Forum: Ausbildung, Studium & Beruf weg in die selbständigkeit


von raffael (Gast)


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Ich frage mich nach 15 Jahren Berufspraxis nun immer öfter, ob es für 
mich den Weg in die Selbständigkeit geben könnte, natürlich mit allen 
Vor und Nachteilen, die ja bekannt sind. Ich denke hier nicht an den 
Aufbau eines eigenen Unternehmens sondern an das Anbieten von 
Software-Entwicklungs Dienstleistungen. So "kenne" ich einige gute Leute 
die das schon länger (für meine Firma) machen, und hierbei relativ gut 
verdienen. Am Fachwissen wird es bei mir nicht scheitern, aber mich 
würde mal interessieren, wie man überhaupt an Aufträge rankommt: Geht 
das nur über persönliche Kontakte (d.h. ein vorhandenes Netzwerk) oder 
schreibt man Firmen an (Türklinkenputzen), welche Firmen überhaupt, oder 
...?

Ich glaube, dass es relativ einfach ist, Folgeaufträge zu bekommen, 
sobald man einmal durch ein gut abgeschlossenens Projekt etabliert ist 
(zumindest meine "bekannten" Freiberufler reden so) - aber wie schafft 
man überhaupt die erste Hürde?

Es wäre nett, wenn hier jemand einige Tips geben könnte oder lediglich 
aus seinem Nähkästchen plaudern würde...

Vielen Dank

von 6643 (Gast)


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Selbstaendig werden ist kein Entweder/Oder, kann durchaus ein UND sein. 
Dh. wenn zuwenig reinkommt, kann man auch noch eine Teilzeitanstellung 
haben. Der erste Schritt ist der Einfachste. Zumindest in der Schweiz 
muss man sich nur auf der Gemeinde bei der AHV Verwaltung als 
Selbstaendiger melden. Nebenbedingungen (fuer Ingenieure) sind marginal. 
Mehr als ein Projektgeber, meist muss man mind.3 haben. Ich wurd aber 
nie gefragt. Dieser vorgang beweirkt, dass man zur jeahrlichen 
Steuererklaerung noch das Beiblatt A fuer Selbstaendige ausfuellen muss. 
Bedeutet auch, dass man die AHV selbst abrechnen muss. Die stellt dann 
aufgrund der Steueererklaerung eine Rechnung.  Dort muss man um die 15% 
der Einnahmen abdruecken. Das war's. Der Rest ist alles nach Wunsch.
Aeh. Ja. Die Aquisitionen. Man sollte mit einem festen Projekt anfangen, 
nicht auf Gut Glueck ins Blaue hinaus. Standard ist dass die 
Auftraggeber eine festen Preis wollen. Und eine feste Lieferzeit. Und 
Nachbesserungsgarantien.

von seco (Gast)


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gulp.de

von Deutscher (Gast)


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Hallo Schweizer, was ist denn die AHV?

Hierzulande ist es ebenso einfach, eine Selbständigkeit anzumelden, aber 
Aufträge bekommen, ist schwer. Ichsitze gerade an der Steuererklärung: 
80k Einnahmen, 30k Abschreibungen und Kosten. Am Anfang wirtschaftet man 
nur in den Aufbau, später wird es lukrativ!

von 6642 (Gast)


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Die AHV ist die staatliche Rentenkasse. Das System verteilt den 
Bezuegern das eingezahlte Geld der Beitragszahler.
Sofern man nicht immer dasselbe macht, steckt man immer im Aufbau. Und 
wenn man dann mal was Lukratives gefunden hat, hat man schnell mal 
Konkurrenz. Irgend ein Kunde erzaehlts seinem Sohn und der bekommt dann 
die Auftraege, da etwas guenstiger.

von Izmir Übel (Gast)


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> aber mich würde mal interessieren, wie man überhaupt an Aufträge
rankommt:

