Forum: HF, Funk und Felder DCF77 und Funk prinzipiell


von Ferkes-Willem (Gast)


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Sorry, Leute, ich bin in HF und Funk noch "relativ" unbefangen. Befasse 
mich gerade mit Funk und Empfangsantennenlängen. Bei einer Mittel- oder 
Langwelle, baut man riesige Sendeantennen, in der Größe von 
Fußballfeldern, aber niemand baut eine Empfangsantenne mit Lambda-Länge 
nach, das ist total unrealistisch!!!

Wer hatte schon Platz im Garten für die Lambdalänge einer 
Mittelwellen-Empfangsantenne? Selbst 1/4 Lambda sind da unrealistisch. 
Die Ferritantennen gibt es auch erst ca. seit Mitte des 20. 
Jahrhunderts.

Das meiste machen vielleicht seit den Anfängen der Funktechnik die 
selektiven Eingangskreise (Parallelschwingkreis), und nachfolgende 
Verstärker und weitere Filter, Mischer, Bandfilter, da es in der Praxis 
nicht anders geht.

Mit Anpssung, analog zum Wellenwiderstand von Leitungen, hat die 
Funkstrecke anscheinend nicht zwingend was zu tun.
Warum aber, wird um die Längen von Empfangsantennen, oft so ein Aufstand 
gemacht?

Auf Seiten über historische Rundfunkempfänger (Jogis-Roehrenbude), bin 
ich z.B. auf ein Kofferradio "Metz Baby" gestoßen, Mittelwelle, ca. 
1950, die Antenne war eine Luftspule mit etwa 20 cm Durchmesser und 
vielen Hunderten Windungen mit sicher einigen 100 g Kupfer im Deckel des 
Gerätes versteckt. So einen Aufwand betreibt man nicht umsonst? Na ja, 
sicher waren solche Geräte damals extrem ausrichtungsempfindlich. (Warum 
ist eigentlich ein Handy kaum empfindlich gegen räumliche 
Ausrichtungen?)

Ohne die historischen Seiten im Internet, erfährt man in der Regel aber 
auch nichts über Hintergründe. Entwicklungsunterlagen blieben und 
bleiben oft streng geheim.

Was macht die Ferritantenne gegenüber einer gigantischen Luftspule? 
Windungen und Kupfer und Raum sparen?

Kann ich das so einfach verstehen?

Worum es konkret geht:

Habe hier seit Jahren eine DCF77-Uhr, wobei ich die Auswertesoftware auf 
einem Mikrocontroller selbst erstellte, jedoch das Empfangsmodul mal als 
Bausatz kaufte. Das Empfangsmodul hat eine Ferritantenne mit unbekanntem 
Kernmaterial und unbekannter Windungszahl, also unbekannten Daten. Auf 
der Anwendung lag der Schwerpunkt, mit der Empfangstechnik mochte ich 
mich zunächst auch nicht weiter beschäftigen, bis heute eben.

Ich möchte nur den Empfangsteil mal etwas verstehen.

Vielen Dank für jede Anregung! Links wären auch ganz nett!

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Ferkes-Willem schrieb:

> ..., aber niemand baut eine Empfangsantenne mit Lambda-Länge
> nach, das ist total unrealistisch!!!

lambda/2 würde ja genügen. ;-)

Wenn man kleiner wird, sinkt einfach der Antennenwirkungsgrad.  Bei
den klassischen Lang- und Mittelwellensendern wurde das letztlich
dadurch kompensiert, dass man im Gegenzug die Sendeleistung selbst
massiv hochgeschraubt hat.  250 kW Sendeleistung waren damals
völlig normal.

Zum Vergleich, Funkamateure überbrücken am oberen Ende der
Mittelwelle (auf 1800...2000 kHz) seit Jahren vergleichbare oder
größeren Entfernungen wie Mittelwellenrundfunk mit Leistung von
einigen 10 bis wenigen 100 W Sendeleistung.  Das geht nur, wenn
man auch in die (Empfangs-)Antenne ein wenig mehr investiert.

