Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Meeting-Hölle/Scrum


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von Robert K. (Firma: Projektleiter Medizinsoftware) (robident)


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Huebi H. schrieb:
> Große Meetings bleiben kurz und knackig wenn vorher mit allen
> Beteiligten die Details schon geklärt sind, alle Bescheid wissen, und
> nur noch das Ergebnis verkündet wird.

Wie findet denn dann diese Klärung faktisch statt? Redet etwa jeder mit 
der betreffenen fachlich kompetenten Person? Sowas aber auch - wo ist 
dann die Neuerung? Dann braucht es Scum nur zum Ergebnisverkünden? Kann 
nicht sein.

Bernd G. schrieb:
> Ich sehe aber das Gegenteil: Die Entwickler treffen sich in einem großen
> Team, nennen es Scrum, es macht aber jeder was anderes und sie können
> sich weder gegenseitig helfen, noch den anderen verplanen.

Man muss 2 Dinge trennen:

a) Die Aufgabenverteilung und das Festlegen des Vorgehens

b) Die Umsetzung einzelner Aufgaben in Code oder sonstige Dokumente, bzw 
Ergebnisse in der CAD.

Bei a) ist durchaus ein Team denkbar, das aus unterschiedlichen Experten 
besteht und sich Lösungswege überlegt und die Aufgaben für die 
Sprintperiode definiert. Das sollen und müssen die Beteiligten ja tun. 
Das macht allerdings nur Sinn, wenn die zwischenzeitlich erreichten 
Ziele und Ergebnisse auch einen Einfluss auf Folgeentscheidungen und 
Tasks anderer haben können und es somit nötig ist, ist regelmäßig 
auszutauschen.

Bei b) ist es natürlich erforderlich, daß die Team Members wirklich 
austauschbares Wissen haben, wenn sie einen task als Gruppe bearbeiten 
wollen.

Damit hätte man zunächst eine klassische Teamstruktur mit sagen wir 4 
Teamleitern in Level a) und jeweils 2-3 Leuten in der Hierarchie 
darunter in Level b)

Nun sind aber bei Weitem nicht alle Firmen SO aufgestellt! Wirft man die 
nun in ein einziges Scrum Team, ergibt sich das Problem wie oben 
beschrieben, daß viele jeweils nur Herumsitzen und nichts beitragen und 
sich die Planungen und Entscheidungen unnötig verkompliziieren und in 
die Länge ziehen.

Tatsächlich sind die Abteilungen eben nur mit 10-15 Personen besetzt, 
die kaum Subteams bilden können, weil zu unterschiedlich ausgebildet. 
Sie müssten Level a und b gleichzeitig abdecken. Es verfügen aber nicht 
alle über die nötige Planungskompetenz, um in einer solchen Gruppe die 
strategischen Entscheidungen zu tragen. Es ist daher besser,  man bildet 
das Scrum Team nur aus wenigen Experten, die das Wissen abdecken und 
wickelt alle umsetzenden Themen linear nach unten ab.

von Gastino G. (gastino)


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J. S. schrieb:

> Das ist aber jetzt ein von Scrum losgelöstes Thema, wenngleich ein
> interessantes: Grundsätzlich soll der Papierkram ja sicherstellen DASS
> nach den Normen entwickelt und getestet wurde und die Prüfungen gelaufen
> sind. Ohne Papier wird es daher nicht notwendigerweise unsicherer, aber
> die Vorgehensweise ist belegbar und irgendwo auch tatsächlich belegt.
> Damit ist die Sicherheit formell zumindest bestätigt und durchaus höher.

Naja, es wurde ja angeführt, dass dieser ganze formalistische Kram wie 
Scrum solche sicherheitskritischen Systeme erst möglich macht. Meine 
Erfahrung dazu ist, dass das eine hochgefährliche Illusion ist.
Sicherlich helfen Formalismen bei der Entwicklung von solchen Systemen, 
aber so was wie Scrum ganz sicher nicht.

> Das gilt natürlich nur, sofern a) die Prozesse auch eingehalten wurden
> und b) diese Vorgaben auch adequat waren, was beides nicht unbedingt der
> Fall ist. Ich sehe im Rahmen sicherheitskritischer Entwicklungen immer
> wieder FOkus an Stellen, die früher mal kritisch waren und als Folge in
> die Prozess- und Prüfungslandschaft eingelossen sind, heute aber längst
> gelöst und überholt sind. Teilweise sind die sogar der Sicherheit
> entgegenstehend. Anders herum gibt es Dinge, sich sich noch nicht in den
> Vorgaben niedergeschlagem haben, obwohl die fortschreitende Technik
> diese Probleme aufwirft. Damit stehen sie einer maximalen Sicherheit
> sogar im Wege.

Die Prozesse sind eigentlich alle mehr oder weniger Schrott, da muss man 
sich nichts vormachen. Bisher wurde es immer nur formalistischer und 
bürokratischer. Das Einzige, was Prozesse ermöglichen (und daher sind 
sie auch so beliebt): Man kann sich wunderbar (zum Schein!!) absichern. 
Man hat ja alles gemacht, was gefordert wurde.
Dummerweise interessiert das vor Gericht dann keinen, wenn man auf 
technischer Ebene Fehler gemacht hat, die bei mehr Fokus auf technische 
Probleme und Lösungen hätten auffallen müssen.

von Frank E. (Firma: Q3) (qualidat)


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Ich habe jetzt nicht alle Beiträge gelesen, dafür ist der Thread zu 
lang. Was ich als Problem erkannt habe - und da sollte SCRUM ja 
eigentlich gegenhalten, oder? - ist das "individuelle Herrschaftswissen" 
einzelner Teammitglieder. Wie seht ihr das?

Beispiel: Ich kenne eine Firma (1 kreativer und geschäftstüchtiger Chef 
und ca. 5...6 sehr motivierte Progger), die hat mit einem sehr 
umfassenden ERP-System für Druckereien und Verlage ein wirklich gutes 
Produkt am Markt platziert und damit über Jahre richtig Kohle gemacht.

Nun, wir werden alle älter und als der erste Programmierer der 
(modularen Software), der für genau eines der Super-Module zuständig 
war, sich auf seinen Altersruhesitz in die Karibik verabschiedete, 
begann das Drama:

Es gab niemanden, der auch nur ansatzweise beim Code zu diesem Modul 
durchblickte. Als die Kunden nach der ersten Begeisterung dann nach und 
nach doch noch die eine oder andere Ergänzung bzw. Änderung wünschten, 
erkannte man das Problem. Man konnte sie zwar nach Außen hin noch eine 
Weile hinhalten ("Nächste Release ...!"), aber irgendwann wurde es 
ernst.

Die Firma wäre beinahe an dem Problem zerbrochen, wenn man das Tool 
nicht komplett neu geschrieben hätte, weil zumindest die Schittstellen 
bekannt waren. Das hat die Bude um die 3 "Mannjahre" gekostet und 
anstatt ewigem Dank schleicht dem Abtrünnigen nun ziemlicher Frust 
hinterher ...

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Robert K. schrieb:
> Sheeva P. schrieb:
>> Carsten P. schrieb:
>>> Wenn Individuen sich nichtmal an Scrum
>>> gewöhnen können, ist das Projekt schon zum Scheitern verurteilt.
>>
>> Das könnte die klügste Aussage im ganzen Thread sein. Danke.
>
> Nicht zwangsläufig! Es ist absolut legitim, Prozesse infrage zustellen,

Irgendwie vermisse ich einen Zusammenhang zwischen Deinen Aussagen und 
denen meines Vorposters. Letzten Endes geht es bei agilen Methoden um 
Kommunikation, nicht um Prozesse. Willst Du jetzt die Kommunikation der 
Teams untereinander und mit den anderen Teams in Frage stellen? Oder 
möchtest Du in Frage stellen, daß jedes Projekt zwangsläufig scheitern 
wird, wenn diese Kommunikationen in und unter den Teams nicht 
stattfinden?

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Frank E. schrieb:
> Ich habe jetzt nicht alle Beiträge gelesen, dafür ist der Thread zu
> lang. Was ich als Problem erkannt habe - und da sollte SCRUM ja
> eigentlich gegenhalten, oder? - ist das "individuelle Herrschaftswissen"
> einzelner Teammitglieder. Wie seht ihr das?

