Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Trafoströme bei einem Schaltnetzteil


von stephan (Gast)


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Hallo zusammen,

wir entwickeln hier gerade an einem Hochvolt Schaltnetzteil DCDC
als Tiefsetzsteller für Leistungen bis zu 2kW.
Die Topologie unserer Leistungselektronik beinhaltet einen getakteten 
Leistungstrafo mit nachgeschalteter Gleichrichtung und Ausgangsdrossel.
Grundsätzlich läuft der Wandler in seiner Grundfunktion soweit, jedoch 
messen wir da noch ein paar Strom- und Spannungsverläufe, welche wir uns 
nicht erklären können.
Es geht im Wesentlichen um den Umschaltmoment, d.h. der Zeitpunkt wo der 
Trafostrom primärseitig seine Richtung wechselt. Wenn wir z.B. von einem 
Arbeitspunkt ausgehen, bei dem 50A DC Laststrom konstant fließen, dann 
sieht der Stromverlauf durch den Trafo folgend aus, dass zunächst über 
die Streuinduktivität des Trafos der Strom ganz steil ansteigt und beim 
Erreichen der 50A (Laststrom) dann schlagartig einen Knick macht und nur 
noch langsam ansteigt, abhängig von der Primärinduktivität und der 
Induktivität der Ausgangsdrossel. Wenn der Trafo über das Tastverhältnis 
abgeschaltet wird, sind wir in der Freilaufphase und danach beginnt der 
Zyklus von vorne, nur in umgekehrter Stromrichtung.

Wir messen nun in diesem Knickmoment beim Kommutieren des Trafo wie 
bereits beschrieben eine sekundärseitige Überspannung (Spike), welche 
doppelt so hoch ist, wie die Sekundärspannung selbst. Der Trafostrom 
macht auch einen starken Überschwinger zu diesem Zeitpunkt sowohl primär 
als auch sekundärseitig. Das sieht richtig "schrecklich" aus... Genau 
gesagt ist es der Zeitpunkt, bei dem der Trafo anfängt Energie zu 
übertragen.

Ohne dass ich jetz Schaltpläne als Anhang dazusende, nimm ich mir jetz 
einfach mal das Recht zu fragen, ob vielleicht einer von euch der 
Erfahrung hat, auf Anhieb vielleicht eine Idee hat, wodurch solche 
Überschwinger in diesem Knickpunkt zustande kommen können ?
Vielleicht ist es ja ein typischer (normaler) Effekt, den man sich 
leicht erklären kann ?
Andernfalls müssten wir eine EMV Analyse machen..
wobei eins klar ist, zu diesem Zeitpunkt wird kein MosFET getaktet, 
sodass ein zu schnelles Schalten eines Halbleiters ausgeschlossen ist...

für Anregungen wäre ich sehr dankbar !

Grüße, Stephan

von anonymous (Gast)


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Ich vermute mal, dass an dem von dir beschriebenem Knick die Dioden der 
Sekundärseite von leitend auf sperrend wechseln und du deren 
Reverse-recovery beobachtest.

von Michael O. (mischu)


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Beschreibe bitte mal mit welchen Messinstrumenten Du Strom und Spannung 
misst.
(Strommesszange - Bandbreite)
(Taskopft / Differenztastkopf - Bandbreite)

Gerade im Leistungselektronikbereich misst man schnell mal Mist.

Wenn Du mit einem Shunt misst der eine Struinguktivität besitzt, siehst 
Du nicht nur den Spannungsabfall der proportional zum Strom ist sondern 
überlagert auch den Spannungsabfall der Streuinduktivität
U= R*I + L*dI/dt

Bei der Spannungsmessung am Trafo ohne Diff.-Tastkopf sieht es ähnlich 
aus.

Hast Du vielleicht ein Bild deines Layouts (der betreffenden Sektion)?

von eProfi (Gast)


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Hmmm, ohne Schaltplan, ohne nähere Angaben (Topologie, Halbleiter), 
Oszillogramm.... schwierig.

