Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Frage zu Germanium-Transistoren


von Herr_Mann (Gast)


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Hallo,

Transistoren haben doch eine bestimmte Anstiegsgeschwindigkeit!?!

Wenn man bei einer NF-Endstufe "zu langsame" Transistoren einsetzt, 
können sie die höheren Frequenzen nicht richtig wiedergeben, es kommt in 
dem Frequenzbereich zu hässlichen Verzerrungen...

Frage 1: wie nennt man diese Anstiegsgeschwindigkeit 
fachbegriffstechnisch?

Frage 2: wie sieht das bei (alten) Ge-Transistoren aus, haben die 
generell schlechtere Werte als ihre Si-Kollegen?

Frage 3: gibt es irgendwo im Netz eine große 
Transistorvergleichsdatenbank, wo man solche Werte direkt nachschauen 
kann?


Es geht übrigens darum, dass ich u.a. mit Ge-Transistoren für 
Kleinleistungsendstufen experimentieren will...

von Armin H. (min)


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Ich glaube nicht, dass im NF-Bereich die Schaltgeschwindigkeit der 
Transistoren eine Rolle spielt. So langsame Transistoren gibt es ja gar 
nicht mehr. Eher das Rauschen.
1. rise time oder aehnliches
2. kommt auf den Zweck an
3. ja google

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Herr_Mann schrieb:

> Transistoren haben doch eine bestimmte Anstiegsgeschwindigkeit!?!

Nein, erstens ist "Anstiegsgeschwindigkeit" ein Begriff aus der
Digitaltechnik, und zweitens haben Transistoren bestimmte
Eigenschaften, die dazu führen, dass man in einer konkreten
Schaltung bestimmte Anstiegsgeschwindigkeiten erreicht.

> Frage 1: wie nennt man diese Anstiegsgeschwindigkeit
> fachbegriffstechnisch?

Der wesentliche Parameter für deinen NF-Verstärker ist die
sogenannte Transitfrequenz.  Das ist die Frequenz, bei der die
Verstärkung einer Transistorstufe den Wert 1 erreicht.  Diese
Frequenz hängt von der Schaltungsart ab, die Transitfrequenz
eines Verstärkers in Basisschaltung ist sehr viel höher als die
eines Verstärkers in Emitterschaltung (weshalb früher HF-Stufen
mit Transistoren sehr oft in Basisschaltung ausgeführt waren).

> Frage 2: wie sieht das bei (alten) Ge-Transistoren aus, haben die
> generell schlechtere Werte als ihre Si-Kollegen?

Im Allgemeinen schon, allerdings gab es dennoch auch UHF-Transistoren
aus Germanium (AF139 fällt mir spontan ein).

> Frage 3: gibt es irgendwo im Netz eine große
> Transistorvergleichsdatenbank, wo man solche Werte direkt nachschauen
> kann?

Nein, leider nicht.  Für Germaniumtransistoren könntest du noch sehen,
ob du irgendwo ein altes Exemplar von Klaus K. Streng's "Transistor-
daten" antiquarisch erhalten kannst.  Auch wenn das Werk von Ende
der 1970er Jahre stammt, Germanium-mäßig hat sich seither nicht
mehr viel getan.  Es ist die vollständigste mir bekannte Sammlung
wesentlicher Transistordaten (ihrer Zeit natürlich).

Für deine NF-Verstärker dürfte das im Wesentlichen aber nicht von
Belang sein, mit derartigen Frequenzen hatten selbst die Leistungs-
transistoren keine nennenswerten Probleme.  Warum aber willst du
sowas noch mit Ge-Transistoren aufbauen?  Die Dinger waren verdammt
schnell kaputt zu bekommen, haben hohe Restströme, eine hohe
Temperaturempfindlichkeit und was man sich sonst alles noch nicht
wünschen würde.

von oszi40 (Gast)


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>können sie die höheren Frequenzen nicht richtig wiedergeben
Deswegen wurde u.a. die Wiki und die Gegenkopplung erfunden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Verst%C3%A4rker_(Elektrotechnik)

von Herr_Mann (Gast)


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Danke für die Antworten!

Habe in dem Buch "Gitarrenverstärkersound" ein Diagramm gefunden, in 
welchem die Frequenz gegen den Klirrfaktor aufgetragen ist.
Daneben steht:
"Bei alten Transistor-Endstufen mit langsamen Leistungstransistoren 
(etwa 2N3055) steigen die Klirrverzerrungen ab einer bestimmten Frequenz 
steil an, weil die Anstiegsgeschwindigkeit nicht ausreicht und das 
Signal an den Flanken beschnitten wird" (Zitat Ende)

Auch wenn die Verzerrungen erst knapp über 20KHz einsetzen, kommt es 
wohl wegen Intermodulationseffekten mitunter zu starken 
Beeinträchtigungen im hörbaren Bereich...

Ge-Transistoren sind in Gitarristenkreisen irgendwie wieder stark in 
Mode gekommen. Abgesehen von ihren "krümmeren" Kennlinien haben sie auf 
jeden Fall den Vorteil, dass sie mit einer viel geringeren 
Basisschwellspannung auskommen.
Und ja, sie sterben gerne, wenn man sie falsch behandelt, den Hitzetod.

von Herr_Mann (Gast)


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>>"...steigen die Klirrverzerrungen ab einer bestimmten Frequenz
steil an, weil die Anstiegsgeschwindigkeit nicht ausreicht..."

oszi40 schrieb:
> Deswegen wurde u.a. die Wiki und die Gegenkopplung erfunden.

Sicher, dass in dem Fall eine Gegenkopplung weiterhilft???

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Herr_Mann schrieb:

> "Bei alten Transistor-Endstufen mit langsamen Leistungstransistoren
> (etwa 2N3055) steigen die Klirrverzerrungen ab einer bestimmten Frequenz
> steil an, weil die Anstiegsgeschwindigkeit nicht ausreicht und das
> Signal an den Flanken beschnitten wird"

OK, diese Boliden waren sicher wirklich langsam.  Andererseits:
wenn bei 10 kHz die Klirrverzerrungen ansteigen, wen interessiert
das?  Bereits die erste Oberwelle mit 20 kHz hören dann höchstens
noch deine Kinder.

Außerdem:

> Ge-Transistoren sind in Gitarristenkreisen irgendwie wieder stark in
> Mode gekommen. Abgesehen von ihren "krümmeren" Kennlinien

...scheinen ja die Verzerrungen hier gerade gewollt zu sein. ;-)

> haben sie auf
> jeden Fall den Vorteil, dass sie mit einer viel geringeren
> Basisschwellspannung auskommen.

