 
steigung R_DS geht in eine horizontale über.
die maximale leistung, die du im fet verbraten darfst, nennt sich
maximum dissipated power zu englisch und ist fester bestandteil eines
vernünftigen datenblatts. meistens sogar als form einer kurve über der
temperatur.

> Vielleicht kann da jemand Licht in(s) ( mein ) Dunkel bringen!?
ich hoffs.
> Vielleicht gibt es ja auch einen guten Link dazu, wo erklärt wird wie
wikipedia, artikelsammlung hier, elektronik-kompendium, google, usw...

von Michael H* (Gast)


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kurzer nachtrag. hier nicht von dem wohl noch verwirrenden
halbleiter-zeug durcheinanderbringen lassen - lass es vorerst einfach
links liegen und schau dir die formeln und kurven(simulationen) an.
http://olli.informatik.uni-oldenburg.de/weTEiS/wet...

von yalu (Gast)


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> Diesen FET habe ich aus einem alten Motherboard ausgeschlachtet und
> möchte damit jetzt eine Last von 2,6 Ampere bei 12V schalten.

Das sollte kein Problem sein.

> dazu habe ich Drain an die +12V, Source an 0V und Gate testweise an
> +12V gelegt, Bzw die Last hängt zwischen Source und 0V. Das Schalten
> funktioniert auch!

Die Last legst du beim N-MOSFET besser zwischen der positiven
Versorgungsspannung (12V) und Drain. Der MOSFET wird dann als so
genannter Low-Side-Switch betrieben. Bei deinem Aufbau (Last zwischen
Source und 0V -> High-Side-Switch) passiert folgendes:

Damit der MOSFET ordentlich durchsteuert, muss die Gate-Source-
Spannung Ugs mindestens 5V betragen, 10V oder 12V sind noch besser.
Sobald der MOSFET aber leitet, fließt ein Strom durch die Last und
erzeugt dort einen Spannungsabfall, der das Sourcepotenzial anhebt.
Damit sinkt Ugs, und der MOSFET leitet nicht so gut, wie er eigentlich
sollte. Ugs wird sich schätzungsweise bei etwa 2,5V einpendeln. Die
Drain-Source-Spannung Uds ist bei deinem Aufbau gleich Ugs, da Gate
und Drain beide an 12V liegen. Damit ist also auch Uds=2,5V. Wenn
jetzt ein Strom von 2,5A fließt, entsteht im MOSFET eine
Verlustleistung von 2,5V*2,5A=6,25W, was ziemlich viel ist. Im
Datenblatt ist ein Wärmewiderstand für Junction-to-Ambient mit 40°C/W
angegeben. Bei 6,25W steigt die Temperatur also um 6,25W*40°C/W=250°C.
Bei Zimmertemperatur (20°C) wird der MOSFET in seinem Inneren also
270°C warm. Aua ;-)

Legst du die Last hingegen zwischen 12V und Drain und verbindest
Source mit 0V, beträgt Ugs unabhängig vom Laststrom konstante 12V. Bei
diesem Ugs (sogar schon bei 10V) erreicht der MOSFET die versprochenen
12mOhm Drain-Source-Widerstand (Rds(on)). Lässt du jetzt wieder 2,5A
durch, beträgt die Verlustleistung nur noch (2,5A)^2*12mOhm=75mW, die
Temperatur steigt nur noch um 3°C.

Bei den angegeben 64A enstehen schon 49W Verlustleisung. Um die
Sperrschichttemperatur von 175°C bei Zimmertemperatur nicht zu
überschreiten, brauchst du einen Kühlkörper mit einem Wärmewiderstand
von maximal (175°C-20°C)/49W-1.6°C/W=1,56°C/W. Das ist schon ein
ordentlicher Trümmer, und du hast noch keinerlei Reserve eingerechnet.
Deswegen wird das Idmax in den Datenblättern in der Praxis, wenn
überhaupt, nur kurzzeitig ausgeschöpft.

Ohne Kühlkörper kannst du bis etwa 8A gehen, ohne den MOSFET allzu
sehr zu strapazieren.

