Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Bauteile schrotten für Qualitätskontrolle


von Hax0r (Gast)


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Hallo,
ich bin in der 8. Klasse Realschule und soll mir für Technik überlegen, 
wie man herrausbekommen kann, wie robust Bauteile sind.

Mir fällt außer:
*Wasser/Bier/Cola/Milch drüberschütten
*Schütteln
*Reinbohren

nichts ein. Außerdem scheint mir das nicht gerade profihaft zu sein.

Wie überprüft man in der Realität reproduzierbar elektronische Bauteile?

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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> Wie überprüft man in der Realität reproduzierbar elektronische Bauteile?
Spannung, Strom, Elektrostatische Entladungen, Temperatur, Vibration, 
Feuchtigkeit...
Jeweils mit längerer+kürzerer Dauer.

von Markus_MSC (Gast)


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Tach Hax0r,

man nutzt oft einen sog. HALT-Test (High Accelerated Life Time). Dabei 
betreibt man Bauteile oder Baugruppen über deren thermischer und 
elektrischen Grenze und setzt sie auch noch mechanischen Belastungen wie 
z.B. schütteln aus. Dieser Test ist oft ein zerstörender Test.

von Genmutant (Gast)


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Wie wärs mit Wärme (backofen) und Statik? Evtl. auch hohe 
Ströme/Spannungen testen.

von GastXIV (Gast)


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Professionell nennt man das Recherche:

Wenn du das ganze mit Sätzen wie " Wir begannen die Aufgabe mit einer 
Recherche um die Anforderungen zu eruieren " beginnst und das in deinen 
Aufsatz meit ca 500 Worten beschreibst hast du im Laberland Old Germany 
schon die halbe Miete. ;-).


Inhaltlich würde ich nach Burn In und künstliche Alterung suchen.

Bei den CE Prüfungen weird Spannungsfestigkeit und sowas festgelegt.

Auch in den amerikanischen MIL Normen finden sich gute Hinweise nach 
Prüfkriterien für Bauelemente.

von abc (Gast)


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als erstes erstellt man Document in dem die Anforderungen für dieses 
Bauteil / Baugruppe erfast werden. den ohne anforderungen kann nicht 
getestet werden, kann eine Birne ein Apfel sein. Die Anforderungen 
müssen Messbar sein. Toleranzen müssen angegeben sein. auch 
randbedingungen müssen definiert werden die die anforderung 
beeinflussen.

z.B. 20mm kantenlänge ist keine messbare Anforderung, da exakt 20mm 
nicht herstellbar sind. jedes bauteill wird davon abweichen, und sei es 
nur um 1 Tausenstel mm. weiter dehnen sich bauteile bei höheren 
Temperaturen auch aus. somit kann ein bauteil bei -250 Grad der 
anforderung genügen, bei raumtemperatur nicht mehr.

20mm +/- 0.1mm sprich von 19.9 bis 20.1mm währe eine anforderung. bei 
z.B. 25-35 Grad Celsius, und 25% luftfeuchtigkeit.

Viele Anforderungen sind auch durch Normen vorgegeben.

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Hax0r.


Naja. es sollten schon Belastungen getestet werden, die mit der 
Realität, dem das Bauteil ausgesetzt ist, zu tun haben.

> *Wasser/Bier/Cola/Milch drüberschütten

Feuchtigkeit ist ein Kriterium. Allerdings wird über die wenigsten 
Bauteile direkt eine Flüssigkeit geschüttet. wenn das passiert, ist 
meist etwas anderes schiefgegangen.
Betaung/Bedampfung kommt aber vor.
Bedenke das ganze noch zusammen mit Staub und korrosiven Dämpfen.

> *Schütteln

Vibrationen/Stoß/Beschleunigung sind definitiv ein Kriterium.
Quarze gehen z.B. schnell kaputt, wenn sie auf harten Boden fallen.

> *Reinbohren

lach Wenn das in der Realität passiert, hast Du das Bauteil nicht 
ausreichend gegen Missbrauch geschützt. "Anbohrbarkeit" ist eher kein 
Kriterium für elektronische Bauteile, wohl aber z.B. für Tresore.

