Hallo,
Ich arbeite gerade an einem Experiment und hab da mal eine Frage:
Kann man in einem Fein-bzw. Hochvakuumsystem statt einer teueren
Indiumdichtung auch einen normalen Zinndraht (Zum Löten) als
Metalldichtung verwenden oder ergeben sich da irgendwelche Probleme ?
(Ach so: Temperaturbereich ca. 100 °C)
Danke im Voraus !
PS: Ist Zinn überhaupt gasdicht ?
Dicht wird es sein... aber Zinn hat einen recht hohen Dampfdruck, der
Dir dein schönes UHV u.U. ganz schnell versaut - wie in der
Hochvakuumtechnik irgendwie immer, kommt es auf die Fläche des
kritischen Materials, Konduktivität zu ihm und die Pumpleistung in
respektive zum akzeptablen Druck und Basisdruck deines Aufbaus/deiner
Kammer an.
Aus meiner Praxiserfahrung kann ich Dir nur raten auf das Zinn zu
verzichten, wenn Du den Mehraufwand zur Verwendung von Indium/InGa
stemmen kannst.
Über welchen Basisdruck reden wir eigentlich, 'UHV' ist ja ansich immer
noch relativ weit. Meine Aussagen beziehen sich auf alles besser als
~10^-8mbar, bei Drücken darüber käme Zinn nicht so schlimm.
Danke für die schnelle Antwort und für den Hinweis !
Ich denke nicht das ich über 10-8 mbar komme. Mit meinem Pumpensystem
und Kammer vielleicht bis 10-6 mbar. Da ich über keine
Turbomolekularpumpe verfüge, habe ich mir ein Pumpensystem überlegt,
dass evtl. funktionieren könnte: Vorpumpe -> (Öl)-Diffusionspumpe ->
Ionenpumpe -> Kammer.
Bei der Ionenpumpe handelt es sich um eine komplette Eigenkonstruktion
und ist noch im Bau. Ein vorbeschleunigter Elektronenstrahl wird in die
Kammer geleitet und Ionisiert dort die verbliebenen Gasmoleküle. Die
Ionen werden durch elektrostatische Potentiale davon abgehalten, aus dem
Elektronenstrahl wieder herauszuwandern. Durch periodisches Schalten der
Potentiale werden die Ionen parallel zum Elektronenstrahl extrahiert und
kurz vor der Diffusionspumpe wieder "entladen". Das erinnert so ein
bißchen an die DEBIT.
Klingt erstmal kompliziert, ist aber selbst mit "Hausmitteln" recht
leicht zu bauen. (Sprich: Elektronenquelle -> Kleine Lampe mit
Glühwendel, Wehlnet Zylinder mit 30-50 kV als Vorbeschleuniger, Billige
Neodym Ringmagnete, Drehmaschine und Fräse erledigen den Rest)
Nach deiner Erfahrung: Wie hoch schätzt du mit dieser Konstruktion die
Chance, ein HV- oder UHV_Vakuum zu erreichen ?
Danke Im Voraus
Mit Ionen ? Eher schlecht. Ein Gasplasma wirkt aetzend. Greift die
Oberflaeche an. Weshalb soll entladenes Gas an der Oberflaeche gebunden
sein ?
Eine Turbopumpe ist heute Stand der Technik und nicht mehr so teuer.
Falls du etwas sinvolles an die Pumpe haenst, so ist das ein Vielfaches
teurer wie die Turbo. Schlechter als 1e-7 braucht man keine
Metalldichtungen, da genuegt auch Gummi.
Eine Diffusionspumpe erreicht selbst ein gutes Vakuum, ist aber eher
langsam und im Vergleich mit einer Turbo eine Schweinerei. Vor hundert
Jahren waren die Diffusionspumpen sicher toll, heute wuerd ich mir das
nicht mehr antun. Wir haben ein paar Pfeiffer Pumpstaende, mit 9k Euro
ist man dabei. Die saugen ein paar Liter Nutz-Volumen innerhalb einer
Viertelstunde auf besser als 1e-5, und sind innerhalb von 5 Minuten
belueftet.
