Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Lineare KSQ in KFZ normal?


von Marco F. (Gast)


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Hallo Gemeinde,

ich hatte vor kurzem das Glück und konnte in Fulda die RettMobil 
besuchen (internationale Fachmesse rund um den Rettungsdienst).

Natürlich durften da auch diverse Firmen für LED Sondersignalanlagen und 
LED Strahlern (für das Fahrzeug) nicht fehlen.

Was mir da aber aufgefallen ist, ist das scheinbar selbst solche 
erfahrenen Firmen wie Hella oder auch Technodesign für ihre 
Sondersignalanlagen und LED-Strahler scheinbar "Lineare" 
Konstantstromquellen benutzten. Warum das so ist, konnte mir natürlich 
keiner von den Ständen sagen (war ja auch keine Technikmesse ;-)

Klar kann ich mir vorstellen, das eine rein analoge Stromquelle ggf. 
Vorteile wie weniger Stöhrausstrahlung und die ggf auch günstigeren 
Bauteile als grund haben könnte.
Aber andererseits haben diese doch sicherlich auch Ihre Nachteile, wie 
z.B. Schwankungen im Stromnetzt (Starten der Motoren, schwacher 
Akku,...) oder die vergrößerte Wärmeabgabe (ich meine ich habe meist 
immer nur 2 LEDs je Treiber sehen können - also enorm viel Abwärme...)

Ich hätte jetzt z.B. Cuk Wander oder Sepik Wandler erwartet, da ja 
hiermit flexibler auf die Eingangspannung und Verlustleitung reagiert 
werden kann.

Kann mir das vielleicht jemand erklären oder kommt ggf. aus der Branche 
und kann aus Erfahrungen berichten?

Ich frage nicht nur aus privater Natur, sondern arbeite auch in einem 
Unternehmen, das Elektronikentwicklung als Dienstleistung anbietet. 
Hierbei wollen meist die Kunden immer "geschaltete" Elektronik da ja 
kein Platz für Abwärme da ist und es scheinbar ein "Up To Date" Trend 
oder einfach nur Chic ist...

Grüße und Dank
Marco

: Verschoben durch Admin
von Christian (Gast)


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Hallo,

einige Antworten hast du ja schon genannt, nämlich Störausstrahlung und 
Preis. Und das sind auch die zwei wichtigsten Gründe. Die EMV Grenzen 
der Automobilindustrie sind eng, da hast du mit getakteten Netzteilen 
oftmals ein Problem (eigene Erfahrung). Und die Kosten für 
Entwicklung(!) und Serienprodukt sind dann schließlich die 
Verkaufsargumente. Warum sollte ein Kunde bei Firma A kaufen, die zwar 
ein Schaltnetzteil drinnen hat und damit effizienter arbeitet, wenn bei 
Firma B das ganze Produkt wesentlich billiger ist. Über die 
Produktionszahlen bei diesen Sonderfahrzeugen kannst du ein effizientes, 
schaltendes Konzept nie reinholen.

von Falk B. (falk)


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@  Christian (Gast)

>Preis. Und das sind auch die zwei wichtigsten Gründe. Die EMV Grenzen
>der Automobilindustrie sind eng, da hast du mit getakteten Netzteilen
>oftmals ein Problem (eigene Erfahrung).

Stimmt. Möglicherweise auch ein Grund, warum diese unsinnigen, per PWM 
gesteuerten Rücklichter erfunden wurden, welche dann im Vorbeifahren 
schön flimmern ;-)

> Und die Kosten für
>Entwicklung(!) und Serienprodukt sind dann schließlich die
>Verkaufsargumente.

Sicher, aber sowas baut man gerade für kleine Stückzahlen NICHT neu, 
sondern kauft ein.

>Produktionszahlen bei diesen Sonderfahrzeugen kannst du ein effizientes,
>schaltendes Konzept nie reinholen.

Eben, siehe oben.