Ich sehe nicht, daß das etwas mit Scrum zu tun hätte. Scrum und andere 
agile Methoden sind keine Allheilmittel.

von Michael B. (laberkopp)


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Frank E. schrieb:
> Wie seht ihr das?

Es kann halt nicht Jeder Alles.

Wenn man Überdurchschnittliches will, muss man Spezialisten haben, deren 
Fähigkeiten und Verstand zumindest in ihrem Spezialbereich über das 
hinaus geht was die anderen können. Helden. Alle herausragenden Produkte 
stammen von Helfen.

Und damit hat sich Scrum erledigt.

Scrum bringt nur Durchschnittliches.

von Frank E. (Firma: Q3) (qualidat)


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Sheeva P. schrieb:
> Frank E. schrieb:
>> Ich habe jetzt nicht alle Beiträge gelesen, dafür ist der Thread zu
>> lang. Was ich als Problem erkannt habe - und da sollte SCRUM ja
>> eigentlich gegenhalten, oder? - ist das "individuelle Herrschaftswissen"
>> einzelner Teammitglieder. Wie seht ihr das?
>
> Ich sehe nicht, daß das etwas mit Scrum zu tun hätte. Scrum und andere
> agile Methoden sind keine Allheilmittel.

Ist es nicht auch ein Aspekt der Prozessorganisation, solche Situationen 
zu vermeiden? Quasi "integral"?

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Michael B. schrieb:
> Wenn man Überdurchschnittliches will, muss man Spezialisten haben, deren
> Fähigkeiten und Verstand zumindest in ihrem Spezialbereich über das
> hinaus geht was die anderen können. Helden. Alle herausragenden Produkte
> stammen von Helfen.
>
> Und damit hat sich Scrum erledigt.

Das Eine schließt das Andere nicht aus. Auch Helden müssen 
kommunizieren, Informationen erhalten und weitergeben.

> Scrum bringt nur Durchschnittliches.

Durchschnittlichkeit wäre für Deine "Beiträge" ein riesiger Fortschritt.

von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Michael B. schrieb:
> Alle herausragenden Produkte stammen von Helfen.

Korrektur (um Wiederholung gleichen Inhaltes zu vermeiden):

Alle herausragenden Produkte stammen von Elfen.

https://de.wikipedia.org/wiki/1,_2_oder_3
Ob ihr recht habt oder nicht, sagt euch gleich das Licht!

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Frank E. schrieb:
> Sheeva P. schrieb:
>> Ich sehe nicht, daß das etwas mit Scrum zu tun hätte. Scrum und andere
>> agile Methoden sind keine Allheilmittel.
>
> Ist es nicht auch ein Aspekt der Prozessorganisation, solche Situationen
> zu vermeiden? Quasi "integral"?

Scrum ist kein Allheilmittel. Das behaupten nur die, die entweder etwas 
damit verscherbeln wollen, oder jene, die "Argumente" dagegen suchen und 
dann, qed, sofort lautstark beklagen, daß es kein Allheilmittel ist.

Zu kommunizieren, wie bestimmte Softwaremodule funktionieren, gehört 
aber nicht zu Scrum oder irgendeiner anderen agilen Methode. 
Dokumentation ist ein inhärenter Bestandteil professioneller 
Entwicklungsarbeit, und es ist Aufgabe eines funktionierenden 
Controlling in diesem Bereich, das durchzusetzen. Eine Möglichkeit, so 
etwas umzusetzen, wäre die Methode des Code Review. Dann muß 
(mindestens) ein zweiter Entwickler bestätigen, daß er den Code gelesen 
(und natürlich verstanden) hat, bevor er in den Hauptzweig integriert 
wird.

von Achim H. (anymouse)


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Frank E. schrieb:
> Sheeva P. schrieb:
>> Frank E. schrieb:
>>> Ich habe jetzt nicht alle Beiträge gelesen, dafür ist der Thread zu
>>> lang. Was ich als Problem erkannt habe - und da sollte SCRUM ja
>>> eigentlich gegenhalten, oder? - ist das "individuelle Herrschaftswissen"
>>> einzelner Teammitglieder. Wie seht ihr das?
>>
>> Ich sehe nicht, daß das etwas mit Scrum zu tun hätte. Scrum und andere
>> agile Methoden sind keine Allheilmittel.
>
> Ist es nicht auch ein Aspekt der Prozessorganisation, solche Situationen
> zu vermeiden? Quasi "integral"?

Nein, Weiterbildung, Wissensmanagement und Wissenstransfer ist nicht die 
Aufgabe eines Vorgehensmodells oder der Prozessorganisation, sondern 
geht darüber hinaus. Diese sind -- vermute ich -- auch kein Bestandteil 
des Wasserfall-Modells oder V-Modells.

von Achim H. (anymouse)


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Ein paar weitere Anmerkungen:

* In einem Scrum-Team müssen nicht alle das gleiche können, im 
Gegenteil. Heterogene Teams sind ausdrücklich erwünscht. Nur weil das 
Team seine Aufgaben selbst aufteilt bzw. Personen zuordnet, heist das ja 
nicht, das eine Zuordnung beliebig sein muss. Desweiteren kann das Team 
auch mal eine Aufgabe einem darin nicht so ganz erfahrenen Teammitglied 
zuweisen, etweder um das erfahrene Teammitglied für andere Aufgaben zu 
entlasten, oder auch damit das unerfahrene Teammitglied Erfahrungen 
sammeln kann. Das Team mussentscheiden dürfen, dass ein Teilaspekt der 
Arbeit nicht optimal angegangen wird, wenn dafür deas Ganze (der 
aktuelle Sprint oder auch die weiteren) optimaler laufen kann.

* Ich finde die Anzahl der Meetings nicht entscheidend, sondern 
vielmehr deren Effizienz. Bei einem Daily, was 15 Minuten dauert aber 
keinen Gewinn für die Sprintarbeit des Teams liefert, sollte eher 
überlegt werden, wie man das effizienter (Kürzer oder besseren Inhalt) 
gestalten kann. Beispiel: Geht man besser die einzelnen Personen durch, 
oder aber die aktuell bearbeiteten Themen? Was sollte man im Daily 
nennen, und was nicht? Kann man Themen auf Gespräche nach dem Daily in 
kleineren Gruppen verschieben?

* Scrum soll ein Vorgehensmodell sein als Alternative zum V-Modell, 
Wasserfallmodell, Kanban, etc., um ein systematisches Vorgehen anstelle 
eines "Wir arbeiten mal irgendwie vor uns hin" zu bekommen. Dabei kann 
Scrum zum jeweiligen Prozess, Produkt, Umfeld passen, oder nicht.

* Scrum hat Nachteile, die kommen hier aber selten ins Gespräch. Viel 
wird m.E. über die Unzulänglichkeiten eines missbrauchten werkzeugs 
gesprochen (a la: Der Griff eines Torx-Schraubers ist einfach zu weich, 
um die Schraube in die Wand zu hämmern, also ist Torx viel schlechter 
als ein Hammer+Nägel).

* Scrum (wie andere iterative Modelle) dürfte vor allem dort vorteilhaft 
sein, wenn man zwar ein gewisses Ziel (Scrum: "Produktvision") hat, aber 
noch kein genaues Pflichtenheft schreiben kann oder will. Beispiel: 
Larry Page und Sergey Brin hatten am Anfang sicherlich auch nicht auf 
dem Schirm, dass sie die Ergebnisse von Kamera-Autos integrieren 
möchten. Manchmal weiß man am Anfang halt gar nicht, wohin die Reise 
genau geht, bzw. was wirklich sinnvoll wird.


