Forum: Mechanik, Gehäuse, Werkzeug Rollwiderstand


von John Twenty (Gast)


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Die Geschwindigkeit eines Autos hängt von Luftwiderstand und Rolreibung 
ab. Das ganze wird durch folgende DGL beschrieben:

http://www.arstechnica.de/auto/rolltest/dgl01.gif

Irgendwo geht mir der ganze Gedankengang noch nicht ganz auf:
Nehmen wir an v=0, dann verschwindet zwar der Luftwiderstand aber die 
Rollreibung ist noch verhanden. Das bedeutet dann, dass dv/dt nicht null 
ist und sich das Auto somit wegen der Rollreibung zu bewegen beginnt... 
Ist wohl eher nicht so!

Jetzt gibt's zwei Möglichkeiten:
1. obenstehende DGL ist falsch
2. ich kappiere etwas nicht

Ich finde die Geschwindigkeit sollte auch noch in irgendeiner Form in 
den Rollwiderstand hineinfliessen. Zum Beispiel proportional. Dann wäre 
dv/dt=0 wenn v=0 ist.

: Verschoben durch Moderator
von Stefan B. (stefan) Benutzerseite


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Äh und wie ist das mit der Haftreibung?

Bei v=0 bist du ausserhalb der Randbedingungen des obigen Modells.

von yalu (Gast)


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Die Gleichung gilt nur für v>0. Damit sie auch für v=0 und v<0 richtig
ist, müsste man die rechte Seite noch mit sgn(v) multiplizieren, denn
auch der Luftwiderstand muss beim Rückwärtsfahren sein Vorzeichen
ändern.

> Ich finde die Geschwindigkeit sollte auch noch in irgendeiner Form in
> den Rollwiderstand hineinfliessen. Zum Beispiel proportional.

Der Rollwiderstand ist sicher nicht ganz unabhängig von der
Geschwindigkeit, aber eher konstant, als zur Geschwindigkeit
proportional.

von John Twenty (Gast)


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>Äh und wie ist das mit der Haftreibung?

Also nehmen wir an das Auto steht still, dann ist

m*dv/dt=-F_Haftreibung

Somit besteht aber irgendwie noch immer das gleich Problem, dass dv/dt 
ist nicht gleich null wenn v=0. Das bedeutet wiederum Auto fängt sich an 
zu bewegen infolge der Haftreibung... boah, ich steh im moment ziemlich 
auf dem Schlauch.

>Bei v=0 bist du ausserhalb der Randbedingungen des obigen Modells.

Ich such ein allegemeines Modell, dass von stillstand bis zu 
endgeschwindigkeit gilt. Welche Koefizienten (Haft,Roll) wann verwendet 
werden ist mir ziemlcih egal, mir geht es nur ums Prinzip, so dass isch 
das Auto nicht mehr infolge der Haftreibung in Bewgung setzt!

Wenn man annimmt dass die Haftreibung proportional zu v ist, dann ist 
dv/dt=0 wenn v=0. Somit ginge es mir endlich auf im Kopf.

von Peter Diener (Gast)


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Hallo,

yalu hat recht, die Richtung der Rollwiderstandskraft steuert um, wenn 
die Geschwindigkeit negativ ist. Bei Geschwindigkeit null ist die Kraft 
auch null. Diese 3 Fälle müssen per Fallunterscheidung modelliert 
werden.

Die Darstellung in einer geschlossenen DGL geht nur mit einer Signum 
Funktion, die implizit eigentlich bereits eine Fallunterscheidung 
darstellt für einen numerischen Integrator. Das ist aber eben noch nicht 
ganz korrekt, weil das Totband der Haftreibung in den Lagern des Rades 
vernachlässigt wird, bei dem die Widerstandskraft größer wird und das 
Rad anhält. Hier ist eine Aufteilung in 5 Fälle notwendig:

v >> 0, v > 0, v == 0, v < 0, v << 0

Eine Modellierung mit einer einzigen DGL funktioniert nur, solange sich 
das Fahrzeug mit positiver Geschwindigkeit im Rollreibungsbereich 
bewegt.

