Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Verständnissfrage zur Mosfet Auswahl


von Elenor (Gast)


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Hallo erstmal!

Als erstens:
Dies soll keiner dieser Threads werden "welchen Mosfet für meine 
Anwendung"

Mir geht es eher um das Verständnis. Es geht um die Auswahl eines 
Mosfest in Bezug auf Gatekapazität bzw. Gateladung. Habe dazu zwei 
Ansätze gefunden:

Der erste:

benötigter Gatestrom = Gatekapazität * Gate-Source-Spannung / Zeit
Die Zeit entspricht dabei 1% der Frequenz des PWM

zweiter:

benötigter Umladestrom(Gatestrom) = Gateladung / Zeit
Die Zeit müsste ja der selben wie oben entsprechen.

Mit Daten eines IRFZ46N gerechnet (f des PWM=10khz/Vgs=5V/Vds=max12V):
Aus Datenblatt: Ciss bei 12Vds= ca. 1800pF
                Qg bei 12Vds und 5Vgs: ca. 24nC
1.  Ig =  1800*10^-12 As/V * 5V / 1*10^-6 s = 9 mA
2.  Ig =  24*10^-9 As / 1*10^-6 s = 24 mA

Welcher der Ansätze ist nun richtig?
Stehen Gateladung und Gatekapazität nicht in Verbindung zueinander?

Habe leider nicht gescheites über google gefunden.

mfg Elenor

von Seph (Gast)


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Dass die Gatekapazitaet von der Spannung abhaengig ist, sollte doch 
stutzig machen. Da beide errechneten Werte nahe beieinander sind, wuerde 
ich mal den Groesseren nehmen.

von Uwe (Gast)


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Hi!
Nimm Variante 2, weil beim Schalten nicht nur Cgs eine Rolle spielt 
sondern auch Cds. Das Ganze ist auch noch sehr dynamisch.

Viel Erfolg, Uwe

von Elenor (Gast)


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Zu Seph:

- Finde den Unterschied nicht gering ist immerhin das 2,5fache. Was bei 
größeren Strömen dann schon Probleme machen kann. Natürlich muss in 
Formel 1 eine Spannung sein, sonts kürzen sich die Formelzeichen ja 
nicht raus.

zu Uwe:

- Habe natürlich die Eingangskapazität Ciss genommen, hab mich in der 
Formel nur verschrieben.

@ all:

-mir geht es hier eher um das Vertständniss als darum welchen Strom zu 
nehmen. Vorallem suche ich einen zusammenhang des ganzen.

- Zu Fomel 1:

Ig = Ciss * Ugs / t

muss da t nicht = 5 Tau sein. da Ugs/ Ig = R vor Ciss ist. und somit die 
Grundformel: Tau = Ciss * Ugs/Ig zutrifft.
Dann würde ich auf 5Tau = die maximale Zeit = 1*10^-6
somit ist Tau = 2*10^-7

Ig = 1800*10^-12 * 5V / 2*10^-7 = 45 mA

Das wär ja sogar das doppelte von Formel 2.
Ist vielleicht jemand hier der sich damit auskennt?

von Winfried (Gast)


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Soweit mir bekannt, verhält sich das Gate nicht wie eine Kapazität, es 
ist vielmehr bei der Plateau-Spannung eine gewisse Ladungsmenge 
erforderlich, bis man das Plateau überwunden hat.

Infos findet man z.B. in den AN-558 von National "Introduction to Power
MOSFETs and Their Applications"

von Düsentrieb (Gast)


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also erstmal: gate verhält sich schon wie kondensator, nur verändert 
sich die kapazität mit der Uds des fet...
bsp: IRFZ46N daten-> gate-ladung bei 10v etwa 50nC , das entspricht etwa 
5nF auf 10v aufladen. also treiber kann zb mit 5nf kond. als last 
getestet werden.
dann aber: zum schalten muss der fet schnell angesteuert werden, da er 
im bereich von 4..6v am gate im linearen verstärker-betrieb ist und 
somit wie ein widerstd viel leistung verbrät.
schnell schalten zb bei 10khz pwm bedeutet: 10khz= 100us rechteck, soll 
schalt/verlust-zeit < 1% sein, --> in weniger als 1us schalten!
der treiber muss also 5nf in zb 0,5us auf 10v bringen...das sind 20v/us 
--> min. 100mA treiberstrom ins gate !

von Mandrake (Gast)


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Zuerst trifft man eine Grobauswahl nach den wichtigsten Kriterien durch.