In der Anfangszeit des Rundfunks war übrigens eine ,,Hochantenne''
gehobener Standard.  Das waren Drähte, die schon mal quer über
einen Innenhof 50 m Länge erreichen konnten.

Ab Kurzwelle aufwärts sind Antennen von lambda/2 und länger
durchaus gängige Praxis.

> (Warum
> ist eigentlich ein Handy kaum empfindlich gegen räumliche
> Ausrichtungen?)

Es ist, aber die extremen Feldstärkeschwankungen, die beim Betrieb
auftreten, merkst du nicht.  Das benutzte Modulationsverfahren ist
unabhängig von der tatsächlich anliegenden Feldstärke, solange halt
ein gewisses Minimum nicht unterschritten wird.  (Wenn es unter-
schritten wird, hast du den typischen ,,Würfelklang''.)

Sehr ähnlich ist bereits normaler UKW-Rundfunk: in einem weiten
Bereich ist auch dort die Empfangsqualität unabhängig von der
tatsächlich anliegenden Empfangsfeldstärke.

> Was macht die Ferritantenne gegenüber einer gigantischen Luftspule?

Der Ferritstab konzentriert die magnetischen Feldlinien.  Dadurch
vergrößert sich die wirksame Antennenfläche, du ,,fängst mehr ein''.

von Ferkes-Willem (Gast)


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@Jörg Wunsch:

Anpassung ist beim Funk also nicht zwingend der Regelfall, ich hab es 
befürchtet. Antennenwirkungsgrad, d.h., ich kann die Antenne beliebig 
gestalten, und muß dann nur Frequenzen filtern und verstärken?

Das erklärt dann ein wenig die gigantische Luftspule im "Metz Baby", 
einfach nur Windungen soviel es geht innerhalb der Gerätegröße, die 
keinerlei Zusammenhang zu Wellenlängen hat, sondern einfach eine große 
Induktivität (für alle möglichen Wellen) und damit hohe 
Eingangsspannungen darstellen möchte. Ebenso, wahrscheinlich die 
Ferritantenne in meinem DCF-Empfänger, die leider über keine konkreten 
Daten verfügt.

Das würde für mich bedeuten, daß der Entwickler sich eine Spule 
ausdachte, die die Welle rein induktiv empfängt, wobei der Spulenradius 
einfach nur mit den Geräteabmessungen zu tun hat, die Spulenkosten nicht 
zu teuer werden, und daß das Signal für die gegenwärtig machbare 
Elektronik verwertbar ist?

Sorry, ich hab da etwas zu wenig Grundlagen, und ein derartiges Labor 
erst recht nicht.

Ich hab mich eben nur gefragt, warum die Entwickler in 1950 in ein 
gewöhnliches Konsumer-Radio so eine Empfangsspule einbauen, die schon 
die Hälfte der Materialkosten ausmacht.

Bei FM, sollte aber die Empfangslautstärke unabhängig von 
Amplitudenschwankungen sein, oder verstehe ich jetzt was ganz anderes 
falsch?

von Michael U. (amiga)


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Hallo,

Ferkes-Willem schrieb:
> Das erklärt dann ein wenig die gigantische Luftspule im "Metz Baby",
> einfach nur Windungen soviel es geht innerhalb der Gerätegröße, die
> keinerlei Zusammenhang zu Wellenlängen hat, sondern einfach eine große
> Induktivität (für alle möglichen Wellen) und damit hohe
> Eingangsspannungen darstellen möchte.
Nein. Die Teile sind abgestimmte Rahmenantennen, die Spule bildet den 
Vorkreis und wird mit einem Drehkjondenstaor auf die gewünschte Frequenz 
abgestimmt.
Windungszahl ist auch nicht gigantisch, bei Mittelwelle so um 20-40 
Windungen, bei Langwelle gegen 100 Windungen.

