Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Bypass Kondensatoren


von Chris H. (xkris)


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Hallo,

ich verstehe ehrlich gesagt nicht so ganz, wie Bypass Kondensatoren 
funktionieren können. Mir ist ja durchaus klar, dass Kondensatoren für 
hochfrequente Spannungen einen äußerst kleinen Widerstand darstellen, 
aber eben nicht Null. Wenn ich jetzt einen solchen Kondensator 
beispielsweise an einen VersorgungsPin eines IC hänge muss doch 
zwangsläufig die gesamte Spannung, also die gewollte Gleichspannung 
sowie die überlagerte Wechselspannung auch an diesem Kondensator 
abfallen. Es ist ja keine anderer Widerstand vorhanden. Meine Einzige 
Erklärung ist, dass mit Hilfe der Leitungswiderstände eine Art Tiefpass 
gebildet wird, aber so groß sind die Leitungswiderstände nun auch nicht. 
Ausserdem würde das dann wohl auch nur bei sehr hochfrequenten Störungen 
funktionieren.

Ich danke im Voraus für eure Hilfe

gruß

Kristian

von Andreas K. (a-k)


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Den Tiefpass gibt es wirklich, allerdings weniger mit dem 
Leitungswiderstand als mit der Induktivität der Leitung.

von Matthias L. (Gast)


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>ass mit Hilfe der Leitungswiderstände eine Art Tiefpass
>gebildet wird, aber so groß sind die Leitungswiderstände nun auch nicht.

Naja, fast.
Es geht aber weniger um die LeitungsWIDERSTÄNDE (Gleichstrom),
als mehr um die LeitungsINDUKTIVITÄTEN (Wechselanteile).

Diese Wechselanteile (Stromspitzen durch schaltende digitale ICs) können 
die Versorgungsleitungen nicht aufbringen. dadurch bricht dynamisch die 
Versorgungsspannung am Pin zusammen. Deshalb baut man Block-Cs 
induktivitätsarm (kurze Leitungen, kleine Schleifen) an BEIDE 
Betriebsspannungs-Pins.

von holger (Gast)


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>aber so groß sind die Leitungswiderstände nun auch nicht.
>Ausserdem würde das dann wohl auch nur bei sehr hochfrequenten Störungen
>funktionieren.

Schau dir mal die Umschaltzeiten von modernen Chips an.
Im Nanosekunden Bereich. Die hochfrequenten Schwingungen
sind also vorhanden. Der Bypass C hilft diese klein zu
halten. Deshalb sollte man auch pro IC mindestens einen,
oft sogar mehrere Bypass Cs haben.

von Bensch (Gast)


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Wenn du schon die HF-Eigenschaften von Kondensatoren betrachtest, dann 
tu das gefälligst auch für Leitungen. Die haben nämlich auch eine 
Induktivität und die Transienten, die in einer Schaltung entstehen, 
verursachetn auf diesen Leitungen ein gehöriges Störfeuer- so und jetzt 
kommen die Kondensatoren ins Spiel. Sollte jetzt eigentlich auch klar 
sein, wo man die platziert, oder?

von Stefan W. (wswbln)


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...und das witzige daran ist: im interessierenden Frequenzbereich 
(erhält man durch Fouriertransformation aus den Flankensteilheiten und 
Pulslängen) sind die Blockkondensatoren meistens auch schon wieder 
Induktivitäten ;)

von Chris H. (xkris)


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Bensch wrote:
> Wenn du schon die HF-Eigenschaften von Kondensatoren betrachtest, dann
> tu das gefälligst auch für Leitungen. ...

Jo, mach langsam. Hab die Induktiven Eigenschaften der Leitungen nicht 
bedacht. Macht Sinn.  Danke für eure Antworten

von Chris H. (xkris)


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Stefan Wimmer wrote:
> ...und das witzige daran ist: im interessierenden Frequenzbereich
> (erhält man durch Fouriertransformation aus den Flankensteilheiten und
> Pulslängen) sind die Blockkondensatoren meistens auch schon wieder
> Induktivitäten ;)

Dann muss man wahrscheinlich nicht nur die Kondensatoren sondern auch 
deren Zuleitungen berücksichtigen...

von yalu (Gast)


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Selbst wenn die Leitungen ideal wären (Impedanz 0, weil bspw. sehr
kurz), hätten die Kondensatoren immer noch eine Wirkung, da die
HF-Störquellen, die typischerweise in den ICs selbst liegen, keine
idealen Spannungsquellen sind, sondern eine von Null verschiedene
Impedanz haben. Um bspw. bei 100 nF innerhalb von 1 ns eine
Spannungsänderung von 0,1 V hervorzurufen, müssten 10 A fließen. So
"gut" sind die Störquellen aber meist nicht.

von Kupfer Michi (Gast)


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>im interessierenden Frequenzbereich .... sind die Blockkondensatoren meistens 
auch schon wieder Induktivitäten ;)

aber das macht überhaupt nichst, solang die gesamt Impedanz unter ~ 1 
Ohm bleibt und damit können wir dann den Bereich von 1-300MHz abdecken, 
das reicht fürs erste.

von HildeK (Gast)


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Das Bild von  Kupfer Michi (Gast) ist hervorragend! Danke!

