Forum: Offtopic Relativistische Betrachtung zum Magnetfeld


von Rüdiger K. (sleipnir)


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Um das Phänomen des Magnetismus in seinen Ursachen zu verstehen habe ich 
ein einfaches Gedankenexperiment unternommen. Gehen wir vorerst von den 
Anfangsbedingungen der speziellen Relativitätstheorie aus, einem leeren 
Universum wo es nur gleichförmig/nichtbeschleunigte Inertialsysteme 
gibt. Denken wir uns in unserem Inertialsystem zwei Elektronen, welche 
folglich zu sich und zu uns in Ruhe sind. Wir werden somit nur die 
abstoßenden elektrischen Kräfte messen. Verlassen wir nun dieses 
Inertialsystem und wechseln in ein Inertialsystem, welches sich 
gegenüber dem ursprünglichen Inertialsystem bewegt. Umgangssprachlich 
sausen also die Elektronen mit konstanter Geschwindigkeit an uns vorbei. 
Nun müßten wir aber nach dem Maxwellschen Gesetz rot H = J feststellen, 
das sich um die bewegten Elektronen ein magnetisches Feld aufbaut. Die 
Anwendung der linken Hand / Schraubenregel zeigt uns das das magnetische 
Feld auf das jeweils andere Elektron eine Lorenzkraft induziert welche 
die Elektronen aufeinanderzubeschleunigt.
 Nun haben wir somit - abhängig von der Wahl der Inertialsysteme - zwei 
verschiedene Beobachtungen. Einmal haben wir eine Lorenzkraft und damit 
verbunden eine Bewegung der Elektronen, ein andermal nicht. Wie vereint 
sich das?

von Peter (Gast)


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>Gehen wir vorerst von den Anfangsbedingungen der speziellen >Relativitätstheorie 
aus, einem leeren Universum wo es nur >gleichförmig/nichtbeschleunigte 
Inertialsysteme gibt. Denken wir uns in >unserem Inertialsystem zwei Elektronen, 
welche folglich zu sich und zu uns >in Ruhe sind. Wir werden somit nur die 
abstoßenden elektrischen Kräfte >messen.

Diese abstossenden Kräfte beschleunigen die Elektronen und schon stimmt 
die Ausgangslage "gleichförmig/nichtbeschleunigte Inertialsysteme" nicht 
mehr...

von Rüdiger K. (sleipnir)


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Ein interessanter Einwand. Aber diese Beschleunigung tritt doch erst als 
Folge dieses Szenarios auf. Kann die Folge die Ursache aufheben?
Mit diesem Gedankenexperiment wollte ich die relativistische Natur des 
magnetischen Feldes nachempfinden. Die bei Wikipedia gegebene 
Interpretation war für mich nicht ganz schlüssig, deshalb habe ich das 
Experiment auf seine Minimalform zurückgeführt.

von Anfänger (Gast)


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> Die bei Wikipedia gegebene...

Achtung!: Generation Wikipedia!

von Rüdiger K. (sleipnir)


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Warum soll man nicht reinschauen wenn es wie Google "quasi um die Ecke" 
liegt? Ich bin mir der Probleme mit Wikipedia bei "heißen" Themen schon 
bewußt, aber viele Sachartikel sind wirklich gut.
Ich gebe offen zu das ich die Rechenregeln für das 
Kroenecker-Matrizenprodukt von da habe.

von Nicht_neuer_Hase (Gast)


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"Nun haben wir somit - abhängig von der Wahl der Inertialsysteme - zwei
verschiedene Beobachtungen. Einmal haben wir eine Lorenzkraft und damit
verbunden eine Bewegung der Elektronen, ein andermal nicht. Wie vereint
sich das?"

=> Fehler: das Elektron bewegt sich sehr wohl von BEIDEN Bezugssystemen 
aus betrachtet !
Wie man das jedoch interpretieren muss, war schon in meinem 
Oberstufen-Physikbuch von 1973 beschrieben:

Angenommen, das Elektron bewegt sich relativ zu mir ( als Beobachter ) 
UND zu dem Magnetfeld B, das relativ zu mir ruht, erfährt es die 
Lorentzkraft ( F,v,B sind natürlich Vektoren ):

F = -e * ( v X B )

und wird durch diese Kraft abgelenkt.

