Hallo zusammen, ich bin gerade eben dabei, mich in die Grundlagen der Regelungstechnik einzuarbeiten. Aktuell habe ich mit folgendem Verständnisproblem zu kämpfen: 1.) Geschwindigkeitsregelung. Es soll eine konstante Geschwindigkeit erreicht werden. Mit P- und D-Regler kann dieser nicht erreicht werden → Bleibende Regelabweichung. Es wird also ein I-Regler benötigt. 2.) Ausbalancieren eines Balles. Auf einem kippbaren Balken soll eine Kugel in der Mitte ausbalanciert werden. Meiner Logik nach müsste hier ein I-Regler fehl am Platz sein. Selbst wenn es der Rest der Regelung irgendwie geschafft hätte, dass die Kugel mit v=0 in der gewünschten Position liegt, hätte der I-Regler ja immernoch den aufintegrierten Wert der vergangenen Regelabweichung gespeichert. Er würde die Kugel daher aus der gewünschten Position bewegen. Was ist der formale Grund dafür, dass man bei Beispiel 1 ein I-Glied benötigt, und bei Beispiel 2 anscheinend nicht? Meine Vermutung (basierend auf dem Wissen das ich mir über Wikipedia-Artikel angeeignet habe): 1.) zeigt eine Regelstrecke mit Ausgleich. Der Grund ist, dass sich die Ausgangsgröße (die Geschwindigkeit) nach unendlicher Zeit der Eingangsgröße (Motoransteuerung) annähert. Zwischen ihnen liegt nur mehr der Proportionalitätsfaktor. → I-Regler notwendig. 2.) zeigt jedoch eine instabile Regelstrecke. Der Grund ist, dass die Regelstrecke zwei I-Glieder beinhält. Das erste wäre die Kugelgeschwindigkeit als Integral der Kugelbeschleunigung (die ja von der Balkenneigung abhängt), und die zweite die Kugelposition als Integral der Kugelgeschwindigkeit. → I-Regler kontraproduktiv. Könnt ihr mir sagen, ob mein Gedankengang so korrekt ist? Ich grüble schon den ganzen Tag über diversen Wikipedia-Artikeln, aber hier stoße ich mit dem Selbst-Erarbeiten an meine Grenzen. Danke! :-)
Ein Regler ist dann stabil, wenn die Phase der Gegenkopplung (deutlich) weniger als 180° hat oder dann die Reglerverstärkung (deutlich) kleiner 1 ist. Zwei I-Glieder als Regelstrecke machen aber 2 x 90° = 180° Phasenverschiebung. Deshalb kann weder ein I-Glied noch ein P-Regler stabil sein. In diesem Fall braucht es ein D-Glied mit -90° und der Zeitkonstante einer I-Komponente um eine I-Strecke zu kompensieren und die Phasenverschiebung auf 90° zu senken. Dann kann man mit einem zusätzlichen P-Anteil die Regelabweichung minimieren. Wenn die Regelstrecke schon mindestens einen I-Anteil hat, dann bleibt auch mit einem P-Regler keine Regelabweichung übrig - deshalb ist dafür ein I-Regler völliger Quatsch. Wenn die Regelstrecke nur ein P-Glied ist, bleibt mit einem P-Regler immer eine kleine Abweichung übrig, dann sorgt der I-Anteil dafür, dass keine Regelabweichung übrig bleibt. Ansonsten ist Regelungstechnik ein sehr komplexes Thema man kann ganze Bücher darüber schreiben.
Ich kenn jetzt dein mathematisches Vorwissen nicht, aber man kann recht zügig beweisen, dass eine offene Kette (Strecke + Regler) mit integrierendem Verhalten stationär genau ist (keine bleibende Regelabweichung). Dazu transformiert man die offene Kette in den laplace-Bereich und schließt den Regelkreis. Nun kann man die Übertragungsfunktion von Führungsgröße auf Fehler bzw. Führungsgröße auf Ausgang ermitteln. Wendet man den Endwertsatz an, erhält man 0 bzw. 1 für diese beiden Beziehungen. Wenn jetzt deine Strecke nicht integrierend ist, dann brauchst du ein I-Glied im Regler, um stat. Genauigkeit zu erreichen. Das hängt aber sehr oft auch nur von den Ein- und Ausgangsgrößen deines Systems ab. Bei instabilen Balanceproblemen (inverses Pendel, Ball, Rakete, ...) wird in der Regel der Ort/Winkel geregelt und nicht die entsprechenden Ableitungen Geschwindigkeit/Winkelgeschwindigkeit. Die Eingangsgröße ist aber meistens dieselbe (irgendeine Kraft/Moment). Da siehst du schon, dass die Strecke bei Positionsregelungen ein Integrationsschritt mehr im System hat...
Bin auch am Thema. Kennt jemand gute Tutorials die über Wikipedia hinausreichen?
das sind keine tutorials, aber ich glaub auch nicht, dass es mit tutorials einfach so geht... http://books.google.de/books?id=etyrPAAACAAJ&dq=föllinger+regelungstechnik http://books.google.de/books?id=yRTfnpVx-GUC&printsec=frontcover&dq=lunze+regelungstechnik dürfte jede Bib einer TU haben.
Danke für die Antworten! :-) Ich bin noch damit beschäftigt über eure Antworten nachzudenken. Ich glaube, die Grundzüge verstanden zu haben. Um sicherzugehen will ich dazu noch was schreiben, bzw. Rückfragen stellen, jedoch brauche ich noch etwas Zeit um meine Gedanken auszuformulieren. Ich melde mich wenn ich näheres weiß. Spätestens am Wochenende. (Im Grunde genommen poste ich nur, damit es nicht so aussieht als wären eure Antworten umstonst gewesen. Ich finde es immer sehr frustrierend wenn sich der Themenersteller nicht mehr meldet.)
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