Es zeigt sehr schön, dass man für eine sehr gute (Breitband-)Entkopplung 
sinnvollerweise mehrere Kondensatoren in abgestuften Werten parallel 
schalten sollte. Also, neben dem 1-5µF als Tank, die 100n, dann 4,7n und 
noch 470pF.
Damit ergeben sich Werte des Impedanzverlaufs der Entkopplung bis zu 
fast 1 GHz von unter 1 Ohm. Immer dann, wenn der größere Wert induktiv 
wird, wirkt der nächst kleinere Wert noch niederohmig kapazitiv. X7R 
sind dafür meines Wissens ein Muss! Leider gibts die kaum noch unter 
500pF.

Diese Entkopplung ist nicht nur gut für eine sichere Funktion schneller 
Schaltungen (auch ein langsamer Takt (einige MHz) an einem modernen FPGA 
hat durch die schnellen Flanken noch Frequenzanteile weit oberhalb 100 
MHz), sonderen auch eine Reduzierung der Störabstrahlung (EMV) sowie die 
Verbesserung der Störfestigkeit.

Will oder muss man sparsam mit Cs umgehen, dann zeigt das Bild auch, 
dass eine Kombination aus 1µF und 10nF ... 1nF schon einen sehr großen 
Bereich abdeckt und sinnvoller ist, als die häufig verwendeten 100nF.

von Stefan Salewski (Gast)


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>X7R sind dafür meines Wissens ein Muss! Leider gibts die kaum noch unter
>500pF.

Beide Aussagen ergeben für mich nicht viel Sinn -- oder um es 
vorsichtiger auszudrücken, ich verstehe sie nicht. Und ja, ich weiß was 
X7R, NP0 usw. bedeutet, zumindest grob.

von Kupfer Michi (Gast)


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>Das Bild ist hervorragend

na wenns dich freut, hier gleich noch eins gratis oben drauf.

Ist jedoch etwas schwerer zu verdauen, zeigt jedoch was weiter Parameter 
wie Anschlusslänge und GND Plane Caps bringen.

von Kupfer Michi (Gast)


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...Mist.

von Stefan Salewski (Gast)


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>...Mist.

Kein Mist, aber eine Quellenangabe wäre korrekt und nützlich!

von Kupfer Michi (Gast)


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>Quellenangabe

Ja, desswegen hatte ich auch etwas gezoegert, aber in der Anfangszeit 
hatte ich mir solche Sachen ohne Referenz rauskopiert weil ich dachte 
sind eigentlich eh nur für mich ... und jetzt lässt sichs nicht mehr so 
leicht rekonstruieren.
Ich hoffe es fühlt sich keiner allzusehr auf den Schlips getreten.

von Stefan Salewski (Gast)


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>Ich hoffe es fühlt sich keiner allzusehr auf den Schlips getreten.

Nein, ich wollte nur mal darauf hinweisen, weil in diesem Forum sehr 
locker mir Copyright und Quellenangaben umgegangen wird. Auch das 
beliebte Posten von Datenblättern ist nicht unproblematisch (auch eher 
wenig sinnvoll, ein Link auf das Original täte es auch.)

von Andreas K. (a-k)


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HildeK wrote:

> Will oder muss man sparsam mit Cs umgehen, dann zeigt das Bild auch,
> dass eine Kombination aus 1µF und 10nF ... 1nF schon einen sehr großen
> Bereich abdeckt und sinnvoller ist, als die häufig verwendeten 100nF.

Sollte man meinen. Indes: 
http://download.cypress.com.edgesuite.net/design_resources/application_notes/contents/using_decoupling_capacitors___an1032_12.pdf

von Stefan W. (wswbln)


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HildeK wrote:
> Das Bild von  Kupfer Michi (Gast) ist hervorragend! Danke!
>
> Es zeigt sehr schön, dass man für eine sehr gute (Breitband-)Entkopplung
> sinnvollerweise mehrere Kondensatoren in abgestuften Werten parallel
> schalten sollte. Also, neben dem 1-5µF als Tank, die 100n, dann 4,7n und
> noch 470pF.

Gnade! - Bitte nicht schon wieder!!
(siehe meinen (u. andere) Beiträge in 
Beitrag "Größe der Abblockkondensatoren")

von Andreas K. (a-k)


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Stefan Wimmer wrote:

> Gnade! - Bitte nicht schon wieder!!

Ach je. Einmal im Jahr ist ja wohl nicht schlimm (im Vergleich mit 
Pegelwandler&Co). Zumal HildeK damals m.W. noch nicht zugegen war.

von Kupfer Michi (Gast)


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>Quellenangaben

so jetzt haben wirs:

das Erste stammt aus einem DB von EPCOS
das Zweite:

Part 5: PCB Design and Layout
http://www.compliance-club.com/keitharmstrong.aspx

von HildeK (Gast)


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>> Gnade! - Bitte nicht schon wieder!!

