Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Motor IC durch Richtungswechsel ohne stopp zerstört?


von Matthias (Gast)


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Hallo zusammen,

ich habe einen 24V Getriebemotor, der 0,5A im Leerlauf zieht mit meiner 
SChaltung angesteuert. Linksluaf und Rechtslauf lief auch alles sehr gut 
bis ich direkt einen Richtungswechsel angesteuert habe ohne den Motor 
vorher zu stoppen.

Seit dem gibt es bei meinem Netzteil ein Kurzschluß sobald ich es an das 
Motor IC anschließe.

Meine Frage:
Ist es normal, dass solche ICs davon kaputt gehen?
Das ist meine einzige Frage. Sollte ich also softwareseitig dafür 
sorgen, dass diese Bedingung nicht mehr eintreten kann.


Ich habe ein L6205N IC für ca. 10€.

Das hat eine Menge Fubnktionen, warum nicht auch eine SChutzfunktion für 
solche Fehlbedinung.

Viele Grüße,

Matthias.

von Wegstaben V. (wegstabenverbuchsler)


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wie sieht denn der Schaltplan dazu aus?

von Matthias (Gast)


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Hallo,

danke, dass Du mir helfen möchtest.

Anbei der Schaltplan von meinem Board.

Bei weiteren Fragen gerne.

von Harald (Gast)


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Das liegt in der Natur der Sache. Da ist wahrscheinlich eine H-Brücke 
drin. Wenn Du gleichzeitig Links und Rechts-Lauf schaltest, was für 
einen Moment der Fall ohne Stop ist, sind alle FETs leitend. Was mit 
einem Transistor im Sättigungsbereich ohne Vorwiderstand passiert, ist 
Dir hoffentlich klar.

Sieh Dir am besten mal eine H-Brücke an. Einen Schutz könnte man nur 
durch eine vorgeschaltete Logik erreichen, wenn auch dort beim 
Umschalten eine Zeitverzögerung vorhanden ist. Die Hersteller gehen in 
der Regel davon aus, dass der Schaltungstechniker an dieser Stelle 
aufpasst.

von Löwe (Gast)


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Überleg dir mal, was in dem Rotor für eine Energie gespeichert ist.
Wenn du einfach so umpolst, funkt es gewaltig und es können kurzzeitig 
extreme Ströme und Spannungen auftreten.

Durch einen Programmierfehler hat es mir bei soetwas sogar mal einen 
Motor zerlegt.
Der Treiber war "etwas" robuster und hat mit voller Netzteil-Power gegen 
die Schwungmasse gegengehalten.

Ähnliches passiert, wenn so ein Motor lose auf dem Tisch liegt und 
plötzlich die volle Betriebsspannung bekommt. Je nach Größe und 
verfügbarem Strom kannt du wählen zwischen
- zuckt etwas
- rollt über die Werkbank
- schlägt in der nächsten Wand ein
- schlägt dir irgendwelche Körperteile kaputt

Die Energie, die deinen Motor quer über den Tisch katapultiert muss dein 
Treiber nun beim Umpolen aus dem Motor wieder herausholen und in 
entgegengesetzter Richtung reinschieben.

von Simon K. (simon) Benutzerseite


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Hm. Mein Tipp: Du hast keine "dicken" Kondensatoren an dem Lastkreis am 
L6205. Außerdem durch den Aufbau eventuell ganz gut ein paar 
Induktivitäten reingebaut.
Dein Labornetzteil kann nur Sourcen, aber nicht Sinken (Ist normal). 
Demzufolge hat die Energie, die der Motor beim Abbremsen verloren hat, 
die Versorgungsspannung hochgetrieben (Bis über 55V) und deinen L6205 
gekillt.

von Harald (Gast)


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@Löwe

Das denke ich nicht. Die Freilaufdioden fangen das ab.

von Simon K. (simon) Benutzerseite


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Harald schrieb:
> Das liegt in der Natur der Sache. Da ist wahrscheinlich eine H-Brücke
> drin. Wenn Du gleichzeitig Links und Rechts-Lauf schaltest, was für
> einen Moment der Fall ohne Stop ist, sind alle FETs leitend. Was mit
> einem Transistor im Sättigungsbereich ohne Vorwiderstand passiert, ist
> Dir hoffentlich klar.

Es ist unmöglich bei diesem IC einen Kurzschluss in einer Halbbrücke zu 
erzeugen... Dank Dead Time und entsprechender Ansteuerung.

> Sieh Dir am besten mal eine H-Brücke an. Einen Schutz könnte man nur
> durch eine vorgeschaltete Logik erreichen, wenn auch dort beim
> Umschalten eine Zeitverzögerung vorhanden ist. Die Hersteller gehen in
> der Regel davon aus, dass der Schaltungstechniker an dieser Stelle
> aufpasst.

Ne, ist unnötig. Das ist der Vorteil an integrierten H-Brücken.

von Simon K. (simon) Benutzerseite


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Harald schrieb:
> @Löwe
>
> Das denke ich nicht. Die Freilaufdioden fangen das ab.