 Ebenso, wahrscheinlich die
> Ferritantenne in meinem DCF-Empfänger, die leider über keine konkreten
> Daten verfügt.
Du kennst die Empfangsfrequenz, 77,5kHz. Der Wert des 
Parallelkondensators sollte abzulesen gehen. Damit kannst Du Dir die 
nötige Induktivität ausrechnen. Um über das Ferritmaterial etwas mehr zu 
erfahren, müßtest Du allerdings die Spule abwickeln und die Windungen 
zählen.
>
> Das würde für mich bedeuten, daß der Entwickler sich eine Spule
> ausdachte, die die Welle rein induktiv empfängt, wobei der Spulenradius
> einfach nur mit den Geräteabmessungen zu tun hat, die Spulenkosten nicht
> zu teuer werden, und daß das Signal für die gegenwärtig machbare
> Elektronik verwertbar ist?

Solche Antennen (Ferritantenne, Rahmenantenne) werden immer als 
Bestandteil eines Schwinkreises genutzt. Mit Ausdenken ist da weniger 
was.
Die gewünschte Frequenz ist bekannt, die Thomsinsche 
Schwingungsgleichung auch schon zimelich lange, also ausrechnen.

Es gibt ein paar praktische Größen, die gerade früher genommen wurden:
Drehkondensator mit max. 500pF für Mittelwelle bei rund 500kHz.
Damit kann man die Induktivität und über die Größe/das Ferritmaterial 
die Windungszahl berechen.

> Sorry, ich hab da etwas zu wenig Grundlagen, und ein derartiges Labor
> erst recht nicht.
>
> Ich hab mich eben nur gefragt, warum die Entwickler in 1950 in ein
> gewöhnliches Konsumer-Radio so eine Empfangsspule einbauen, die schon
> die Hälfte der Materialkosten ausmacht.
Das Ding hat keine 10m 0,3mm Cu-Lackdraht und kostete vermutlich 30 
Pfennig.

>
> Bei FM, sollte aber die Empfangslautstärke unabhängig von
> Amplitudenschwankungen sein, oder verstehe ich jetzt was ganz anderes
> falsch?

Nö, passt prinzipiell so schon.

Gruß aus Berlin
Michael

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Ferkes-Willem schrieb:

> Anpassung ist beim Funk also nicht zwingend der Regelfall,

Doch, Leistungsanpassung (Innenwiderstand der Quelle gleich
Innenwiderstand der Last) ist der Regelfall bei HF.

Dass man als Kompromiss bei Empfängern großer Wellenlängen (und
bei noch größeren Wellenlängen auch bei Sendern) zu kleine
Antennen baut, hat damit erstmal nichts zu tun.

> Antennenwirkungsgrad, d.h., ich kann die Antenne beliebig
> gestalten, und muß dann nur Frequenzen filtern und verstärken?

Wenn du eine zu kleine Antenne hast, kannst du halt nur das nehmen,
was du bekommst an Signal (und dann filtern).  Wenn du genügend
Platz hast für eine richtige Antenne, erreichst du optimale
Ergebnisse, wenn du ihre Abmessungen halt passend wählst.  Dann
ist die Antenne bereits der erste Resonanzkreis.

Prinzipiell kann man aber mit Widerständen und Kondensatoren
beinahe jedes beliebige Stück Draht als Antenne auch auf
Leistungsanpassung zurecht ziehen; die Ergebnisse sind dann halt
nur nicht optimal.

> Ich hab mich eben nur gefragt, warum die Entwickler in 1950 in ein
> gewöhnliches Konsumer-Radio so eine Empfangsspule einbauen, die schon
> die Hälfte der Materialkosten ausmacht.

Hast du eine Ahnung von den damaligen Materialkosten!  Als aller-
erstes schlugen da die Röhren selbst zu Buche, die dürften (außer
vielleicht bei Einröhrenempfängern) stets den größten Anteil
ausgemacht haben.  Wenn das Teil also preiswert werden sollte, wurde
an dieser Stelle optimiert, was das Zeug hält.  Daher waren lange Zeit
einfache Audions recht beliebt, gebaut mit einer UEL51 zum Beispiel
(0-V-1 im Funkerjargon).  Umgekehrt, wer eine ,,Geldsenke'' zum
Angeben brauchte, kaufte sich ein Gerät mit möglichst vielen Röhren...

