Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Integrator mit LM324


von henne (Gast)


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Moin zusammen,

Ich bin gerade dabei, einen extrem langsamen (0,5V/min) Integrator zu 
bauen. Dazu verwende ich derzeit einen LM324, da ich davon noch eine 
Stange liegen habe.

Komischerweise läuft die Spannung nicht langsam an eine der Rails 
sondern steigt linear an und nähert sich dann asymptotisch einer 
geringeren Endspannung. Diese Spannung ist abhängig von der 
Eingangsspannung des Integrators.

Aufbau (der Schaltplan liegt auf einem Stick, den ich in der Uni 
vergessen habe...):

Speisung mit 9V-Block; Masse wird über nicht-invertierenden OPV mittig 
erzeugt.
+5V auf einen 10k-Trimmer gegen GND als Spannungsteiler für den 
Integratoreingang. Dieser entspricht der invertierenden 
Standardschaltung mit R=220k und C=1000uF.
Danach kommt noch ein invertierender Verstärker mit einer Verstärkung 
von 1.

Kann es sein, dass die Eingänge des LM324 doch nicht so hochohmig sind, 
dass die Eingangsspannung am invertierenden Eingang des Integrators auf 
Grund der 220k nicht "voll" ansteigen kann?

Den Schaltplan werde ich gern nachreichen, wenn gewünscht. (gif oder png 
gewünscht?)

Vielen Dank schon mal!
Hendrik

: Verschoben durch Admin
von Kai Klaas (Gast)


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Hallo Henne,

>Komischerweise läuft die Spannung nicht langsam an eine der Rails
>sondern steigt linear an und nähert sich dann asymptotisch einer
>geringeren Endspannung.

Du weißt, daß der LM324 ist kein Rail-to-Rail Opamp ist?

Kai

von henne (Gast)


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@Kai:
Jep. Er sollte aber bis an die Versorgungsspannung -1,5V gehen - und das 
unabhängig von der Stellung des Trimmers.

Viele Grüße,
Hendrik

von yalu (Gast)


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Der 1000uF-Kondensator ist wahrscheinlich ein Elko, dessen Leckstrom um
mehrere Größenordnungen größer als der Eingangsstrom des LM324 ist.
Je größer der Leckstrom ist, umso früher hört der Integrierer auf zu
integrieren.

von yalu (Gast)


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> ... nähert sich dann asymptotisch einer geringeren Endspannung. Diese
> Spannung ist abhängig von der Eingangsspannung des Integrators.

Dieses Verhalten kommt daher, dass der OPV zusammen mit den 220kΩ und
dem parasitären Parallelwiderstand im Kondensator einen gewöhnlichen
invertierenden Verstärker mit nicht allzu großem Verstärkungsfaktor
bildet. Bei einem idealen Integrierer ist aber der DC-Verstärkungsfaktor
unendlich.

Besser geht's bspw. mit einem Folienkondensator. Da der aber keine so
hohe Kapazität hat, musst du den Widerstand entsprechend vergrößern.
Dann spielt aber irgendwann der Eingangsstrom des OPV doch eine Rolle,
deswegen musst du diesen durch einen mit JFET- oder (noch besser)
MOSFET-Eingängen ersetzen. Spätestens jetzt wirst du vielleicht merken,
dass auch auf der Platine Kriechströme fließen, vor allem dann, wenn sie
nicht 100%ig sauber ist. Auch dagegen gibt es Tricks (Stichwort Guard-
Ring), aber irgendwann kommst du zum Schluss, dass du die Aufgabe
vielleicht auch digital lösen kannst :)

von aha (Gast)


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Ein LM324 ist etwa das Falscheste. Ein hoher Biasstrom und eine hohe 
Offsetspannung.

von henne (Gast)


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Die Bahnen sind möglichst kurz, die Isolationsabstände >1mm und der 
Eingangsstrom sollte <50nA sein. Ich hatte Leckströme im Elko völlig 
vernachlässigt...

Wie sollte ein Guard-Ring bei so einer Schaltung aussehen? Jedes feste 
Potential (GND, -UB, +UB) würde zu Verschiebungen führen.

zu der digitalen Variante: Der Integrator arbeitet kontinuierlich - die 
digitale Variante diskret. Wenn die Quantisierung keine allzu üble 
Treppe erzeugen soll, bin ich bei 10..12bit. Den DAC sauber 
anzuschließen und das Signal zu verstärken, stell ich mir nicht viel 
einfacher vor. Einen Taktgenerator und kaskadierte Binärzähler würde ich 
wohl nicht mehr nutzen und das direkt mit einem kleinen AVR tot 
schlagen. PWM ginge auf Grund des Ripples wohl wieder nicht...

Gibt es eigentlich einen netten pinkompatiplen 4fach OPV, den ich mir 
mal anschauen könnte? Mein bisheriger Wald-und-Wiesen OPV scheint ja an 
seine Grenzen zu stoßen.


