Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Werte aus Datenblättern in Bezug auf Kühlkörper


von Marcus B. (xeed)


Lesenswert?

Hallo Leute,

eine Berechnung der Wärmeabführung ist ja schön und gut, aber wenn einem 
dazu jegliche Erfahrung im Auswerten der Werte fehlt, finde ich das 
recht kompliziert.

Wenn ich z.B. einen Rk-Wert von 20K/W habe, ist es dann sinnvoll das 
Bauelement zu kühlen? Wo ist denn da die Grenze zwischen hier benötige 
ich ein Kühlelement und hier nicht? Also wenn ich nen kleinen Rk-Wert 
habe, dann glaube ich zu verstehen, dass man da unbedingt Kühlung 
berücksichtigen sollte.

Das ist ja auch in den Datenblätter so schön vermerkt, da findet man 
dann TJA (Speerschicht zur Umgebung), wenn ich da nun lese 23°C/W, 
klasse, da weiß ich nicht ob ich da etwas kühlen soll oder nicht.

Kann mir da jemand vielleicht etwas helfen?

Dankeschön!!!

von Alex B. (Firma: Ucore Fotografie www.ucore.de) (alex22) Benutzerseite


Lesenswert?

>wenn ich da nun lese 23°C/W,
>klasse, da weiß ich nicht ob ich da etwas kühlen soll oder nicht

Meistens steht direkt daneben noch TJmax (o.ä.) also die maximal 
zulässige Sperrschicht Temperatur für den Betrieb.

Ferner kannst du aus den sonstigen Kenngrößen des Bauteils die 
Verlustleistung, die in dem Bauteil umgesetzt wird, ausrechnen bzw. 
abschätzen.

Wenn du z.B. einen Transistor voll durchsteuerst und z.B. UCESat = 0,4V 
sind und du 2A da durch fließen lässt hast du im Transistor eine 
Verlustleistung von 0,4V x 2A = 0,8W. Nun hat dein Transistor ja 23°C/W, 
d.h. die Sperrschicht erwärmt sich (ohne Kühlkörper) um 0,8W x 23°C/W = 
18,4°C gegenüber der Umgebungstemperatur.

Nun musst du schauen, ob Umgebungstemperatur + Erwärmung kleiner sind 
als die max. zulässige Sperrschichttemperatur. Wenn nicht => Kühlen.

Grüße,
Alex

von Marcus B. (xeed)


Lesenswert?

Prima, danke für die schnelle und präzise Antwort! :-)

von Michael U. (amiga)


Lesenswert?

Hallo,

Marcus B. schrieb:
> Hallo Leute,
>
> eine Berechnung der Wärmeabführung ist ja schön und gut, aber wenn einem
> dazu jegliche Erfahrung im Auswerten der Werte fehlt, finde ich das
> recht kompliziert.

Ist nur etwas Rechnerei, kein Hexenwerk.

> Das ist ja auch in den Datenblätter so schön vermerkt, da findet man
> dann TJA (Speerschicht zur Umgebung), wenn ich da nun lese 23°C/W,
> klasse, da weiß ich nicht ob ich da etwas kühlen soll oder nicht.
Ich bleibe mal bei Deiner Zahl, der Wert ist ja soweit der 
entscheidende, wenn kein Kühlkörper dran ist.

Bei 23Grad/W erhöht sich die Sperrschichttemperatur um 23Grad bei einem 
Watt Verlustleistung.
Die mußt Du schon selbst berechnen.
Beispiel: durch einen Transistor fließt 1A, zwischen Kollektor und 
Emitter fallen dabei 5V ab.
Macht also 5V*1A = 5W
Bei 23Grad/W also 23 * 5 = 115 Grad.
Die Sperrschicht wird sich also dabei um 115 Grad erwärmen.
Bei 45 Grad im Schatten wären es dann also 115+45 = 160 Grad da drinnen.

Wenn das Datenblatt jetzt sagt: max. 150 Grad zulässige 
Sperrschichttemperatu wäre also Kühlkörper Pflicht, sonst entweicht der 
magische Rauch. ;-)

Mit Kühlkörper kommt jetzt Rthjc ins Spiel, also der Wärmewiderstand 
Sperrschicht-Gehäuse, sagen wird einfach mal 3 Grad/W.
Wir lassen außen mal 50 Grad maximal zu (im Auto z.B.).
Sprrschicht maximal 120 Grad, weil wir nicht an die Grenze wollen.
Sind also 120-50 = 70 Grad zulässige Erhöhung.
Damit es zu den 5W passt  also 70/5 = 14 Grad/W darf es zwischen 
Sperrschicht und außen maximal geben.
Davon gehen erstmal die 3 Grad/W intern ab 14-3 = 11.