Netztrafo und Netzdrossel dürften auch nicht zu unterschätzen sein,
da steckt mehr Wickelaufwand drin als in deiner Empfangsspule.
Wenn's hier billig werden sollte, wurde ein Allstromempfänger
gebaut, der keine Netztrennung mehr besaß.

von Ferkes-Willem (Gast)


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@Jörg Wunsch, Michael U.:

Ja, OK, Parallelschwingkreis am Eingang war mir schon bekannt. Daß ich 
die Kapazität suchen muß und danach das L der Antenne bestimmen kann, da 
hätte ich mal selbst drauf kommen sollen, sorry!

Die Antennenspule des "Metz Baby" (auf den Seiten von Jogis Röhrenbude) 
sieht aber durchaus wie der Reifenschlauch eines Kinderfahrrades aus. 
War übrigens ein Batterieradio, 1,5V Monozelle als Heizbatterie und 90V 
Anodenbatterie, 4 Röhren, und nur Mittelwelle. Die Batterien reichten 
dann für 5 Stunden wohl etwa, Sendungen rund um die Uhr hatten die 
damals glaube ich eh noch nicht.

Bei der Wahlfreiheit der Antennenform bezüglich der Integration in das 
Gerätegehäuse, meinte ich eigentlich, ob da hauptsächlich Induktivität 
bei vorgegebenem C maßgebend ist, oder auch noch andere Faktoren 
maßgebend sind, wenn man mal die Variationen von L und C außen vor läßt. 
Gut, ja, mit der Variation von L und C konnte man sicher noch Material 
bzw. Herstellungskosten sparen, wenn die Kreisgüte nicht absolut 
kritisch ist.

Ansonsten, vielen Dank mal!!!

von Michael U. (amiga)


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Hallo,

Ferkes-Willem schrieb:
> Die Antennenspule des "Metz Baby" (auf den Seiten von Jogis Röhrenbude)
> sieht aber durchaus wie der Reifenschlauch eines Kinderfahrrades aus.
> War übrigens ein Batterieradio, 1,5V Monozelle als Heizbatterie und 90V
> Anodenbatterie, 4 Röhren, und nur Mittelwelle. Die Batterien reichten
> dann für 5 Stunden wohl etwa, Sendungen rund um die Uhr hatten die
> damals glaube ich eh noch nicht.

http://www.roehres-home.de/radio/index.php

Ich habe zwar kein Metz Baby in meiner kleinen Sammlung, der P20B von 
Marconi hat die Rahmenantenne für Mittelwelle im Deckel, der Victor von 
RCA ebenfalls. Dieser hat eine wahlweise anschließbare Ferritantenne 
("Wave-Magnet") an einem längeren Kabel zusätzlich mitgeliefert )das 
braune Teil auf dem Bild der Rückwand).

Die Anodenbatterien haben etliche Betriebsstunden durchgehalten, bei den 
Monozellen für die Heizung war es sehr verschieden. Ein Gerät ähnlich 
dem Metz Baby mit der Dx96er Röhrenserie hat bei 4 Röhren 125mA aus der 
Monozelle gezogen. Da sich Zink-Kohle recht gut erholen, hat man bei 2-3 
Stunden am Tag wohl auch ein paar Tage durchgehalten. Sicher ist wohl 
nur, daß man die Dinger nicht hat dudeln lassen, wenn man nicht auch 
zuhören wollte...

Gruß aus Berlin
Michael

von Ferkes-Willem (Gast)


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@Michael U.:

Danke mal für den Link (der zeigt aber nur die Hauptseite), den ich aber 
im folgenden durchstöbern werde.

Wie wurde eigentlich damals die Schutzkleinspannung behandelt? 90 Volt 
Anodenbatterie, das Ding sieht aus wie eine größere Zigarettenschachtel, 
das ist doch keineswegs ungefährlich?