Da brauchen wir schon mehr Infos, bitte.
Würde mich auch interessieren, weil ich demnächst ein Projekt in 
derselben Richtung starte.
Evtl. auch über PN, wenn Dir das lieber ist.

von Tobias P. (hubertus)


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Wo misst du diesen Knick?
Und was hast du für eine Topologie?
Wenn das ein Gegentakt-Flusswandler ist, was ich aufgrund der hohen 
LEistung fast vermute, dann sollte der Strom (primär) ungefähr so 
aussehen:

          /|        /|        /|
         / |       / |       / |
        /  |      /  |      /  |
       /   |     /   |     /   |
      /    |    /    |    /    |
     |     |   |     |   |     |
     |     |   |     |   |     |
-----+     +---+     +---+     +--- ...

Für mich klingt das -->
> der Strom ganz steil ansteigt und beim
> Erreichen der 50A (Laststrom) dann schlagartig einen Knick macht und nur
> noch langsam ansteigt, abhängig von der Primärinduktivität und der

fast irgendwie so.

Sekundärseitig wird der Strom ein Dreieck sein.

Mach doch mal ein Bild und zeichne ein, wo du was misst.

von Jens G. (jensig)


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Oszi-Meßleitungen immer schön kurz und bündig mit deren Massekabel (am 
Tastkopf) am Testobjekt festmachen - sonst sind Überschwinger praktisch 
vorprogrammiert.

von stephan (Gast)


Angehängte Dateien:

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leider kann/darf ich keine konkreten bilder oder schaltungen zeigen, 
weder öffentlich noch über PN, sorry.

ich kann nur sagen dass tobias plüss ungefähr recht hat.
sekundärseitig wird die spannung über einen aktiven gleichrichter 
glattgebügelt, d.h. wir haben geschaltete MosFETs anstelle von Dioden.

die ströme messen wir mit der corovsky coil (hoffe den schreibt man so?)
Sekundärspannung messen wir direkt an Drain-Source von den GLeichtichter 
FETs. Das ganze sieht dann so aus wie im bild von mir skiziert.. siehe 
anhang.
interessant dabei ist aber die erkenntniss, dass die Gleichrichter FETs 
schon geschaltet haben bevor der große DrainSource Spike auftritt.

von Meßknecht (Gast)


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Meinst Du vielleicht: Rogowski-Coil?
Das ist eine um den jeweiligen Leiter geschlungene Spule: 
http://de.wikipedia.org/wiki/Rogowski-Spule

von stephan (Gast)


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ja :)
schähm

hab das auch erst neulich kennenlernen dürfen.. wirklich genial das 
teil.

von Tobias P. (hubertus)


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Also diese Spikes, die du beschriftet hast mit "woher?" sind mehr oder 
weniger normal. Ich kann dir auch nicht 100%ig genau sagen, woher die 
stammen, aber ich habe das bei praktisch allen SNT's gesehen, die ich 
bisher gebaut habe. Aber meist eher so:

   Spikes
     +---------+---------+
     |         |         |
     v         v         v

     |         |         |
     |    /|   |    /|   |    /|
     |   / |   |   / |   |   / |
     |  /  |   |  /  |   |  /  |
     | /   |   | /   |   | /   |
     |/    |   |/    |   |/    |
     |     |   |     |   |     |
     |     |   |     |   |     |
-----+     +---+     +---+     +--- ...
           |         |         |


Ich tippe da mal auf irgendwelche Steruinduktivitäten oder etwas in der 
Art. Wenn man mit Trafos oder Drosseln hantiert, entsteht immer solcher 
"Dreck", woher auch immer (Streuinduktivität vom Trafo, 
Leitungsinduktivität, irgendwelche parasitären Schwingkreise ...).
Ich nehme an, dass dein Bild vom Trafostrom auf der Sekundärseite ist 
oder?
Denn primär hat der Strom eine etwas andere Form.

von oszi40 (Gast)


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Sorry bisher nur nebulöser Verdacht:
>"zu diesem Zeitpunkt wird kein MosFET getaktet"

Das glaube ich sogar. Ob er aber diese Spannung VERTRÄGT oder dann mehr 
"wie eine Z-Diode" wirkt??

Dieser Fall erinnert mich an einige frühe Messungen am Zeilentrafo. 
Genauer an der Booster-Diode: als sich die Leiterzüge des 
1000V-Vielfachmessers in Luft auflösten.

von Michael O. (mischu)


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Diese Stromverlauf hat drei Gründe:

1. Dein Trafo ist kein ideales Bauteil - die Einzelnen Wicklungen bilden 
untereinander und gegen den Kern eine parasitäre Kapazität. Zusammmen 
mit der Induktivität und der Kapazität deiner Drain-Source-Strecke einen 
hochfrequenten Schwingkreis. Je nach Güte des Schwingkreises ist die 
Ausschwingzeit.