Grüße,

Peter

von Ralf S. (spacedog) Benutzerseite


Angehängte Dateien:

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k_roll ist vom Schlupf abhängig, also der Geschwindigkeitsdifferenz 
zwischen Rad und Unterlage. Bei null Schlupf (wie es im Stand der Fall 
ist), ist auch k_roll null. Somit stimmt die Gleichung. Das Verhalten 
von k_roll ist qualitativ aus der angehängten Graphik ersichtlich.

von Volker (Gast)


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>Bei null Schlupf (wie es im Stand der Fall ist)...

Dann wäre k_roll aber auch während der Fahrt immer 0 - wenn der Reifen 
nicht gerade durchdreht :-)

von Ralf S. (spacedog) Benutzerseite


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Das ist ja der Witz an der Sache. Der Reifen dreht immer ein klein wenig 
durch.

von Karl (Gast)


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Altes Problem, neuer Thread? Tut das Not? 
Beitrag "DC Motor simulieren"

Nochmal: Der Rollwiderstand ist sgn(v) * f(von vielen Dingen)

Was fällt auf? sgn(v) ist für v == 0 NICHT definiert, folglich braucht 
es eine Modellumschaltung, um das einigermaßen korrekt handzuhaben.

Wenn v == 0, dann ist der Betrag des Rollwiderstands gleich der 
angreifenden Kraft, solange diese kleiner als die Haftreibung ist. Wenn 
die angreifende Kraft größer als die Haftreibung wird, braucht es wieder 
eine Modellumschaltung, weil dann die im anderen thread genannten 
Effekte auftreten.

von Stefan Salewski (Gast)


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@Ralf Schwarz

>Das ist ja der Witz an der Sache. Der Reifen dreht immer ein klein wenig
>durch.

Sorry, hab jetzt nicht genau gelesen. (würde auch nicht helfen)

Wenn jemand sagt: Rollwiderstand und Schlupf sind korreliert, evtl. 
sogar proportional zueinander, dann bezweifel ich das sehr, sehr stark.

von Ralf S. (spacedog) Benutzerseite


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> Wenn jemand sagt: Rollwiderstand und Schlupf sind korreliert [...] dann
> bezweifel ich das sehr, sehr stark.

Ist auch nicht so offensichtlich. Hab mir das auch nicht so gut 
vorstellen können, bis ich mich für eine Semesterarbeit mal mit einer 
Antriebsschlupf-Regelung befasst habe.

Das ist halt generell ein wenig das Problem von uns Elektrotechnikern. 
Wir kennen knapp die Formel F=m*a und denken dann, dass wir jetzt auch 
Maschinenbauer sind und alles modellieren können.

von Stefan Salewski (Gast)


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@Ralf Schwarz

>Ist auch nicht so offensichtlich. Hab mir das auch nicht so gut
>vorstellen können, bis ich mich für eine Semesterarbeit mal mit einer
>Antriebsschlupf-Regelung befasst habe.

>Das ist halt generell ein wenig das Problem von uns Elektrotechnikern.
>Wir kennen knapp die Formel F=m*a und denken dann, dass wir jetzt auch
>Maschinenbauer sind und alles modellieren können.

Also ich würde mal behaupten: Schlupf und Rollwiderstand haben sehr 
wenig miteinander zu tun. Gut, bei Geschwindigkeit Null sind beide auch 
Null.

Beispiel Antriebsachse und nicht angetriebene Achse beim Auto. Der 
Schlupf tritt doch vorwiegend an der Antriebsachse auf. Rollwiderstand 
ist aber bei gleicher Gewichtsverteilung in etwa gleich bei Antriebs-und 
Nichtsantriebsachse/Rädern.

Wie wäre denn deiner Meinung nach die mathematische Beziehung zwischen 
Rollwiderstand und Schlupf genau?

von Ralf S. (spacedog) Benutzerseite


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> Also ich würde mal behaupten: Schlupf und Rollwiderstand haben sehr
> wenig miteinander zu tun. Gut, bei Geschwindigkeit Null sind beide auch
> Null.