Wenn du wirklich Hochvakuum (10^-6 mbar) oder sogar Ultrahochvakuum
(weniger als 10^-6 mbar) erreichen willst, kannst du Zinn vergessen. Das
Problem ist dabei nicht der Dampfdruck der Dichtung, Reinzinn hat einen
sehr niedrigen Dampfdruck. Das Problem ist auch nicht die Pumpe, normale
Öldiffusionspumpen erreichen mit Kühlfallen (flüssiger Stickstoff) 10^-9
mbar Enddruck.
Das Hauptproblem ist, dass die gesamte Vakuumapparatur während des
Pumpvorgangs AUSGEHEIZT WERDEN MUSS. Mit Zinndichtungen kannst du das
vergessen.
Stand der Technik sind Bauteile und CF-Flansche aus Edelstahl mit
Dichtungen aus Kupfer. Temperatur beim Ausheizen 300-400°C, dann
klappt's auch mit Diffusionspumpen, Kühlfalle mit flüssigem Stickstoff
vorausgesetzt.
Deine Bastelei mit Elektronenstrahlen und magnetischen Ionenfallen wird
kaum so funktionieren, wie du dir das vorstellst. Vermutlich willst du
sowas wie eine Ionengetterpumpe bauen;
http://de.wikipedia.org/wiki/Ionengetterpumpe
Dass man die Getter durch magnetischen Einschluss ersetzen könnte ist
aber eine sehr blauäugige Vorstellung.
Uhu Uhuhu schrieb:
>Warum?
Weil die Wände der evakuierten Apparatur im Hochvakuum noch lange Zeit
Wasser und andere Verunreinigungen abgeben, die das Vakuum
verunreinigen.
Ultrahochvakuum, also Drücke kleiner als 10^-6 mbar lassen sich nur
durch Ausheizen erreichen, weil man sonst wochenlang evakuieren müsste,
bis die Gasabgabe der Wände auf vernünftige Werte sinkt.
Näheres dazu ist in diversen Fachbüchern zur Hochvakuumtechnik
nachzulesen, einige praktische Hinweise gibt's auch im Internet auf den
Seiten der diversen Vakuumtechnik-Firmen, als Beispiel:
http://shop.trinos.de/vakuum_s/trinos-bauteile-uhv-cf.html
Bis 1e-6 runter gibt's wenig Probleme, da kann man mit O-Ringen
operieren. Wenn man weiter runter pumpen will, kommen die Wasserfilme
auf Metalloberflaechen zum Tragen. Als Monolagen, oder etwas dicker. Die
verdunsten sehr langsam und machen das Vakuum kaputt. Die kriegt man mit
Ausheizen weg.
Rudolf, sag' doch mal etwas zu Deinem Aufbau:
Was hast Du für eine Kammer (Material, Bauform, Flansche, ...)? Über
derartig weiche Metalldichtungen denkt man ja eigentlich nur nach, wenn
man die Standard z.B. OFHC-Kupferdichtungen nicht verwenden kann.
Was baust Du? Was gedenkst Du für ein Experiment durchzuführen?
Dein Pumpkonzept klingt problematisch! Plasmen gerade in kombination mit
Öldiffusionspumpen sind problematisch. Noch viel mehr, wenn Du das
Plasma ja geradezu in die Pumpe lenkst. Das kann Dir sehr schnell das Öl
ebenfalls ionisieren und - allein von der kinetischen Energie her - in
die Kammer schleudern.
Auch zu beachten ist, dass Du schon eine ganze Menge Energie benötigst
um bei recht hohen Drücken einen gewünschten Ioisationsgrad
aufrechtzuerhalten - durch Interaktionen mit den Kammerwänden wirst Du
so auch schnell thermische Probleme bekommen, sofern Du die Energie
liefern kannst.