Genau das ist das Grundproblem, alles andere ist marginal. Ich weiß es 
auch nicht. Man muß jemanden kennen, man muß jemanden bestechen, man muß 
einen Gönner haben, man muß Mitbewerber rücksichtslos aus dem Rennen 
werfen. Man muß dem Kunden in den Arsch kriechen. So ungefähr diese 
Richtung.

von 6643 (Gast)


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Nicht ganz. Man sollte einige Zeit in der Industrie gearbeitet haben, 
die Leute kennen. Sie muessen wissen, wenn sie ein Problem haben, dass 
sie zu dir kommen muessen. Man kann auch jungen Startups beistehen. Das 
geht dann etwa so. Ein Kumple hat eine Firm gegruendet und braucht was 
und du machst es. Du kostest fuer ein paar Tage soviel wie ein 
Angestellter einen ganzen Monat. Wenn sich das ein paar mal wiederholt 
stellt er jemanden ein, da guenstiger. Dann stell er fest, dass der 
angestellte ja auch ein Infrastuktur braucht. Die muss er dann 
einschiessen, Sachzwang. Der Junge macht viele Fehler, Termine werden 
ueberzogen, aber er hat ihn und die Infrastruktur. Wenn der Neue dann 
bald wieder wegen magerem Lohn kuendigt, hat der Kollege ja die 
Infrastruktur fuer einen Angestellten und stellt daher einen Neuen 
ein...
Zehn Jahre spaeter hat der Kollege es dann langsame gelernt. Du triffst 
ihn, und er klagt ueber viel zulange Entwicklungszeiten und meint, dass 
ein junges Team nicht nur Vorteile habe.
Wenn die Leute zuerst nach Schilderung des Problems nach dem Preis 
fragen, haben sie nicht wirklich ein Problem.

von Gast (Gast)


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Naja, solche Experten sind selten. Die leben davon, daß sie ihre Ideen 
mehrfach verkaufen, oder Spezialwissen haben, das lange aufgebaut wurde 
und nun von 100 Firmen in der Welt benötigt wird. Nehmen wir ein 
konkretes Beispiel für einen Experten an der S7-Hardware: Der weiss 
genau, wo es dort klemmt, wenn es klemmt und wie er eine Leitung zu 
legen hat, um EMV zu erhalten.

Was dabei ausser Acht gelassen wird: Die haben Jahre investiert. Das 
lohnt nicht. Das Raus-und-Rein-System, also normaler Entwickler, der nur 
schnell die Position wechselt, ist einfacher und auch die Norm.

Man verkauft kein beonderes Knowhpw, sondern seine Verfügbarkeit.

von Christoph (Gast)


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> Man verkauft kein beonderes Knowhpw, sondern seine Verfügbarkeit.

Ich denke man kann auch sein Wissen verkaufen. Ich meine jetzt nicht 
super Expertenwissen, sondern Wissen das die Firma nicht hat oder nicht 
aneignen möchte, weil sie es nur z.B. einmal braucht. Z.B. Programme für 
ihre Fertigungsmaschinen schreiben.
In diesem Fall kann man mehrere Aufträge von verschiedenen Firmen 
parallel bearbeiten. Der Vorteil ist auch, dass man, laut Aussagen von 
Bekannten die selbstständig sind, diese Aufträge per Kaltakquise 
bekommen kann. Also Klinkenputzen, funktioniert wohl überraschend gut.

Wenn man sein Verfügbarkeit verkauft, zumindest verstehe ich das 
darunter, ist wenn man in einer Firma zu 100% mitarbeitet. Ich denke, da 
sind ziemlich gute Kontakte zu Firmen von Nöten um Aufträge zuerhalten. 
Da man auch immer nur für eine Firma arbeitet ist die Arbeitssicherheit 
ziemlich niedrig. Wenn die Firma einen nicht mehr mag, hat man erstmal 
keine Arbeit...

