Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Ansteuerung BLDC, Frage zu Bootstrapkondensatoren an FET Treiber


von Simon K. (simon) Benutzerseite


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Hallo,
Wie man vielleicht auch schon an dem anderen Thread erkennen konnte, bin 
ich im Moment dabei mich in das Thema Brushless DC-Motor also 
bürstenlose Motoren (Synchronmotor) einzuarbeiten.

Ich hätte da mal eine Frage bezüglich den "gängigen" Three-Phase FET 
Driver Bridges. Also solche, die 6 N-Channel FETs ansteuern können.
Also konkret der HIP4086 (http://www.intersil.com/data/an/an9642.pdf)

So wie ich das Problem verstanden habe, ist es wie folgt:
Damit die N-Channel in der Highside durchgesteuert werden können, 
während der jeweilige Lowside-Transistor ausgeschaltet ist, muss am 
oberen Transistor eine potenzialfreie Spannungsquelle anliegen. Und zwar 
mit Source als (Masse-)Bezugspunkt. Wenn der untere Transistor sowieso 
durchgeschaltet ist, liegt am oberen Source-Pin ja sowieso 
Massepotenzial (auch wenn diese Anordnung in der klassischen H-Bridge 
einen klassischen Kurzschluss verursachen würde ;))
So, wenn ich das soweit richtig verstanden habe, dann benutzt man nun 
einen Bootstrap Kondensator, der während der Lowside-Off-Time die 
Potenzialfreie Spannungsquelle für den Highside-Transistor darstellt.
Nun ist auch völlig klar, dass der Lowside Transistor und der Highside 
Transistor zwangsläufig abwechselnd durchgeschaltet werden muss, damit 
der Bootstrap Kondensator überhaupt eine bestimmte Ladungsmenge trägt um 
als Spannungsquelle dienen zu können.

So, nun zum HIP4086. Auf Seite 2 im Datenblatt im oberen Teil sieht man 
den schematischen Aufbau. Nun frage ich mich aber, welcher Schaltung der 
Kasten "Charge Pump" entspricht. Wofür eine Charge Pump, und wie soll 
die funktionieren? Soweit ich weiß muss bei der Charge Pump ein 
Ladekondensator einmal parallel zu einer Spannungsquelle liegen und im 
nächsten Zyklus in Reihe. Somit erhält man dann die doppelte Spannung. 
Wo ist der Charge-Pump Kondensator? (Wird hier der Bootstrap Kondensator 
mitbenutzt?). Hm.

Dann noch eine Frage: Da das Teil ja eine dreifache Halbbrückenanordnung 
ist und als Application sogar "Brushless Motors" angegeben ist, verstehe 
ich folgendes nicht:
Wenn ich die Ansteuerung des Brushless Motors nun machen sollte, würde 
ich zyklisch folgende Anordnung durchgehen:
1. Highside 1 anschalten, Lowside 2 PWMen
2. Highside 1 anlassen, Lowside 3 PWMen
3. Highside 2 anschalten, Lowside 3 PWMen
4. Highside 2 anlassen, Lowside 1 PWMen
5. Highside 3 anschalten, Lowside 1 PWMen
6. Highside 3 anlassen, Lowside 2 PWMen
und wieder zurück nach 1.
Das sieht für mich aber problematisch aus, denn die Highsides bleiben 
gewissermaßen zwei Ansteuerzyklen lang angeschaltet, werden aber nur 
durch PWM (in dem vor-vorhergehenden und dem davorgehenden Zyklus) 
geladen. Also nicht "abwechselnd", so wie ich oben gesagt habe. Hält der 
Bootstrap Kondensator das theoretisch überhaupt durch, den oberen 
Kondensator so lange durchzusteuern?
Meine Frage viel eher ist: Gibt es hier einen Trick oder ähnliches, oder 
ist das so schon ganz richtig?
Wenn die PWM alternierend ist (also Highside alternierend mit Lowside 
abgewechselt wird, siehe hierzu nächste Frage), dann müsste es doch 
funktionieren in meiner obigen Tabelle Highside und Lowside umzudrehen. 
Somit steuert man die Lowside länger durch, während ein anderer Kanal 
die PWM ausführt (wobei der Bootstrap Kondensator immer genug Ladung 
hat, da ja eben alternierend PWM'd wird).

Eine letzte Frage: Beim Thema PWMen bei BLDC Motoren wird immer gesagt, 
dass man die PWM alternierend bauen soll. Damit meine ich, dass wenn 
beispielsweise Kanal 2 PWM'd, dass alternierend die Highside 2 und 
Lowside 2 angesteuert werden, um den Freilaufstrom der Wicklung wirksam 
kurzzuschließen (besser als es die im Mosfet integrierte Freilaufdiode 
tun würde).
Ist das so korrekt? Bremst man damit den Motor nicht ein wenig wieder 
ab?