Befinde ich mich jedoch im gleichen Inertialsystem wie das Elektron
BEVOR vom ersten Imtertialsystem aus betrachtet, das Magnetfeld 
eingeschaltet ist, muss ich die dann erfolgende Ablenkung des Elektrons 
so auslegen, als wenn ein Feldstärkevektor E auf das Elektron einwirkt, 
das es entsprechend auslenkt ( die Geschwindigkeit des Elektrons relativ 
zu mir ist ja Null, daher kann es in meinem Bezugssystem keine 
Lorentzkraft geben; oder anders gesagt: in meinem Bezugssystem stellt 
das Elektron eine ruhende Ladung dar ).

Ist halt alles relativ ...

Gruss

von Rüdiger K. (sleipnir)


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Nachtrag: ich habe von einem Physikstudenten den Hinweis erhalten das 
die Vereinigung von Elektromagnetismus und SRT nicht so trivial ist. Der 
sinnvollste Ansatz in dieser Hinsicht sei die Dirac'sche Theorie
http://de.wikipedia.org/wiki/Dirac-Theorie

von 3348 (Gast)


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Richtig ist die Vermutung, dass EM Felder bei relativistischen 
Geschwindigkeiten ineinander transformieren. Man kann aber nie ein 
reines (E oder H) Feld rein in das Andere (E oder H) transformieren. 
Eher : Ein Bisschen E wird zu H und umgekehrt.

von Rüdiger K. (sleipnir)


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@Nicht_neuer_Hase: Ich stehe jetzt wahrscheinlich auf dem Schlauch: das 
die anziehende Komponente auch als elektrische Kraft in einem 
mitbewegten Inertialsystem beschrieben werden kann war ja die 
Grundaussage des Wikipedia-Artikels. Aber ist es denn nicht so das die 
Bewegung der Elektronen im mitbewegten Inertialsystem Folge der 
ursprünglichen Betrachtung ist? Sprich: das sie als Folge nicht die 
Ursache sein kann?
An diesem Gedankenexperiment habe ich wirklich zu knabbern; wenn ich 
kein Bezugssystem habe, wie errechne ich überhaupt meine Stromdichte J, 
die ich ja wiederum zur Berechnung der magnetischen Feldstärke brauche? 
Da die Lorenzkraft proportional zu v ist kann ich ja je nach 
Bezugssystem eine unterschiedliche Lorenzkraft postulieren!

von Tommi H. (drmota)


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Beorg dir mal das Buch "Vorlesungen über Physik" von Feynmann 2. Band 
Kapitel 13.6 (Die Relativität magnetischer und elektrischer Felder)

Dieses Kapitel sollte jede Uni Absolvent Elektrotechnik (Fhler nicht) 
kennen.

von Nicht_neuer_Hase (Gast)


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Hallo, @Rüdiger Knörig !

"An diesem Gedankenexperiment habe ich wirklich zu knabbern; wenn ich
kein Bezugssystem habe, wie errechne ich überhaupt meine Stromdichte J,
die ich ja wiederum zur Berechnung der magnetischen Feldstärke brauche?
Da die Lorenzkraft proportional zu v ist kann ich ja je nach
Bezugssystem eine unterschiedliche Lorenzkraft postulieren!"

=>
Die Betrachtung der Lorentzkraft ( durch B ) bzw. der Coulomb-Kraft
( durch E )auf eine Ladung, macht, glaube ich, nur in einem gegebenen 
Bezugssystem Sinn.
Bewegt sich das Elektron im 1. Inertialsystem, dass eine Flussdichte B
( hier mal als homogen angenommen ) aufweist, wird es als Teilchen 
abgelenkt und beschreibt eine Kreisbahn ( wie im Fadenstrahlrohr ). Also 
wird auch der Vektor v des Elektrons verdreht.
Betrachte ich jetzt ein 2. Inertialsystem, das dieselbe Richtung im Raum 
haben soll, wie das Elektron im ersten Moment der Betrachtung, liegt 
doch folgendes vor:
Nur in diesem ersten Moment ist das Elektron, von diesem 2. 
Inertialsystem aus betrachtet, in Ruhe, dann "verdreht" sich der 
v-Vektor gegen die Richtung dieses 2. Inertialsystems, das Elektron 
erhält somit eine Relativgeschwindigkeit.

Der Beobachter im 2. System sieht also NUR im ersten Moment dieses 
Elektron in Ruhe. Aber auch in diesem Moment bewegt sich das Elektron, 
und diese Bewegung muss er ( in seinem Bezugssystem ) einer elektrischen 
Feldstärke E zuschreiben ???

( Jetzt müsste man Einstein fragen können ! )

Viele Grüsse

von AVRFan (Gast)


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>Denken wir uns in unserem Inertialsystem zwei Elektronen, welche
>folglich zu sich und zu uns in Ruhe sind. Wir werden somit nur die
>abstoßenden elektrischen Kräfte messen.