Glaube man muss erstmal wissen wofür man Geld kriegen will. Darauf 
aufbauend kann man dann überlegen wie man sich am besten verkauft.
Zu deiner Anfangsfrag wie man Kunden bekommt. Ich habe bis jetzt oft 
gehört das Kaltakquise ziemlich gut funktioniert...

von Noch en' Selbständiger (Gast)


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> Man verkauft kein beonderes Knowhpw, sondern seine Verfügbarkeit.

Das ist lustig!

Wie, zum Teufel, haben das die 100.000senden KMUs gemacht, die mal alle 
als "Ein-Mann-Firma" angefangen haben?

Die sind nur, und nur durch ihr Knoff-Hoff groß geworden!

Wer nur Verfügbar ist, ist beliebig Austauschbar.

Wer sich mit Knoff-Hoff Selbständig macht, macht sich Einzigartig, ist 
nicht beliebig Austauschbar.

von Izmir Übel (Gast)


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@ noch en' Selbstständiger

Ja so ist es.
Wenn man seine Verfügbarkeit verkauft, ist man kein Selbständiger 
sondern jemand aus der Gruppe, die sich gerne als Freelancer bezeichnen. 
Ein sog. Hilfsbeatle.
Mich wollte auch mal so ein Gutsherr für zwei Wochen zum Layouten 
mieten, zum miesen Tarif, auf seinem eigenen System, mit seiner eigenen 
Bibliothek.
Ist natürlich sein gutes Recht. Ich habe aber höflich und bestimmt 
abgesagt. Der gute Mann ist davon ausgegangen, daß ich verfügbar bin und 
mein in Jahrzehnten angereichertes Wissen umsonst mit dazu liefere.

Der Selbständige verkauft sein Wissen. Und das möglichst teuer.

Der Proletarier hat nichts zu verkaufen außer seiner Arbeitskraft 
(Anleihe von Karl Marx). Der Freelancer ist beliebig austauschbar und 
damit ein Proletarier, ob ihm das paßt oder nicht. Also über Bord mit 
den Illusionen!

von 6643 (Gast)


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Beim Selbstaendigsein kann man zwei Dinge tun : Dienstleistung anbieten 
oder Produkte. Was man auf alle Faelle haben sollte ist eine Webseite, 
wo man irgendwas anbietet. Falls man Dienstleistung anbietet, sollte die 
beschrieben sein, mit Fallbeispielen, vorherigen Projekten, Ausbildung, 
Publikationen. Falls man Produkte anbietet, sollten die auch beschrieben 
sein. Falls man zukunftsgerichtet sein will und sich auch Wachstum 
vorstellen kann, sollte man in Richtung Pridukte gehen. Denn die kann 
man multiplizieren, Dienstleistung nicht. Als Anfaenger ght man 
natuerlich in Richtung Dienstleistung, mangels Produkten und mangels 
Geld die Pridukte ausm Boden zu stampfen. Dann sollte man daran denken, 
dass eine Entwicklung, die ein Kunde wollte aber nicht vollstaendig 
bezahlte, zu einem Produkt fuehren kann. genuegend Nachfrage 
vorausgesetzt. Ich mach das jeweils so, dass ein Kunde, der eine 
Entwicklung will, den 10er Preis fuer den Prototypen bezahlt, ich aber 
die Rechte daran behalte. Den vollen Preis konnte/wollte schon lange 
keiner mehr bezahlen.

von Gast (Gast)


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Izmir, du siehst zu sehr schwarz-weiss. SIcher hast du mit dem 
freelancer Recht, aber jeder Arbeiter verkauft auch immer sein Wissen 
und besonders Ingenieure.

von Izmir Übel (Gast)


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Meine Darstellung tendiert der Kürze wegen ohne Zweifel zum 
schwarz-weißen.