Soweit so gut erstmal. Vielen Dank für Antworten schon mal im Voraus! :D

: Verschoben durch Admin
von Peter Diener (Gast)


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Hallo,

der Bootstrap Kondensator wird geladen, wenn der untere Fet an ist und 
damit die Masse vom Bootkondensator auf der echten Masse liegt. Der 
Kondensator wird in diesem Fall von der 15 V Steuerstromversorgung über 
eine Diode geladen. Das nennen die Charge Pump. Das hat nichts mit der 
üblichen Spannungsverdopplerschaltung zu tun, die den oberen Kondensator 
auf den unteren aufschaltet.

Dass die oberen Fets über eine halbe Motorstromperiode hinweg 
eingeschaltet bleiben, kann bie zu kleinen Bootstrapkondensatoren zu 
Problemen führen. Besser ist es in so einem Fall, wenn man dafür sorgt, 
dass die langen Zyklen nur an den unteren Fets auftreten.

Mit alternierendem Schalten meinst du sicher, dass der obere Fet immer 
entgegengesetzt dem unteren angesteuert wird. Das nennt man auch 
Zwangskommutierung. Von der Verlustleistung sollte es aber kein 
unterschied zu einer freien Kommutierung sein, der Freilaufstrom läuft 
nämlich immer über die Dioden, egal ob dazu parallel noch ein Fet an 
ist, oder nicht. Die Stromrichtung ist im Freilauf so, dass nur die 
Diode den Strom übernimmt.

Am einfachsten erzeugt man geeignete Pulsmuster, indem man die PWM auf 
allen drei Phasen immer laufen lässt und im Leerlauf alle Phasen auf 50% 
einstellt. Damit haben alle Motorklemmen immer die gleiche Spannung und 
keine Wicklung sieht Spannung. Jetzt gibt man als Ansteuerung für jede 
Wicklung eine mittlere Spannung vor, die dort abfallen soll. Damit 
errechnet man die Pulsweite für jede Phase und stellt sie ein. Das macht 
man in jedem Zyklus der PWM und fährt so beispielsweise eine Tabelle 
durch oder besorgt sich die Werte von einem Stromregler.

Das funktioniert soweit ganz gut, nur schaltet man dabei unnötig oft. 
Einen Freiheitsgrad hat man nämlich noch nicht ausgenutzt, das ist die 
mittlere Spannung am Sternpunkt des Motors, die sich bei der vorherigen 
Methode durch die 50% Pulsweite im Leerlauf ergibt. Wenn man alle 
Pulsweiten so weit nach unten schiebt, dass stets eine Phase ständig auf 
Masse geschaltet bleibt, kann man Schaltzyklen sparen. Das spart 
Verlustleistung ein, die sich durch das zusätzliche Schalten ergeben 
würde. Dieses Verfahren eignet sich für die Schaltung mit den 
Bootstrapkondensatoren. Jetzt werden die oberen Fets aber öfter 
geschaltet als die unteren, woduch sich diese auch stärker erwärmen. 
Deswegen wird bei professionellen Umrichtern ab und zu das Verfahren 
umgedreht, so dass stets eine Phase oben immer eingeschaltet ist. Das 
ist dann aber nicht mehr geeignet für die Kondensatorschaltung. Bei 
Kleinspannungsmotoren kann man das aber auch alles vergessen, denn die 
Schaltverluste von Fets sind bei diesen Spannungen wirklich 
vernachlässigbar klein.

Die Lösung mit der symmetrischen PWM um 50% Leerlaufpulsweite ist 
durchaus praktikabel. Die zweitgenannte Lösung hat aber den Vorteil, 
dass mehr Spannung zur Verfügung steht, das musst du dir mal auf Papier 
aufmalen, dann sieht man es sofort, dass immer nur eine Phase voll auf 
Plus oder Minus ausgesteuert wird und damit, wenn man eine Phase immer 
auf Plus oder Minus festhängt, für die anderen beiden mehr Spannung 
übrig bleibt.

Viele Grüße,

Peter

von Simon K. (simon) Benutzerseite


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Hallo Peter, Ui, lange Antwort :-)

Peter Diener wrote:
> Das nennen die Charge Pump. Das hat nichts mit der
> üblichen Spannungsverdopplerschaltung zu tun, die den oberen Kondensator
> auf den unteren aufschaltet.
Ok!

> Dass die oberen Fets über eine halbe Motorstromperiode hinweg
> eingeschaltet bleiben, kann bie zu kleinen Bootstrapkondensatoren zu
> Problemen führen. Besser ist es in so einem Fall, wenn man dafür sorgt,
> dass die langen Zyklen nur an den unteren Fets auftreten.
Oder einfach einen größeren Bootstrapkondensator verwenden? :D Der 
Ladestrom ist ja zum Glück nicht (außer durch die Diode) begrenzt, 
sodass man da ruhig einen großen Kondensator benutzen kann.
Das sollte doch funktionieren.

