Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Virtueller Massepunkt OpAmp mit GND verbinden


von Jan B. (Gast)


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Hallo

bei Wikipedia ;-) habe ich folgendes gelesen:

Invertierender Verstärker:

....

Den virtuellen Massepunkt darf man nicht direkt oder über einen großen 
Kondensator mit Masse verbinden, weil man dadurch das schnelle Regeln 
des OP verhindert.

Mit dem Kondensator OK, aber wenn ich mit / ohne 50 Ohm den 
Massenanschluss anschließe erhalte ich mit PSpice die gleichen 
Ergbebnisse.

Ist der Tipp trotzdem sinnvoll?

von Kai Klaas (Gast)


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@Jan

>Den virtuellen Massepunkt darf man nicht direkt oder über einen großen
>Kondensator mit Masse verbinden, weil man dadurch das schnelle Regeln
>des OP verhindert.

Verbindest du ihn direkt, ist nicht nur schnelles Regeln nicht mehr 
möglich, sondern überhaupt kein Regeln mehr. Ist ja auch völliger 
Quatsch so etwas tun zu wollen, weil die Schaltung dann nicht mehr 
funktioniert.

Dort einen Kondensator hin zu machen ist ebenfalls unsinnig, weil dann 
die Verstärkung der Schaltung für hohe Frequenzen stark ansteigt, eine 
zusätzliche Phasendrehung (Phase Lag) entsteht, und die Schaltung 
vollkommen instabil wird. Dort hast du höchstens unerwünschte und 
unvermeidbare Streukapazitäten, die du mit einer Phase Lead Kapazität 
vom Ausgang zu invertierenden Eingang des OPamp in der Regel 
kompensierst.

>Mit dem Kondensator OK, aber wenn ich mit / ohne 50 Ohm den
>Massenanschluss anschließe erhalte ich mit PSpice die gleichen
>Ergbebnisse.

Ein 50R Widerstand ist dort ja auch erlaubt, sofern der OPamp die sich 
daraus eventuell ergebende niedrige Last überhaupt treiben kann.

>Ist der Tipp trotzdem sinnvoll?

Natürlich ist der sinnvoll! Wenn du wüßtest, wie eine OPamp-Schaltung 
funktioniert, würdest du aber nicht eine so merkwürdige Frage stellen. 
Also lese erstmal nach wie solche Schaltungen überhaupt funktionieren, 
dann merkst du schnell selbst, daß diese virtuelle Masse ein 
Sensibelchen ist, die gehätschelt und getätschelt werden will...

Kai Klaas

von Michael L. (Gast)


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Hallo Jan,

das, was Kai schreibt, ist vollkommen in Ordnung. Die von ihm genannten 
Probleme treten beispielsweise auf, wenn Du eine 
Transimpedanzverstärkerschaltung zur Messung eines Photodiodenstroms 
verwendest. Dann kann schon die relativ geringe Kapazität der Photodiode 
stören.

So ganz werde ich aber das Gefühl nicht los, daß Du den virtuellen 
Massepunkt des invertierenden Verstärkers mit dem (+)Eingang des 
nichtinvertierenden Verwechselst verwechselst. Denn bei HF-Anwendungen 
bringst Du dort häufig die 50 Ohm für die Impedanzanpassung der Leitung 
an.

Beim nichtinvertierenden Verstärker kannst Du an den (+)Eingang 
anklemmen, was Du willst.

An die virtuelle Masse einen 50-Ohm-Widerstand anzuklemmen, ist kaum 
sinnvoll.


Gruß,
  Michael

von Helmut S. (helmuts)


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Jan B. schrieb:
> Hallo
>
> bei Wikipedia ;-) habe ich folgendes gelesen:
>
> Invertierender Verstärker:
>
> ....
>
> Den virtuellen Massepunkt darf man nicht direkt oder über einen großen
> Kondensator mit Masse verbinden, weil man dadurch das schnelle Regeln
> des OP verhindert.
>
> Mit dem Kondensator OK, aber wenn ich mit / ohne 50 Ohm den
> Massenanschluss anschließe erhalte ich mit PSpice die gleichen
> Ergbebnisse.
>
> Ist der Tipp trotzdem sinnvoll?