Natürlich verkaufen Arbeiter und Ingenieure auch ihr Wissen. Dafür 
bekommen sie dann in der Regel auch Gehalt - dessen Höhe davon abhängt, 
wieviel vom vorhandenen Wissen vom Unternehmer gebraucht wird.
Der Selbständige kann und sollte es versuchen, sein gesamtes Wissen zu 
vermarkten.
Das sind aber rein akademische Fragen. Die Selbständigkeit ist kein 
Zuckerlecken und voller Tücken.

Der Ansatz von 6643 ist richtig.
Kein Kunde will mehr den vollen Preis für die Entwicklung bezahlen und 
darauf muß man sich einrichten.

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Izmir Übel wrote:
> Das sind aber rein akademische Fragen. Die Selbständigkeit ist kein
> Zuckerlecken und voller Tücken.

Und nicht zu vergessen: Sie kann sehr erfüllend und befriedigend sein 
:-)

> Der Ansatz von 6643 ist richtig.
> Kein Kunde will mehr den vollen Preis für die Entwicklung bezahlen und
> darauf muß man sich einrichten.

Das stimmt.
Ein guter Unternehmer kann aber durchaus ein Projekt annehmen, auch wenn 
er dieses Mal vielleicht noch nicht kostendeckend arbeitet.
Das dabei erworbene Wissen kann man dann für ähnliche Produkte nutzen, 
falls man erkennt: das könnte ein Renner werden.

Es ist mir schon zweimal passiert, dass ich für Privatleute Projekte 
umgesetzt habe, bei denen ich praktisch für nen "Appel und 'n Ei" 
arbeitete. Aber: durch diese Projekte habe ich sehr viel Wissen 
erworben, welches ich dann
1.) in eigenen Produkten umsetzen konnte und im anderen Fall
2.) bei ähnlich gestrickten Aufträgen direkt einen Großteil der
    Lösung bereits in der Schublade hatte.

Das ist ähnlich wie bei großen Konzernen: Kurzfristiges Denken muss 
nicht unbedingt mehr Rendite abwerfen. Aber das erfordert Geduld, 
Weitsicht und auch Bauchgefühl.

Christoph

von Selbständiger (Gast)


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Und ? hat es sich in Summe gelohnt, daß du umsonst gearbeitet hast?

Ich mache lieber ein Projekt beim Kunden, bei ich lerne. Dann habe ich 
zwar weniger, als das Maximum, aber in hangle mich von Kunde zu Kunde 
hoch. Und, ich habe immer tiefschwarze Projekte. Seit ich selbständig 
bin, habe ich das höchste Netto, daß ich je hatte.

von Verschenknix (Gast)


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@Selbständiger
> hoch. Und, ich habe immer tiefschwarze Projekte. Seit ich selbständig
> bin, habe ich das höchste Netto, daß ich je hatte.

Was alleine ja noch nichts heisst, für viele sind 1000€/Monat schon mehr 
als sie je hatten...
Was bedeutet bei Dir tiefschwarz? Mehr rausbekommen als Spesen gehabt?

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Selbständiger wrote:
> Und ? hat es sich in Summe gelohnt, daß du umsonst gearbeitet hast?

Ja klar ... das Schöne ist jetzt, dass ich arbeitsmäßig fast nichts mehr 
investieren muss und somit fast Reingewinn habe :-)

> Ich mache lieber ein Projekt beim Kunden, bei ich lerne. Dann habe ich
> zwar weniger, als das Maximum, aber in hangle mich von Kunde zu Kunde
> hoch. Und, ich habe immer tiefschwarze Projekte. Seit ich selbständig
> bin, habe ich das höchste Netto, daß ich je hatte.

Ich bin soweit, dass ich selbst entscheide, was ich als nächstes 
entwickle :-)

Christoph

von 6643 (Gast)


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Was heisst umsonst gearbeitet ? Wenn man an eigenen Produkten rumwerkelt 
und immer noch was dabei lernt, hat der Verdienst eine andere Bedeutung. 
Vor allem wenn ich mein Produkt in 100er Serien um die Ecke ordern kann, 
etwas Firmware aufspielen, und raus damit.

von Noch en' Selbständiger (Gast)


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> ...das Schöne ist jetzt, dass ich arbeitsmäßig fast nichts mehr
> investieren muss...