>Einmal im Jahr ist ja wohl nicht schlimm (im Vergleich mit
>Pegelwandler&Co). Zumal HildeK damals m.W. noch nicht zugegen war.
Korrekt, bin noch nicht sehr lange hier aktiv!

Ich denke, das viele Probleme bei elektronischen Schaltungen durch 
mangelhafte Entkopplung verursacht werden - wie sich immer wieder bei 
manchen Hilfesuchenden herausstellt. Deshalb wird das Thema IMHO nicht 
zu oft angesprochen. Und - es ist ein unerschöpfliches Thema ;-)


Zu den Quellen:
Es gibt da Aufsätze eines gewissen Prof. Dirks. Der geht da sogar noch 
weiter, indem er vorschlägt, eine Fläche mit VCC, Größe ca. 5cm x 5cm 
mit möglichst wenig Abstand (70µ, 100µ) zur GND-Fläche als 
Flächenkondensator zu nutzen. Dieser deckt den obersten Frequnzbereich 
ab. Alle auf dieser Fläche sitzenden ICs werden daran möchlichst kurz 
über Vias angebunden, ebenso wie die Gruppe der genannten Cs (lieber 
zwei Vias mehr als eines zu wenig), die möglichst in der Mitte sitzen 
sollten. Und, es gibt pro Fläche nur die 1 Gruppe dieser Cs. Die 
VCC-Fläche wird über ein L mit 1 - 5µH an die allgemeine Stromversorgung 
angebunden. GND ist eine komplette Lage!
Wegen der positiven Erfahrungen in den letzten 15 Jahren und der 
Einsparung von manchmal 20 oder mehr Cs (bei entsprechenden ASICS) kann 
ich die Methode nur empfehlen - erfordert natürlich ein professionelles 
Mehrlagenboard. Das entspricht auch dem zweiten Bild von Kupfer Michi.

Nachteile sollten auch nicht verschwiegen werden: Bei FPGAs oder ASICs 
werden teilweise drei Versogungsspannungen benötigt und damit werden 
dann auch für die VCC-Flächen entsprechend viele Lagen gebraucht. Das 
ist sicher teuerer als viele Cs, aber das Ergebnis spricht für sich.

Als Kerkos sollten X7R verwendet werden (wie ich schon bemerkte). Die 
Theorie dazu habe ich nicht im Kopf, aber diese haben eine höheren 
Verlustfaktor und der soll entstehende Resonanzen (mit den parasitären 
Induktivitäten) verringern bzw. dämpfen. Deshalb sind hier NP0 nicht 
geeignet und leider schreiben die Datenblätter manchmal, vorzugsweise 
bei kleinen Werten: 'X7R oder besser ...' - was für diese Anwendung eher 
schlechter ist.

@ Andreas Kaiser (a-k)
Das Cypress-Papier zeigt interessante Probleme auf.
Wir haben die von mir erwähnte Anordung auch schon durchgemessen - ohne 
diese Resonanzen zu sehen. Vielleicht keine X7R, vielleicht keine kurzen 
und fetten Anbindungen an die Flächen - meine Cs sind im Idealfall auch 
auf der gegenüberliegenden Platinenseite und nicht direkt am Pin des IC.
Heißt das, es führen doch viele Wege nach Rom?

von Stefan W. (wswbln)


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HildeK wrote:
>>> Gnade! - Bitte nicht schon wieder!!
>
>>Einmal im Jahr ist ja wohl nicht schlimm (im Vergleich mit
>>Pegelwandler&Co). Zumal HildeK damals m.W. noch nicht zugegen war.
> Korrekt, bin noch nicht sehr lange hier aktiv!

...die Suchfunktion hast Du aber schon entdeckt? :-)

> Ich denke, das viele Probleme bei elektronischen Schaltungen durch
> mangelhafte Entkopplung verursacht werden - wie sich immer wieder bei
> manchen Hilfesuchenden herausstellt. Deshalb wird das Thema IMHO *nicht*
> zu oft angesprochen.

...aber sicher auch nicht zu selten (siehe Bildchen - speziell die 
letzte Zeile) !!

von HildeK (Gast)


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>...die Suchfunktion hast Du aber schon entdeckt? :-)
Ja schon - aber: ich habe nichts gesucht und nichts gefragt, nur 
geantwortet bzw. kommentiert.

von Stefan W. (wswbln)


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Hi, das war jetzt KEIN Vorwurf.

Ich fand's nur bei über 500 Threads (nicht Beiträgen!) etwas 
-ähhh-verwegen zu schreiben, dass das Thema "nicht zu oft" aufgekocht 
werden kann...
:-)))

von HildeK (Gast)


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>Ich fand's nur bei über 500 Threads (nicht Beiträgen!) etwas
>-ähhh-verwegen zu schreiben, dass das Thema "nicht zu oft" aufgekocht
>werden kann...

Da hast du wohl recht - die Zahl war mir tatsächlich nicht bewusst ...

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