Das liegt daran, dass die Spannungsdifferenz am Eingang sehr klein ist.

u_diff = U- _U+ = U- - 0 = U- = Uaus/v_leerlauf

v_leerlauf ist ca. 100000 bei Gleichspannung und tiefen Frequenzen.

Beispiel: Vout=10V, Rfeedback=10kOhm
U- = 10V/100000 = 0,1mV

Strom durch den 50Ohm Widerstand der dann am Rfeedback fehlt
I = 0,1mV/50 = 2uA

Das bedeutet, dass bei 10V Ausgangsspannung nur ein Fehler in der 
Uasgangsspannung von "Ufehler = 2uA*Rfeedback = 20mV" ensteht.
Bei Rfeedback=10kOhm wären das damit -20mV/10V = -0,2% Fehler.

Achtung, es ist trotzdem sinnlos da einen Widerstand hinzumachen.
Man verliert da nur Genauigkeit ohne einen Vorteil zu haben.

von Sebastian T. (sebastiantrommer)


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Nimm den virtuellen Massepunkt und bau da mal nen virtuellen Kondensator 
rein. Vielleicht siehst du, in der Realität, dann auch virtuelle Sachen.

von Michael (Gast)


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Die virtuelle Masse nennt sich so weil sie das Potential der Masse 
annimmt aber, im Idealfall, keine leitende Verbindung zur Masse hat (im 
Realfall ist der Widerstand weit im Megaohmbereich). Ein Strom der in 
die virtuelle Masse fließt kann also von dort aus nur über einen 
unendlich hohen Widerstand zur Masse abfließen...oder er sucht sich 
einen anderen Weg zur Masse, z.B. über den Rückkopplungswiderstand und 
den Ausgang des OPs ;)

von Kai Klaas (Gast)


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>Die virtuelle Masse nennt sich so weil sie das Potential der Masse
>annimmt aber, im Idealfall, keine leitende Verbindung zur Masse hat (im
>Realfall ist der Widerstand weit im Megaohmbereich). Ein Strom der in
>die virtuelle Masse fließt kann also von dort aus nur über einen
>unendlich hohen Widerstand zur Masse abfließen...oder er sucht sich
>einen anderen Weg zur Masse, z.B. über den Rückkopplungswiderstand und
>den Ausgang des OPs ;)

Der virtuelle Masspunkt verhält sich übrigens wie eim realer: Da der 
OPamp durch die Rückkopplung versucht den Punkt auf 0V zu halten, egal 
welcher Strom dort hinein- bzw. herausfließt, sieht der virtuelle 
Massepunkt aus, wie ein Ort besonders niedriger Impedanz, gemäß R = U / 
I = 0R

OPamp-Schaltungen, die einen solchen virtuellen Massepunkt als Eingang 
präsentieren, heißen deshalb auch manchmal "0R-Verstärker".

Kritisch am virtuellen Massepunkt ist, daß er alle auf ihm landenden 
Störungen nicht zur wirklichen Masse ableitet und damit vernichet, 
sondern vielmehr im Gegenkopplungswiderstand weiterfließen läßt, also 
direkt in den Signalweg einschleußt! Eine virtuelle Masse ist daher ein 
ganz kritischer Schaltungspunkt, der so klein wie irgendmöglich gehalten 
werden sollte. Manchmal sieht man, daß dieser eine eigene, mit der 
wirklichen Masse verbundenen Abschirmung erhält, was für den Laien 
widersprüchlich und unsinnig erscheint.

Ein anderer Grund, die virtuelle Masse kleinräumig zu halten, ist, die 
Streukapazität vom "-" Eingang des OPamp zur (wirklichen) Masse zu 
minimieren. Eine zu große Streukapazität dort macht den OPamp nämlich 
instabil und erhöht die Schwingneigung.

Eine virtuelle Masse unterscheidet sich für einen Betrachter nicht von 
einer wirklichen. Aber sie funktioniert nur solange, wie auch die 
Gegenkopplung des OPamp funktioniert, und nur so gut, wie es die 
endliche Loop Gain des OPamp zuläßt.

Kai Klaas

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