Diese Einstellung hatte ich auch mal. Erst später(fast zu spät) habe ich 
gemerkt , dass dies ein Stillstand des unternehmerischen Handelns ist.
Die Gleichung 'Stillstand ist gleich Rückschritt' bewahrheitet sich in 
unserer Branche nur zu oft.

von 6643 (Gast)


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Aeh, ja, man kann sich auch mal in einem Job verrennen. Ein paar Jahre 
lang nur noch schauen ob man an einem Bauteil noch 2 Cents sparen kann. 
Man sollte sich auch mal die Zeit nehmen etwas Neues anzuschauen. Auch 
mal ein paar Designs in den Wind raus machen koennen, um was 
auszuprobieren.

von Izmir Übel (Gast)


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@ Christoph


> Ja klar ... das Schöne ist jetzt, dass ich arbeitsmäßig fast nichts mehr
> investieren muss und somit fast Reingewinn habe :-)

Ja, das dachte ich auch mal, bis ich mich nach fast 30 Jahren 
Berufstätigkeit daran gemacht habe, VHDL zu erlernen und anzuwenden, um 
nicht völlig den Anschluß zu verpassen. Das geht gerade bei 
Selbständigen nämlich sehr schnell.  Erstens deswegen, weil man ja den 
ganzen organisatorischen Quatsch selbst erledigt und für die 
Weiterbildung nicht viel Zeit investieren kann. Zweitens, weil man in 
seiner Klitsche im eigenen Saft schmort und die Kollegenkontakte aus der 
unmittelbaren Arbeitsumgebung fehlen.

> Ich bin soweit, dass ich selbst entscheide, was ich als nächstes
> entwickle :-)

Habe ich auch mal ganz spontan selbst entschieden. Nach 1,5 Jahren 
intensiver Arbeit hatte ich dann ein prima funktionierendes Gerät, das 
keiner brauchte. Sozusagen am Bedarf vorbeientwickelt. Ich verkaufe es 
dir gerne, wenn du es vielleicht brauchst.
Ich habe allerdings viel dabei gelernt, u.a. VHDL und C und mir ganz 
schräge Standards mit mehreren Tausend Seiten reingezogen. Spaß hat es 
auch gemacht. Hobby sozusagen. Bringt aber eben kein Geld :-(

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Hallo Izmir ;-)

>Izmir Übel wrote:
>
> Ja, das dachte ich auch mal, bis ich mich nach fast 30 Jahren
> Berufstätigkeit daran gemacht habe, VHDL zu erlernen und anzuwenden, um
> nicht völlig den Anschluß zu verpassen. Das geht gerade bei
> Selbständigen nämlich sehr schnell.  Erstens deswegen, weil man ja den
> ganzen organisatorischen Quatsch selbst erledigt und für die
> Weiterbildung nicht viel Zeit investieren kann. Zweitens, weil man in
> seiner Klitsche im eigenen Saft schmort und die Kollegenkontakte aus der
> unmittelbaren Arbeitsumgebung fehlen.

Natürlich muss man sich weiterentwickeln. Das ergibt sich schon aus den 
immer neuen Projekten, die ich angehe. Von Stillstand oder so kann 
keinesfalls die Rede sein. Aber Forbildung sollte selbstverständlich 
sein - ich investiere täglich mindestens zwei Stunden nur dafür, auf dem 
neuesten Stand zu bleiben.

Aber man muss sich natürlich organisieren können - ein guter Unternehmer 
ist vor allem auch ein guter Kaufmann - das vergessen viele 
"Ingenieurtypen".