VORTEILE von Scrum sind m.M:

a) Die Einführung ist mit ein Bestandteil des Modells, und der Aufwand 
wird, etwa durch den Scrum-Master, deutlicher.

b) Feedback und Verbesserung ist ebenfalls Bestandteil des Modells 
(Review und Retro). Die Eigenverantwortung des Teams kann in 
regelmäßigen und recht kurzen Zeitabständen gegengespiegelt werden, und 
es gibt einen integrierten Anstoß, über eine Verbesserung des Prozess, 
das Umfeld, der Arbeitsmethoden zu reflektieren. Ergebnis der Reflexion 
kann auch sein, eine Begründung dafür zu erhalten, warum das 
Vorgehensmodell "Scrum" für die aktuelle Gesamtsituation nicht passt, 
und vielleicht ein anderes Modell geeigneter und erfolgsversprechender 
ist.

c) Es gibt regelmäßig Zwischenergebnisse, die nutzbar sein sollen. Es 
muss also nicht ganz bis zum Schluss gewartet werden, bis die ersten 
Erfahrungen oder Erträge anfallen können.

d) Grundsätzliche Probleme können deutlicher werden; ob sie dann gelöst 
werden können, steht auf einem anderen Blatt. Wenn häufig das Sprintziel 
verfehlt wird, kann man meist schneller eine Ursache finden, daran 
arbeiten und die Tauglichkeit von Gegenmaßnahmen bewerten, als wenn erst 
nach einem halben Jahr 'plötzlich' festgestellt wird, dass man komplett 
über den Zeitplan ist.


NACHTEILE von Scrum sind m.E.:

a) Schlechte Integration von Exploration und nachfolgende Umsetzung ein 
einem einzigen Sprint. Da eigentlich alle Arbeiten vor dem Sprint 
geschätzt sein sollte, ist es bei unbekannten Lösungen schlecht möglich, 
erst einen Ansatz zu entwickeln (das kann man meist noch abschätzen), 
und diesen dann im selben Sprint noch umzusetzen (dies geht im Vorfeld 
dann meist nicht).

b) Keine Reaktion auf außergewöhnliche Ereignisse von außerhalb des 
Teams -- beispielsweise ein neu aufgetauchter Bug oder Misfeature, der 
vom Scrumteam gefixed werden soll, etc. Entweder wartet man damit bis 
zum nächsten Sprint, oder man braucht weitere Leute außerhalb des 
Scrum-Teams, oder man muss den Sprint ändern. Andererseites können so 
auch disruptive Ereignisse bzw. Vorgänge deutlicher werden.

von Gastino G. (gastino)


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Achim H. schrieb:

> NACHTEILE von Scrum sind m.E.:

> b) Keine Reaktion auf außergewöhnliche Ereignisse von außerhalb des
> Teams -- beispielsweise ein neu aufgetauchter Bug oder Misfeature, der
> vom Scrumteam gefixed werden soll, etc. Entweder wartet man damit bis
> zum nächsten Sprint, oder man braucht weitere Leute außerhalb des
> Scrum-Teams, oder man muss den Sprint ändern. Andererseites können so
> auch disruptive Ereignisse bzw. Vorgänge deutlicher werden.

Oder übersetzt: SCRUM nennt sich zwar "agil", ist aber eigentlich extrem 
unflexibel. Es ist eine Vorgehensweise, wo das Team um sich selber 
kreist und Pläne über Monate verfolgt werden können, losgelöst von der 
Realität.
Dafür erzählt dann dauernd jeder jedem (wie im Kindergarten), was er 
gerade macht.

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Gastino G. schrieb:
> Oder übersetzt: SCRUM nennt sich zwar "agil", ist aber eigentlich extrem
> unflexibel. Es ist eine Vorgehensweise, wo das Team um sich selber
> kreist und Pläne über Monate verfolgt werden können, losgelöst von der
> Realität.
> Dafür erzählt dann dauernd jeder jedem (wie im Kindergarten), was er
> gerade macht.

Kannst Du nicht wenigstens ein bisschen kreativer trollen?

von Michael B. (laberkopp)


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Sheeva P. schrieb:
> Kannst Du nicht wenigstens ein bisschen kreativer trollen?

Kannst du ein bisschen leiser erzählen dass du keine Ahnung hast ?

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Michael B. schrieb:
> Sheeva P. schrieb:
>> Kannst Du nicht wenigstens ein bisschen kreativer trollen?
>
> Kannst du ein bisschen leiser erzählen dass du keine Ahnung hast ?

Immer dreimal mehr wie Du.

von Rolf (audiorolf)


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Gastino G. schrieb:
> Die Prozesse sind eigentlich alle mehr oder weniger Schrott, da muss man
> sich nichts vormachen. Bisher wurde es immer nur formalistischer und
> bürokratischer.

Solche Sachen dienen nur einem Zweck: immer schlechtere Leute mit 
weniger Denkvermögen zum Arbeiten zu bringen.

Die Idee, per Scrum oder womit auch immer, mit vielen Personen eine 
gemeinsame Denkerzelle zu bilden, scheitert einfach an der schieren 
Größe. Mehr als ein paar Männeken kannst du nicht zusammen lassen, weil 
der Aufwand zur Querkommunikation und Informationsaustausch ins 
Unermessliche steigt.

Man kann das leicht vergleichen mit den Bemühungen, Busse in einen FPGA 
zu bringen: Es muss mit jedem Teilnehmer ein Vorwärtssystem aufgebaut 
werden weil es keine Busse gibt. Wenn jeder mit jedem telefoniert 
beträgt der Aufwand 2 k zur Potenz.

Mit 3 Leuten hast du 3 Destinationen und bei 2 Direktionen = 6 
Verbindungen
Sagen wir 3 x 8h arbeiten und 6h Austausch -> 12/15 -> Effizienz 80%

Mit 5 Leuten hast du 5 Destinationen und 15 Verbndungen
Sind 5 x 8h arbeiten und 15h Austausch -> Effizienz 73%

Mit 7 Leuten -> 56 + 28 -> 67%

Das war es schon, mehr ist gar nicht mehr tragbar, wenn du nicht von 
anderen ausgekontert werden willst, die effizienter arbeiten.

von Achim H. (anymouse)


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Gastino G. schrieb:
> SCRUM nennt sich zwar "agil", ist aber eigentlich extrem
> unflexibel.

Deswegen lieber Wasserfall?

Gastino G. schrieb:
> Es ist eine Vorgehensweise, wo das Team um sich selber
> kreist und Pläne über Monate verfolgt werden können, losgelöst von der
> Realität.

Hm, das mit den "Monaten" bringe ich bei einer Sprint-Dauer von 2-3 
Wochen nicht überein. Spätestens bei der Review und nächsten Planung 
sollte der Kontakt mit der Realität wieder hergestellt sein.

Gut, wenn es immer nur im Mini-Projektchen in der Größenordnung von 
wenigen Personentagen geht, ist Scrum (und die meisten anderen 
Vorgehensmodelle) sicherlich überdimensioniert.

Nebenbei: Wenn es zu kleinteilig und von oben vorgegeben wird, ist 
irgendwann der Projektleiter der "Single Point of Failure".

von Michael B. (laberkopp)


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Achim H. schrieb:
> Gastino G. schrieb:
>> SCRUM nennt sich zwar "agil", ist aber eigentlich extrem
>> unflexibel.
>
> Deswegen lieber Wasserfall?

Eher: deswegen statt Religion lieber Vernunft walten lassen

von Rbx (rcx)


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Ich hatte mir mal was zu preußischen Tugenden notiert:

Einfach
Nüchtern
Zweckorientiert.

Das Problem mit nix Verschwenden: Wenn mal aus dem Vollen schöpfen 
möchte, hat man immer irgendwie doch oft damit zu tun.

Da ist ja zum Arbeiten echt noch das klassische Kreuz besser, also das 
in der Vertikalen und der Senkrechten.

Aus der VWL weiß man auch, das es Zeiten gibt, wo der Staat investieren 
sollte.

Das erklärt aber nicht, wie die Gemeinden jemals, ihre in guten Zeiten 
angehäuften Schulden abbauen könnten.

Letztendlich gibt es immer auch inhaltliche Vorgaben mit dem, womit man 
Geld verdienen möchte.
Das Glück, automatisch klüger/erfahrener zu werden, ist auch nicht immer 
gegeben.
(sowas kann kein xy-Managementplan vorschreiben)

Früher gab es ein lesenswertes BWL/VWL-Buch:
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-41529-0

von Robert K. (Firma: Projektleiter Medizinsoftware) (robident)


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Frank E. schrieb:
> Es gab niemanden, der auch nur ansatzweise beim Code zu diesem Modul
> durchblickte.