Ja, zwischen den Elektronen wirkt eine abstoßende Coulombkraft.

>Verlassen wir nun dieses
>Inertialsystem und wechseln in ein Inertialsystem, welches sich
>gegenüber dem ursprünglichen Inertialsystem bewegt. Umgangssprachlich
>sausen also die Elektronen mit konstanter Geschwindigkeit an uns vorbei.

Ja.

>Nun müßten wir aber nach dem Maxwellschen Gesetz rot H = J feststellen,
>das sich um die bewegten Elektronen ein magnetisches Feld aufbaut.

Ja.

>Die Anwendung der linken Hand / Schraubenregel zeigt uns das das magnetische
>Feld auf das jeweils andere Elektron eine Lorenzkraft induziert welche
>die Elektronen aufeinanderzubeschleunigt.

Ja.

>Nun haben wir somit - abhängig von der Wahl der Inertialsysteme - zwei
>verschiedene Beobachtungen.

Die Elektronen stoßen sich für den mitbewegten Beobachter genau gleich 
stark ab.  Er "sieht" zwar eine anziehende Lorentzkraft, aber die 
Elektronen wegen der Lorentzkontraktion auch näher beisammen.  Die 
Lorentkraft wird durch die daraus resultierende stärkere 
Coulomb-Abstoßung exakt kompensiert.

von Rüdiger K. (sleipnir)


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Ich danke allen für die Antworten. Ich werde mal versuchen mich an die 
exakte mathematische Formulierung dieses Problems zu machen.

von Rüdiger K. (sleipnir)


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Ah, hier gibt es eine gute Antwort, die AVRFan bestätigt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Elektromagnetisches_Feld#Elektrodynamik_und_Relativit.C3.A4tstheorie

"Einfaches Beispiel: Ein mit konstanter Geschwindigkeit fliegendes, 
geladenes Teilchen ist von einem elektrischen und einem magnetischen 
Feld umgeben. Ein mit gleicher Geschwindigkeit fliegendes, 
gleichgeladenes Teilchen erfährt durch das elektrische Feld eine 
abstoßende Kraft, da sich gleichnamige Ladungen gegenseitig abstoßen; 
gleichzeitig erfährt es durch das Magnetfeld eine anziehende 
Lorentzkraft, die die Abstoßung teilweise kompensiert. Bei 
Lichtgeschwindigkeit wäre diese Kompensation vollständig. In dem 
Inertialsystem, in dem beide Teilchen ruhen, gibt es kein magnetisches 
Feld und damit keine Lorentzkraft. Dort wirkt nur die abstoßende 
Coulombkraft, so dass das Teilchen stärker beschleunigt wird, als im 
ursprünglichen Bezugssystem, in dem sich beide Ladungen bewegen. Dies 
widerspricht der newtonschen Physik, bei der die Beschleunigung nicht 
vom Bezugssystem abhängt.
Diese Erkenntnis führte zunächst zur Annahme, in der Elektrodynamik gäbe 
es ein bevorzugtes Bezugssystem (Äthersystem). Versuche, die 
Geschwindigkeit der Erde gegen den Äther zu messen, zum Beispiel das 
Michelson-Morley-Experiment, schlugen jedoch fehl.
Hendrik Antoon Lorentz löste dieses Problem mit einer modifizierten 
Lorentzschen Äthertheorie, wobei dessen Erklärung jedoch von Albert 
Einstein mit seiner speziellen Relativitätstheorie abgelöst wurde. 
Einstein ersetzte Newtons absoluten Raum und absolute Zeit durch eine 
vierdimensionale Raumzeit. In der Relativitätstheorie tritt an die 
Stelle der Galilei-Invarianz die Lorentz-Invarianz, die von der 
Elektrodynamik erfüllt wird.
In der Tat lässt sich die Verringerung der Beschleunigung und damit die 
magnetische Kraft im obigen Beispiel über eine Rücktransformation der 
Beobachtungen im bewegten System in das ruhende System als Folge der 
Längenkontraktion und Zeitdilatation erklären. In gewisser Weise lässt 
sich daher die Existenz von magnetischen Phänomenen letztlich auf die 
Struktur von Raum und Zeit zurückführen, wie sie in der 
Relativitätstheorie beschrieben wird. Unter diesem Gesichtspunkt 
erscheint auch die Struktur der Grundgleichungen für statische 
Magnetfelder mit ihren Kreuzprodukten weniger verwunderlich."

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