Vielen Dank für die Antworten!
Hendrik

von Ei (Gast)


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Du bist aber nicht der Typ mit der Temperaturstörung?

von henne (Gast)


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@Ei:
Ähh - nein?
Wieso?


Wie stünde es mit dem TL084? Der Biasstrom ligt typ. bei 30pA, was dann 
einen kleineren Kondensator und einen größeren Widerstand erlaubt.
Versorgung dürfte auch passen.


Viele Grüße,
Hendrik

von Kai Klaas (Gast)


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Hallo Henne,

>Gibt es eigentlich einen netten pinkompatiplen 4fach OPV, den ich mir
>mal anschauen könnte? Mein bisheriger Wald-und-Wiesen OPV scheint ja an
>seine Grenzen zu stoßen.

Ich würde den TLC279 oder TLC274 nehmen.

Kai

von yalu (Gast)


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> Wie sollte ein Guard-Ring bei so einer Schaltung aussehen? Jedes feste
> Potential (GND, -UB, +UB) würde zu Verschiebungen führen.

Der mit Abstand hochohmigste und damit empfindichste Punkt in der
Schaltung ist der invertierende Eingang des OPV. Dieser liegt im
normalen Betrieb des Integrierers immer etwa auf GND-Potential, so dass
man geschickterweise einen mit GND verbundenen Guard-Ring um diesen
Eingang sowie die damit verbundenen Leiterbahnen legt. Die
Spannungsdifferenz zwischen Guard-Ring und dem Eingang entspricht damit
im Wesentlichen der Offsetspannung des OPV, so dass der Kriechstrom
minimal ist, wenn man einen entsprechend präzisen OPV-Typ einsetzt.

> Der Integrierer arbeitet kontinuierlich - die digitale Variante
> diskret.

Es gibt auch Mischformen, bspw. ein Spannungs-Frequenz-Wandler (der im
Inneren einen analogen Integrierer enthält) mit nachgeschaltetem
Digitalzähler.

Bei der rein digitalen Variante (ADC und digitaler Addierer) enstehen
die Quantisierungsfehler vor der Integration und werden somit
mitintegriert, was zu einer Drift des Ergebnisses führt.

Dieses Problem hat die o.g. Mischvariante nicht, da die Quantisierung de
facto erst nach der Integration geschieht. Da der VFC bei richtiger
Anwendung immer nur über kurze Zeitperioden integrieren muss, kommt man
mit relativ kleinen Kondensatoren und Widerständen aus, was den Einfluss
von Leck- und Kriechströmen minimiert.

Ein weiterer Vorteil dieser Anordnung besteht darin, dass man den
Wertebereich des Integrationsergebnisses (falls dieses nur in digitaler
Form benötigt wird) nahezu beliebig groß machen kann, ohne an Auflösung
zu verlieren, indem man die Bitbreite des Zählers entsprechend erhöht.
Das gilt erst recht, wenn die Zählerei ein µC macht.

> Den DAC sauber anzuschließen und das Signal zu verstärken, stell ich
> mir nicht viel einfacher vor.

Du brauchst das Ergebnis also analog. Naja, die Schnittstelle zwischen
Zähler bzw. µC und DAC ist digital und nicht besonders schwierig, was
danach kommt, hängt von deiner Anwendung ab. Darf man fragen, was das
Ganze werden soll?

> Gibt es eigentlich einen netten pinkompatiplen 4fach OPV, den ich mir
> mal anschauen könnte?

MOSFET-Eingänge, wie sie die von Kai vorgeschlagenen TLCs haben, sind
natürlich, das den Eingangsstrom (0,6pA) betrifft, optimal. Du wirst
aber kaum einen Unterschied zum TL084 (30pA) feststellen können, da der
Eingangsstrom auch hier so gering ist, dass der von externen Effekten
überdeckt wird. CMOS-OPVs wie die TLCs haben i.Allg. auch eine geringere
Differenzverstärkung als die (JFET-)Bipolartypen wie die TLs, was sich
wiederum ungünstig auf die Spannungsdifferenz zwischen dem inverterenden
Eingang und GND und damit auf die Wirksamkeit des Guard-Rings auswirkt.

Bei der Auswahl des OPV spielen aber noch andere Dinge wie Offset-
spannung, Bandbreite usw. eine Rolle, die jedoch sehr stark von den
Anforderungen deiner Anwendung abhängen.

von Ulrich (Gast)


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Der TLC274 hat gegenüber dem TL084 vor allem den Vorteil, das man auch 
mit eher niedrieger Versorgungsspnnung auskommt, und wie beim LM324 auch 
an GND rankommt. Der TL084 ist OK bei mehr als 12 V Versorgung, sonst 
lieber den TLC...

von Henne (Gast)


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Da als Versorgungsspannung 12V ausreichen sollten, spricht wirklich 
vieles für den TLC.