Das hat mit Scrum nichts zu tun und kann durch keine 
Projektmanagementmethodik verhindert werden. Software lebt von 
Transparenz und Dokumentation! Wenn die nicht aufgezeigt und angefertig 
wird, sondern alle oder einer an seinem Zeug herumkaspert und schnell 
programmiert, dann ist das eine Weile effektiv, irgendwann explodiert 
das System.

Sheeva P. schrieb:
> Irgendwie vermisse ich einen Zusammenhang zwischen Deinen Aussagen und
> denen meines Vorposters. Letzten Endes geht es bei agilen Methoden um
> Kommunikation, nicht um Prozesse.

Nun vermisse ich den Bezug zu dem was ich geschrieben habe. :-)

Ich kommentierte die Vermutung, dass die Aussage "Wenn Individuen sich 
nichtmal an Scrum gewöhnen können, ist das Projekt schon zum Scheitern 
verurteilt" nicht zwangsläufig "die klügste Aussage im ganzen Thread" 
sein muss, weil :

Scrum als von oben herbab aufoktuiertes System nicht überall sinnvoll 
ist, wo es angewendet ist und erfahrene Entwickler und Projektleiter in 
der Lage sind, das zu erkennen und berechtigterweise hinterfragen.

Wenn also Personen nicht ins Scrum einzugewöhnen sind, kann das auch an 
Scrum und der Art der Umsetzung liegen und muss nicht Fehler der 
Personen sein. Ich sehe auch nicht, wie jemand nicht nach Scrum arbeiten 
können soll: Das Einhalten von Meetings und die Durchführung von 
Besprechungen ist kein Hexenwerk.

Wenn es an etwas krankt, dann ist es das transparente Arbeiten. Wenn das 
nicht da ist, kommt es durch Scrum auch nicht zum Fenster reingeflogen.

Wenn man aber Scrum einführt, ohne die Menschen dahin zu bringen, dass 
auch leben zu können, geht der Schuss nach hinten los! Das zeigen alle 
Beispiel und widerspiegelt sich auch in den Erfahrungen und Aussagen 
hier.

Die Entwickler, die in solche Prozesse eingebunden sind, sind ja nicht 
blöde! Die haben alle ein Studium und könnten Denken und sie merken, 
wann etwas faul ist. Sie merken innerhalb von Scrum, wenn etwas an ihrer 
Software schief läuft und korrigieren es (Scrum unterstellt ja, dass sie 
dazu in der Lage sind und ermächtigt sie zum handeln und diskutieren) - 
sie merken aber eben auch, wenn an Scrum selber was faul ist.

Und wenn sie schlau sind, passen sie Scrum an ihre Abteilung an!





>
> Nicht zwangsläufig! Es ist absolut legitim, Prozesse infrage zustellen,

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Robert K. schrieb:
> Sheeva P. schrieb:
>> Irgendwie vermisse ich einen Zusammenhang zwischen Deinen Aussagen und
>> denen meines Vorposters. Letzten Endes geht es bei agilen Methoden um
>> Kommunikation, nicht um Prozesse.
>
> Nun vermisse ich den Bezug zu dem was ich geschrieben habe. :-)

Dabei sagst Du es selbst:

Robert K. schrieb:
> Ich sehe auch nicht, wie jemand nicht nach Scrum arbeiten
> können soll: Das Einhalten von Meetings und die Durchführung von
> Besprechungen ist kein Hexenwerk.

Genau das ist mein Punkt, allerdings siehst Du ja selbst, wie manche 
Menschen in diesem Thread genau darüber wettern.

Nun muß man natürlich auch sagen, daß Meeting nicht Meeting und 
Besprechung nicht Besprechung ist. Denn, mal unter uns Pastorentöchtern: 
wir kennen sie doch alle, die Besprechungen, in denen bereits alles 
gesagt wurde, aber noch nicht von jedem. Die Meetings, deren wichtigstes 
Ergebnis die Vernichtung der Meetingkekse war und nach denen sich jeder 
fragt: warum?

In so einem Umfeld machen agile Methoden, egal welche, sicher keinen 
Spaß. Im Gegenteil halten sie einen von der Arbeit ab, die ja auch noch 
irgendwann und irgendwie erledigt werden will. Wenn so etwas in Scrum 
Meetings passiert, ist es natürlich fraglich, ob das dann noch Scrum 
ist. Manchmal erinnert mich das an den Term "Objektorientierung" aus 
einer Zeit, in der viele plötzlich ihre "struct XY" durch "class XY { 
public:" ersetzt und dann behauptet haben, sie würden objektorientiert 
entwickeln. :-)

Andererseits bin ich aber seit vielen Jahren in der komfortablen 
Situation, daß es weder bei meinem ehemaligen, noch bei meinem aktuellen 
Arbeitgeber Meetings und Besprechungen wie die oben erwähnten gibt. 
Stattdessen sind wir mit den Dailys meistens in drei bis fünf Minuten 
durch, obwohl wir für ein Scrum-Team mit acht bis zwölf Leuten schon an 
der Obergrenze sind. Trotzdem passiert es immer wieder, daß wir in 
dieser kurzen Zeit feststellen, wo wir unsere Kollegen entlasten können.

Ein Beispiel, das mir gerade noch in Erinnerung ist, betrifft unsere 
Grafik. Die mußte ungefähr 250 inkonsistent formatierte Logos in ein 
einheitliches Format bringen, also: mit konsistenten Randabständen und 
ohne Rahmen. Für eine ähnliche Aufgabe habe ich vor einigen  ein kleines 
Python-Skript mit OpenCV entwickelt und den Grafikern angeboten, das mal 
auszuprobieren. Nach unserem Daily haben wir uns dann kurz abgesprochen, 
ich habe mein Skript ein bisschen angepaßt, laufen lassen, und die 
Aufgabe war erledigt.

So haben wir unseren Grafikern zwei Tag langweilige, fehleranfällige 
Arbeit erspart, mit höchstens zehn Minuten Absprache und vielleicht 
zwanzig Minuten Rechnerei auf meinem Rechner. Ohne die Absprachen im 
Daily wäre nie jemand auf die Idee gekommen, daß die DevOps so ein 
Skript haben und den Job dadurch leicht automatisieren können. Das ist 
natürlich nur ein kleines Beispiel, das ganz gut zeigt, was mit ein 
wenig Abstimmung untereinander möglich ist, und zwar gerade bei uns auch 
abteilungsübergreifend.

Bei meinem ehemaligen Arbeitgeber war ich (aus dummen Gründen) zuerst 
zwei Jahre lang bei den Beratern und danach bei den Technikern 
aufgehängt. Dort hatten wir regelmäßig das Problem, daß die 
Informationen ausschließlich über die Abteilungsleiter ausgetauscht 
wurden. Ein Ergebnis davon war, daß mehrere Berater zu mir gekommen sind 
und gefragt haben, was denn dieses "Docker" sei und warum die Kunden sie 
ständig darauf ansprechen. Tja, dumm gelaufen: die Berater hatten zwar 
ihren Abteilungsleiter schon auf das Thema angesprochen, der hatte das 
aber nicht für wichtig genug gehalten, das weiterzugeben. Und auch mein 
Chef war, wie ich später erfahren habe, von mehreren Kollegen auf das 
Thema angesprochen worden, hatte das aber als Technikthema abgetan und 
deswegen nicht mit unserem Oberberater darüber geredet... und genau so 
kann Kommunikation fehlschlagen, wenn sie an einzelnen Personen mit 
ihrem jeweils eigenen Horizont (nicht negativ gemeint) hängt.

Wie dem auch sei, um wieder den Bogen zum Kernthema zu bekommen: 
Kommunikation ist IMHO viel zu wichtig, um sie den Zufall, den 
Informationsfluß einzelnen Personen zu überlassen. Informationslücken 
und -verluste sind wie Fehler: je später sie bemerkt werden, desto 
aufwändiger und teurer ist es, sie wieder zu beheben. Meine Erfahrungen 
mit Scrum sind -- sicherlich auch dank der guten Meetingkulturen bei 
meinem Ex- und dem aktuellen Arbeitgeber -- prima, aber das muß 
natürlich nicht überall gelten. Allerdings: wer nicht kommunizieren 
kann, wird in unserer arbeitsteiligen Welt früher oder später große 
Probleme bekommen, und das gilt für Unternehmen ebenso wie für 
Individuen.