Was bringt das?  Leicht geringere Verzerrungen im Übernahmegebiet
zwischen beiden Halbwellen, die man aber erstens durch einen höheren
Ruhestrom auch erreichen könnte (der wiederum zu mehr Ruheverlust-
leistung führt, wobei Si-Transistoren die entstehende Wärme weniger
zu scheuen brauchen), die man aber durch die höhere Gegenkopplung
eines Verstärkers mit Si-Transistoren locker unterbieten würde.

Wenn überhaupt, dann müsste man wohl Verstärker mit nicht allzu
hoher Leerlaufverstärkung und möglichst wenig Gegenkopplung bauen,
damit man die "natürlichen" Verzerrungen am besten weiterreichen
kann.  Das ist ja letztlich das, was zur Rennaisance der Röhren-
verstärker gerade in diesem Bereich geführt hat.  Bei einem Klasse-
A-Verstärker wiederum ist die Schwellspannung komplett wurscht.

von faustian (Gast)


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"Bei alten Transistor-Endstufen mit langsamen Leistungstransistoren
(etwa 2N3055) steigen die Klirrverzerrungen ab einer bestimmten Frequenz
steil an, weil die Anstiegsgeschwindigkeit nicht ausreicht und das
Signal an den Flanken beschnitten wird" (Zitat Ende)"

Noch schlimmer, das gibt nicht nur Verzerrung der hohen Frequenzen 
sondern Intermodulation.

Es gab Ge-Leistungstransistoren (Drift-Field-Typen zB) die schneller 
waren als ein 2N3055, der uebrigens aus Silizium ist und in zwei 
eigentlich voellig unterschiedlichen Typen existiert - da ist einmal die 
Gruppe original RCA 2N3055 und moderner 2N3055H (sehr langsam aber 
einiges robuster) und dann gibt es den modernen @N3055 (ein paar mal 
schneller aber engere SOA!).

Die ueblichen Datenblattarchive geben einige Vergleichstabellen her, 
natuerlich herstellerspezifisch.

von faustian (Gast)


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"OK, diese Boliden waren sicher wirklich langsam.  Andererseits:
wenn bei 10 kHz die Klirrverzerrungen ansteigen, wen interessiert
das?  Bereits die erste Oberwelle mit 20 kHz hören dann höchstens
noch deine Kinder."

Naja, wenn ich die Slew Rate-Reserve aufbrauche ist fuer die tieferen 
Frequenzen nichts mehr uebrig, und sie werden ebenfalls verzerrt. Das 
kennt man ja auch von manchem modernen Verstaerker den man uebelst zum 
scheppern bringen kann durch HF-Reste im Eingangssignal....

von MaWin (Gast)


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> Ge-Transistoren sind in Gitarristenkreisen irgendwie wieder
> stark in Mode gekommen.


Klar, nachdem der Hoax mit den Röhren zum Ausplündern der Portemonnais
nicht mehr zieht, muss nun eine neue Sau durch's Dorf getrieben werden,
nun sind halt Germaniums wieder dran. Manche Firmen müssen noch ihre 
Lager räumen...

von Herr_Mann (Gast)


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MaWin schrieb:
> Klar, nachdem der Hoax mit den Röhren zum Ausplündern der Portemonnais
> nicht mehr zieht, muss nun eine neue Sau durch's Dorf getrieben werden,
> nun sind halt Germaniums wieder dran. Manche Firmen müssen noch ihre
> Lager räumen...

hab ich auch erst gedacht. googel mal "tone bender"! da gibts allerlei 
fuzz-varianten mit ein bis drei Ge-Transistoren. die MP3-Klangbeispiele 
sprechen für sich...
glaube, die stones haben für "satisfaction" gitarrenmäßig auch so einen 
tone bender benutzt.

kannst auch mal hier gucken:
http://forum.musikding.de/cpg/albums/userpics/17258/Tone_Bender_PROFESSIONAL_MKII.jpg

ansonsten, röhre und gitarre ist ein thema für sich und würde den rahmen 
dieses beitrags völlig sprengen...

mir geht es hier vor allem um Ge-Transistoren in der Endstufe, bis ca. 
10W Sinus.

wie "schnell" ist denn z.B. so ein AD161 oder ein GD241A?
(die hab ich nämlich noch in der Bastelkiste...)

von Herr_Mann (Gast)


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faustian schrieb:
> "OK, diese Boliden waren sicher wirklich langsam.  Andererseits:
> wenn bei 10 kHz die Klirrverzerrungen ansteigen, wen interessiert
> das?  Bereits die erste Oberwelle mit 20 kHz hören dann höchstens
> noch deine Kinder."

Hab ich auch zuerst gedacht!
Aber wenn noch andere Frequenzen im hörbaren Bereich da sind, und das 
ist bei komplexen Signalen wie Musiksignalen so, kommt es zu 
unangenehmen Intermodulationen.

Was entsteht denn z.B., wenn man ein Signal von ca. 17Khz mit einem 
Signal von 22Khz mischt?!!!

von oszi40 (Gast)


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>zum scheppern bringen kann durch HF-Reste im Eingangssignal....
Wenn der Ge-NF-Transistor überhaupt gemerkt hat, daß da "HF" war?

Hier ASZ1015 als praktisches Beispiel aus alter Zeit:

Description = Ge PNP Power BJT
V(BR)CEO (V) = 60
V(BR)CBO (V) = 80
I(C) Abs.(A) Collector Current = 6.0
Absolute Max. Power Diss. (W) = 42
h(FE) Min. Static Current Gain = 15
h(FE) Max. Current gain. = 30
@I(C) (A) (Test Condition) = 6.0
@V(CE) (V) (Test Condition) = 1.0
f(T) Min. (Hz) Transition Freq = 200k
Package = TO-3

von faustian (Gast)


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>zum scheppern bringen kann durch HF-Reste im Eingangssignal....
Wenn der Ge-NF-Transistor überhaupt gemerkt hat, daß da "HF" war?


Die Frage ist ob der frequenzlimitierende Faktor hier als Tiefpass oder 
als Integrator wirkt.... Zweiteres ist schlechte Medizin. Oder ich 
verwechsel gerade Miller-Effekt und Miller-Integrator :)

von MaWin (Gast)


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> googel mal "tone bender"


Wozu?