Danach führt man eine Optimierung anhand der Verlustleistung durch:

Pv = Pvd + Pvü + Pvg + Pva

Durchlassverluste: Pvd = Id^2 x Rds(on) x D

Übergangsverluste (An->Aus, Aus->An):
Pvü = 1/2 x Uds x Id x fs x (tr + tf)

Gateladeverluste: Pvg = Qg x Ugs x fs

Ladeverluste im Ausgangskreis (Millerkapazität...):
Pva = 1/2 Coss x Uds^2 x fs

Id: Drainstrom
Uds: Drain-Source-Spannung
fs: Schaltfrequenz
tr: Risetime
tf: Falltime
Qg: Komplette Gateladung nicht zu verwechseln mit Qgs!
Ugs: Gate-Source-Spannung
Coss: Ausgangskapazität

Mit einem Excel-Sheet kann man sich das Leben einfacher machen und die 
verschiedenen Transistoren dann vergleichen.
Den mit der geringsten Verlustleistung würde ich dann nehmen.

von Mandrake (Gast)


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Nachtrag: D ist das Tastverhältnis

von Elenor (Gast)


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Erstmal danke für die vielen Antworten.

@ winfried: hab mir das PDF mal gezogen, leider ist mein Englisch nicht 
das beste.

@ Düsentrieb: Nach deinem Ansatz ist also Formel 2 somit die richtige, 
bzw. die Gateladung ist entscheidend und nicht die Eingangskapazität.

@Mandrake: Danke das ist echt super. Damit kann man sich die Auswahl 
echt erleichtern, doch meißt hat man einen Mosfet ja eh schon zuhause. 
Wie würdest du den min IG für einen vorhandenen Mosfet berechnen um z.B. 
zu entscheiden ob ein Treiber nötig ist? Nehmen wir mal die angaben von 
oben:

Mosfet: IRFZ46N  (f des PWM=10khz/Vgs=5V/Vds=max12V):
        Aus Datenblatt: Ciss bei 12Vds= ca. 1800pF
                        Qg bei 12Vds und 5Vgs: ca. 24nC

@ all: welche meiner beiden Versionen der ersten Rechnung ist richtig?
       Ig = Ciss * Ugs / t  oder  Ig = Ciss * Ugs / 5Tau

  Wenn jemand vielleicht so nen Link wie Winfried auf Deutsch hätte wäre 
ich
  auch dafür dankbar.

Wie gesagt es geht hier eher um das Verständniss.

von Mandrake (Gast)


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Hallo Elenor!

Ig zu berechnen ist doch einfach. Wenn man sich die Einheiten der 
einzelnen Angaben betrachtet kann man eigentlich selbst draufkommen.

Also....:

Qg is die komplette Gateladung und hat die Einheit Coulomb (richtig 
geschrieben? - naja egal) 1 C = 1 As. Laut den Einheiten muss man also 
nur durch einen Wert mit der Einheit Sekunde teilen und man hat den 
Strom den man braucht.

Um den FET zum Durchschalten zu bringen muss man die Ladung Qg in den 
FET bringen (oder auch wieder heraus - beim Ausschalten etwa). Die Frage 
ist nun wie schnell soll die Ladung in das Gate geladen werden. Wenn das 
in einem hundertstel deiner Schaltperiode passieren soll, wäre t= 1 us. 
Das führt dann
zu dem Strom Ig = Qg / t = 10nAs / 1us = 10 mA
(nebenbei: allgemein gilt: Q=C x U)

Man sollte also auch mit der Formel Ig = Ciss x Ugs /t zum Ziel kommen
Versuchen wir es mal: Ig = 1800pf x 5V / 1us = 9mA

Ein kleiner Unterschied der durch Ablesefehler hervorgerufen wurde. Hier 
würde ich den Wert nehmen der aus den am besten abzulesenden Werten 
entstand. Oder den schlechtesten Wert annehmen. Hier also 10mA.

P.S: Qg habe ich etwas anders abgelesen. Ist aber auch recht schlecht zu 
erkennen. Die ungefähre Gleichheit meiner Rechnungen deutet aber 
daraufhin das richtig abgelesen wurde.

von Elenor (Gast)


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@ Mandrake:

Auf die selben Formeln bin ich auch gekommen, bloß habe ich für Qg 24nC 
abgelesen bei 5V. Da ist der Unterschied der beiden Ergebnisse schon 
größer.
Da Q= C*U müsste doch Qg = Ciss * Ugs sein oder???
Wäre bei deinen Angaben 1800pF * 5V = 9nC also ungefähr der selbe 
Unterschied wie bei den mA.