Edit: Typo.

: Bearbeitet durch User
von Rudi R. (rudi_r)


Lesenswert?

Gastino G. schrieb:
> J. S. schrieb:
>
>> Das ist aber jetzt ein von Scrum losgelöstes Thema, wenngleich ein
>> interessantes: Grundsätzlich soll der Papierkram ja sicherstellen DASS
>> nach den Normen entwickelt und getestet wurde und die Prüfungen gelaufen
>> sind. Ohne Papier wird es daher nicht notwendigerweise unsicherer, aber
>> die Vorgehensweise ist belegbar und irgendwo auch tatsächlich belegt.
>> Damit ist die Sicherheit formell zumindest bestätigt und durchaus höher.
>
> Naja, es wurde ja angeführt, dass dieser ganze formalistische Kram wie
> Scrum solche sicherheitskritischen Systeme erst möglich macht. Meine
> Erfahrung dazu ist, dass das eine hochgefährliche Illusion ist.
> Sicherlich helfen Formalismen bei der Entwicklung von solchen Systemen,
> aber so was wie Scrum ganz sicher nicht.

Sehe ich auch so. Scrum fände ich sogar höchst fahrlässig als 
Entwicklungsmodell. Und speziell die kritischen Bereiche einer Software 
sollten verifiziert und nicht nur getestet werden. Es laufen viele 
Entwickler da draußen herum, die nicht mal wissen, dass Tests nicht die 
Abwesenheit von Fehlern belegen können.

Ich bin manchmal oft erschrocken, wie naiv manche Leute an die Sache 
gehen.

Frank E. schrieb:
> Nun, wir werden alle älter und als der erste Programmierer der
> (modularen Software), der für genau eines der Super-Module zuständig
> war, sich auf seinen Altersruhesitz in die Karibik verabschiedete,
> begann das Drama:
>
> Es gab niemanden, der auch nur ansatzweise beim Code zu diesem Modul
> durchblickte. Als die Kunden nach der ersten Begeisterung dann nach und
> nach doch noch die eine oder andere Ergänzung bzw. Änderung wünschten,
> erkannte man das Problem. Man konnte sie zwar nach Außen hin noch eine
> Weile hinhalten ("Nächste Release ...!"), aber irgendwann wurde es
> ernst.


Scrum hätte das Problem nicht abgewendet. Das Problem war fehlende 
Dokumentation. Wenn ein Modul aus einem sehr fähigen Entwickler und aus 
einem Guss entwickelt worden ist, ist die Dokumentation auch nicht so 
schwer. Gute Architekturen sind in der Regel ästhetische Architekturen. 
Algorithmen muss man beispielsweise in LaTeX dokumentieren. Bei Scrum 
wurde ich noch angehalten, etwas zu dokumentieren. Die Sprinthetzerei 
stand dem entgegen. Und was ich erlebten durfte im letzten Projekt: Der 
eine macht es so, der andere ganz anders. Es wurde niedrigen Niveau sehr 
unterschiedlich programmiert und es passt nicht zusammen, weil es 
niemanden gab, der Rolle hatte, die Richtung vorzugeben.

Ich finde es beispielsweise immer putzig, wenn die Leute was mit 
Prozenten machen und dem Kunden abieten, etwas einzustellen. Es wird 
immer ein Integer. Immer! Und unter der Haube murksen die sich einen ab, 
und teilen es durch 100. Anstatt die Einstellmöglichkeit korrekt 
anzubieten: Fließkommazahl im Intervall [0;1]. Fertig ist die Laube. Und 
wenn irgendwer meint, die Leute könnten damit nicht umgehen, dem seien 
amerikanische Sportstatistiken ans Herz zu legen. Da sieht man für 
gewöhnlich keine Prozentzeichen, das ja ohnehin nur der Faktor 1/100 
ist.

Das sind so Kleinigkeiten, die aber potentielle Fehlerquellen bedeuten. 
Der eine macht es so, der andere wieder anders.

Michael B. schrieb:
> Frank E. schrieb:
>> Wie seht ihr das?
>
> Es kann halt nicht Jeder Alles.
>
> Wenn man Überdurchschnittliches will, muss man Spezialisten haben, deren
> Fähigkeiten und Verstand zumindest in ihrem Spezialbereich über das
> hinaus geht was die anderen können. Helden. Alle herausragenden Produkte
> stammen von Helfen.

So ist es. Linus Torvalds hat sich auch nicht 1990 hingesetzt und 
Scrum-mäßig losgelegt. Ruby und Python sind auch Ein-Mann-Projekte von 
sehr guten Entwicklern gewesen.

Michael B. schrieb:
> Achim H. schrieb:
>> Gastino G. schrieb:
>>> SCRUM nennt sich zwar "agil", ist aber eigentlich extrem
>>> unflexibel.
>>
>> Deswegen lieber Wasserfall?
>
> Eher: deswegen statt Religion lieber Vernunft walten lassen

So ist es. Gesunder Menschenverstand. Schrieb ich öfter hier.

Sheeva P. schrieb:
> Nun muß man natürlich auch sagen, daß Meeting nicht Meeting und
> Besprechung nicht Besprechung ist. Denn, mal unter uns Pastorentöchtern:
> wir kennen sie doch alle, die Besprechungen, in denen bereits alles
> gesagt wurde, aber noch nicht von jedem. Die Meetings, deren wichtigstes
> Ergebnis die Vernichtung der Meetingkekse war und nach denen sich jeder
> fragt: warum?

Ich empfinde Besprechungen häufig als Überrumpelung. Ich muss plötzlich 
mein Zustimmung oder Ablehnung zu etwas preisgeben, über das ich nicht 
genug Zeit hatte nachzudenken. Für alle gibt es Unbekannte, sowohl 
bekannte als auch unbekannte Unbekannte. Es wäre daher wichtig, 
frühzeitig die Themen rauszugeben, was besprochen werden muss. Dann 
müssen die relevanten sich mal alleine hinsetzen, etwas für sich 
erarbeiten, mit Anforderungen, Nebenbedingungen, Optimierungszielen usw. 
beschäftigen, um die Sache so gut wie möglich zu lösen. Es muss aber was 
auf Papier sein. Andere müssen die Chance haben, sich da einzulesen, 
bevor es in die Besprechung geht. Es würden viele kostspielige 
Falschentwicklungen gespart werden.

Sheeva P. schrieb:
> Ein Beispiel, das mir gerade noch in Erinnerung ist, betrifft unsere
> Grafik. Die mußte ungefähr 250 inkonsistent formatierte Logos in ein
> einheitliches Format bringen, also: mit konsistenten Randabständen und
> ohne Rahmen. Für eine ähnliche Aufgabe habe ich vor einigen  ein kleines
> Python-Skript mit OpenCV entwickelt und den Grafikern angeboten, das mal
> auszuprobieren. Nach unserem Daily haben wir uns dann kurz abgesprochen,
> ich habe mein Skript ein bisschen angepaßt, laufen lassen, und die
> Aufgabe war erledigt.
>
> So haben wir unseren Grafikern zwei Tag langweilige, fehleranfällige
> Arbeit erspart, mit höchstens zehn Minuten Absprache und vielleicht
> zwanzig Minuten Rechnerei auf meinem Rechner. Ohne die Absprachen im
> Daily wäre nie jemand auf die Idee gekommen, daß die DevOps so ein
> Skript haben und den Job dadurch leicht automatisieren können. Das ist
> natürlich nur ein kleines Beispiel, das ganz gut zeigt, was mit ein
> wenig Abstimmung untereinander möglich ist, und zwar gerade bei uns auch
> abteilungsübergreifend.

Schöne Sache. Gutes Beispiel für kooperatives Arbeiten. Gegen ein Daily 
ist nichts einzuwenden, ist aber nicht kein Alleinstellungsmerkmal von 
Scrum. Problem aber hierbei ist wieder: Wir denn daraus gelernt und von 
Anfang an eine automatisierte Lösung angestrebt? Ich bin ein ein 
Refaktorierer und Code-Vereinfacher. Die Kollegen sehen das ja. Es wird 
verständlicher und besser wartbar, aber die Kollegen schreiben immer 
noch mühsam ihr Zeug zusammen und produzieren Unmengen an unnützen Code.