Die Anwendung wird ein "Potentiostat": Bei vielen korrosionsbeständigen 
Stählen erkennt man den Übergang vom Passivbereich (rostfrei) zum 
transpassiven Bereich (rostet doch) an einem Knick in der 
Summenstromkurve (Dies ist der Strom zwischen Probe und einer 
Gegenelektrode.) in Abhängigkeit vom Potential der Probe. Um dieses zu 
verschieben und dabei den Summenstrom mitzuschreiben, benötige ich eine 
extrem langsam ansteigende Spannungsrampe.

Der für mich interessante Spannungsbereich liegt dabei zwischen -1,0V 
und +5,0V. Die Ströme liegen bei <<1mA.

Eigentlich habe ich auch bereits mit der beschriebenen Schaltung alle 
interessanten Potentiale erfassen können - mich wunderte blos das o.g. 
Verhalten und ich möchte meiner Nachwelt keinen Schrott hinterlassen...

Die Geräte kosten fertig etliche kEUR und ich dachte, ich kann etwas 
Vergleichbares für 5EUR +vorhandene Messverstärker konstruieren.


Schönes WE,
Hendrik

von Helmut L. (helmi1)


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>benötige ich eine extrem langsam ansteigende Spannungsrampe.

Also brauchst du im Prinzip keinen Intergrator.
Das ganze laesst sich doch mit einem AVR und PWM loessen.
16Bit PWM eingestellt und dann langsam einen Zaehler hochlaufen lassen.
Und der eventuelle Rippel am Ausgang kannst du mit einem passenden 
Tiefpass wegfiltern.


>Die Geräte kosten fertig etliche kEUR und ich dachte, ich kann etwas
>Vergleichbares für 5EUR +vorhandene Messverstärker konstruieren.

Na ja das die Messtechnikhersteller auch immer so teuere Messgeraete 
entwickeln wo es doch eine 5 Euro Loesung auch tut.

Gruss Helmi

von Henne (Gast)


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@Helmi:

nicht wahr? ;-)
(Die Ironie in unseren beiden Posts ist mir bewusst...)

Zur PWM: auf gar keinen Fall!! Selbst der Ripple linearer Labornetzteile 
im µV-Bereich machte in Verbindung mit den Eingangsfiltern der 
Messverstärker eine Messung des Summenstromes unmöglich.

Und somit bin ich bei DACs, Integratoren oder 
Frequenz/Spannungs-Wandlern...

von Helmut L. (helmi1)


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>Frequenz/Spannungs-Wandlern...

Die kannst du dann auch vergessen. Da wird die Frequenz durch ein MF in 
eine PWM umgewandelt und dann ...

Zur PWM:

Dann ist dein Filter nicht steil genug. Mehrere RC Glieder in Reihe 
bringen mehr Filterwirkung als ein RC Glied mit sehr tiefer 
Grenzfrequenz. Auch kommt es auf den richtigen Aufbau an ob das Filter 
die errechnete Sperrwirkung auch erzielt.

War auch als Ironie gedacht.

Gruss Helmi

von Peter (Gast)


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Hallo Henne

... wie genau muss den die Rampe sein ???...

oder besser gesagt... Die Ausgangsspannung muss nach Deiner 
Dimensionierung  rund 40 Minuten konstant ansteigen !?...

mfg

Peter

von Peter (Gast)


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von Stefan L. (tarabas)


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Hallo Alle,

ich habe auch schonmal so ein Teil gebaut (das jetzt teuer verkauft wird 
;) und kann folgendes beitragen:

- PWM für Potentialerzeugung lief bei mir problemlos (16 Bit PWM, 250 
Hz, mit Aktivfilter 2ter Ordnung)

- OPV an sich ist zwar kritisch, aber der beste OPV nutzt nichts, wenn 
der Aufbau nichts taugt (Layout, Erschleifen!, Kriechströme)

- bewährt hat sich eine galvanische Trennung des Potentiostaten, je mehr 
isoliert, desto besser (Ableitwiderstände von 10Meg waren schon sehr 
störend)

- Strommessung ist ebenfalls sehr kritisch, zumindest wenn man wirklich 
kleine Ströme (<nA) auflösen will, und gleichzeitig auch recht große 
Ströme messen können will (in meinem Fall sollte der Meßbereich bis 10mA 
reichen und 0.1nA todsicher auflösen, eher noch weniger. Es gibt hier 
auch mehrere gängige Verfahren, sind eigentlich alle schon genannt (z.B. 
CFC, Shunt+Opamp+ADC, CVC+ADC) die jede so ihre Vor- und Nachteile haben

- ich hatte letztlich die Shuntmethode mit MB-Umschaltung und Verstärker 
und 22Bit-ADC favorisiert

- Eure OPV-Auswahl ist zielführend, auch die TLE207x sind brauchbar 
(aber: Dual-Speisung nötig)

- letztlich konnte auch bei Abständen von 10m zwischen Meßzelle und 
Potentiostat noch sicher gemessen werden, was aber erheblichen Aufwand 
bei Kabel/Abschirmung erfordert

@yalu: Du scheinst gediegene Erfahrungen mit dem Thema zu haben :) 
Welchen Fallen bist Du so begegnet?

Beste Grüße, Stefan

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