Wo ich Dir Recht geben muss, ist, dass der soziale Kontakt schwierig 
ist. Aber da muss man dann selbst aktiv werden. Es gibt 
Unternehmerkreise, Wirtschaftsjunioren, IHK (ja, tatsächlich, da kann 
man gute Kontakte knüpfen!) usw. ... man kann Kontakt haben - wenn man 
möchte!

Ich bin jetzt in der glücklichen Lage, dass ich Leute einstellen kann - 
da sollte sich das Problem bald erledigen :-)

>> Ich bin soweit, dass ich selbst entscheide, was ich als nächstes
>> entwickle :-)
>
> Habe ich auch mal ganz spontan selbst entschieden. Nach 1,5 Jahren
> intensiver Arbeit hatte ich dann ein prima funktionierendes Gerät, das
> keiner brauchte. Sozusagen am Bedarf vorbeientwickelt. Ich verkaufe es
> dir gerne, wenn du es vielleicht brauchst.
> Ich habe allerdings viel dabei gelernt, u.a. VHDL und C und mir ganz
> schräge Standards mit mehreren Tausend Seiten reingezogen. Spaß hat es
> auch gemacht. Hobby sozusagen. Bringt aber eben kein Geld :-(

Gut, da hast Du den Markt falsch eingeschätzt bzw. nicht gut sondiert.
Shit happens und Kopf wieder hoch - das muss man sich dann aber auch 
eingestehen und vom toten Pferd steigen.

Wer selbstständig arbeitet, muss ständig und umfassend reflektieren, ob 
er auf das richtige Pferd setzt und bei entsprechenden Erkenntnissen 
auch Projekte abbrechen.
Ich stelle mich immer wieder mal außerhalb (quasi Kundensicht) und 
schreibe sehr kritisch auf, was mir an meinem Unternehmen nicht gefällt. 
Da hilft es auch sehr, wenn das gute Freunde (oder die eigene Frau :-) 
außerhalb der Materie tun.
Man glaubt nicht, welche Fehler man macht :-)

Ich habe bisher immer das Glück gehabt, dass mir meine Kunden den Bedarf 
sozusagen frei Haus lieferten. War ein Projekt am laufen, kamen so schon 
wieder die Ideen für das übernächste usw.

Zur Zeit ist es allerdings schon recht krass:
Für das nächste Projekt (es geht um die Automatisierung chemischer 
Prozesse) habe ich schon ein Dutzend Abnahmezusagen, obwohl selbst mein 
Prototyp noch nicht funktioniert.

Christoph

von Izmir Übel (Gast)


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Hallo Christoph,

du solltest Gesundbeter werden :-).

Ich sehe die Selbständigkeit inzwischen völlig emotionslos. Das ergibt 
sich so, wenn man in einer entindustrialisierten Gegend lebt.

> Aber da muss man dann selbst aktiv werden. Es gibt Unternehmerkreise,
> Wirtschaftsjunioren, IHK

Mit der IHK möchte man hier allerdings nicht viel zu tun haben, da das 
hier eine Schmarotzerorganisation ist, die sich vom den eingetriebenen 
Zwangsbeiträgen einen tollen Glaspalast ("Gürteltier") gebaut hat. 
Anderswo mag es anders sein.
Im Unternehmerkreis finden sich wegen der Entindustrialisierung so tolle 
Hirsche wie Bäckermeister, Autohausbesitzer, Dönerfabrikanten, 
Videofilmverleiher usw. Mit denen möchte ich eigentlich nichts zu tun 
haben (jaja, der Standesdünkel!).

Denke jetzt bloß nicht, daß ich an Depressionen leide und 
orientierungslos durch die Gegend taumele!
Ich bin Realist.
Im übrigen ist die Klage der Morgengruß des Kaufmanns.