Um Ablesefehler zu verringern nehmen wir mal Werte wo die Kurve am 
steigen ist:
 IRFZ46N  (f des PWM=10khz/Vgs=12V/Vds=max12V):
                Ciss bei 12Vds= ca. 1800pF
                Qg bei 12Vds und 12Vgs: ca. 52nC
daher Ig = Qg / 1 uS = 52mA und Ig = 1800pF * 12V / 1uS = 21,6 mA
also ungefähr nur die hälfte.

Auch der Ansatz Qg = Ciss * Ugs = 1800pF * 12V =  21,6nC wäre nicht 
korrekt.

von Mandrake (Gast)


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Die Frage ist allerdings in wie weit die Bedingungen unter denen diese 
Kurven aufgenommen wurden in das ganze reinspielen. Da ist mir die 
Kapazitätskurve etwas suspekt (Vds = 0V z.B.). Vielleicht gilt die nur 
für den Fall, dass der FET gerade durchsteuert. Ich bin bisher immer von 
der Qg-Kurve ausgegangen und dabei recht gut gefahren.
Eventuell gibt es noch etwas anderes zu beachten. Irgendeine Bedingung 
wann die eine und wann die andere Kurve eher zutrifft.

Man kann aber auch spekulieren:
Qg ist für die Gateladeverluste interessant. Da diese sehr gering im 
Vergleich zu den ganzen anderen Verlusten ausfallen, ist der Graph 
vielleicht genähert und deswegen so schön grade. Der Kapazitätsgraph 
wäre da genauer.


Naja ich werde weiter so rechnen wie bisher. Aber vielleicht erleuchtet 
uns ja noch jemand anderes. Ich lerne gerne dazu :-D
Mich würde die Lösung auch Interessieren!

von Chrisi (Gast)


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Vielleicht sollte man nicht nur Cgs, sondern auch Cds mit in Betracht 
ziehen, welche letztlich für das Plateau während des Schaltens 
verantwortlich ist.
Es addiert sich dessen Ladung zur Ladung von Cgs hinzu. Immerhin muss 
Cds von der zu schaltenden Spannung (MOSFET aus) umgepolt(!) werden auf 
die Gatespannung wenn MOSFET ein.
Das ist jetzt nicht aus einem Buch herausgelesen, sondern das sagt mir 
mein gesunder Menschenverstand.

von Chrisi (Gast)


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Ooops, meinte nicht Cds, sondern Cdg, kann ja mal vorkommen :-)

von Düsentrieb (Gast)


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#Elenor:
ja, 2. rechnung korrekt.
entscheidend ist die gesamte gate-ladung, die du eben in x ns aufbringen 
musst...

von Mandrake (Gast)


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@chrissi

Nur Ciss ist gleich Cgs + Cgd !
Also ist das schon berücksichtigt.

@all
Wenn ich mir die Kapazitäten Cgs, Cds und Cgd in das Schaltsymbol des 
Mosfet
eintrage, komme ich zu folgender Überlegung:

Source an Ground!

Crss (rss = reverse, grounded source, gate shorted)
Coss (oss = output, grounded souce, gate shorted)
Ciss (iss = input, grounded source, drain shorted)

Beim Einschalten setze ich das Gate auf eine bestimmte Spannung.
Der FET schaltet durch, Cds ist gebrückt und meine zu ladende Kapazität
ist Cgs+Cgd=Ciss.

Beim Ausschalten (Gate auf Ground) schließe ich Cgs kurz. Der FET 
sperrt.
Vom Drain her gesehen sind Cgd und Cds parallelgeschaltet. Coss = 
Cgd+Cds
Einen Beitrag zum Gatestrom liefert jedoch nur Cgd und Cgs.
Exakt lautet dann der Gatestrom:

Fazit meiner Überlegung:
Ciss gilt im Einschaltmoment
Coss gilt im Ausschaltmoment

Weitere allgemeine Überlegungen:
Wir haben außerdem vergessen, dass eigentlich I = Q/t nicht gilt. Das 
ist eine Linearisierung!
oder

Der Ladestrom in einen Kondensator ist ja nicht konstant sondern nimmt 
exponentiell ab. Wir gehen in unseren Berechnungen von einem konstanten 
Strom aus der abrupt ended wenn die Kapazität geladen ist. Und das ist 
natürlich nicht wahr. Ergo: Wir rechnen Näherungen aus.


Ich hoffe es gibt noch einige andere Überlegungen und Korrekturen.
Wir kommen der Wahrheit langsam näher.

von Pit (Gast)


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Hallo,

der Beitrag ist zwar älter, aber die letzte Frage würden mich doch 
interessieren.

Wird der Mosfet über R geladen so ist I bei I = Q/t nicht konstant.
Ist dieser Fehler zu vernachlässigen?


Gruß


Pit

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