Man kann den MOSFET auch als High-Side-Switch mit der Last an 0V
betreiben. Da aber bei voller Durchsteuerung Source fast auf
12V-Potenzial liegt, muss das Gate-Potenzial bei 17-24V liegen, um auf
ein Ugs von 5-12V zu kommen. Man braucht also eine zweite
Versorgungsspannung oder muss die hohe Ansteuerspannung in der
Schaltung selbst erzeugen, was aber mit zusätzlichem Aufwand verbunden
ist.

Ohne zusätzliche Spannungen kommt man aus, wenn man für den
High-Side-Switch anstelle des N-MOSFETs einem P-MOSFET nimmt. Man
nimmt dann allerdings deren schlechtere elektrische Eigenschaften in
Kauf.

> Da steht 64A, aber bei welcher Spannung gilt das? P=I*U !??? Also
> 64A*30V = 1920W ????

Den maximalen Strom lässt man üblicherweise nur bei voll
durchgeschaltetem MOSFET fließen. Dann sollte aber der gröste Teil der
Versorgungsspannung an der Last und nicht am MOSFET abfallen. Die
Verlustleistung ist dann, wie bereits erwähnt, Id^2*Rds(on).

Die volle Versorgungsspannung liegt am MOSFET nur dann an, wenn er
sperrt. Dann fließt aber kein Strom, und es entsteht auch keine
Verlustleistung.

von Dominik W. (crispy)


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Vielen Dank für die sehr umfangreichen und ebenso aufschlussreichen 
Ausführungen.

Das hat mich auf jeden Fall schon mal weiter gebracht.

Ich habe den FET jetzt wie von euch vorgeschlagen als Low-Side-Switch 
verbaut und kann ihn tatsächlich mit bis zu 8A belasten ohne eine 
übermäßige Verlustleistung. Warum das so ist, habe ich dank euren 
Ausführungen auch verstanden!

Jetzt stehe ich aber vor dem Dilemma, das ich Masse eigentlich nicht 
schalten würde, da am Verbraucher (Heizdecke für Reifen eines RC-Cars) 
auch ein NTC als Temperatursensor arbeitet, welcher Masse benötigt und 
ich ein Zusätzliches Kabel sparen möchte. Denn ich muss die Temperatur 
ja auch im ausgeschaltetem Zustand messen können!

Eine höhere Spannung zu erzeugen, um das Gate im High-Side-Switch Modus 
anzusteuern, wird wohl zu viel Aufwand sein.

Daher ist es wohl nahe liegend einen P-Kanal zu nutzen, richtig? Welche 
schlechteren Eigenschaften hat den ein P-Kanal FET?

Vielen Danke!!!
Gruß Dominik

von yalu (Gast)


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> Welche schlechteren Eigenschaften hat den ein P-Kanal FET?

Bei deiner Anwendung merkst du davon nicht viel.

Prinzipiell muss ein P-MOSFET zwei- bis dreimal so groß sein als ein
N-MOSFET, um denselben Strom liefern zu können. Die Größe bezieht sich
aber auf den Halbleiterchip im Inneren, das Gehäuse ist meist
gleichgroß. Durch größeren internen Ausmaße erhöht sich aber die
Gate-Kapazität um den entsprechenden Faktor, so dass beim Ein- und
Ausschalten mehr Ladung fließen muss. Bei gleicher Ansteuerelektronik
braucht der P-MOSFET somit deutlich länger zum Umschalten, bleibt
dadurch länger in dem Bereich, wo er weder richtig leitet noch richtig
sperrt, und verbrät somit mehr Leistung (Stichwort Schaltverluste). Das
kann durch eine kräftigere Ansteuerelektronik kompensiert werden, die
mehr Umladestrom liefert, dafür aber mehr Aufwand bedeutet.

Die Schaltverluste spielen aber nur dann eine große Rolle, wenn mit
hoher Frequenz geschaltet wird, bspw. bei einem PWM-Treiber für einen
Motor mit einer Frequenz von einigen 10 kHz. Eine Temperaturregelung
hingegen kommt mit einer sehr niedrigen Schaltfrequenz aus, so dass
zwischen zwei Schaltvorgängen genügend Zeit bleibt, die dabei umgesetzte
Energie an die Umgebung abzugeben.

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