Es gab auch viel Schrott zu jener Zeit:

Anfang der 1970-er Jahre, ca. 1973, kamen so kleine Transistorquetschen 
(nur Mittelwelle) in der Größe einer Zigarettenschachtel auf den Markt, 
bei Tschibo für 9,90 DM. Meine Oma kaufte die gleich im 10-er-Pack, und 
versorgte die halbe Verwandtschaft damit, und mich gleich 3-fach. Die 
Dinger wurden mit 1 Mignonzelle betrieben, wahrscheinlich ausschließlich 
Germaniumtransistoren, um dann mit den auch abfallenden 1,5 Volt noch 
einen Arbeitspunkt zu bekommen. Das Innenleben, 3 sogar metallisch 
geschirmte HF-Spulen, ca. 5 Kleintransistoren, und 1 Ferritstab. 
Vollständig Hongkong-Technik. Made in Hongkong, war damals etwa 
gleichzusetzen mit am Kaugummiautomaten gezogen, taugt nichts. Man 
konnte damit nur einen einzigen starken Ortssender empfangen, das war 
hier RTL, mit Sender original in Luxemburg. Aus heutiger Sicht, war der 
leichtfertige Umgang natürlich nicht sinnvoll, hätte ich mir so ein 
Gerät gerne aufbewahrt (zu Meß- und Testzwecken). Die Wertschätzung 
kommt manchmal zu spät.

Nochmal zur Mini-Transistorquetsche, meine Neugier, ich öffnete die 
Geräte, und lötete die Transistoren für erste Versuche mit Transistoren 
aus, das war interessanter als den ganzen Tag RTL hören, zu mehr taugten 
die Dinger aber auch nicht.

von trimmer (Gast)


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> , zu mehr taugten die Dinger aber auch nicht.

Doch, die, die auch FM hatten konnte man mit einem kleinen 
Schraubendreher (sic!) nach rechts oder links trimmen. Das machte so 
Manchem viel Freude.

von HildeK (Gast)


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Ja, damals war es ein Werbeargument, einen 6-Transistor zu haben. Mir 
ist mal einer begegnet, der hatte tatsächlich 6 Transistoren drin - 
funktional waren aber nur fünf beteiligt. Der sechste war ohne 
Verbindung zum Rest der Schaltung ...

von Ferkes-Willem (Gast)


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Zu guter Letzt, was ich schon mal erwähnte:

http://www.jogis-roehrenbude.de/Oldies/Metz-Baby/Metz-Baby.htm

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Ferkes-Willem schrieb:

> Wie wurde eigentlich damals die Schutzkleinspannung behandelt?

Hat sich wohl lange Zeit keiner drum geschert.

Ich habe noch Gasanzünder gesehen, die aus einem Pertinaxrohr
bestanden, in dessem inneren ein einfacher Widerstand war, hinten
ein Kabel, das in die Phase eines 220-V-Netzes gesteckt worden ist.
Mit der Spitze berührte man dann den Gasbrenner und zog einen
kleinen Funken...  Dürfte von Anfang des 20. Jahrhunderts gewesen
sein, vielleicht 1920er Jahre.

> 90 Volt
> Anodenbatterie, das Ding sieht aus wie eine größere Zigarettenschachtel,
> das ist doch keineswegs ungefährlich?

60 V Gleichspannung (Telefon) sind -- rein spannungsmäßig -- noch
komplett humanverträglich.  (Wehe nur dem, der aus Versehen die
Strippen in der Hand hält, wenn ein Ruf reinkommt: 75 V mit 25 Hz,
da springt man ganz schön.)  90 V sind ein wenig mehr, aber immer
noch in einem Bereich, wo wohl nur Leute mit einem bereits lädierten
Herz ernsthaft gefährdet sind.

von Route_66 (Gast)


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Schutzkleinspannung geht bis 50V AC und 120V DC.
Berührbar (also ohne Isolierung) darf bis zur Hälfte sein.
Wenn die Anodenbatterie verkauft wurde, waren die Kontakte abgedeckt.
Beim Betrieb im Gehäuse des Radios auch. Wenn man mit dieser Spannung 
(90V)zufällig in Berührung kommt, merkt man es zwar, es ist jedoch nicht 
gefährlich.

von Ferkes-Willem (Gast)


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@Jörg Wunsch:

Gasanzünder direkt am Stromnetz, naja, auch eine Art russisches 
Roulette. Vor allen Dingen, wenn es überhaupt Sicherungen gab, da hatte 
man doch bei Defekt so ne Tricks wie einen Nagel durchschlagen, oder mit 
dicker Metallfolie umwickeln, banalerweise einfach nur aus Geldmangel, 
und Grundlagenkenntnisse braucht man für ein bißchen Strom auch nicht, 
und die hat der gemeine Bürger auch nicht so?

