News Espressif Devcon 2025 - der Sieger läuft samt Beute vom Feld


von Tam H. (Firma: Tamoggemon Holding k.s.) (tamhanna)


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Die 2025er-Ausgabe von Espressifs Kundenevent wurde - anders als die lateinamerikaspezifische Variante - als reiner Online-Kongress abgehalten. Wirklich neue Chips gab es nicht zu sehen. Die Kernbotschaft ist viel mehr, dass Espressif als Sieger samt Beute den Platz verlässt - selbst dann, wenn es sich dabei um das Einkommen der restlichen Ökosystem-Teilnehmer handelt.

Neue Chips: Fehlanzeige.

Im Vorlauf der Devcon rechneten einige Auguren mit interessanten Neuigkeiten. Die von Ivan Grokhotkov bestrittene Keynote erwies sich als vergleichsweise langweilig - neben einem auf WLAN 6.0 basierenden ESP32, der derzeit noch ohne Namen auskommt, vermeldete man nur zwei per se bereits bekannte Kandidaten aus der H-Serie. Der H21 ist dabei insofern „besonders interessant“, als er einen vergleichsweise geringen Stromverbrauch aufweisen soll und offensichtlich eine Reaktion auf die WBA-Serie von ST und den MCX W darstellt.

Bildquelle, alle: Autor.

Die Magie liegt in der Software

Der Gutteil der Keynote - dies kann als Signal für den Rest der Devcon aufgefasst werden - drehte sich um Erweiterungen im Bereich des Software-Ökosystems. Die vor einiger Zeit eingeführte ESP Component Registry - eine Art NuGet für Embeddedsoftware - soll nun mehr als 1000 Komponenten enthalten.

In naher Zukunft steht eine Aktualisierung von IDF auf die Version 6.0 ante Portas. Außerdem soll ein neues Installer-System Entwicklern dabei helfen, die (immer komplexer werdende) Toolchain samt den diversen Abhängigkeiten auf ihre Workstation zu schaffen.

Zu guter Letzt gab es allgemein gehaltene Folien, in denen Grokhotkov die Breite des Espressif-Ökosystems anpreisen durfte. Besonders interessant empfand der Autor die Ankündigung, bald auch Android- und iOS-Companion-Applikationen unterstützen zu wollen. Leider gab es hierzu keine nennenswerten weiteren Informationen während der Präsentation.

ESP-Brookesia – oder - Frontalangriff auf AI-Frameworks.

Der Brookesia ist-per se-eine Variante des Stummelschwanz-Chamäleons (siehe Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Brookesia).

Bildquelle Wikimedia Commons / Von Marius Burger - https://www.inaturalist.org/photos/180087350, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=118396995

Hinter dem Framework verbirgt sich ein ähnlich unauffälliger, aber aggressiver Angriff von Espressif auf alles, was sich in Bereich AI-Frameworks für Embeddedsysteme zu etablieren versucht. Schon in der ersten Folie, die auf die Rolle des Systems als Framework für AI-Assistentenentwicklung hinweist, spricht der Presentator unter anderem darüber, dass ein System plus App-Design zum Einsatz kommen soll.

Erwähnenswert ist - unter Anderem - das verfügbar-sein eines Phone-User-Interfaces, das die von Symbian, Android und Co. bekannte Benutzerführung für ESP32-Projekte zur Verfügung stellen soll.

Hauseigene Modellarten für höhere Effizienz

Im Bereich des Trainings von Modellen für Embedded Vision-Aufgaben hat man im Hause Espressif festgestellt, dass „für vollwertige Systeme“ vorgesehene Modelle bei Aufgaben, bei denen es nur um die Erkennung einer einzigen Objektkategorie geht, ineffizient sind. Mit ESP_Detection steht nun ein hauseigenes Trainings-und Ausführungssystem am Start, das optimierte Modelle generiert und auf den verschiedenen ESP32-Varianten hardwarebeschleunigt zur Ausführung bringt.