Alle Effekte alter Zeit und noch viele zusätzliche neue
können inzwischen problemlos mit digitalen Effektgeräten
nachgebildet werden,

warum sollte man da desolate Schaltungen aus der Anfangszeit
der Elektronik nachbilden, die teilweise nur aus Pech
funktionierten (z.B. oszillierten manche aus Versehen
wegen schlechtem Aufbau und ergaben erst deswegen den
verzerrten Klang) ?

von faustian (Gast)


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"Wozu?

Alle Effekte alter Zeit und noch viele zusätzliche neue
können inzwischen problemlos mit digitalen Effektgeräten
nachgebildet werden,

warum sollte man da desolate Schaltungen aus der Anfangszeit
der Elektronik nachbilden, die teilweise nur aus Pech
funktionierten (z.B. oszillierten manche aus Versehen
wegen schlechtem Aufbau und ergaben erst deswegen den
verzerrten Klang) ?"


Naja, ein Gitarrenverstaerker ist ja sogesehen ein Musikinstrument, da 
ist solches Denken wohl fehl am Platz....

Ausserdem ist der Selbstbau eben einfacher als ein DSP - und die Sachen 
funktionieren ja nicht schlechter als sie in der 60ern funktioniert 
haben ;)

von Arbeitspferd (Gast)


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Oh wie freute sich die Menschheit, als es den 2N3055 von RCA gab.
Er wurde gefeiert und fast überall eingesetzt, er wurde sogar mit der 
Zeit verbessert und von vielen anderen namhaften Halbleiterherstellern 
produziert.

Aber inzwischen ist eine phänomenale Weiterentwicklung des menschlichen 
Ohres eingetreten welche dazu führte, dass niemand mehr den alten 
Scheissklang dieses Boliden hören will.

f_transit bei Ic 1A : > 0,8 MHz

von T. C. (tripplex)


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Das ist hier kein Esoterik-Forum...

von Jens G. (jensig)


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Slew Rate (Anstiegsgeschwindigkeit) ist ein Begriff aus dem 
Großsignalbetrieb. Da interessiert eigentlich nicht mehr so sehr die 
Tranistfrequenz, die wohl nur für den Kleinsignalbetrieb gilt.
Eigentlich kann man sagen, daß die (verzerrungsfreie) 
Aussteuerungsfähigkeit mit der Frequenz sinkt (bzw. umgekehrt). Das gilt 
für End/Ausgangsstufen eines Verstärkers, wenn die Großsignale 
verarbeiten sollen. Die Eingangs/Vorstufen arbeiten eher im 
Kleinsignalbetrieb, so daß die Slew rate nicht ins Gewicht fällt.
Gut zu sehen in den Datenblättern der meisten OPV, wo ein Unterschied 
zw. Groß- und Kleinsignalbetrieb gemacht wird aus diesem Grunde.

von Jens G. (jensig)


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achja - alte Ge-Transistoren haben idR. deswegen recht bescheidene 
Leistungen, weil deren Entwicklungsstand logischerweise paar Jahrzehnte 
zurück liegen. Heute werden aber wieder vermehrt Bauteile mit Ge 
produziert, und zwar in der höheren HF. Meist kombiniert mit Si 
(SiGe-Teile). Das deswegen, weil Ge nunmal von Natur aus schneller ist 
als Si.

von Herr_Mann (Gast)


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MaWin schrieb:
> warum sollte man da desolate Schaltungen aus der Anfangszeit
> der Elektronik nachbilden, die teilweise nur aus Pech
> funktionierten (z.B. oszillierten manche aus Versehen
> wegen schlechtem Aufbau und ergaben erst deswegen den
> verzerrten Klang) ?

Du spielst aber selber nicht E-klampfe, oder?

von Herr_Mann (Gast)


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oszi40 schrieb:
> Hier ASZ1015 als praktisches Beispiel aus alter Zeit:
>
> Description = Ge PNP Power BJT
> V(BR)CEO (V) = 60
> V(BR)CBO (V) = 80
> I(C) Abs.(A) Collector Current = 6.0
> Absolute Max. Power Diss. (W) = 42
> h(FE) Min. Static Current Gain = 15
> h(FE) Max. Current gain. = 30
> @I(C) (A) (Test Condition) = 6.0
> @V(CE) (V) (Test Condition) = 1.0
> f(T) Min. (Hz) Transition Freq = 200k
> Package = TO-3

f(T) Min. (Hz) Transition Freq = 200k klingt ja nicht so berauschend...

das negativbeispiel in Si von oben 2N3055 hat immerhin ca. 800k...

von Tom (Gast)


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@Herr_Mann:

Wer früher de.sci.electronics gelesen hat, weiß, dass mache Personen 
ausnahmslos alles besser als alle anderen wissen/verstanden 
haben/können und ihre Kenntnisse mitsamt überaus unterhaltsamer Polemik 
gerne an die Dummen der Welt weitergeben. Nach 10 Jahren Ignorieren 
suchen sie sich allerdings einen neuen Wirkungskreis...

mit frohem Gruß,
Tom.

P.S.: Schreibt jemand ein uc.net-Killfile-Plugin für Firefox?

von Herr_Mann (Gast)


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Jens G. schrieb:
> Slew Rate (Anstiegsgeschwindigkeit) ist ein Begriff aus dem
> Großsignalbetrieb. Da interessiert eigentlich nicht mehr so sehr die
> Tranistfrequenz, die wohl nur für den Kleinsignalbetrieb gilt.
> Eigentlich kann man sagen, daß die (verzerrungsfreie)
> Aussteuerungsfähigkeit mit der Frequenz sinkt (bzw. umgekehrt).

kann man diese Größe irgendwie fassbar machen für Ge-ES-Transistoren?


Jens G. schrieb:
> Heute werden aber wieder vermehrt Bauteile mit Ge
> produziert, und zwar in der höheren HF. Meist kombiniert mit Si
> (SiGe-Teile). Das deswegen, weil Ge nunmal von Natur aus schneller ist
> als Si.

Witzig! Gibt es da auch Bipos oder FETs aus SiGe?

von faustian (Gast)


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"das negativbeispiel in Si von oben 2N3055 hat immerhin ca. 800k..."

das ist ein Ur-3055 bzw ein 3055H.

von Anatomiker (Gast)


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Genau, das "H" steht für Homo-Ex-Territorial, wenn ich mich recht 
erinnere.

von faustian (Gast)


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Hometaxial.