Sheeva P. schrieb:
> Bei meinem ehemaligen Arbeitgeber war ich (aus dummen Gründen) zuerst
> zwei Jahre lang bei den Beratern und danach bei den Technikern
> aufgehängt. Dort hatten wir regelmäßig das Problem, daß die
> Informationen ausschließlich über die Abteilungsleiter ausgetauscht
> wurden. Ein Ergebnis davon war, daß mehrere Berater zu mir gekommen sind
> und gefragt haben, was denn dieses "Docker" sei und warum die Kunden sie
> ständig darauf ansprechen. Tja, dumm gelaufen: die Berater hatten zwar
> ihren Abteilungsleiter schon auf das Thema angesprochen, der hatte das
> aber nicht für wichtig genug gehalten, das weiterzugeben. Und auch mein
> Chef war, wie ich später erfahren habe, von mehreren Kollegen auf das
> Thema angesprochen worden, hatte das aber als Technikthema abgetan und
> deswegen nicht mit unserem Oberberater darüber geredet... und genau so
> kann Kommunikation fehlschlagen, wenn sie an einzelnen Personen mit
> ihrem jeweils eigenen Horizont (nicht negativ gemeint) hängt.

Was fehlgeleitete Kommunikation angeht, da könnte ich 'ne Geschichte 
erzählen. Eine Produktionsanlage wurde mehrfach verkauft, mit ein paar 
Änderungen von Standort zu Standort, die aber nicht so ins Gewicht 
fielen. Wenigstens sollte die letzte Anlage eine exakte Kopie einer 
vorherigen Anlage sein. Der Consultant lief mit Kundenvertreter durch 
die Anlage (die kopiert werden sollte) und nahm das Wort "Spiegelung" in 
den Mund. Er wollte eine kleine Änderung, also ein delta wie bei den 
vorherigen Anlagen auch schon. Der Consultant transportierte aber das 
böse Wort Spiegelung und das Unglück nahm seinen Lauf. Alle 
Gerätenummern wurden gespiegelt, Bezeichner wurden gespiegel. Es gab 
Spiegelungen an Geraden, aber auch an Punktrotationen. Ein neue 
CAD-Zeichnung war notwendig. Das delta wäre in 30 min abgefrühstückt 
worden. Wegen der Spiegelung der gesamte Anlage saß ich mehrere Tage. 
Wie kam es zu dem Unglück: Es wurde einfach reingedrückt, ohne jetzt den 
Profi, also mich, zu konsultieren. Hätte man mich früh eingebunden, 
hätte ich dem CAD-Zeichner und einer weiteren Abteilung viel Arbeit 
erspart und vor allem mir selbst. Es wurde auch noch still und heimlich 
geändert... Wir waren am Ende der Verwertungskette und wenige Tage vor 
Go-Live sah ich durch Zufall, dass alles gespiegelt war. Offiziell war 
ja der Tenor bis dahin immer noch: Es ist eine exakte Kopie von... 
Go-Live war durch meine Arbeit Zusatzarbeit nicht gefährdet, aber es 
dankte mir auch niemand. In dem Fall konnte ich meine Fähigkeiten gut 
ausspielen. Ein anderer hätte das nicht so schnell geschafft wie ich.

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Rudi R. schrieb:
> Ich empfinde Besprechungen häufig als Überrumpelung. Ich muss plötzlich
> mein Zustimmung oder Ablehnung zu etwas preisgeben, über das ich nicht
> genug Zeit hatte nachzudenken.

So etwas passiert mir nicht (mehr), weil ich mich auf jede Besprechung 
heute akribisch vorbereite.

> Schöne Sache. Gutes Beispiel für kooperatives Arbeiten. Gegen ein Daily
> ist nichts einzuwenden, ist aber nicht kein Alleinstellungsmerkmal von
> Scrum.

Nein, Scrum ist nur eine Formalisierung. Aber ohne so eine 
Formalisierung ist der Drang der Beteiligten, jetzt gerade nur mal ihre 
Arbeit machen zu wollen, mitunter größer als es dem Projekt (oder 
Unternehmen) gut tut.

> Problem aber hierbei ist wieder: Wir denn daraus gelernt und von
> Anfang an eine automatisierte Lösung angestrebt?

Wenn so eine Aufgabe alle drölf Millionen Jahre ansteht, lohnt sich eine 
Automatisierung gemeinhin eher nicht.

> Ich bin ein ein
> Refaktorierer und Code-Vereinfacher. Die Kollegen sehen das ja. Es wird
> verständlicher und besser wartbar, aber die Kollegen schreiben immer
> noch mühsam ihr Zeug zusammen und produzieren Unmengen an unnützen Code.

Eigentlich müßte jemand Deinen Kollegen beibringen, wie sie Code 
schreiben können, der nicht mehr refaktoriert werden muß.

> Wie kam es zu dem Unglück: Es wurde einfach reingedrückt, ohne jetzt den
> Profi, also mich, zu konsultieren. Hätte man mich früh eingebunden,
> hätte ich dem CAD-Zeichner und einer weiteren Abteilung viel Arbeit
> erspart und vor allem mir selbst.

Ein Paradebeispiel für schlechte Kommunikation, finde ich.

von Rudi R. (rudi_r)


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Sheeva P. schrieb:
>> Problem aber hierbei ist wieder: Wir denn daraus gelernt und von
>> Anfang an eine automatisierte Lösung angestrebt?
>
> Wenn so eine Aufgabe alle drölf Millionen Jahre ansteht, lohnt sich eine
> Automatisierung gemeinhin eher nicht.

Auch das ist richtig, aber man kann ja abschätzen, wann sich so eine 
Automatisierung lohnt und wann nicht.

Sheeva P. schrieb:
> Eigentlich müßte jemand Deinen Kollegen beibringen, wie sie Code
> schreiben können, der nicht mehr refaktoriert werden muß.

Nicht jemand müsste es ihnen beibringen, sie müssten es sich selbst 
beibringen. Dazu gehört stetige Weiterbildung. Ich habe Informatik 
studiert und keine Softwareentwicklung als solche. Softwareentwicklung 
war nur ein Nebenaspekt. Viele Kenntnisse erarbeitete ich mir aber 
parallel zum Studium und danach an.

Wahrscheinlich gibt es keinen anderen Beruf, wo lebenslanges Lernen 
schon immer notwendig war. Und meiner Meinung nach darf man auch 
erwarten, dass die Leute selbst erkennen, welches Wissen wichtig ist, 
dass man es dauerhaft lernt und welches nicht. Eine Bibliothek zum 
Zeichnen von Diagrammen... Da arbeitet man sich, und vergisst es wieder, 
wenn durch stetige Praxis das Wissen darüber nicht weiter gefestigt 
wird. Das kann man und darf man vergessen. Aber wenn es um Architektur, 
Entwurfsmuster und Algorithmen geht, dann darf man das eben nicht 
vergessen, sondern muss durch zusätzliche Lektüre das Wissen darüber 
festigen.

Beispiel: Viele meiner Kollegen verwenden täglich das Strategiemuster, 
weil unser firmeneigenes Framework exzessiv das Muster verwendet. Aber 
sie sind nicht in der Lage, selber eine Lösung zu entwickelt und dabei 
auf das Strategiemuster zu setzen.

Sheeva P. schrieb:
> So etwas passiert mir nicht (mehr), weil ich mich auf jede Besprechung
> heute akribisch vorbereite.

Klappt ja nicht immer. Wenn zu spät der Termin in Outlook erscheint, 
dann hat man keine Chance. So ein Problem ist von Projektleitern 
verursacht. Ich bereite mich auch vor, wenn genug Zeit da ist. Aber das 
Überrumpeln mag ich gar nicht. Ich mag auch Konzeptarbeit und über eine 
Lösung grübeln. Ich stelle auch fest, dass andere das nicht mögen. Die 
wollen aber mitreden. Ich finde, das geht dann auch nicht. Auch schon 
öfter erlebt, dass sich solche Personen dann ohne fundierte Meinung an 
der Person am längeren Hebel orientieren.