Ich wünsche dir satte Erfolge! Es scheint ja in Deutschland doch noch 
irgendwo blühende Landstriche zu geben, wenn man deinen Ausführungen 
Glauben schenken darf.

von Miristnichtuebel (Gast)


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@ Izmir Übel (Gast)

Man benoetigt nicht unbedingt Kunden vor Ort. Bei mir geht praktisch 
alles in den Export. Die meisten Kunden habe ich nie gesehen, werd sie 
auch nicht sehen.

von Izmir Übel (Gast)


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@ Miristnichtuebel

Toll!

> Die meisten Kunden habe ich nie gesehen, werd sie auch nicht sehen.

Mir geht es ähnlich:
Ich möchte auch nicht ständig in die Gesichter meiner Opfer blicken. :-)

(Anmerkung: Meine Rückläuferqoute war in den letzten 15 Jahren sehr 
gering,
nicht was ihr jetzt alle denkt!)

Bei mir gehen die meisten Erzeugnisse auch sonstwohin, aber nichts geht 
über den direkten Kundenkontakt. Dort, wo ich den direkten Kontakt habe, 
läuft die Sache am besten.
Wenn ich Leiterplatten fertigen lasse, ist mir der Fertigungsort auch 
völlig schnurz, da es klar definierte Schnittstellen wie z.B. RS 274 X
gibt. Da brauche ich fast keinen Kontakt. Wenn ich klar erkennbare Böcke 
im Layout geschossen habe, genügt eine Mail oder ein Telefonat. Das ist 
aber eine einfache Geschäftbeziehung Kauf/Verkauf.
Bei Entwicklungsaufträgen spielen bekanntermaßen aber völlig andere 
Faktoren eine nicht unwesentliche Rolle!

von Miristnichtuebel (Gast)


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Das ist richtig. Daraus kann man schliessen... Ein Produkt zu verkloppen 
geht ohne Kundenkontakt, Entwicklungsauftraege gehen so nicht. Das 
bedeutet wenn man in der Pampa wohnt, wo ein Baecker das naechste ist, 
und nachher niemand mehr kommt, sollte man Produkte fertigen, hingegen 
in der Agglomeration wo's von potentiellen Kunden nur so wimmelt kann 
man Entwicklungsauftraege machen.

von Izmir Übel (Gast)


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Hast ja Recht!

Genug lamentiert. Ich setze mich jetzt auch wieder ganz brav an meine 
Schiefertafeln und mache diese blöde und hirntote Konstruktionsänderung 
an der Leiterplatte, die daraus resultiert, daß der Disti nicht liefern 
kann, zu Ende.
Mit diesem Produkt werde ich dann gnadenlos den Markt überfluten!

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Izmir Übel wrote:
> Hast ja Recht!
>
> Genug lamentiert. Ich setze mich jetzt auch wieder ganz brav an meine
> Schiefertafeln und mache diese blöde und hirntote Konstruktionsänderung
> an der Leiterplatte, die daraus resultiert, daß der Disti nicht liefern
> kann, zu Ende.

Eben, jetzt wird wieder geschafft :-)

Das mit dem Gesundbeter fand ich gut.
Ich bin halt ein unverbesserlicher Optimist :-)

Vielleicht habe ich auch einfach das Näschen für die Marktlücken - keine 
Ahnung. Bisher hat sich eigentlich alles, was ich probiert habe, in bare 
Münze verwandelt.

Zur IHK: ich habe schon gehört, dass es woanders Probleme gibt. 
Vermutlich hab ich mit Koblenz einfach eine sehr gute erwischt. Auf die 
lass ich aber auch nix kommen. Man erählt sofort kompetente Antwort, 
Links, Rückrufe. Ich bin dort sehr zufrieden.

> Mit diesem Produkt werde ich dann gnadenlos den Markt überfluten!

Hehe - nur zu!
Ich gönn es Dir (wirklich) :-)

Christoph

von Noch en' Selbständiger (Gast)


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> Vermutlich hab ich mit Koblenz einfach eine sehr gute erwischt.

Ja, kann ich bestätigen. Bin auch bei der IHK-Koblenz Gebührenzahler ;-)

von gast (Gast)


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