Und der Grund bei SiGe ist etwas komplizierter, da geht es wohl eher um 
eine Strained Silicon-Implementation. Was MMICs und ECL-Logik in SiGe 
leisten ist in der Tat beeindruckend. Vermutlich ist da auch kein 
metallisches Indium (der wirkliche Grund warum Ge-Transistoren so 
hitzeempfindlich sind) mehr im Spiel....

von Anatomiker (Gast)


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Ob das der Grund ist?
Ich dachte es sei wegen des Bandabstandes, wie kommt den plötzlich der 
Dotierungsstoff Indium her.

von Wilhelm F. (Gast)


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faustian schrieb:

>Vermutlich ist da auch kein metallisches Indium (der wirkliche
>Grund warum Ge-Transistoren so hitzeempfindlich sind) mehr im
>Spiel....

Der wirkliche Grund, warum Ge hitzeempfindlich ist, sind die niedrig 
schmelzenden verwendbaren Lote der Kontaktierungen bei Ge. Bei höheren 
Temperaturen, diffundieren die in den Halbleiter, und machen ihn 
unbrauchbar.

Der Halbleiter an sich, hält ja bei der Herstellung die hohen 
Temperaturen in Regionen über 1000°C im Diffusionsofen aus. Da liegt 
kein Problem.

von Ohlala (Gast)


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Das ist ja verdammt knifflig gewesen, so kleine Stellen zu löten, wie 
groß darf da die Lötspitze sein. Oder wurde der Kontaktdraht nicht 
einfach mit einem Stromstoß auflegiert?
Der allerwirklichste Grund könnte sein, daß Germanium einen Schmelzpunkt 
und Silicium keinen hat.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Wilhelm Ferkes schrieb:

> Der wirkliche Grund, warum Ge hitzeempfindlich ist, sind die niedrig
> schmelzenden verwendbaren Lote der Kontaktierungen bei Ge.

Die waren aber nicht nur dafür da, dort etwas anzulöten, sondern sie
waren schon da, um zwei Diffusionszonen nahe genug aneinander heran
zu bekommen, und so ein Durchtunneln der Ladungsträger durch die
gesperrte B-C-Diode zu ermöglichen, denn das ist die Voraussetzung
für die Funktion eines Transistors.

Dass man dafür Metalle mit vergleichsweise niedrigem Schmelzpunkt
genommen hat damals lag einfach am Stand der Prozessbeherrschung.
Ja, die Temperaturempfindlichkeit ist dann die Kehrseite davon.

> Der Halbleiter an sich, hält ja bei der Herstellung die hohen
> Temperaturen in Regionen über 1000°C im Diffusionsofen aus.

Germanium-Prozesse waren deutlich niedriger temperiert.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Ohlala schrieb:
> Der allerwirklichste Grund könnte sein, daß Germanium einen Schmelzpunkt
> und Silicium keinen hat.

So ein Humbug.  Natürlich hat Silizium sowohl einen Schmelz- als auch
einen Siedepunkt.  Die Werte kannst du bei Wikipedia nachlesen.  Im
Übrigen werden Silizium-Einkristalle bei der Herstellung einmal
vollständig aufgeschmolzen, damit dann aus der Schmelze der Einkristall
wachsen kann.

Ja, der Schmelzpunkt von Germanium ist ein wenig geringer (1211 K vs.
1683 K), aber beide Schmelzpunkte sind weit von den zulässigen
Dauertemperaturen für Halbleiterbauelemente entfernt.

von Jens G. (jensig)


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Ein weiterer Grund ist, daß Ge deutlich schneller in die Eigenleitung 
übergeht als Si. Das ist vielleicht sogar der überwiegende Grund für die 
niedrige Einsatztemperatur von nur 75-100°C.
Hatte ich mal selbst erlebt, als ich mal vor langer langer Zeit mal mit 
Ge Transistoren einen VErstärker für einen kleinen Lautsprecher bauen 
wollte. Allerdings Class-A, 300mW Transistor (hatte damals noch nicht 
viel Ahnung ;-). Funktionierte sogar irgendwie, aber nach nicht mal 
einer Minute kam keine Musik mehr, und die Membran schien am anschlag zu 
sein. Wenn ich das Ding dann für eine Weile ausschaltete, gings dann 
wieder kurz. Nach einiger Zeit des Rätselns hatte ich mal den Transistor 
angefaßt - auuutsch ... war der heiß. Muß weit über 100°C gewesen sein, 
weil das eine kleine Brandblase hinterließ. Seitdem kannte ich ein 
Beispiel aus der Praxis für die Eigenleitung, und für die Robustheit der 
Ge-Transistoren (war ja nicht kaputt - das hatte der etliche Male 
mitgemacht) ;-)

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Das dürfte einfach ein enormer Anstieg des Reststroms gewesen sein.
Der war ja bei Ge ohnehin 1...3 Größenordnungen über dem von Si-
Transistoren.

von Wilhelm F. (Gast)


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Jens G. schrieb:

>Ein weiterer Grund ist, daß Ge deutlich schneller in die
>Eigenleitung übergeht als Si.

Das war wohl eher eine Folge falscher Schaltungsdimensionierung.

Im Grunde, wird Ge und Si schaltungstechnisch nicht gesondert behandelt.

Jörg Wunsch schrieb:

>Das dürfte einfach ein enormer Anstieg des Reststroms gewesen
>sein. Der war ja bei Ge ohnehin 1...3 Größenordnungen über dem
>von Si-Transistoren.

Nun, soooo hoch sind die Restströme bei Ge auch nicht, daß die da 
Probleme machen.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Wilhelm Ferkes schrieb:
> Nun, soooo hoch sind die Restströme bei Ge auch nicht, daß die da
> Probleme machen.

Ich kann mich zumindest daran erinnern, dass das Thema Reststrom
seinerzeit in jedem Bastelbuch mit erwähnt war, weil man es
zumindest im Auge haben musste, bei höherer Temperatur nehmen
diese Ströme immer massig zu (auch bei Si).

Bei so einem ASZ1015 kann der Reststrom bei Raumtemperatur schon im
Milliamperebereich liegen.

Aber du hast sicher Recht, Jens' Probleme dürften anderer Art
gewesen sein.

von Wilhelm F. (Gast)


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Jörg Wunsch schrieb:

>Bei so einem ASZ1015 kann der Reststrom bei Raumtemperatur schon
>im Milliamperebereich liegen.

Da braucht man aber auch schon 100V, um eine Leistung im 1W-Bereich zu 
erzeugen.