>
> Mir fällt außer: ~~~~nichts ein.

Du bist auf dem richtigen Weg.....elektronische Bauteile sind Spannungen 
und Strömen ausgesetzt. Ein robustes Bauteil übersteht eben auch 
kurzfristig  Überspannungen und Überströmen.


Elektronische Bauteile sind Temperaturen ausgesetzt. Selbst ein im Auto 
liegengelassener MP3 player ist Temperaturen vom im winter -20°C und im 
sommer bis über 70°C ausgesetzt.
Die meisten "Consumer" bauteile, Also Unterhaltungselektronik ec. ist 
aber nur zwischen 0°c und 40^c spezifiziert.....

> Außerdem scheint mir das nicht gerade profihaft zu sein.

Die Einzige heutzutage übliche Bedeutung von "professionel" ist, daß man 
es für Geld macht. Das bedeutet nicht zwangsweise, das man es auch gut 
macht. :-)

>
> Wie überprüft man in der Realität reproduzierbar elektronische Bauteile?

Man setzt sie in einer reproduzierbaren Umgebung (kühlkörper, 
Temperatur)
aus, und befeuert Sie mit reproduzierbaren Spannungen und Strömen im 
interessanten Bereich.
Schütteln ist schon deutlich aufwändiger und wird meistens nur für 
sicherheitsrelevante Bauteile gemacht.

Unter Temperaturbelastungen fallen auch schnelle Temperaturwechsel.

Am besten liest Du Dir mal Datenblätter von z.B. Transistoren durch. oft 
steht dort etwas über Testverfahren und getestete Bereiche (oft in 
Fußnoten versteckt, also genau lesen). Dann gewinnst Du ein wenig 
"Bauchgefühl" für so was.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic

http://www.dl0dg.de


Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression.
Jeder echte Wettbewerb ist ruinös. Darum beruht jede funktionierende 
wirtschaft auf Schiebung.

von faustian (Gast)


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Einen normalerweise zur Essenszubereitung verwendeten Backofen fuer so 
etwas zu nehmen wird aus toxiko-,sozio- und allgemein logischen Gruenden 
nicht empfohlen.

Uebrigens: die meisten Sachen sind relativ harmlos. Was Du u.a. nicht 
misshandeln solltest:

-Lithiumbatterien (Gift:Elektrolyte,Brandgefahr(!!!))
-Knopfzellenbatterien (Gift:Quecksilberverbindungen)
-Unbekannte keramische Materialien (in seltenen aber ueblen Faellen 
Gift: Berylliumoxid)
-Selengleichrichter (Gift:Verbrennungsprodukte von Selen, evtl Cadmium. 
Stinkt ausserdem zum Himmel.)
-Alte IR oder rote LEDs, HF-Halbleiter (Gift: Arsenverbindungen)
-Grosse Kondensatoren (ausser Elektrolytkondensatoren) alter Bauart 
(Gift: PCB)
-Tantalkondensatoren ohne Vorsicht (Brandgefahr)
-Elektrolytkondensatoren ohne Vorsicht (Explosionsgefahr, evtl auch 
giftiger und/oder aetzender Inhalt)
-Leuchstoffroehren jeglicher Art (Gift: Quecksilber)
-Senderoehren (evtl ebenfalls Berylliumoxid und/oder schwach radioaktive 
Materialien)
-Urdox-Widerstaende (sehen wie eine Roehre aus)

von Dirk J. (dirk-cebu)


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faustian schrieb:
> Uebrigens: die meisten Sachen sind relativ harmlos. Was Du u.a. nicht
> misshandeln solltest:

-Bildröhren (Implosionsgefahr)

von Michael M. (technikus)


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faustian schrieb:
> Uebrigens: die meisten Sachen sind relativ harmlos. Was Du u.a. nicht
> misshandeln solltest:
> -Tantalkondensatoren ohne Vorsicht (Brandgefahr)

Schade. Die brennen doch mit so wunderschöner Leuchterscheinung ab, wenn 
man sie verpolt. Aber bitte wirklich nur im Freien auf feuerfester 
Unterlage machen.