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Rudi R. schrieb:
> Sheeva P. schrieb:
>> Eigentlich müßte jemand Deinen Kollegen beibringen, wie sie Code
>> schreiben können, der nicht mehr refaktoriert werden muß.
>
> Nicht jemand müsste es ihnen beibringen, sie müssten es sich selbst
> beibringen. Dazu gehört stetige Weiterbildung.

Ja, aber ganz offensichtlich tun sie das ja nicht. Das wirft die Frage 
auf: wie bringen wir sie dazu, das zu tun. Jetzt kannst Du natürlich 
warten, bis sie selbst tätig werden, aber das scheint ja schon bisher 
nicht so richtig funktioniert zu haben. Es ist also Zeit für eine neue 
Strategie.

Denn die Idee kann doch nicht sein, daß erst teuer und aufwändig 
Software entwickelt wird, die dann aber leider noch gar nicht genutzt 
werden kann, sondern vorher erst noch teuer und aufwändig überarbeitet 
werden muß.

Darum würde ich an Deiner Stelle jetzt einige Schulungen vorschlagen. 
Kurz über die üblichen GoF-Entwurfsmuster gehen, UML und so, das Übliche 
halt. Du sagst, Ihr nutzt exzessiv das Strategy-Pattern? Prima, dann 
hast Du Deinen Kandidaten für eine erste Schulung, und wenn die 
erfolgreich ist, können in regelmäßigen Abständen ja noch einige weitere 
folgen.

> Sheeva P. schrieb:
>> So etwas passiert mir nicht (mehr), weil ich mich auf jede Besprechung
>> heute akribisch vorbereite.
>
> Klappt ja nicht immer. Wenn zu spät der Termin in Outlook erscheint,
> dann hat man keine Chance. So ein Problem ist von Projektleitern
> verursacht.

Solche Dinge können agile Methoden oft besser lösen können als 
klassische.

von Rbx (rcx)


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Rudi R. schrieb:
> Ich finde es beispielsweise immer putzig, wenn die Leute was mit
> Prozenten machen und dem Kunden abieten, etwas einzustellen. Es wird
> immer ein Integer. Immer! Und unter der Haube murksen die sich einen ab,
> und teilen es durch 100. Anstatt die Einstellmöglichkeit korrekt
> anzubieten: Fließkommazahl im Intervall [0;1]. Fertig ist die Laube. Und
> wenn irgendwer meint, die Leute könnten damit nicht umgehen, dem seien
> amerikanische Sportstatistiken ans Herz zu legen. Da sieht man für
> gewöhnlich keine Prozentzeichen, das ja ohnehin nur der Faktor 1/100
> ist.

Es gibt übrigens psychologische Untersuchungen dazu. Die Leute verstehen 
es besser, wenn man sie nach Häufigkeiten fragt bzw. wenn man die 
Verhältnisse besser einschätzen kann. (also x von 100 statt x/100 -> x,y 
Prozent)
Und Prozentzahlen werden häufig missbraucht, um Genauigkeiten 
vorzutäuschen.
Fließkommazahlen in Computern können auch problematisch werden. Aber 
lassen wir das mal, das führt zu weit, nur sollte man das im Hinterkopf 
behalten.

(darüberhinaus ist Fuzzy Logic auch gar nicht so schwer.)
(spannenderweise gibt es sogar ANFIS (Adaptive Neuro Fuzzy Inference 
System) was noch besser sein soll als Fuzzy Logic.)

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Rbx schrieb:
> (darüberhinaus ist Fuzzy Logic auch gar nicht so schwer.)

Ob Fuzzy Logik für Menschen verständlicher ist, die schon Probleme mit 
der Prozentrechnung haben? Da habe ich so meine Zweifel...

von Rbx (rcx)


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Sheeva P. schrieb:
> Ob Fuzzy Logik für Menschen verständlicher ist, die schon Probleme mit
> der Prozentrechnung haben? Da habe ich so meine Zweifel...

Ich glaube schon, wird halt nicht so oft eingesetzt, wie die 
Prozentrechnung, und Schulkurse zur Fuzzy Logic gibt es üblicherweise 
auch nicht.
Lehrer fragen da auch lieber nach dem Dreisatz.

Es gibt auch Anwendungen, wie das Heron Verfahren zum Wurzelziehen, da 
setzt man besser Fließkommazahlen ein.

Dass sollte aber nicht ablenken von dem Sachverhalt, dass sich für Rudi 
Rs Beobachtungen auch Belege finden lassen.
Darüber hinaus können Perspektivenwechsel (z.B. Sportveranstaltungen als 
Referenz) eine gute Hilfe sein, gerade, bei schwierig erscheinenden 
Zusammenhängen.

von Bruno V. (bruno_v)


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Rudi R. schrieb:
> Alle
> Gerätenummern wurden gespiegelt, Bezeichner wurden gespiegel. Es gab
> Spiegelungen an Geraden, aber auch an Punktrotationen.

Was bedeutet denn "Spiegelung" in diesem Kontext? Und was "Delta"?

von Rudi R. (rudi_r)


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Bruno V. schrieb:
> Rudi R. schrieb:
>> Alle
>> Gerätenummern wurden gespiegelt, Bezeichner wurden gespiegel. Es gab
>> Spiegelungen an Geraden, aber auch an Punktrotationen.
>
> Was bedeutet denn "Spiegelung" in diesem Kontext? Und was "Delta"?

Ich kann da nicht zu sehr ins Detail gehen (wegen Geheimhaltung), aber 
stell dir mal ein Layout einer Produktionsanlage vor. Und stellen Sie 
sich vor, dass da eine Bahn, die aus dem Komplex nach Norden rausführt, 
eigentlich blöd ist, und es besser wäre, diese Bahn umzuhenkeln,  sodass 
sie nach Süden abgeht. Das hat der Kunde zusammen mit einen der 
Consultants so festgestellt. Diese Differenz zur Anlage davor wäre sehr 
einfach umgesetzt gewesen. Aber als das Wort Spiegelung in den Mund 
genommen wurde, wurde es ein Selbstäufer. Die zogen eine Gerade 
horizontal durch die Anlage, und spiegelten daran das gesamte Layout. Es 
wurde alles verändert, obwohl man nur 1 % ändern wollte, das sogenannte 
Delta. Und manche Sachen ließen sich nicht an der Gerade spiegeln. Aber 
davon hingen wieder Benamsungen ab. Da kamen auch Punktspiegelungen zum 
Einsatz. Sehr viel Arbeit, sehr viel Risiko. Erinnert ein wenig an Frank 
Mills Pfostentreffer bei einem freien Tor. Manche Leute bei uns 
verstehen es gut, sich, den Kunden und den Entwicklern das Leben unnötig 
schwer zu machen. Hätte man von Anfang an korrekt kommuniziert (mit 
Einbeziehung der richtigen Leute), was die Motivation ist, dass es 
wirklich nur um das 1 % Delta ging und wir uns diese teure Spiegelung 
der Anlage hätten sparen können, hätte das enorm viel Zeit und Geld 
gespart.

Ich kann mir gut vorstellen, dass insbesondere der CAD-Zeichner alle 
Hände voll zu tun hatte. Und so eine Spiegelung kann auch Auswirkung auf 
die Gebäudestatik haben... Ob jemand daran gedacht hat?

von Rudi R. (rudi_r)


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Rbx schrieb:
> Es gibt übrigens psychologische Untersuchungen dazu. Die Leute verstehen
> es besser, wenn man sie nach Häufigkeiten fragt bzw. wenn man die
> Verhältnisse besser einschätzen kann. (also x von 100 statt x/100 -> x,y
> Prozent)
> Und Prozentzahlen werden häufig missbraucht, um Genauigkeiten
> vorzutäuschen.
> Fließkommazahlen in Computern können auch problematisch werden. Aber
> lassen wir das mal, das führt zu weit, nur sollte man das im Hinterkopf
> behalten.

Prozent ist ja auch ja nichts anders als Hunderstel. Früher gab es noch 
"i. T. v. H." als feste Abkürzung: in Teilen von Hundert.