Aus sehr lange gelaufenen Postnetzteilen (alte Telefonanlagen aus den 
1960-ern) habe ich noch einige ASZ18, die sind bis auf die Temperatur 
sogar dem 2N3055 ebenbürtig.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Wilhelm Ferkes schrieb:
> Aus sehr lange gelaufenen Postnetzteilen (alte Telefonanlagen aus den
> 1960-ern) habe ich noch einige ASZ18, die sind bis auf die Temperatur
> sogar dem 2N3055 ebenbürtig.

Nu ja.  Ich habe eben mal einen ASZ1018 ausgegraben (ungarischer
Klon eines ASZ18), der hat bei Uce=20 V ein Ice0 von 6,8 mA und
ein Ices von 0,18 mA (bei Zimmertemperatur).  Ein 2N3055 von
Motorola aus dem Jahr 1974 hat selbst bei 60 V nur um die 10 nA
Reststrom (unterhalb des nutzbaren Anzeigebereichs meiner Strom-
messer), ein Tesla KD503 bringt es auf 14/12 µA.

von Herr_Mann (Gast)


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Jens G. schrieb:
> Funktionierte sogar irgendwie, aber nach nicht mal
> einer Minute kam keine Musik mehr, und die Membran schien am anschlag zu
> sein. Wenn ich das Ding dann für eine Weile ausschaltete, gings dann
> wieder kurz. Nach einiger Zeit des Rätselns hatte ich mal den Transistor
> angefaßt - auuutsch ... war der heiß.

Sowas ist mir auch schon passiert, die Ge-Transistoren gehen verdammt 
gerne thermisch durch, da muss man frühzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen 
und vor allem die Gleichspannung am Ausgang überwachen...

Ansonsten funktioniert Eintakt-A bei Lautsprechern mit hohem 
Wirkungsgrad erstaunlich gut, wenn man den LS mit höchstens einem 
viertel der Nennlast "vorspannt". Geht dann völlig ohne AÜ.

von Michael_ (Gast)


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>1960-ern) habe ich noch einige ASZ18, die sind bis auf die Temperatur
>sogar dem 2N3055 ebenbürtig.
Das war wohl mehr auf die Leistung bezogen.
Das ist aber sehr optimistisch!
Der ASZ1018   80V, 6 A, 22 W.
Den Hitzetot haben die aber wegen dem Reststrom trotzdem nicht erlitten.

von Jens G. (jensig)


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@Jörg Wunsch (dl8dtl)

>Das dürfte einfach ein enormer Anstieg des Reststroms gewesen sein.
>Der war ja bei Ge ohnehin 1...3 Größenordnungen über dem von Si-
>Transistoren.

hmmm - kommt jetzt drauf an, wie man Reststrom definiert ...

Grade nochmal einen Test gemacht, mit einem GC100.
+ an E, - an C, Basis offen. Bei rund Uce=14V  11µA Rest bei Zimmertemp.
Dann Lötkolben ran ans Gehäuse - innerhalb weniger Sekunden schnellt der 
auf mA hoch, und wenn man den auf "sehr heiß anfühlende Temperaturen" 
angehoben hat (aber keine Brandblasengefahr), ist man lässig bei ein 
paar 10mA - dann ist er selbstheizend ;-)
Dann mal seinen größeren Bruder GC301 genommen (das ist der, den ich 
damals genommen hatte). 313µA bei Raumtemperatur, und lässig auf 50mA 
"hochgeheizt"
Mit geschlossener Basis (an E) sind die Kaltresttröme deutlich niedriger 
(Faktor 10-20 bei beiden), trotzdem habe ich den 301 auf 50mA bekommen, 
ohne es zu übertreiben.
Also ich würde mal behaupten, die sind in erster Linie wegen der 
Eigenleitung für höhere Temperaturen ungeeignet, nicht so sehr wegen der 
Selbstzerstörung (das vielleicht auf lange Sicht auch).
Ich hatte 220Ohm Serien-R - also noch keine Selbstzerstörungsgefahr ;-)
Die Indiumpille ist da übrigens noch lange nicht am Schmelzen oder 
weiterdiffundieren.

von Jens G. (jensig)


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Michael_ (Gast)

> Den Hitzetot haben die aber wegen dem Reststrom trotzdem nicht erlitten.

Solange wie die Kühlung ausreichend ist, ist es auch kein Problem. Aber 
wie  Herr_Mann schon sagte, aufgrund dieser Effekte kann ein 
Ge-Transistor gerne mal thermisch durchgehen, weil er dann bei 
entsprechender elektrischer Energiezufuhr (Strom) sozusagen 
selbsthaltend/-erhöhend wird, was dessen Temperatur angeht. Wenn 
Pzu>=Pab, dann haben wir den Punkt der Selbstheizung durch 
Eigenleitung/Reststrom erreicht

von Michael_ (Gast)


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Deshalb wurde damals sehr viel Wert auf die Temperaturkompensation in 
der Schaltung gelegt. Bei Si wurde das vernachlässigt, was man an den 
neuen Billigradios erkennen kannst. Da läuft im Sommer die Frequenz weg 
wie nichts.
Und Jens G., die Schaltungen waren für normale Temperaturen bis 60°C 
ausgelegt und nicht für Killerexperimente mit dem Lötkolben.
Die wollten zart und liebevoll behandelt werden.

von Wilhelm F. (Gast)


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Jörg Wunsch schrieb:

>Nu ja.  Ich habe eben mal einen ASZ1018 ausgegraben
>(ungarischer Klon eines ASZ18), der hat bei Uce=20 V
>ein Ice0 von 6,8 mA und ein Ices von 0,18 mA (bei
>Zimmertemperatur).

Da ich die ASZ18 gerade nicht messen kann, da in einer Schaltung 
eingelötet, hab ich gerade noch 2 neue AD139 (3A-Typen) zur Hand:
Bei Uce=16V messe ich 0,6mA bei beiden. Aber auch ohne Kühlkörper, 
entsteht da nach längerer Zeit keinerlei Eigenerwärmung.

Ich werde ähnliches auch noch mit ein paar AC-Typen versuchen.


Michael_ schrieb:

>Das ist aber sehr optimistisch!
>Der ASZ1018   80V, 6 A, 22 W.

Huch, ganz andere Daten als meine!
Der ASZ18 ist bei mir mit 60V, 10A, 30W, angegeben. Philips, Valvo, 
Tungsram. Altes ECA-Datenbuch von 1991. Das ist ja doch nicht so ganz 
weit vom 2N3055 entfernt. Der Anwendungsbereich wird der gleiche sein.