2. Du wirst deine Halbbrücke mit MOSFETs sicher mit einer Totzeit 
betreiben (nehme ich an, sonst hättest Du nicht einmal Zeit gehabt einen 
Screenshot zu machen bevor der magische Rauch entwichen wäre). Das 
bedeutet, dass für die Dauer der Totzeit eben kein Schalter an ist und 
der Strom über die Freilaufdioden des komplementären Schalters 
kommutiert. Dabei wird zusätzlich die Ladung aus der 
Drain-Source-Strecke das abschaltenden Schalters über die Induktivität 
geführt.

3. Der starke Stromanstieg zum Schaltmoment (Hast Du den wirklich an der 
Trafozuleitung gemessen, oder um einen Mosfetanschluss?) kann eigentlich 
nur mit einer Kapazität erklärt werden.


Bei der Sekundärspannung nehme ich mal an, dass Du entweder schlecht 
gemessen hast oder dein Layout noch verbessern musst.

von Matthias L. (Gast)


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>leider kann/darf ich keine konkreten bilder oder schaltungen zeigen,
>weder öffentlich noch über PN, sorry.

Solche Aussage finde ich immer "interessant".

Offensichtlich ein berufliches Projekt, wo Geld verdient werden soll, 
aber hier kostenlos Hilfe erwarten ohne groß Infos preisgeben zu 
wollen...

von stephan (Gast)


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Hallo zusammen,

erstmal vielen Dank für eure Anregungen !
speziell der beitrag von Michael O. hat mich zum Nachdenken gebracht.
Ich erinnere mich wir haben eine Messung gemacht der DrainSource 
Spannung, allerdings der komplette Zweig direkt vom Trafoanschluss.
Während der Umkommutierungsphase haben wir sehr steiles dI/dt, was 
messtechnisch zu einer treppenförmigen Induktionsspannung von bis zu 7V
geführt hat, aufgrund der Zuleitungsinduktivitäten (Trafo->Drain).
Jetzt knickt der Strom schlagartig wieder ab und diese Induktivität 
entläd sich natürlich... Das wäre zumindest eine plausible Vermutung...

die Frage ist nur was der MosFET macht bei einem Avalanche Durchbruch
aufgrund der Drain Überspannungsspitzen ... wie schon von oszi40 
bemerkt.

aber hey, ich weiss dass es hier eher um ein Bastler Forum handelt.
Aber da ich hier schon gute Erfahrungen gemacht habe, habe ich es mal 
gewagt auch Probleme eines beruflichen Projekts anzusprechen... ;)

von Michael O. (mischu)


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Ein Avalanche-Durchbruch hätte vermutlich katastrophale Folgen :), denn 
das Bauteil hört dann normalerweise nicht mehr einfach auf zu leiten.

Ich habe noch nicht gesehen, ob Du eine Halbbrücke für den 
Tiefsetzsteller einsetzt.
Wenn ja, dann hast Du an jedem MOSFET eine Inversdiode die eine 
Verpolung unmöglich machen. Die Diode des Highside-MOSFET leitet, wenn 
deine Trafospannung größer als deine Zwischenkreisspannung wird.

Normalerweise rechnet man mit einer Überspannung an den schaltenden 
Elementen aufgrund der parasitären Induktivitäten der Gehäusezuleitung 
von 25-40%. D.h. ein 1200V Bauteil kann mit 800 .. 950V (gutes Design) 
betrieben werden. Wir haben damals von Infineon 1200V Prime-Stack IGBTs 
mit ca. 20nH Streuinduktivität betrieben bei 875VDC für einen 150KW 
DCDC-Wandler (8kHz Schaltfrequenz).
Wenn Deine Betriebspannung zu knapp ausgelegt ist - nicht gut :)

Außerdem musst Du das maximale erlaubte dU/dt der MOSFETs einhalten 
(z.B. Gate-Widerstand erhöhen).