Ja klar, sorry. Big mistake. Aber Schlupf und Reibhaftung schon.

von Stefan Salewski (Gast)


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>Ja klar, sorry. Big mistake. Aber Schlupf und Reibhaftung schon.

Hier ging es aber vorwiegend um Rollwiderstand.

Und eigentlich sagt man eher Haftreibung, jedenfalls in Deutschland.

Schlupf und Haftreibung sind selbstverständlich korreliert, auch wenn 
die Beziehung sicher recht kompliziert ist und noch andere Faktoren 
eingehen werden, u.a. die Verformung der Materialien usw.

von Michael S. (cloudskier_michael)


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Rollwiderstand und Schlupf korrelieren definitiv. Pauschal kann man grob 
sagen, dass je größer der Schlupf, desto größer der 
Widerstandskoeffizent. Im speziellen handelt es sich bei der Reibung von 
Gummi um Mischreibung, die sehr komplex ist und von vielen 
Einflussfaktoren abhängt (zum Beispiel Materialpaarung, Radlast, 
Temperatur,...).

Kurz zum Beweis der Abhängigkeit des Rollreibungskoeffizients vom 
Schlupf:
Die Antriebsleistung, die an das Rad abgegeben wird sei P_mech,An = M * 
omega_1
Die Leistung, die sozusagen über den Reifen auf die Straße übertragen 
wird, ist P_mech,Ab = F * v mit F = M * r_S und v=omega_0/r_dyn für 
reines Rollen, d.h wenn das Rad ohne Schlupf abrollen würde wie ein 
Zahnrad auf einer Zahnstange.

r_dyn ist der dynamische Reifenradius (der Radius, den man berechnet, 
wenn man den Weg misst, den ein Rad zurücklegt bei einer vollen 
Umdrehung und das durch 2 * pi teilt).

r_S is der Abstand von der Drehachse zur tangentialen Längsersatzkraft.

r_dyn ist im allgemeinen ungleich r_S, weil der Reifen im Latsch 
abplattet, d.h. r_dyn > r_S.

P_mech,Ab ergibt sich nach Einsetzen also zu P_mech,Ab = M  omega_0  
r_S/r_dyn.
Weiter wird die Schlupfdefinition s = (omega_1-omega_0)/omega_0; omega_0 
für reines Rollen.

Daraus folgen zwei Erkenntnisse:
1) Annahme: Der Reifen ist unendlich steif und verformt sich nicht -> 
r_S = r_dyn, z.B Metallwalze oder Holzrad.
Mit der Schlupfdefinition eingesetz folgt
=>
P_mech,An = M * omega_1 = M  omega0  (1+s)
P_mech,Ab = M  omega_0  1
Man sieht nun, irgendwo verschwindet also Leistung. Wo geht sie hin? Das 
ist die Rollreibung!
Die Leistungsbilanz schaut nämlich so aus: P_mech,An = P_mech,Ab + P_v,R
mit P_v,R Verlustleistung durch Rollwiderstand. Die Verlustleistung 
hängt also von der Fahrgeschwindigkeit und dem Schlupf ab.
2) Reifen sei nicht ideal steif.
=> dann kommt noch ein Anteil durch die Arbeit hinzu, die aufgewendet 
werden muss, um den Reifen vom Latscheinlauf bis zum -auslauf zu 
verformen.
P_mech,An = M * omega_1 = M  omega0  (1+s)
P_mech,Ab = M  omega_0  r_S/r_dyn
Die Rollreibung hängt also auch von der Reifensteifigkeit, der 
Reifendämpfumg und der Radlast ab.

Je steifer der Reifen, desto geringer der Rollwiderstand.
Je größer die Reifendämpfumg, desto größer der Rollwiderstand.
Je größer die Radlast, desto größer der Rollwiderstand.
Je größer der Schlupf, desto größer der Rollwiderstand.

Ich hoffe, ich konnte mit dieser Erklärung etwas Licht ins Dunkel 
bringen und habe sie bewusst einfach und anschaulich gehalten statt 100% 
formal korrekt und dafür komplizierter.

Viele Grüße aus dem Motorsport ;-)

: Bearbeitet durch User
von Andreas B. (bitverdreher)


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