Mit ESP_capture und ESP_video steht dann noch ein Abstraktionssystem zur Verfügung, dass die verschiedenen Kamera-Arten über ein gemeinsames Interface ansprechbar macht. Außerdem stehen diverse Algorithmen ante Portas, die die Errichtung der Videopipeline analog zu ESP_ADF ermöglichen sollen.

Mit ESP-Low Code steht eine neue Programmiermethode zur Verfügung, die sich die „starke Isolation“ zwischen den verschiedenen Domänen eines ESP32-Kerns zu Nutze macht. Eine derartige Applikation besteht aus einem vom Entwickler nicht veränderbaren Funkkernel und eine Applikationsfirmware, die sich um die höherwertigen Funktionen kümmert - interessant ist außerdem, dass eine komplett im Web lebende Entwicklungsumgebung zur Verfügung steht.

Dieses System ist insbesondere für die Erzeugung von Matter-basierenden Smart Home-Produkten vorgesehen. Ein weiterer Talk betonte die verschiedenen Sicherheits-Möglichkeiten aktueller ESP32-Kerne, die beispielsweise Pairing Keys vor Angreifern schützen.

Künstliche Intelligenz erleichtert die Inbetriebnahme.

Espressif verdankt seinen Erfolg im Westen einer von „Hacker und Maker“ vorangetriebenen Unterstützung Rohübersetzung des SDKs für den ESP8266. Aus der Logik folgt, dass man bestrebt ist, die Einstiegsschwelle ins Ökosystem so gering wie möglich zu halten. Erstens steht eine Erweiterung für Visual Studio Code zur Verfügung, deren AI-Modell auf die in der Abbildung gezeigten Aufgaben spezialisiert ist und in diesem Bereich durchaus kompetente Assistenz anbietet.

In den Pausen blendete man immer wieder Werbung ein, die auf das neue Espressif-Dokumentationssystem hinwies. Auch hier gibt es einen AI-Assistenten, der Fragen aus dem Datenblatt und Beispielschatz des Chipherstellers zu beantworten sucht.

ADF: nun mehr als Audio.

Die Wichtigkeit der Verarbeitung von Multimedia im Espressif-Ökosystem ist nicht oft genug zu betonen. Das einst als einfache Audio-Erweiterung für die LyraT-Boards gestartete ADF wird nun - wie in der Abbildung gezeigt - in Advanced Development Framework umbenannt.

Im Hintergrund bekommt das Produkt verschiedenste neue Codecs und Features eingeschrieben. Interessant ist, dass Espressif auch hier AI unterbringt - spezifischerweise gibt es, wie in der Abbildung gezeigt, beispielsweise eine Wakeword-Erkennung.

Zu guter letzt arbeitet man daran, die „Abhängigkeit“ zu bestimmten Audio-Frontends (Stichwort Everest Semi und ES8388) zu reduzieren. Dazu steht eine neue, als ESP Board Manager bezeichnete Komponente zur Verfügung - sie agiert als eine Art HAL.

Bitte auf USB-C umzustellen.

Aufgrund technischer Probleme war die (excellente) Präsentation von Tomas Rezucha nur in schlechter Qualität abzuhören. Die Vorstellung der verschiedenen Spielarten des USB-C-Connector dürfte als unmissverständlichen Nudge an die Boardhersteller zu verstehen sein, in den diversen Designs doch bitte endlich auf USB-C zu setzen. Außerdem erfolgte eine kurze Vorstellung von ESP-USB und TinyUSB, um an USB-Peripheriegeräten arbeitenden Entwicklern das Leben zu erleichtern.