Außerdem: Einen Sinn bezüglich Qualitätskontrolle sehe ich darin nicht. 
Elkos vorsätzlich mit falscher Polung zu betreiben ist einfach nicht 
bestimmungsgemäßer Gebrauch (der aber gelegentlich Spaß macht).
Interessanter wären da wirklich Überspannungspulse für aktive 
Bauelemente.

Servus
Michael

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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>> -Tantalkondensatoren ohne Vorsicht (Brandgefahr)
> Schade. Die brennen doch mit so wunderschöner Leuchterscheinung ab,
> wenn man sie verpolt.
Nur bei genügend hoher Spannung (wobei hier 2-3V die Grenze sind). Es 
gibt von den Herstellern extra zu dem Thema auch schon entsprechende 
Untersuchungen.

von faustian (Gast)


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Wiederholtes Ein und Ausloeten ist ein interessanter Test....

Bei Schaltern und Potis wiederholte Betaetigung (so mancher Trimmer ist 
nur fuer ein paar hundert Stellvorgaenge ausgelegt!); bei Schaltern und 
Relais ist auch Schalten grenzwertiger Lasten interessant (DC!).

EDNs "Tales from the cube" Artikelserie sei auch empfohlen, da findet 
sich viel ueber unerwartete Anfaelligkeiten....

von GastofaX (Gast)


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Hallo Hax0r,

für Halbleiterbausteine (ASIC und oder µC) sind sogenannte Stresstests 
im MIL-STD-883 definiert.
Sollen die Halbleiter in ein Auto verbaut werden wird die AEC-Q100 zu 
rate gezogen.
Folgende Stressarten nach AEC-Q100 sind üblich (Liste ist nicht 
vollständig):

- electrische Funktionstest:
 Bewertet ob Bauteil wie spezifizert arbeiten/reagieren. Dient als 
Kriterium ob ein Bauteil noch heile ist.

- High Temperature Storage (HTSL)
  BT wird für 500 (oder 1000 oder xxxx) Stunden bei 150°C gelagert.
  -> Silizium altert
 -> liefert Ausage z.B. über das Bondsystem

- High Temperatue Operating Life :
  500h - 1000h (oder mehr) bei 125°C, Bauteile werden bestromt.
  -> Silizium altert, Drift der Schwellspannungen der Transitoren ...

Durch die hohe Temperatur wird die Alterung beschleunigt:
Der Beschleunigungsfaktor errechnet sich mit Hilfe der Arrehniusformel 
(Wikipedia oder Googel), für Halbleiter wird häufig eine 
aktivierungenergie von 0,7eV angenommen (Denke das könnte ein 
interesantes Thema werden, drum googel selbst:)  ).

- Autoclave:
  96h Lagerung bei 121°C bei 100%r.H und 1 bar Überdruck
  -> Einfluß von Temperatur und Feuchte auf das Geäuse und die Schaltung

- Temperature Humidity Bias
  1000h Lagerung bei 85°C/ 85%r.H (relative Luftfeuchte), bestromt.
 -> elektrochemische Korrosion, Testet ob die Passivierung des Die hält.

- Temperaturwechsel
 typisch 1000 Wechsel zwischen -50 und +150°C
-> mechnische Belastung, da unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten 
der einzelnen Komponenten (Die = Silizium, Moldmasse = Polymere, 
Leadframe aus Kupfer)

- Elektrostatische Entladung : ESD nach Human Body Model oder Charge 
Device Model
 -> liefert Aussage wie robust die Bauteile gegenüber ESD sind. Typisch 
2kV HBM.


- Latch-up Test
 -> Zündet bei CMOS-Invertern der Parasitäre Tyristor ?


- Physical Dimensions
 Hat das Bauteil die geforderten Maße (Höhe, Breite, Standoff...)

- Reflow / Lötsimulation
Simuliert den Lötprozess beim Kunden. -> Stichwort Popcorning


Für weitere Infos google mal nach "Zuverlässigkeit" oder "Reliability"
Texas Instruments hat ein paar gute Infos hierzu.
Desweiteren empfehle ich bei Google :JEDEC, AEC-Q100, ESDA.


Gruß
GastofaX

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