Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Auslegung eines Transistors


von Denglmann (Gast)


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Hallo Leute!

Für eine Leistungsendstufe musste ich berechnen, welcher Transistor 
diese Leistung aufbringen kann. Mittlerweile hab ich einen Typ gefunden, 
der seitdem erfolgreich seine Dienste leistet. Aber:
Wenn ich versuche, die Verwendung dieses Typens 100% zu rechtfertigen, 
dann stoße ich auf Ungereimtheiten.
Anwendung: Ansteuerung eines Piezos (kapazitive Last), Stromverlauf also 
exponentiell, Peakstrom(beim Laden, quasi für unendlich kurze Zeit): ca. 
38A
Transisitor: MJL21193

1. Peakcurrent: Der Herstelle gibt hier für IC 30A für 5us an.Die Frage 
ist: Was bringt die Angabe ohne die Spannung Uce und damit die 
Verlustleistung?
Wie soll ich jetzt damit umgehn? Mein erster Ansatz war über meinen 
Strom die ersten 5us zu mitteln und zu zeigen, dass man weit unter 30A 
liegt. Allerdings ist hier die Zeit in dem kein Strom fließen darf nicht 
berücksichtigt. Der Hersteller sagt ja: 5us Peakcurrent mit 10% 
Duty-Cycle!

2. SOA: Schöner Graph im Datenblatt, aber ausgelegt für 1s. Hilft mir 
also wenig.Oder?

Habt ihr eine Idee, wie man wirklich 100% beweisen kann, dass dieser 
Transistor Typ der richtige ist, oder muss man so vor gehn:
1. Überschlagsrechnungen beweisen, dass Typ passen könnte
2. Praktische Tests belegen dies dann


Vielen Dank!!

von J. V. (janvi)


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der Peak Current vom Datenblatt ist ein Maximalwert den das Bauteil 
unbeschadet übersteht. Bei 5uSec geht man davon aus, daß dieses Ereignis 
einmalig ist, sofern nicht ein Duty Cycle wie bei dir mit 10% dransteht.
Bei der Spannung würde ich von Uce-sat ausgehen.

Im Prinzip kannst du jede Diode nahezu beliebig belasten wenn du nur für 
genügend schnelle Kühlung sorgst. Um hier einen Anhaltspunkt zu haben, 
stehen eben die Peakströme im Datenblatt. Wie du die daraus 
resultierende Wärme abführst, ist dein Problem als Entwickler. Also hier 
würde ich als Nachweis erst mal mit den thermischen Widerständen von 
Gehäuse und Kühlblech rechnen.

Ob die 38 Amp dann tatsächlich erreicht werden, hängt dann natürlich von 
parasitären Kapazitäten des Aufbaus ab. Wenn eine Zeit bzw. Kapazität 
des Piezos klar ist, kann man das bei Bedarf absichtlich induktiv 
begrenzen. Ansonsten würde ich die 30Amp/5uSec notfalls mit der Leistung 
unter der Kurve auf die 38Amp/tatsächliche Zeit umrechnen.

von Jens G. (jensig)


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>Im Prinzip kannst du jede Diode nahezu beliebig belasten wenn du nur für
>genügend schnelle Kühlung sorgst. Um hier einen Anhaltspunkt zu haben,
>stehen eben die Peakströme im Datenblatt. Wie du die daraus
>resultierende Wärme abführst, ist dein Problem als Entwickler. Also hier
>würde ich als Nachweis erst mal mit den thermischen Widerständen von
>Gehäuse und Kühlblech rechnen.

Kühlung nützt Dir aber gar nix, wenn es nur um gelegentliche Peaks geht. 
Wenn Du gelegentlich für paar µs lang 1kW im Transistor umsetzt (sofern 
er das offiziell bekommen darf), dann kommt der Transistor nicht ins 
Schwitzen. Ehe die Wärme von der Sperrschicht zum Gehäuse strömt, und 
sich dabei verteilt, ist der Spuk schon lange vorbei. Nur wenn's 
häufiger "peakt", dann wirds interesant für die Gehäusetemperatur, und 
damit für die Kühlmaßnahmen.

von Denglmann (Gast)


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OK....
Kann ich also mit meiner Mittelung des Stromes über 5us zumindestens 
grob begründen warum der Transi passt?
Praxistests würd ich dann als entgültige Verifizierung angeben

von MaWin (Gast)


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> Herstelle gibt hier für IC 30A für 5us an.