Hauseigenes Daten-Modell und OTA-Updatepartnerschaft

Im Hause Espressif ist man auch sonst daran bestrebt, die „Value Chain“ so gut wie möglich unter Kontrolle zu halten. Erstens bietet man - wie in der Abbildung gezeigt - einen Datenmodell-Compiler an, der die Aktualisierung von Nachrichtenformaten zu erleichtern sucht. Im Bereich von OTA-Updates - ein spätestens in Zeiten von EU CRA und Co. sehr wichtiges Feature - wies man auf die von otavo.XYZ angebotenen Dienste hin. Spezifischerweise handelt es sich dabei um eine parallel installierbare Binary, die sich um das Einspielen von Updates kümmert. Die Idee dahinter ist, dass die eigentliche Applikation-Code nur „minimal“ mit dem Blob interagieren muss, weshalb die Einbindung der OTA-Funktion so einfach wie möglich von der Hand geht.

Tag zwei: ganz im Zeichen des ESP32-P4

Analog zu STMicroelectronics „Teilung“ des STM Summits in einen Vorstellungs- und einen praktischen Teil galt auch im Hause Espressif, dass sich der zweite Tag ganz den „praktischen Applikationen und Anwendungen“ des ESP 32 verschrieb. Spezifischerweise entschied man sich für eine auf dem ESP32-P4 basierende Kamera, die ihre Bilddaten über IP zur Verfügung stellen soll. Im Prinzip versklavt der ESP32-P4 dabei eine USB-Webcam um die Informationen danach unter Nutzung verschiedener Framework-Komponenten zu dekodieren und über einen RTSP-Server in Richtung des Clients zu schicken.

Wer sich die Präsentationen en Detail ansehen möchte, kann dies auf YouTube unter den URLs https://www.youtube.com/watch?v=KWudbWNwThI und https://www.youtube.com/watch?v=5yefeAMjgfg tun.

Kommentar und Einschätzung des Newsautors

Die Nicht-Vorstellung von gravierend neuen Chips weist darauf hin, dass man im Hause Espressif“ Ordnung im Chaos“ zu schaffen sucht. Der Fokus liegt voll und ganz auf der Applikationssoftware - ein Thema, das in Zeiten immer höherer Funktionsansprüchen an Embedded-Systemen in Bezug auf seine Wichtigkeit nicht zu unterschätzen ist. Im Großen und Ganzen ist hier ein Trend zu erkennen, der an STMicroelectronics Übernahme von Atollic (siehe das alte Video unter https://www.youtube.com/watch?v=N7zjpY-qXPk) erinnert.

Spielte man im Hause Espressif einst auf Fläche - wir denken an die ressourcenaufwändige Experimente mit Rust, Zephyr und anderen, eher orchideenhaften Technologien - so möchte man der P. T. Nutzerschaft nun eine geschlossene Arbeitsumgebung zur Verfügung stellen, die Value Added-Funktionen, explizit auch im AI-Bereich umfasst.

Sinn dieser Vorgehensweise ist die Erhöhung des Lock-Ins: so ein System auf einer komplett proprietären ESP 32-Basisschicht basiert, ist eine Abwanderung-man denke an GigaDevices Experimente mit Funkchips - für die Entwicklerschaft nur wesentlich schwerer möglich.

Für Entwickler ist es dabei nicht unbedingt eine Loss-Loss-Situation, weil die für „klassische“ kommerzielle Embedded-Software-Stacks anfallenden Lizenzgebühren bei Nutzung der Espressif-eigenen Offerte wesentlich reduziert werden.

Der größte Verlierer dürften Anbieter von GUI-und anderen Software-Komponenten für Embedded-Systeme sein - analog zu den Erlebnissen der verschiedenen GUI-Anbieter nach STMicroelectronics Übernahme von Graupner dürfte das mit ESP32-Nutzern erwirtschaftbare Einkommen langfristig gegen Null konvergieren. Die ersten Unternehmen - man denke an die zum Qualcomm gehörende Edge Impulse - erriechen dies auch schon: es ist kaum zu erklären, dass AI-Service ausgerechnet den für AI-Aufgaben optimierten ESP32-S3 bis heute nicht unterstützt.


: Bearbeitet durch NewsPoster
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