Interessant wäre noch, ab wann der ASZ18 gefertigt wurde. Für damalige 
Verhältnisse waren die Daten doch beachtlich.

>Und Jens G., die Schaltungen waren für normale Temperaturen bis
>60°C ausgelegt und nicht für Killerexperimente mit dem Lötkolben.

Zur Zeit meiner Ausbildung wurde sehr viel Wert darauf gelegt, daß man 
Bauteilanschlüsse beim Einlöten grundsätzlich mit der Spitzzange kühlt. 
Besonders Selen war schnell gekillt, das Zeug war übelst nachtragend.


Jens G. schrieb:

>Dann Lötkolben ran ans Gehäuse - innerhalb weniger Sekunden
>schnellt der auf mA hoch,

Hab das gerade mal mit den oben genannten AD139 gemacht. Kurz das 
Feuerzeug aus etwas Entfernung dran, fühlte sich nach etwa 40-50°C an. 
Von 0,6mA stieg der Reststrom tatsächlich auf 1,2mA, also das doppelte.

Da bleiben nur Schaltungsmaßmahmen wie Gegenkopplung. In älteren 
Musikendstufen waren oft auf dem Kühlkörper aufgeklebte PTC in den 
Emitterkreis gekoppelt, auch bei Silizium, weil die normale 
Gegenkopplung nicht ausreichte.

von Herr_Mann (Gast)


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Jens G. schrieb:
> Also ich würde mal behaupten, die sind in erster Linie wegen der
> Eigenleitung für höhere Temperaturen ungeeignet, nicht so sehr wegen der
> Selbstzerstörung (das vielleicht auf lange Sicht auch).

Heißleiter als Basisableitwiderstand (BE-Strecke) war bei Ge-Endstufen 
Pflicht, wenn man sich ältere Schaltpläne anschaut...

von Wilhelm F. (Gast)


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Herr_Mann schrieb:

>Heißleiter als Basisableitwiderstand (BE-Strecke) war bei
>Ge-Endstufen Pflicht, wenn man sich ältere Schaltpläne
>anschaut...

Ob NTC oder PTC, je nach Schaltung, die fand ich auch in älteren 
Si-Endstufen.

von Herr_Mann (Gast)


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Wilhelm Ferkes schrieb:
> die fand ich auch in älteren
> Si-Endstufen.

echt! hab ich bei si noch nie gesehen, bloß thermische kopplung zw. 
halbleiter für ruhestrom/basisschwellspannung (z.b. si-diode) und dem 
entsprechenden ES-transistor...

könnte man Ge-Transistoren nicht auch irgendwie mit einem Ge-Halbleiter 
thermisch stabilisieren??? (Ge-Diode fällt ja wohl eher flach für die 
Anwendung...)

von Jens G. (jensig)


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@  Michael_ (Gast)
>Und Jens G., die Schaltungen waren für normale Temperaturen bis 60°C
>ausgelegt und nicht für Killerexperimente mit dem Lötkolben.
>Die wollten zart und liebevoll behandelt werden.

Nun, ich gebe ja zu, daß Lötkolbentemperaturen nicht unbedingt zu den 
bevorzugten Lebensbedingen der Ge-T's gehören, aber so killend (oder 
grillend) waren die Temperaturen auch wieder nicht - ist ein Lötkolben, 
bei dem man eine "Standby"-Temperatur einstellen kann, und erst, wenn 
man auf's Knöpfchen drückt, legt der erst richtig los. Letztere 
Betriebsart habe ich nicht benutzt für den Test, sondern nur Standby, 
und die liegt so bei 180-200°C lt. Skala (kann ungefähr hinhauen, denn 
Lötzinn schmilzt da sehr widerwillig). Und wenn man nur ein paar 
Sekunden den Lötkolben ranhält mit relativ "trockener" Spitze, dann ist 
das Grillgut noch nicht besonders gut durch. Trockene Lötspitze heist, 
schlechter Wärmeübergang. Brandblasen hat man sich nicht am Transistor 
geholt, also ich schätze mal um die 100°C (ein Topf kochendes Wasser 
fühlt sich schon heiser an).
Generell habe ich den Eindruck, daß im normalen, zugelassenen 
Temperaturbereich die Stromzunahme noch nicht allzu dramatisch ist, aber 
wenn mann sich so langsam den 100°C nähert, oder darüber, scheint es 
deutlich überproportional zu zunehmen. Wilhelm Ferkes Test mit dem AD139 
mit 40-50°C war also wirklich nur ein Streicheln

von Ohlala (Gast)


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Hallo Jörg Wunsch,

total besch... was ich da schrieb am 04.03.2010 23:06, habe das mit SiC 
verwechselt.

von Wilhelm F. (Gast)


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So, die Messung von Restströmen heute nochmal mit anderen Transistoren:

Alles bei Uce=16V:

Typ:          BC547   AF105  AC150  AD139  2SB22  2SB178
Halbleiter:   Si      Ge     Ge     Ge     Ge     Ge
Ice(20°C):    0,0µA   0,1mA  0,3mA  0,6mA  1,0mA  1,0mA
Ice(50°C):    0,2µA   5,0mA  5,0mA  1,2mA  5,0mA  5,0mA
Ice(100°C):   1,0µA   ---    ---    ---    ---    ---


Die alten Ge-Transistoren sind alle original, kein Retro bzw. Nachbau. 
Allerdings größtenteils aus Altgeräten ausgebaut. Die dienen bei mir nur 
noch zu Testzwecken, wie jetzt hier. Ist mal ganz nett sowas.

Der AF105 ist der letzte Spitzentransistor aus schwarz lackiertem Glas 
in meinem Besitz, Herstellung etwa Ende der 1950-er.


So, jetzt kann man guten Gewissens sagen, der Jens hat Recht!!!

Ohne Strombegrenzung wären mir die Ge-Kleintransistoren beim Erwärmen in 
einer Art Lawineneffekt schnellstens verglüht! Einzig den AD139 konnte 
nichts beeindrucken, die Si-Typen sowieso nicht.

Bei BC547 hab ich schon erlebt, daß sie sich selbst aus einer 
absichtlich schlecht dimensionierten Schaltung auslöteten, und nicht 
defekt waren. Ein Radio- und Fernsehtechniker sprach mal von einer Serie 
Discman, in dem sich ICs selbst auslöteten...