PS: Ich bin auch gewerblicher Teilnehmer, habe aber Interesse und Freude 
am technischen Austausch, meine Erfahrungen weiterzugeben und 
gelegentlich auch selbst ein aktuelles Problem zur Diskussion zu 
stellen.
Hier im Forum hilft man Dir gerne - allerdings müssen dafür auch ein 
paar Informationen preisgegeben werden.
Ansonsten musst Du Dir einen gewerblichen Konsultant holen, der Dir 
unter Wahrung der geheimen Infos (NDA) hilft :)

von Martin (Gast)


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ich empfehle auch die gatewiderstände zu erhöhen, bis die überschwinger 
verschwinden.

von stephan (Gast)


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wir haben jetz schon per simulation diese überschwinger nachsimuliert 
bekommen.
es ist die resonanz aus der streuinduktivität vom trafo zusammen mit der 
Drainsource kapazität von den Gleichrichter FETs.

Könnte eigentlich so ein FET durchlegieren bei ganz kurzer Drainsource 
überspannung zyklisch bei jedem Takt ? Ich habe von einer Ionisierung 
(Ermüdung) der Bonddrähte im Chip was gehört...

Stephan

von oszi40 (Gast)


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>(Ermüdung) der Bonddrähte im Chip ?

Bei Sicherungen hab ich "Verzunderungen" des Sicherungsdrahts ähnlich 
wie beim Lötkolben schon erlebt. Beim Einschlten glühte der Draht kurz 
auf und wurde mit der Zeit immer dünner. Bei Transistoren/MOSFETS kenne 
ich es NOCH nicht. Kommt wahrscheinlich auf den konkreten Typ an.

Was aber öfter vorkommt: ist partielle Überhitzung des Kristalls. Da gab 
es auch irgendwo Bilder dazu. Die nächste Phase ist der Siliziumklumpen.

von Michael O. (mischu)


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Also ich weiss dass Bonddrähte bei schnellen thermischen Zyklen (0,5Hz, 
dT 30°C) sehr früh verspröden (unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten 
Silizium zu der Goldlegierung).

Bevor es aber zwischen zwei Bonddrähten zu einem Fehlerstrom kommt, ist 
eher der Chip kaputt. Jedenfalls nach ein paar Wochen Entwicklungszeit 
ist das eher unwahrscheinlich.

Welche Spannungsfestigkeit hat dein MOSFET und welche Spannungsspitzen 
kannst Du über der DS-Strecke mit einem Differenzspannungsprobe messen?

von Hauke R. (lafkaschar) Benutzerseite


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Überspannung am FET führt doch zum Z-Diodenverhalten des selbigen, im 
Datenblatt gibts angaben dazu, wie hoch die Energie eines jeden 
überspannungspules sein darf, und ob der Mosfet das verträgt (Avalanche 
Rated, repetitive avalanche energy

http://www.nxp.com/acrobat_download/applicationnotes/AN10273_1.pdf 
Vielleicht auch hilfreich um es zu verstehen ;)

von Ralf K. (ralf82k)


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Hallo Stephan,

der sehr steile Stromanstieg beim einschalten des primären Fets kommt 
wie Michael in 2. geschrieben hatte durch umladen der Dioden im 
Sync-Gleichrichter. Vergleichbar mit dem aufladen eines Gates (am Anfang 
fast wie ein Kurzschluss).
Da die Stromflanken in dieser Zeit enorm hoch sein können wirst du bei 
der Drain-Source Strecke schon "Dreck" mitmessen.
Halte mal die Messspitzen zusammen und klemm sie mal an Drain oder 
Source. Also Messspitzen kurzschließen. Wenn dann im Schaltmoment die 
Störungen fast genauso aussehen als wenn man die Messung richtig machen 
würde, misst du die ganze Zeit Störungen.

Den Massedraht des Tastkopfes bitte bei solchen Messungen nicht 
benutzen!!! Damit fängt man sich sowieso nur Schrott ein. Nur ganz vorne 
Signal und Masse direkt an der Spitze nehmen.

Gruß Ralf

von eProfi (Gast)


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> Den Massedraht des Tastkopfes bitte bei solchen Messungen nicht
> benutzen!!! Damit fängt man sich sowieso nur Schrott ein. Nur ganz
> vorne Signal und Masse direkt an der Spitze nehmen.

so wie es RAP (Robert Bob Pease) empfiehlt:
What's All This Ground Noise Stuff, Anyhow?
http://www.national.com/rap/Story/0,1562,18,00.html

Ich empfehle jedem, alle Stories zu lesen, da kann man viel lernen.

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