>60 V Gleichspannung (Telefon) sind -- rein spannungsmäßig -- noch
>komplett humanverträglich.  (Wehe nur dem, der aus Versehen die
>Strippen in der Hand hält, wenn ein Ruf reinkommt: 75 V mit 25 Hz,
>da springt man ganz schön.)  90 V sind ein wenig mehr, aber immer
>noch in einem Bereich, wo wohl nur Leute mit einem bereits lädierten
>Herz ernsthaft gefährdet sind.

So ziemlich das schlimmste, was ich an Stromunfällen gesehen habe, gibt 
es in der Telekommunikationstechnik, man mag es nicht glauben! Bei 
Erdkabeln, z.B. ältere Bleimantelkabel, oder mit Metallfolie geschirmte 
Kabel, die kilometerlang entlang einer Bahnlinie verlaufen. Bei direkt 
im Erdreich verbuddelten Kabeln war die Gefahr wohl klein, da 
Erdverbindung, aber wehe, wenn man schön trockene saubere 
Kabelkanalanlagen hat, hauptsächlich in gut ausgebauten 
Ballungsgebieten, und der Kabelmantel ist irgendwo sonst geerdet oder 
hat irgendwo festes Potential: Machte der Monteur die Bleimuffe auf, 
also Auftrennung des Kabelmantels, zu Servicearbeiten, da konnte es zu 
Lichtbögen an der aufgetrennten Stelle kommen, wenn gerade eine 
elektrische Bahn fuhr. Dem Telefonkabel, macht die Fremdspannung 
übrigens nichts, da Gleichtaktspannungen, und keine Überspannung 
zwischen den Kabeladern. Auch der Telefonverbindung, macht das ansich 
nichts, da sich Gleichtaktspannungen aufgrund der parallelen 
Doppelleitung aufheben.

Ich hab keine Ahnung, was mit metallischen Wasserleitungen in solchen 
Fällen passiert, aber vermutlich das selbe.

Jetzt muß man keine Panik bekommen, und der Fernseher mit 20 kV 
Anodenspannung, steht ja auch im Wohnzimmer. Und wer den abgöttisch 
liebt, kann ihn auch gefahrlos umarmen, und tagelang mit ihm 
herumtanzen:-) So ein Telefonapparat, mit viel Plastik, hat sicher eine 
gehörige Isolationsspannung. Und der Regelfall ist das auch nicht.

Die etwas höheren Spannungen im Telefonnetz stammen wohl noch aus der 
Historie, als man wenig Elektronik hatte, z.B. keine Verstärker, aber 
irgend ein Maximum zwischen den komplexen Widerständen und der Hör- und 
Sprechleistung finden mußte.

Dennoch, tragen sie sehr zum störungsfreien Betrieb bei:
Man möchte ja nicht gerade den Mitarbeiterstab des Störungsdienstes 
aufstocken, und hätte die Dinge gerne zuverlässig. Ist eine Leitung mal 
an einer Verbindungsstelle etwas wackelig, oder oxidiert, und vom 
Telefonapparat bis zur Vermittlungsstelle gibt es eben immer ein paar 
Verbindungsstellen:
Die Leitung "brennt", "frittet" sich dann immer wieder fest, und erlangt 
eine feste Verbindung. Wenn was kaputt ist, dann ist es richtig kaputt, 
und dann ist die Ursache eine andere (gravierende).