Was ich bedrohlich fand, ist, daß die Kleintransistoren eher höhere 
Leckströme haben als der Leistungstransistor.

Ich erinnere mich aber gerne noch daran, daß unsere Ge-bestückten 
Kofferradios und Autoradios in den 1960-er Jahren immer tadellos 
funktionierten, egal ob im Winter im ungeheizten Raum, als auch im 
Sommer in praller Sonne. Die Schaltungsdesigner hatten schon einiges 
drauf.

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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Wilhelm Ferkes schrieb:
> Bei BC547 hab ich schon erlebt, daß sie sich selbst aus einer
> absichtlich schlecht dimensionierten Schaltung auslöteten, und nicht
> defekt waren. Ein Radio- und Fernsehtechniker sprach mal von einer Serie
> Discman, in dem sich ICs selbst auslöteten...

Auch Elektronikteile sind Lebewesen mit Selbsterhaltungstrieb.
Wenn's ihnen zu brenzlig wird, suchen sie einfach das Weite :)

von Michael_ (Gast)


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>Huch, ganz andere Daten als meine!
>Der ASZ18 ist bei mir mit 60V, 10A, 30W, angegeben. Philips, Valvo,
>Tungsram. Altes ECA-Datenbuch von 1991. Das ist ja doch nicht so ganz
>weit vom 2N3055 entfernt. Der Anwendungsbereich wird der gleiche sein.
Na, der 3055 im gleichen Gehäuse (TO3)hat:
20/15A 100V 120W -- Das ist eine andere Liga!
>das Grillgut noch nicht besonders gut durch. Trockene Lötspitze heist,
>schlechter Wärmeübergang. Brandblasen hat man sich nicht am Transistor
>geholt, also ich schätze mal um die 100°C (ein Topf kochendes Wasser
>fühlt sich schon heiser an).
>Generell habe ich den Eindruck, daß im normalen, zugelassenen
>Temperaturbereich die Stromzunahme noch nicht allzu dramatisch ist, aber
>wenn mann sich so langsam den 100°C nähert, oder darüber, scheint es
>deutlich überproportional zu zunehmen. Wilhelm Ferkes Test mit dem AD139
>mit 40-50°C war also wirklich nur ein Streicheln
Das Grillgut GE-Transistor hat aber eine max. Sperrschichttemperatur von 
etwa 60°C ! Nichts mit 100°C oder ähnlich!!

von Jens G. (jensig)


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@ Michael_ (Gast)
>Das Grillgut GE-Transistor hat aber eine max. Sperrschichttemperatur von
>etwa 60°C ! Nichts mit 100°C oder ähnlich!!

ja - eben wegen den Leck/Restströmen als ein Grund, die dann z.T. 
unbeherrschbar bzw. sehr störend werden. 60°C ist aber nur bei 
empfindlichen Naturen ein Problem. Es gibt auch welche, die 100°C 
mitmachen (2SB151/152 - 
http://www.datasheetarchive.com/2SB178-datasheet.html#), aber auch 
welche, die nur 55°C offiziell mitmachen. Ich glaube aber nicht, daß die 
bei 55°C einfach so kaputt gehen - werden wohl auch nur die Kennwerte 
sein, die dann oberhalb 55°C nicht mehr garantiert werden können (bzw. 
unbrauchbare Werte annehmen).

@
>Ich erinnere mich aber gerne noch daran, daß unsere Ge-bestückten
>Kofferradios und Autoradios in den 1960-er Jahren immer tadellos
>funktionierten, egal ob im Winter im ungeheizten Raum, als auch im
>Sommer in praller Sonne. Die Schaltungsdesigner hatten schon einiges
>drauf.

Stimmt schon, aber Koferradios liefen meist bei nur 9V, und dann hatten 
die T's in der Regel Collector/Emitter-Widerstände, die die Uce nochmals 
reduzierten, und so denke ich mal, daß bei niedrigerer Spannung generell 
der Irest niedriger waren. Und durch Gegenkopplungen ließen sich diese 
Effekte ja z.T. kompensieren.
Es wäre aber mal interesant gewesen, bei solch einem Gerät mal die 
Verschiebung der Arbeitspunkte zu beobachten ;-)

von Jens G. (jensig)


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@ Ohlala

>total besch... was ich da schrieb am 04.03.2010 23:06, habe das mit SiC
>verwechselt.

Auch wenn Du das verwechselt haben solltest, war die Logik in deiner 
Antwort etwas daneben. Auch wenn SiC keinen Schmelzpunkt hat, sondern 
nur einen Zersetzungspunkt bei irgendwas über 2000°C, ist es nicht 
unkaputtbar. Zweitens sind die Schmelz/Zersetzungspunkte nicht der Grund 
für die thermische Beschränktheit der Halbleiter. Die Probleme fangen 
schon weit vorher an ...

von faustian (Gast)


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#AF105 ... Spitzentransistor ...

Sicher dass man zu der Zeit noch Spitzentransistoren gebaut hat (die 
wiederum interessant sind da Alpha > 1 !)?

von Wilhelm F. (Gast)


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Michael_ schrieb:

>Na, der 3055 im gleichen Gehäuse (TO3)hat:
>20/15A 100V 120W -- Das ist eine andere Liga!

Ich meinte etwa die Größenordnung und den Einsatzbereich, nicht das 
letzte Watt. In vielen Schaltungen, würde man ASZ18 und 2N3055 durchaus 
gegeneinander tauschen können, wenn man die Polarität mal außer Betracht 
läßt. Die meisten (zuverlässigen) Anwendungen, in denen ich die beiden 
Transistoren sah, werden bei weitem nicht in der Nähe der Maximaldaten 
betrieben, sondern eher mit Strömen um 1-2A, und da haut das hin! Oft 
sind es einfach nur Netzteile mit z.B. 15W Leistung.

Bei Anwendungen wie der Audio-Endstufe, wo man oft das letzte Watt 
heraus kitzelt, und die Transistoren bis an die Leistungsgrenze gefahren 
werden, hast du sicher Recht.

Daß man zu Germaniums-Zeiten die Leistungsfähigkeit nicht beherrscht 
haben sollte, dazu hab ich die Tabelle nochmal gewälzt: Bei TO3-Gehäuse 
liegt der ASZ18 sogar nur im unteren Mittelfeld. Ich fand da z.B. noch 
den 2N5440 mit 140V, 60A, 120W, 110°C. Um die Wärmeableitung zu 
bewerkstelligen, hat der sogar nur ein halb so großes RthG wie der 
2N3055. Da scheint der Kristall etwas größer zu sein.