Also überschreitest du die Datenblattangabe mit deinen 38A
also ist der Transistor laut Datenblatt nicht geeignet.

> Was bringt die Angabe ohne die Spannung Uce und damit die
> Verlustleistung?

Implizit wird eine Spannung angenommen die so gering ist,
daß die Verlustleistung keine Rolle spielt.

> 2. SOA: Schöner Graph im Datenblatt, aber ausgelegt für 1s.
> Hilft mir also wenig.Oder?

Richtig. Andere Datenblätter haben auch mal Millisekunden.

> Habt ihr eine Idee, wie man wirklich 100% beweisen kann,
> dass dieser Transistor Typ der richtige ist

Nein.
Er ist laut Datenblatt unterdimensioniert.

Man könnte nun veruschen, den Hersteller zu bitten,
die Datenblattangaben zu erweitern. Der wird keine
Lust dazu haben.

> Mein erster Ansatz war über meinen Strom die ersten 5us zu
> mitteln und zu zeigen, dass man weit unter 30A liegt.

Du kannst das versuchen, also die im Datenblatt stehenden
Werte auf ihren physikalischen Hintergrund hin zu prüfen,
beim maximal-Strom also die dünnen Leiterbahnen auf dem Chip
und Bonddrähte, den Effekt des Stromes dort zu ermitteln
(Wärme durch Verlustleistung und Elektzronenmigration)
und dir dann begründet darlegen warum dein Transistor
doch nicht kaputt geht.

Aber letztlich interessiert das den Hersteller nicht,
du wirst dich immer noch nicht beim ihm beschweren können,
wenn eines Tages die Transistoren chargenweise kaputt gehen,
z.B. auch weil er sie dann anders bondet oder sonstwas
getan hat. Zudem läufst du bei MJL21193 immer Gefahr,
gefälschte Chips zu bekommen.

In der Fertigung würde ich also als Eingangstest alle
Transistoren genau diesem Überlasttest (+50%) unterwerfen
und nur die nehmen die ihn bestehen.

von Janvi (Gast)


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> Nein.
> Er ist laut Datenblatt unterdimensioniert.

Laut Datenblatt streng genommen ja, aber das muß tatsächlich nicht so 
sein.
Versetze dich in die Lage eines Herstellers der ein Datenblatt schrieben 
muß. Zum Beispiel bei Relais für weisse Ware. Der Strom ist dortselbst 
natürlich passend zur Netzspannung bei 230 Volt bei einer ohmschen Last 
angegeben.

Wird das Relais nun mit mit einer induktiven Last eingesetzt die einen 
kleineren Strom braucht, so muß das Relais eben nicht ungeeignet sein. 
Oder irgendwer benötigt ein Relais für 450 Volt. Man wird ein solches 
Relais nicht finden weil kein Hersteller seine Teile für eine solche 
Spannung spezifiziert die kaum jemand hat. Vorsicht ist hier eben nur 
bei Abschnitten wie absolut maximum ratings oder so geboten.

von MaWin (Gast)


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> Versetze dich in die Lage eines Herstellers

Mach ich.

Ich hab keinen Bock, mich wegen defekten Bauteile nerven zu lassen,
die der Kunde bei 16A statt angegebener 10A benutzt.

Punkt.

Wozu ist das Datenblatt denn sonst da ?

Doch nur, damit ich bei Ausfall bei einer Überschreitung der Zahlen
als Hersteller fein raus bin.

Natürlich kann Denglmann den Transistor benutzen, nur muß er für die 
Folgen selbst einstehen.

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