Für Leute, die man nicht mochte, gab es Anfang des 20.Jhdt. auch den 
Spruch, "dann leg dich unter den Gasherd". Für Gasherde ohne Flamme, 
gibt es die Sicherheitsmechanismen auch noch nicht so lange.

von Ferkes-Willem (Gast)


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@Route_66:

>Wenn man mit dieser Spannung (90V)zufällig in Berührung kommt, merkt man >es 
zwar, es ist jedoch nicht gefährlich.

Kommt auf den Grad der Schweißhände an, oder? Ich kenne aber auch die 
Innenwiderstände bzw. Kurzschlußströme dieser Batterien nicht, und was 
man damit an Unfug machen konnte.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Ferkes-Willem schrieb:

> So ziemlich das schlimmste, was ich an Stromunfällen gesehen habe, gibt
> es in der Telekommunikationstechnik, man mag es nicht glauben!

Gut, aber das sind halt keine Spannungsunfälle, die von den 60 V
Betriebsspannung herrühren.  Das, was du beschreibst, fällt in die
Problematik des Rückstroms bei elektrischen Bahnen -- da hätte ich
früher auch nicht gedacht, dass man allein mit diesem Thema eine
komplette Vorlesungsserie über ein Semester füllen kann.

Über einen anderen Unfall hatte ich mal gelesen aus Zeiten, da noch
jede Nebenstellenanlage ihre eigene Akkumulatorbank hatte: Techniker
rutscht im Schaltschrank ab und kommt mit dem Fingerring zwischen die
60-V-Schienen.  Das ging nicht gut aus, denn bei den dicken Akkus
fließen da schnell Kiloampere. :-(  Auch das aber kein Problem der
60 V an sich.

von Michael U. (amiga)


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Jörg Wunsch schrieb:

> Über einen anderen Unfall hatte ich mal gelesen aus Zeiten, da noch
> jede Nebenstellenanlage ihre eigene Akkumulatorbank hatte: Techniker
> rutscht im Schaltschrank ab und kommt mit dem Fingerring zwischen die
> 60-V-Schienen.  Das ging nicht gut aus, denn bei den dicken Akkus
> fließen da schnell Kiloampere. :-(  Auch das aber kein Problem der
> 60 V an sich.

Dieses Problem wird sowieso unterschätzt...
Den nötigen Strom für den Ring schafft auch ein Auto- oder 
Modellbauakku.

Die Übung mit dem Ring an der Amtsbatterie hat ein Kollege vor vielen 
Jahren auch mal geschafft, hat aber Schwein gehabt, daß er schnell 
reagiert hat, ein Wasserhahn nahe genug war und er so den Ring noch 
runterbekam bevor es richtig angeschwollen war. Eigentlich hat sowas nie 
auf Arbeit getragen, trotzdem, einmal vergessen und schon passiert.

Das Strom gefährlich war, wußte man auch früher schon. Andererseits gab 
es viel weniger elektrische Geräte im Haushalt, dafür Holzfußböden und 
Ofenheizung. Zugriff auf geerdete Teile hatte man höchstens in der 
Küche, da war aber außer der Lampe an der Decke normalerweise nichts 
elektrisch und die Regel mit nassen Händen nicht das Licht zu schalten 
hat mir schon meine Oma beigebracht. :-)

Anodenbatterien hat man nicht so ernst genommen, damals übliche 
Freischwinger-Lautsprecher, die in der Anodenleitung der Endstufe lagen, 
sah man kaum als Gefährung an, der Hinweis "Nur Geräte nach VDE 
anschließen" mußte wohl reichen.
Allerdings ist mir auch nicht bewußt, damals aus dem 
Bekannten/Verwandtenkreis je was von einem Elektrounfall gehört zu habe.

PS: Leider habe ich den alren Mende von ca. 1930, den mein Opa bis zu 
seinem Tod benutzt hat, damals nicht aufgehoben. Naja, Mitte der 60er 
Jahre hatte ich schon andere Vorstellungen von einem Radio. ;-((

Gruß aus Berlin
Michael

von Ferkes-Willem (Gast)


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@Michael U, Jörg Wunsch:

Für den Mende würdest du heute auch wieder Ersatzröhren bekommen. Die 
Russen produzieren wieder wie blöde, da es sich anscheinend lohnt. Als 
da wären die modernen Nachbauten, Endverstärker, der Bedarf ist da. Na 
ja, technisch ist es nicht mehr notwendig, aber schön aussehen tut so 
ein Retro-Heizungsgrab im Dämmerlicht ja schon.