Es ist aber zu erkennen, daß die Ge-Leistungstransistoren >15A durchweg 
aus den USA kamen.


Jens G. schrieb:

>Es wäre aber mal interesant gewesen, bei solch einem Gerät
>mal die Verschiebung der Arbeitspunkte zu beobachten ;-)

Laß dich da mal nicht täuschen! Der Reststrom ist ein einziger 
Parameter, der bei Ge etwas auffällig wurde. Auch bei Si hat man 
ansonsten in gleicher Weise temperaturabhängige 
Arbeitspunktverschiebungen wie bei Ge.


faustian schrieb:

>#AF105 ... Spitzentransistor ...

>Sicher dass man zu der Zeit noch Spitzentransistoren gebaut hat

Mag sein, daß du Recht hast. Bei ähnlich alten Stücken (OC44, OC45) fand 
ich die Bezeichnung "Flächentransistor in Allglastechnik". Am 50 Jahre 
alten Museumsstück möchte ich jetzt nicht den Lack abkratzen, um 
nachzusehen. ;-)

>(die wiederum interessant sind da Alpha > 1 !)?

Wie kommt denn das zustande?

Es ist allenfalls so zu erklären, daß in früheren Zeiten die 
Stromverstärkung mit Alpha anstatt Beta angegeben war. Alpha hat da noch 
einen Index, z.B. e für Emitterschaltung, und hat die selbe Bedeutung 
wie heute Beta.

Ansonsten kann Alpha rechnerisch nur kleiner als 1 sein.


Übrigens, weiß denn jemand, ob heute noch Ge-Transistoren gefertigt 
werden? Oder gibt es die nur noch aus Altbeständen?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Wilhelm Ferkes schrieb:
> Es ist allenfalls so zu erklären, daß in früheren Zeiten die
> Stromverstärkung mit Alpha anstatt Beta angegeben war.

Nein, alpha ist die Verstärkung in Basisschaltung.

von Wilhelm (Gast)


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Jörg Wunsch schrieb:

>Nein, alpha ist die Verstärkung in Basisschaltung.

Schon richtig.

In meinem Valvo-Röhrenhandbuch (mit den ersten Transistoren) von 1960 
gab es nur die Bezeichnung Alpha mit Indizes. Mit Alpha(e) war durchaus 
Beta gemeint, aber das kannte da noch niemand.

Ich hab das heute noch mal verifiziert, um sicher zu gehen.

von Michael_ (Gast)


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>In meinem Valvo-Röhrenhandbuch (mit den ersten Transistoren) von 1960
>gab es nur die Bezeichnung Alpha mit Indizes. Mit Alpha(e) war durchaus
>Beta gemeint, aber das kannte da noch niemand.
Es kann aber auch unkorrekt sein. Alpha wird definiert als Verhältnis 
von Kollektorstrom zu Emitterstrom, also Basisschaltung (1962).
Und 1962 werden auch schon die heute üblichen h-Parameter genannt. 
Vielleicht war das noch nicht zu den "Röhrenfritzen" vorgedrungen.
>#AF105 ... Spitzentransistor ...
Das war eindeutig ein Flächentransi, da er nach dem neuen 
Bezeichnungschema benannt wurde. Die OC... Ära war beendet.
Und noch etwas zu den Leistungstransis, die GE hatten 200 KHz und die SI 
hatten 2,5 MHz. Es war doch eine andere Liga, vor allem in der 
Verstärkertechnik.

von Wilhelm (Gast)


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Michael_ schrieb:

>Es kann aber auch unkorrekt sein. Alpha wird definiert als
>Verhältnis von Kollektorstrom zu Emitterstrom, also
>Basisschaltung (1962).

In meinem alten Valvo-Buch von 1960 eben nicht. Siehe oben.

>Und 1962 werden auch schon die heute üblichen h-Parameter genannt.

Nein, schon 1960.

H-Parameter, Vierpol, Ersatzschaltung, sind dort schon ausgezeichnet 
beschrieben. Und es gibt Alpha(e), womit das heutige Beta gemeint ist, 
und Alpha(b), womit tatsächlich das heutige Alpha gemeint ist. Die 
Umrechnungsformeln von Alpha (Alpha(b) nach Beta (Alpha(e), sind die 
selben wie auch in neuester Literatur.

Valvo war zu der Zeit einer der namhaftesten Röhren- und 
Halbleiterhersteller. Warum sollte da was nicht stimmen?

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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Die Bezeichnungen alpha_B und alpha_E für die Stromverstärkung in Basis-
bzw. Emitterschaltung scheinen auch heute noch von manchen benutzt zu
werden:

  https://www.u-cursos.cl/ingenieria/2009/2/EL41A/1/foro/?offset=4&id_mensaje=1446006

(s. Beitrag von Guillermo Campusano  02/11/09 a las 01:05 hrs.)

von Michael_ (Gast)


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>Valvo war zu der Zeit einer der namhaftesten Röhren- und
>Halbleiterhersteller. Warum sollte da was nicht stimmen?
Aus Sicht von VALVO zu dieser Zeit sicher. Aber dann zu etwa diesem 
Zeitpunkt hat sich eine Vereinheitlichung (IEC?) durchgesetzt, die bis 
heute gültig ist. Bis auf wenige Ausnahmen, siehe Spanien?, Portugal? .
In der Anfangszeit der Halbleiter wurde das Diodensymbol auch in 
verschiedener Polarität gezeichnet. Also Vorsicht mit Schaltungen von 
1955!
Valvo hat sich auch angepasst, B- Gleichstromverstärkung/Emitter, Beta- 
Kleinsignalstromverstärkung/Emitter bei kurzgeschl. Ausgang (Prospekt 
1985).

von Wilhelm (Gast)


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Michael_ schrieb:

>Aber dann zu etwa diesem Zeitpunkt hat sich eine
>Vereinheitlichung (IEC?) durchgesetzt, die bis
>heute gültig ist. .... Also Vorsicht mit Schaltungen
>von 1955!

Normen und deren Durchsetzung sind immer nur so gut, wie sich jemand 
daran hält. Wo kein Kläger, da kein Richter. Es könnte auch heißen: 
Vorsicht vor Schaltungen von 2010. Mit unterschiedlichen Symbolen muß 
man auch heute umgehen, denn man bewegt sich ja in weltweiter Materie.

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