Du erwähntest ja 'DEBIT' - ist das Ziel deines Versuch die Erforschung
von solchen Ionenquellen als 'Vakuumpumpe' oder ist es eher ein
Nebenaspekt um das gewünschte Vakuum zu erreichen und zu halten?
Ganz allgemein ist die Kombination von Öldiffusionspumpen und
Ionen-Getter-Pumpen allein schon problematisch, Du benötigst auf jeden
Fall Ionen-Getter-Pumpen die mit einem hohen Initialdruck klarkommen
(z.B. etwas in Richtung der Star-Cells von Varian).
In wiefern dein Pumpprinzip funktionell ist, bzw. sein kann, vermag ich
so nicht abzuschätzen.
In jedem Falle (auch für allgemeine Experimente mit diesem Pumpprinzip)
würde ich Dir empfehlen die Öldiffusionspumpe durch eine
Turbomolekularpumpe zu ersetzen - ich weiß ja nicht auf welchem
'Professionalitätsniveau' Du arbeitest, sollte es aber in Frage kommen:
Bei eBay.de gehen öfter kleine wie große Turbopumpen für wenig Geld über
den Tisch, noch mehr sind bei eBay.com zu erhalten, so mancher
Übersee-Deal lohnt sich trotz der hohen Versandkosten noch!
Aufgepasst bei Turbopumpen mit Lagerschaden. Eine Turbopumpe sollte alle
4 Jahre einen Service erhalten. Falls man durchlaufen laesst, bis zu
einem Lagerschaden wird's teuer. Da gehen schnell mal 3k Euro drauf.
Ich danke erstmal allen für die reichlichen Antworten und Anregungen.
Die Konstruktion der Ionenpumpe war ein Nebenaspekt des eigentlichen
Experiments. Da es sich um ein privates Projekt handelt, habe ich
versucht die Kosten zu reduzieren.
Ich kann leider zum eigentlichen Experiment aus patentrechtlichen
Gründen nicht viel verraten bis auf dass beim Betrieb ein
Hochtemperaturplasma entsteht. Ich danke Sascha W. für den Hinweis mit
den
Öl-Diffusionspumpen.
Nach den vielen Hinweisen werde ich meine Konstruktion überdenken.
OHFC-Kupferdichtungen in Kombination mit einer Turbomolekularpumpe
scheinen mir vielversprechend.
Noch fröhliges "Tips geben"
Rudolf
Hallo zusammen,
dass Zinn einen hohen Dampfdruck hat ist ein uraltes Ammenmärchen und
beruht auf einer Verwechslung mit Zink: selbst in einem LEIS-Gerät (Low
Energy Ion Scattering - bei ION-TOF wird es Qtac genannt: Quantitative
atomic layer characterisation), das im 10E-11mbar-Bereich (!) arbeitet
und das nur die alleroberste (!) Monolage einer Probe sieht, kann trotz
vieler bleifreier Zinn-Lötstellen (Sn97Cu3) überhaupt kein Zinn auf den
Proben festgestellt werden!
Vermutlich wird eine entsprechende Zinn-Dichtung ihren Zweck erfüllen -
auch für UHV-Zwecke!
Zinn und hoher Dampfdruck... Es gibt das Metall und es gibt Loetzinn.
Loetzinn hat eine oder mehrere Loecher mit einem Flussmittel drin. Und
eben dieses Flussmittel ist fluechtig.
... und noch etwas:
seit 17 Jahren bin ich für die mechanische Konstruktion einer Fa.
zuständig, die sich auf TOF-SIMS und Qtac im absoluten High-End Bereich
spezialisiert hat, und wenn jemand behauptet, man könne nur mit
300-400°C ein vernünftiges UHV hinbekommen, der irrt ganz gewaltig:
aktuell wird bei einem kleinen Versuchsaufbau der relative Dampfdruck
verschiedener neuer Kunststoffe bei RT getestet, die zuvor ca. 60
Stunden auf lediglich 120 °C im UHV ausgeheizt werden. Zwischen den
einzelnen Probanden wird die Kammer leer genauso lange bei ebenfalls bei
nur 120°C ausgeheizt:
Enddrücke von ca. 7x10E-11mbar bei leerer Kammer sind kein Problem und
sehr gut reproduzierbar.
