Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Frequenzabweichungen bei Open-Loop-Analyse mit LTspice


von Jürgen B. (juergenq)



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Um einen Oszillator (VCO, hier aber immer mit konstanter Steuerspannung 
betrachtet) zu untersuchen habe ich aus der Schwingkreisschaltung einen 
Schaltkreisblock in LTspice erzeugt, in dem der Eingang in den 
Schwingkreis (LoopIn) und der Ausgang des verstärkenden Transistors 
(LoopOut) aufgetrennt sind.

Den Funktionsblock habe ich dann 64-mal hintereinandergeschaltet und 
eine AC-Analyse mit Testsignal am ersten Eingang und Meßsignal am 
letzten Ausgang gemacht. Die Hintereinanderschaltung hat den Sinn, eine 
geschlossene Schleife anzunähern. Aus dem Bodeplot des Ausgangs wollte 
ich dann die Frequenzen ablesen, für die die Barkhausensche 
Schwingbedingung, also

Verstärkung = 0dB
Phase = n  2  Pi

erfüllt ist, und so die Schwingfrequenz voraussagen.

Als Gegentest habe ich den Schwingkreis dann geschlossen und eine 
Transientensimulation gemacht und die relevante Frequenz (der 
Kollektorspannung) mit FFT bestimmt.

Es fällt dabei auf, daß die Frequenz im Schwingkreis mit der Zeit 
deutlich niedriger wird: Eine Simulation von 100n bis 200n bringt etwa 
320 MHz, eine Simulation von 5u bis 6u (meistens meine 
Standardeinstellung) nur noch etwa 308 MHz.

Die nach der Barkhausenbedingung vorausgesagte Frequenz liegt bei etwa 
321 MHz, also nahe an der anfänglich im geschlossenen Schwingkreis 
auftretenden Frequenz.

Man kann also von einer "säkularen", das heißt mit der Zeit in eine 
Richtung fortschreitenden, Abweichung der Frequenz nach unten sprechen.

Wie ist diese zu erklären? Sind dies bereits thermische Effekte, falls 
solche von LTspice erfaßt werden? Oder handelt es sich um numerische 
Probleme?

von Helmut S. (helmuts)


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Setze doch mal den max. timestep auf 5p.

von Dieter (Gast)


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Das ist nichts ungewöhnliches, da es in einer Schaltung noch weitere 
Bauteile gibt mit einer Zeitkonstanten, so dass Einflüsse der 
parasitären Kapazitäten der Transistoren als parasitäre Kapazitätsdioden 
in der Startphase zum Tragen kommen.

von Jürgen B. (juergenq)


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Danke erstmal für die beiden Antworten, ich habe dann auch wirklich mal 
mit timestep 5p gerechnet, was aber keine wahrnehmbare Änderung der 
auftretenden Frequenz brachte.

Als nächstes habe ich mir nochmal meine Open-Loop Simulation vorgenommen 
und eine kleine, aber vielleicht wichtige Änderung vorgenommen: Einem 
Video auf der LTspice-Seite folgend, habe ich dann einfach eine 0V/AC=1 
Spannungsquelle zwischen LoopOut und LoopIn geschaltet und nur noch 
einen Schaltungsblock verwendet, statt 64 Stück hintereinanderzuhängen.

Wenn man sich die dann entstehenden Übertragungsfunktionen genau 
ansieht, so fällt auf, das sie an einem potentiellen Barkhausen-Punkt 
(so nenne ich einen Punkt wo die Phasendrehung n * 360° ist) in der 
Regel eine von 0dB ziemlich verschiedene Amplitude haben.


Bei Bauteilwerten, mit denen in der Transientensimulation wirklich eine 
Schwingung auftrat, war an dem Barkhausen-Punkt die Amplitude meist 
+20..+40 dB. Allerdings fand die Schwingung dann (wie schon in meinem 
Anfangspost thematisiert) gar nicht an der Frequenz des 
Barkhausen-Punktes statt, sondern immer an einer viel niedrigeren 
Frequenz.


Wenn man diese Frequenz dann in dem Plot der Übertragungsfunktion 
aufsuchte, so war er ziemlich wenig herausragend: Die Phasendrehung 
konnte z. B. in einem Fall bei -90° in einem weiten Bereich ähnlicher 
Phasendrehung liegen und auch der Amplitudenverlauf war dort nicht 
herausragend. Wahrscheinlich hat der Wert der Übertragungsfunktion der 
AC Simulation am tatsächlichen Schwingungspunkt überhaupt keine 
praktische Bedeutung.

Ich vermute, daß nichtlineare Effekte erst die Schwingungsfrequenz 
festlegen und man diesem Phänomen mit einer linearen Betrachtung nicht 
direkt Herr werden kann.

Was ich jetzt konkret bei der Dimensionierung des VCO mache: Ich wähle 
zuerst den Kollektorwiderstand R3 nach der Stärke des geplanten 
durchschnittlichen Kollektorstroms.
Anschließend senke ich die Widerstände R4 und R6 am Emitter langsam ab, 
bis eine kleine Schwingung einsetzt. (Die Heuristik ist, daß eher 
größere Werte für R4, R6 günstig sind, weil sie den Oszillatorteil 
weniger belasten. Kleinere Werte führen zu einer größeren Verstärkung, 
also zum leichteren Einsetzen einer Schwingung. Experimentell wird ein 
Kompromiß gefunden... ). Gegebenenfalls wird noch etwas mit dem 
Emitter-Signalkurzschlußkondensator C3 experimentiert.

Dieses Probieren ist natürlich unbefriedigend, ich würde eine 
analytische Lösung vorziehen. Eine solche habe ich vor einigen Jahren 
einmal aus einer Betrachtung mit Y(s)-Matrizen für einen 
Colpitts-Oszillator gewonnen, die auch in der Praxis realistische 
Bauteilwerte ergab. Allerdings sind hier doch deutlich mehr Komponenten 
im Spiel und außerdem ist das ja auch wieder nur eine 
Kleinsignalbetrachtung.

Daher noch eine Frage an die Mitleser dieses Threads, auch wenn sie 
nicht mehr mit der Eingangsfrage zu tun hat: Wie könnnte man diese 
Schaltung möglichst gut optimieren, wenn man nicht gleich zu einer 
analytischen Rechnung greifen möchte? (Mit "optimieren" meine ich: 
gleichmäßiger Amplitudenverlauf für verschiedene Steuerspannungen des 
VCO, geringe Verzerrungen im Signal, im Idealfall möglichst geringes 
Phasenrauschen).

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