Zwischen Gehäuse und Kühlkörper gibt es auch noch einen Wärmewiderstand, 
je nach Montage (Glimmerisolation, Wärmeleitpaste usw.) liegt der 
irgendwo zwischen 0,x Grad/W und 1 Grad/W, der kommt also auch dazu.
11-1 = 10 Grad /W.
Der Kühlkörper darf also maximal 10 Grad/Watt Wärmewiderstand haben, 
damit wir im grünen Bereich sind.
Den muß man nun suchen und ranschrauben.

PS: alle Zahlenwerte sind hier willkürlich ausgewählt, ging nur um den 
Rechenweg!

PPS: zu lange getippt......

Gruß aus Berlin
Michael

von Reinhard Kern (Gast)


Lesenswert?

Alex Bürgel schrieb:
> Nun musst du schauen, ob Umgebungstemperatur + Erwärmung kleiner sind
> als die max. zulässige Sperrschichttemperatur. Wenn nicht => Kühlen.

Hallo Alex,

zusätzlich sollte man berücksichtigen, dass die Lebensdauer von 
Bauteilen stark von der Temperatur abhängt, ich würde also nie das 
Maximum ausreizen. Eine Diode, die jahrelang mit höchstzulässiger 
Temperatur betrieben wird, ist ein heisser Kandidat für einen 
Frühausfall. Ich finde, wenn man sich den Finger verbrennt, sollte man 
besser kühlen.

Gruss Reinhard

von Falk B. (falk)


Lesenswert?

@  Reinhard Kern (Firma: RK elektronik GmbH) (rk-elektronik)

>zusätzlich sollte man berücksichtigen, dass die Lebensdauer von
>Bauteilen stark von der Temperatur abhängt, ich würde also nie das
>Maximum ausreizen. Eine Diode, die jahrelang mit höchstzulässiger
>Temperatur betrieben wird, ist ein heisser Kandidat für einen
>Frühausfall.

Na nach ein paar Jahre wäre das aber keine Frühausfall mehr ;-)
Aber an sonsten stimmts.

> Ich finde, wenn man sich den Finger verbrennt, sollte man
>besser kühlen.

Das kann man so nicht sagen. Pi mal Daumen kann man bis 60C etwa noch 
einen Kühlkörper kurz (2..3s) anfassen. Aber 60C sind kalt für 
Leistungshalbleiter.

Besser rechnen und messen.

MFG
Falk

P S Angefangener Artikel Kühlkörper wird demnächst erweitert.

von GB (Gast)


Lesenswert?

Beispiel:

Transistor Fairchild KSC5305D

Thermal Resistance:

Junction to Case: 1,65K/W
Junction to Ambient: 62,5K/W

Stranggusskühlkörper
Fischer SK 525 15

Thermal Resistance 13,3K/W

Gel-Wärmeleitfolie Fischer GEL 05

Thermal Resistance 0,57 (K sqare inch)/W => für TO220 (0,64 sqare inch) 
0,89K/W

Rth mit Kühlkörper

Rth_ja = Rth_jc + Rth_folie + Rth_KK = 15,8 K/W

Rth ohne Kühlkörper:

Rth_ja = 62,5K/W

Max. Sperrschichttemperatur 150°C

Pmax = (T_jmax - T_amb) / Rth_ja

Max. Verlustleistung am Transistor bei 25°C Umgebungtemperatur:

Pmax_MitKK = 125K / 15,8K/W = 7,9W

Pmax_ohneKK = 125K / 62,5K/W = 2W

von Jens G. (jensig)


Lesenswert?

>> Ich finde, wenn man sich den Finger verbrennt, sollte man
>besser kühlen.

>Das kann man so nicht sagen. Pi mal Daumen kann man bis 60C etwa noch
>einen Kühlkörper kurz (2..3s) anfassen. Aber 60C sind kalt für
>Leistungshalbleiter.

Wenn der Halbleiter selbst diese Temp. hat, dann ja. Aber wenn der KK 
nur 60°C hat, weiß man eben noch lange nicht, wie heiß der Halbleiter 
innerlich ist. Sind die Wärmewiderstände zw. Junction und KK im 
Vergleich zur verbratenden Leistung recht hoch, dann brutzelt er 
innerlich mit 100W vielleicht schon mit über 150°C dahin, und ringt mit 
dem Tode, ohne daß der KK dies anzeigt.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.