Pumpe an der Hauptkammer: Pfeiffer HiPace 300, der ein zugegebenrmaßen
gutes Vorvakuum im Bereich unter 10E-4mbar bereit gestellt wird mittels
Drag-Stufe (HiPace 80). Diese wiederum hat als Vorpumpe eine Scrollpumpe
SC-5D von Oerlikon.
Übrigens: will man mit sehr geringem Aufwand im unteren UHV-Bereich
landen, so empfiehlt sich dringend eine Hauptkammer in Form eines
Winkelstücks, wobei die Turbo an dem kurzen Schenkel sitzen muss und der
lange Schenkel den nutzbaren Rezipienten darstellt (dort ist auch die
Kaltkathoden-Messröhre vorzusehen), denn selbst bei den vorab genannten
vorzüglichen Vakua produziert eine Turbopumpe immer noch so viel
Strahlungswärme, dass in deren axialer "Blickrichtung" der Druck einige
10E-10mbar höher liegt! Zudem bringt es sehr viel, die Hauptturbo genau
aus diesem Grund zu kühlen. Für o.g. Enddruck reicht hier ein kräftiger
Ventilator aus, um von ca. 2x10E-10mbar auf die zuvor genannten
7x10E-11mbar Enddruck zu gelangen!
...und noch zum Schluss: Fittingslot gibt es auch als nicht
flussmittelgefüllte "Version". Das dürfte klappen! 120°C
Ausheiztemperatur sind damit auch kein Problem!
Wolfgang Lorenz schrieb:> Vermutlich wird eine entsprechende Zinn-Dichtung ihren Zweck erfüllen
Und du meinst, es war wirklich nötig, dafür den mehr als drei Jahre
alten Thread wieder auszubuddeln?
wichtig ist es doch, nachhaltig fundierte Erkenntnisse für Außenstehende
klar erkennbar zu machen und von mancherorts kundgetanen "ich glaube,
dass ich meine, vermutlich schon mal irgendetwas davon - oder auch von
etwas anderem - gehört zu haben"-Beiträgen klar erkennbar zu separieren.
Dass es solche Beiträge gibt ist überhaupt nicht schlimm, aber der/die
Leser(In) freut sich (hoffentlich) darüber, nachweislich prüfbar
richtige Beiträge lesen zu können. Das ist völlig zeitlos und soll den
guten Willen, der sich auch hinter rein annahmenbasierter Beiträge
verbirgt, nicht schmälern!
Im übrigen bin ich auf diese "alte" Geschichte heute beim Durchkämmen
der Mails aus dem Posteingang gekommen. Den Link zu dieser Seite hatte
ich mir vor langer Zeit nach hause gemailt, um darauf zu antworten.
Damals hatte ich es aus Zeitgründen jedoch verabsäumt, etwas dazu zu
schreiben. Das habe ich jetzt nachgeholt.
Für diejenigen, die sich mit gutem UHV befassen, sind sicherlich einige
wertvolle Hinweise dabei, die auch über den heutigen Tag hinaus ihre
Gültigkeit beibehalten werden!
Siebzehn mal Fuenfzehn schrieb:> Schlechter als 1e-7 braucht man keine> Metalldichtungen, da genuegt auch Gummi.
...bzw. Viton.
Gruss
Harald
PS: Für Ultrahochvaccuum nimmt man auch (sauerstofffreie)
Kupferdichtungen. Allerdings muss die Konstruktion der
Flansche dazu passen.
Jörg Wunsch schrieb:> Und du meinst, es war wirklich nötig, dafür den mehr als drei Jahre> alten Thread wieder auszubuddeln?
Hmm, ich bin mal wieder in die Leichenfalle gelaufen. Könnte man
nicht grundsätzlich Beiträge älter als ca. 1 Jahr entsprechend
kennzeichnen?
Gruss
Harald