Als Jugendlicher, zerstörte ich Unmengen guter Drehkos und Röhren, 
mangels Wertschätzung wie aus heutiger Sichtweise. Entsorgte Empfänger, 
fand man früher an allen Ecken im Wald. Schade, daß das heute nicht mehr 
so ist:-) Mangels damals überhaupt existierender Müllabfuhr, warf man 
ein defektes Gerät Mitte 1960 einfach 30m hinter dem Haus in den Wald. 
Ein Dorf mit 3-stelliger Einwohnerzahl, und derer gab und gibt es viele.

Nochmal Anodenbatterien:
Die Anodenbatterie, wurde meines Wissens in der Übergangsphase zum 
Transistor, etwa Ende der 1950-er Jahre, auch durch den 
"Transistor-Sperrschwinger" ersetzt, ein erster vernünftiger 
Aufwärtsspannungswandler.

Zink-Kohle-Monozellen, ich erinnere mich noch, das war immer eine 
riesige Schweinerei, wenn sie leer wurden. Da war ja auch nicht mehr 
Zinkbecher dran als unbedingt nötig, und dann leckten die oft.

Ja, die Kommunikationstechnik hat durchaus richtig Power. Um 1975, 
besuchte ich die Notstromanlage einer KVSt (Knotenvermittlungsstelle). 
Bei Stromausfall, geht das Festnetz also immer noch für 3 Stunden bei 
Volllast, wenn kein Dieselaggregat vorhanden. Der Raum mit den Bleiakkus 
hatte 34 Zellen, für 68V. Die einzelne 2V-Zelle war ein Würfel mit 1m 
Kantenlänge, und die waren oben offen, man mußte aufpassen, nicht zu 
stolpern.
Ja, die 60V-Leitungen im Keller der KVSt waren armdick. 
Niederspannungsgrillen!

Ein Ausbilder, schaltete die Anlage extra für uns auf Notbetrieb, wobei 
da vielleicht gerade eine 5-stellige Anzahl Telefonverbindungen 
bestanden, die nicht gestört werden dürfen. Das Amperemeter, kletterte 
langsam gegen 1000 Ampere.

Die moderne Anlage hatte schon einen Wechselrichter, um das Problem mit 
dem Spannungsabfall und schrittweise Zuschaltung von Akkuzellen zu 
bewerkstelligen, wie es in der Historie war. Der Akkuraum hatte ja noch 
60V + 4 mal 2 V.
Seltsam war ein Umschaltezyklus der Thyristoren im Wechselrichter: Der 
hatte 5 Thyristoren (je etwa Größe einer Faust), 4 waren im Betrieb, 
einer abgeschaltet, und die wurden monatlich reihum zyklisch getauscht 
betrieben. Auf jeden Fall, war einer redundant! Sowas, hab ich bei 
reiner Hardware nie gesehen, von Rechnern in Sicherheitssystemen mal 
abgesehen. So einfach, wie beim 6-Transistor, weiter oben von HildeK 
beschrieben, ist das sicher nicht?

Für richtig Power, oder Notstrom, kann man zu Hause immer an eine 
Autobatterie denken, die ist auch preislich billig. Die heißt ja auch 
Starterbatterie, weil der Anlasser bei schlecht anspringendem Motor 
gerne mal ein paar Minuten lang 100 Ampere ziehen kann. Die letzte, 12V 
mit 44 AH, kaufte ich vor 3 Jahren für schlappe 27 Euronen. Die 
Gestaltung der Gehäuseoberseite ist heute meistens so, daß man nicht 
mehr direkt einen 30-er Maulschlüssel unachtsam auf den Polen ablegen 
kann.

Schönen Gruß vom anderen Ende des Landes (wo RTL ein starker 
MW-Ortssender war/ist???).

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