MFG
Falk

P S Vielleicht liegt es aber auch an den noch härteren Bestimmungen für 
Medizintechnik. Da bekommt man möglicherweise graue Haare, ehe man da 
was zertifiziert bekommt.

von Marco F. (Gast)


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Ja aber wenn ich alleine an die Abwärme denke...
Die "Elektronik" sitzt in einer z.B. dunkel blauen Abdeckung auf dem 
Dach. Das ganze im Sommer bei direkter Lichteinstrahlung und "kocht 
sichlerlich so schon bei 60 - 70°C vor sich hin. Wenn man da dann noch 
die Verlustleistung im betrieb mit aufaddiert ist man sicherlich schnell 
mal in einem Bereich, der außerhalb von 100°C liegt.
Aber Okay, sogar die LEDs würden so schon nur im nicht zulassigen 
Bereich liegen und das ohne das sie "leuchten"...

Kannst du mir vielleicht etwas zu der MTBF Berechnung im KFZ unabhängig 
vom Ausgangsthema erzählen? Ich denke ja, das die Elektronik in einem 
KFz nicht sehr alt werden muss. Meine sehr grobe Vermutung liegt bei 
10-15 taused Stunden...

von Marco F. (Gast)


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Aja, da fällt mir gerade noch etwas interessantes ein.
Bei dem aktuellen Hella Leuchtbalken wird das Blaulich über scheinbar 
zig PLCC2 LEDs erzeugt und nicht, wie bei vielen (meist italiänischen 
Produkten) über High Power LEDs (sahen oft wie Osram Gold Dragon aus) 
realisiert.
Wohl auch ein Zugeständniss an die verluste der Treiber. Lieber öfter 
kleine Verluste als ein mal einen Riesenverlust

von Christian (Gast)


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@ Falk
Bei der PWM-Ansteuerung ist das Ziel, eine konstante Helligkeit, 
unabhängig von der Bordnetzspannung zu erzeugen. Das Problem mit dem 
Flimmern ist eben die geringe Frequenz (200, wenns viel ist 400Hz). Mit 
dieser geringen Frequenz liegts du weit außerhalb des Störspektrums.
Bei einem Schaltnetzteil, für eine LED-Kette bin ich schon im kHz 
Bereich und damit bereiten dir die Harmonischen schon graue Haare, vor 
allem wenn das ganze in der Nähe einer Antenne sitzt.

Die Verwendung einzelner kleiner Konstantstromtreiber ist sicherlich 
auch ein Tribut an die Bordnetzanforderungen, schließlich soll das ganze 
von minimal 9V (oder weniger) bis zu fast 30V (im Fehlerfall oder sog. 
JumpStart) arbeiten.
Ein großer Treiber mit viel Verlustleistung büßt sicherlich auch einiges 
an Lebensdauer ein. Da sind dann mehrere Treiber, auch aus 
Redundanzgründen, zuverlässiger.

Zu den Temperaturen: 105°C sind Standard bei Automobilelektroniken, und 
wenns was besonders ist, dann werdens auch mal gerne 120°C.

Noch ein Wort zu den oben genannten 200Hz bei der z.B. 
Rücklichtansteuerung. Mehr wollen die Steuergerätehersteller nicht 
hergeben, da Schaltverluste und durchaus Software-PWM und damit µC 
Rechenzeit. Bevor das HW-PWM Argument kommt: Wieviele Hardwarekanäle hat 
der µC, der bei euch auf dem Schreibtsch liegt?

von Falk B. (falk)


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@  Christian (Gast)

>Bei der PWM-Ansteuerung ist das Ziel, eine konstante Helligkeit,
>unabhängig von der Bordnetzspannung zu erzeugen.

Schon klar.

>Bei einem Schaltnetzteil, für eine LED-Kette bin ich schon im kHz
>Bereich und damit bereiten dir die Harmonischen schon graue Haare, vor
>allem wenn das ganze in der Nähe einer Antenne sitzt.

Mag sein, nichts desto trotz ist es ein in meinen Augen schlechter 
Kompromiss.

>Ein großer Treiber mit viel Verlustleistung büßt sicherlich auch einiges

Wie kommst du auf einen großen Treiber mit viel Verlustleistung?

>an Lebensdauer ein. Da sind dann mehrere Treiber, auch aus
>Redundanzgründen, zuverlässiger.

Sicher.

>Rechenzeit. Bevor das HW-PWM Argument kommt: Wieviele Hardwarekanäle hat
>der µC, der bei euch auf dem Schreibtsch liegt?

Es gibt Controller mit ner ganzen Menge HW-PWMs, 6++. Es gibt clever 
Soft-PWM, die SEHR wenig Rechenzeit schluckt. Und gerade im 
Automibilbereich mit seinen immensen Stückzahlen, rechnen sich 
anwendungsbezogen entwickelte Controller/ASICs. Die gibt es jetzt schon.