> Mit alternierendem Schalten meinst du sicher, dass der obere Fet immer
> entgegengesetzt dem unteren angesteuert wird.
Ja, immer Highside mit Lowside abwechselnd. In Phase quasi.

> Das nennt man auch
> Zwangskommutierung.
Sicher? Ich dachte Zwangskommutierung beschreibt, wenn man dem Motor ein 
festes Drehfeld vorgibt ohne auf die Position des Motors zu achten.

> Von der Verlustleistung sollte es aber kein
> unterschied zu einer freien Kommutierung sein, der Freilaufstrom läuft
> nämlich immer über die Dioden, egal ob dazu parallel noch ein Fet an
> ist, oder nicht.
Sicher? Wenn parallel zu der (relativ schwachen) Body Diode ein sehr 
sehr niedriger Widerstand parallel liegt, dann teilt sich der Strom, und 
somit die Leistung zwischen dem Schaltelement und der Diode doch auf. 
Die Leistung am Transistor ist aber gleich, da hast du Recht. Jetzt wo 
du das sagst.
Ich hab nur des öfteren mal gelesen, dass man das so macht bei Brushless 
Motoren. Komisch, was soll dann die Begründung sein? Oder alles 
Kokkolores? :-)
Und da ja auch die gleiche Leistung vom Motor im FET verbraten wird 
während der Freilaufphase, erhöht sich auch nicht die Bremskraft, die 
auf den Motor wirkt, wenn man den Freilaufstrom niederohmiger 
kurzschließt?

> Die Stromrichtung ist im Freilauf so, dass nur die
> Diode den Strom übernimmt.
Wenn der Mosfet durchgeschaltet ist, leitet das "Schaltelement" im 
selbigen doch in beide Richtungen, oder nicht? :O

> Am einfachsten erzeugt man geeignete Pulsmuster, indem man die PWM auf
> allen drei Phasen immer laufen lässt und im Leerlauf alle Phasen auf 50%
> einstellt.
Die Idee klingt nicht schlecht, aber da bekomme ich doch ein Problem bei 
nicht-Hallbasierten Brushless Motoren, da ich die Back-EMF Spannung ja 
nicht mehr ermitteln kann.

> Jetzt werden die oberen Fets aber öfter
> geschaltet als die unteren, woduch sich diese auch stärker erwärmen.
Ja, das klingt logisch. Für jede Phase wird ja im Prinzip zwei mal

Ich würde schon gerne beim zweiten Verfahren bleiben. Wegen dem Back-EMF 
Problem.

Ein paar Fragen hätte ich auch noch:
- Gibt es Probleme, wenn ich die Back-EMF Spannung auswerten möchte und 
gleichzeitig Bootstrapkondensatoren benutze? Meiner Meinung nach nicht. 
Der Kondensator wird geladen, wenn der N-Channel mal an war. Während man 
die BEMF Spannung aber misst, sind ja beide FETs aus. Sprich: Die BEMF 
Spannung hebt zwar das niedrige Potenzial des (möglicherweise) geladenen 
Kondensators an, lässt aber keinen Strom fließen (außer durch meine 
Apparatur, die die BEMF Spannung misst). So richtig?
- Welchen Vorteil hat es nun konkret alternierend zu schalten (Das was 
du oben als Zwangskommutierung bezeichnet hast? (Außer, dass man nur 
dann den Bootstrapkondensator einsetzen kann :D)

So, mehr fällt mir gerade nicht ein. Falls sich noch mal jemand von euch 
erbarmen würde mir zu antworten, wäre das mehr als super :D

von LowRacer (Gast)


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Ohne "Bootstrap" geht's nicht...

Der Bootstrap-Kondensator oder Charge Pump wird ständig geladen und je 
nach Anforderung mehr oder weniger belastet!
Kein Irrtum oder Fehler(z.B.Verpolung) ist es, das die Kondensatoren 
durch die hohe Frequenz wirklich richtig heiss werden, ich würde hier 
105C Kondenstoren empfehlen.
OHNE diesen Kondensator geht es leider nicht. Versuche an einem 
BLDC-Controller mit Hall-Sensoren ohne Kondensator führten zu nichtigen 
Ergebnissen. Die MosFETs kamen in unregelmässige Schwingung, eine 
gleichmässige Steuerung war nicht mehr möglich. Eine Temperaturmessung 
ergab,
 das die MosFET's um einiges wärmer wurden. Versuchsobjekt ist das 
"LowRacer Hybrid" Elektro-Fahrrad. Für eine hohe Leistungsreserve von 
rund 2000Watt, also 40Vx50A, wurden noch zusätzliche 19 Kondensatoren 
mit jeweils 22000uF dazu geschaltet. Später wurden Bi-directionale 
5W-Suppressor Dioden über jeden Kondensator verdrahtet, so das keine 
schädliche Überspannung entstehen kann.

Hier ein kleines Video zum Versuch:

http://www.youtube.com/watch?v=gTNrTnEXudY

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