Fließkommazahlen können tatsächlich problematisch sein; ein Drittel 
lässt sich nicht exakt darstellen. Ein Fünftel auch nicht. Wenn der 
Kunde aber 20 einstellt, eine Integer-Zahl abgespeichert wird, wird ja 
irgendwann bis zur Anwendung der Zahl "20 /100.0" gesteilt, dass man 
damit arbeiten kann. Und an das Drittel kommt man mit einem Integer von 
0 bis 100 auch nicht ran.

Aber es geht ja nicht nur um Kunden. Selbst Parameter, die der Kunde nie 
zu sehen bekommt, werden als Integer hinterlegt und unter der Haube 
durch 100 geteilt. Also selbst wer mathematisch über dem Durchschnitt 
liegt sollte, fängt mit so einer Mickey-Mouse-Programmierung an. Nun 
kann ich mich gut an meinem Mathematikunterricht erinnern und selbst in 
der 8. Klasse haben wir in der Stochastik Wahrscheinlichkeiten im 
Intervall [0;1] angegeben. Prozentrechnung beherrschte man, aber das 
Prozentzeichen war in der Stochastik wieder verpönt.

Micky-Mouse-Programmierung ist eine Begrifflichkeit von mir (analog zur 
Mickey-Mouse-Sch... für infantilen Blödsinn) und ich finde sie treffend, 
weil sich manche Entwickler sich nicht trauen, erwachsen und 
professionell zu werden und dieses Prozentzeichen in die Tonne zu 
treten. Das kann man allenfalls in End-User-Masken anbieten und bitte 
nur in Metiers, wo es üblich ist. In der Stochastik jedenfalls nicht. 
Wahrscheinlichkeiten von 45 %... ist allgemeinsprachlich. Im Metier der 
Stochastik spricht man von 0,45.

Ein anderes Unding ist, dass die Leute Statistik sagen, aber Stochastik 
oder die Wahrscheinlichkeitstheorie meinen. Ist mir nun auch schon 
mehrfach über den Weg gelaufen, dass ich mich wundere: War denn mein 
Mathematikunterricht in den 90ern an einem Provinzgymnasium so 
außergewöhnlich gut?

Ein Vorteil, direkt eine Fließkommazahl zu nehmen: Genauigkeit. Wer nur 
ganze Zahlen von 0 bis 100 anbietet, bietet exakt 101 Möglichkeiten. 
50,5 % lässt sich einstellen. 0,505 schon.

von Bruno V. (bruno_v)


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Rudi R. schrieb:
> Die zogen eine Gerade
> horizontal durch die Anlage, und spiegelten daran das gesamte Layout.

Das hätte ich ja noch verstanden. Und das passiert auch wohl in der 
Praxis, das ganze Objekte aus versehen gespiegelt konstruiert werden 
(oftmals reicht ein falscher Pfeil oder Satz).

Ich verstehe nur nicht, was das mit Nummern und Bezeichnern zu tun hat

Rudi R. schrieb:
>>> Alle Gerätenummern wurden gespiegelt, Bezeichner wurden gespiegelt.

von Bruno V. (bruno_v)


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Rudi R. schrieb:
> Ein Vorteil, direkt eine Fließkommazahl zu nehmen: Genauigkeit. Wer nur
> ganze Zahlen von 0 bis 100 anbietet, bietet exakt 101 Möglichkeiten.

Ich verstehe die Diskussion nicht ganz. Bei % habe ich einen in den 
meisten Fällen guten Default für die Auflösung. Und wenn nicht, nehme 
ich 1, 2 oder 3 Nachkommastellen. Bei jedem GUI-Schieberegler mit 
Pfeilen muss ich mich entscheiden, wie viel er weiterspringen soll beim 
drücken des Pfeils und beim Drücken auf die Skale.

Das Verwenden von Ganzzahlen empfinde ich jetzt auch nicht wirklich als 
Nachteil: Auf Integer kann ich z.B. == anwenden. Oder sie im 
Hex-Editor/Memory-Dump untersuchen.

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Rbx schrieb:
> Sheeva P. schrieb:
>> Ob Fuzzy Logik für Menschen verständlicher ist, die schon Probleme mit
>> der Prozentrechnung haben? Da habe ich so meine Zweifel...
>
> Ich glaube schon, wird halt nicht so oft eingesetzt, wie die
> Prozentrechnung, und Schulkurse zur Fuzzy Logic gibt es üblicherweise
> auch nicht.

Wenn jemand schon Schwierigkeiten mit Verhältnissen hat, ist es wohl 
keine Vereinfachung für ihn, mit dem Wahrheitswert noch ein weiteres 
Verhältnis hinzuzufügen, oder siehst Du das anders?

von Rbx (rcx)


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Sheeva P. schrieb:
> Wenn jemand schon Schwierigkeiten mit Verhältnissen hat, ist es wohl
> keine Vereinfachung für ihn, mit dem Wahrheitswert noch ein weiteres
> Verhältnis hinzuzufügen, oder siehst Du das anders?

Naja, was soll ich darauf jetzt antworten? Prinzipiell schon, wenn man 
Beispielsweise gewisse Teilungen hinbekommen möchte, kann man ja auch 
300 als Referenzwert einsetzen, oder eben auch z.B. 12er Zahlen,
also z.B. 1,2,3,4,5.6,7,8,9,L,U,10,11...

Kann recht praktisch sein. Und ja, ich habe keine Informatik studiert, 
war aber mal kurz davor, jedenfalls wird da auch zur Problemlösung so 
manches krasse Zahlensystem angewendet.
Es gibt an den Unis oft Gastvorträge, vielleicht solltest du bei 
Gelegenheit da auch mal (öfter) hingehen.

Naja, und bei den Entwicklungsmodellen denkt man sich von außen, warum 
die Mitarbeiter nicht ein eigenes System aufstellen. Oder sich was 
zusammensuchen, was zu ihnen passt.
Wir hatten im Studium auch ein paar äußere Modelle zur Evaluation 
angesehen, z.B. bei der Chemie, oder bei der Wirtschaft. Fand ich sehr 
spannend. Aber eher, als Vorbild zur Orientierung angesehen, und nicht 
als dogmatischer Plan zum Nachmachen.
Wichtiger war halt, sich an den Grundlagen zu orientieren oder zur 
Diskussion - und die äußeren Modelle zur Evaluation halfen auch, die 
Grundlagen zur sicheren Objektivität zu vertiefen.
Z.B. wird bzw. wurde bei der Bundeswehr viel das V-Modell eingesetzt.
Da kann man dann hingehen, und fragen, ob man gewisse Pläne zum Vorbild 
nehmen darf, aber nicht als dogmatischen Plan, sondern eher zur 
Orientierung und Unterstützung der eigenen Pläne.

von Sheeva P. (sheevaplug)


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Rbx schrieb:
> Sheeva P. schrieb:
>> Wenn jemand schon Schwierigkeiten mit Verhältnissen hat, ist es wohl
>> keine Vereinfachung für ihn, mit dem Wahrheitswert noch ein weiteres
>> Verhältnis hinzuzufügen, oder siehst Du das anders?
>
> Naja, was soll ich darauf jetzt antworten? Prinzipiell schon, wenn man
> Beispielsweise gewisse Teilungen hinbekommen möchte, kann man ja auch
> 300 als Referenzwert einsetzen, oder eben auch z.B. 12er Zahlen,
> also z.B. 1,2,3,4,5.6,7,8,9,L,U,10,11...

Darum geht es aber nicht, fürchte ich.

> Es gibt an den Unis oft Gastvorträge, vielleicht solltest du bei
> Gelegenheit da auch mal (öfter) hingehen.

Die eine oder andere habe ich sogar schon angehört. Aber was die Fuzzy 
Logik angeht, durfte ich als damaliger Mitarbeiter der INFORM Software 
GmbH [1] an der Vorlesungsreihe von Prof. Dr. Hans-Jürgen Zimmermann [2] 
teilnehmen, die er damals noch jährlich für die neuen Mitarbeiter 
gehalten hat. Das war ein großes Glück, denn er kann die Fuzzy Logik so 
wahnsinnig gut erklären, daß sogar ich sie verstanden habe -- und 
obendrein ist er ein prima Typ. :-)


[1] https://www.inform-software.com/de/ueber-uns/Unsere-Geschichte
[2] 
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-J%C3%BCrgen_Zimmermann_(Wirtschaftswissenschaftler)

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