MFG
Falk

von Marco F. (Gast)


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Macht es denn Sinn, z.B. eine LED-Bremsleuchte mit lauter einzelnen PWMs 
zu regeln? Ich hätte jetzt alle LEDs einer Bremsleuchte mit nur einem 
PWM versorgt. Und dann würden auch die HW-PWMs reichen wenn man je 
"Rücklichtbaugruppe" einen kleinen µC nimmt. Die haben relativ oft schon 
2 und mehr kanäle (wenn man sich z.B. die Automotiv µC von Atmel (Tinys) 
ansieht) und ich denke solch einen Tiny kann man ganz getrost jeder 
Baugruppe spendieren. Wobei einige sogar noch eine PLL für schnelleres 
PWM haben (z.B. ATtiny45).

von Christian (Gast)


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@ Falk
Ich bin voll bei deiner Argumentation. Allerdings kenne ich genau dieses 
Problem aus der eigenen Erfahrung, darüber hab ich damals sogar meine 
Diplomarbeit geschreiben.

- Fakt ist jedoch, dass 6 oder auch 10 Hardware-PWMs nicht reichen, 
Frontlicht L + R, Blinker L + R, NebelscheinwerferL + R, 
Innenbeleuchtung, Schaltersuchbeleuchtung (mehrere Kanäle), 
Schalterfunktionsleuchte (=Anzahl der Schalter). Wären also schon was 
weiß ich wie viele.
Bei der Soft-PWM gibts auch wieder klasse Ansätze, zweite µC Kern, siehe 
Freescale. Bei aber etwa 50 PWM-Kanälen mit 200Hz Ansteuerung und einer 
Auflösung von 1% bist du bei einer Deltazeit von 50µs!
Und das mit den ASICs oder kundenspezifischen µCs gibts natürlich auch, 
kenne da einen ganz großen im Geschäft, der sich seinen eigenen 
speziellen µC zusammennageln läßt, das geht dann aber nur wenn richtige 
Stückzahlen dahinter stehen.

- zu der großen Verlustleistung bei einem Treiber, mein Gedankengang:
lineare Reglung -> es können etwa nur 3 LEDs + R hintereinander 
geschaltet werden, dafür müssen dann aber mehrere dieser Ketten parallel 
hängen => großer Strom und die Verlustleistung steigt dann eben genau 
damit an.

- zu der EMV-Problematik: sag das mal den OEMs, ich habe demnächst 
wieder eine Messung in Sindelfingen...

@ Marco
Eine Bremsleuchte ist was superkritisches. Da kannst nicht alles an 
einen Treiberport hängen. Du mußt die LEDs in Gruppen ansteuern, evtl. 
noch einen Hardwaredurchgriff vorsehen usw.
Ich hab jetzt leider Ahnung, ob die Tinys automotivetauglich sind (also 
AECQ), aber prinzipiell könnte man das ganze natürlich so aufbauen.

von Falk B. (falk)


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@  Christian (Gast)

>Eine Bremsleuchte ist was superkritisches. Da kannst nicht alles an
>einen Treiberport hängen. Du mußt die LEDs in Gruppen ansteuern, evtl.
>noch einen Hardwaredurchgriff vorsehen usw.

Wenn ich das alles so lese, frage ich mich, was der ganze LED-Wahnsinn 
am Ende gebracht hat? Bzw. der ganze Elektronik und CAN-Bus Wahnsinn?
Früher, als alles viel besser war ;-), habs Glühlampen, ein Stück Draht, 
mechanischer Schalter, fertig. Konnte jeder Hauptschüler reparieren.

Heute gibt es 32 Bit Mikrocontroller, CAN-Bus, PWM-gesteuerte LEDs und 
was weiss ich, und alles macht TIERISCH Aufwand.

Blinkerrelais gibt es nicht mehr, wird per uC ein Geräusch erzeugt. 
Blinker mit LEDs werden per PWM gedimmt, um das "weiche" Schalten der 
Glühlampe zu imitieren. Bremslichter werden wer weiß wie aufwändig 
überwacht.

Klingt für mich alles nach Technokratie. Probleme lösen, die vorher 
nicht da waren.

MFG
Falk

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