Siehe meinen Post. Wo soll die Energie hin? In die fehlende 
Übersspannungschutzdiode? ;-)

von Simon K. (simon) Benutzerseite


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C2 ist auf der Platine übrigens gar nicht vorhanden. Der muss so nah wie 
möglich an die Motorbrücke (Hier der L6205)!

von Harald (Gast)


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@Simon

In den 24V-Kreis. Da fliegt Dir höchstens der Spannungsregler raus.

von Simon K. (simon) Benutzerseite


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Harald schrieb:
> @Simon
>
> In den 24V-Kreis. Da fliegt Dir höchstens der Spannungsregler raus.

Korrekt, in den 24V Kreis. Sagte ich ja. Aber wo soll die Energie da 
hin? Da so ein Labornetzteil in der Regel nur ein Längsregler ist, kann 
es keinen Strom sinken. Dementsprechend steigt die Spannung des 24V 
Kreises mal eben "ein wenig" an.

Auch bekannt als "Bus Pumping". Dagegen kann man nur dicke ELKOs direkt 
an die Motorbrücke bauen. Eventuell Überspannungsschutzdioden. Aber die 
sind von der Verlustleistung her auch begrenzt.

Dass das Labornetzteil dabei nicht kaputt gegangen ist, ist entweder 
Zufall oder solide Konstruktion ;-)

von MaWin (Gast)


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> Ist es normal, dass solche ICs davon kaputt gehen?

Normal nicht, aber bei deiner Schaltung wenig verwunderlich:

In dieser Betriebsart arbeitet der Motor als Generator, und produziert 
Strom der über die Freilaufdioden ind die versorgungsspannung gepumpt 
wird. Diese erhöht sich weil die zu ihrer Stabilisierung vorgesehenen 
Kondensatoren aufgeladen werden.
Du hast überhaupt keinen wesentlichen KOndenstaor auf deiner Platine, 
also steigt die Spannung besonders hoch. Eventuell über den Wert des 
Chips.

Siehe:
http://www.st.com/stonline/books/pdf/docs/9944.pdf
Figure 8.

Und die Ausgänge des B-Kanals mit GND kurzzuschliessen ist auch keine 
gute Idee.

Du solltest auch nicht den LEERLAUFstrom (Scherzkeks) sondern den 
BLOCKIERSTROM (=Anlaufstrom =Motorspannung/Motorwiderstand) deines 
Motors als Maßstab nehmen, ob der Treiber stark genug ist. Immerhin 
schafft der L6505 2.8A und 5.6A kurzzeitig.

von Harald (Gast)


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@Simon

letztendlich hast Du ja recht.

von Simon K. (simon) Benutzerseite


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Sowas korrekt aufzubauen ist ja auch nicht trivial. Wenn man aber ein 
mal weiß, was so die Probleme sind, geht es eigentlich.

EDIT: Andererseits stehts ja sogar in der Appnote, die von MaWin 
verlinkt wurde Hust.

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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Wenn der Motor, während er läuft, kurzgeschlossen oder, wie in deinem
Fall, sogar umgepolt wird, abeitet er, wie MaWin geschrieben hat, als
Generator. Der Strom fließt aber nicht sofort über die Freilaufdioden,
sondern über die beiden leitenden Mosfets der H-Brücke. Die Stromstärke
beim Umpolen beträgt

           2 · Versorgungsspannung
I = --------------------------------------
    Motorinnenwiderstand + RDSonH + RDSonL

Der Motorinnenwiderstand hängt dabei von der Qualität des Motors ab. Der
Strom wird maximal bei einem idealen Motor (Innenwiderstand = 0) und
beträgt dann

            2 · 24V
  Imax = ------------- 77,4A
         0,34Ω + 0,28Ω

Das ist der Extremfall. Bei einem realen Motor ist der Strom zwar
geringer, kann aber schon einmal 20A überschreiten. Das ergibt eine
Verlustleistung an den beiden leitenden Mosfets von 136W bzw. 112W.
Normalerweise würde das die Mosfets töten.

Zum Glück hat das IC aber eine Überstromabschaltung, die nach etwa 650ns
wirksam wird. Sie ist übrigens nur dann wirksam, wenn vor dem Enable-
Eingang ein Widerstand sitzt, den du glücklicherweise nicht vergessen
hast. Leider hilft der Überstromschutz in diesem Fall nur begrenzt, da
durch das abrupte Abschalten des Ausgang des ICs und die Selbstinduktion
der Wicklungsinduktivität eine heftige Spannungsspitze hervorruft, die
über die Freilaufdioden direkt auf die Versorgungsspannung schlägt und
dort wegen des fehlenden Kondensators nicht abgefangen wird. Möglichwei-
se ist das IC davon zerstört worden.

Wenn nicht, gibt es aber noch lange keinen Grund zum Aufatmen: Sofort,
nachdem der Ausgang abgeschaltet worden ist, wird der vom Überstrom-
schutz gemessene Strom zu null, so dass schon nach 450ns der Ausgang
wieder eingeschaltet wird, so dass erneut ein hoher Strom fließen kann.
Dieses Spiel wiederholt sich so lange, bis der Motor die neue Drehrich-
tung angenommen hat. Während dieser Zeit werden die Mosfets mit

  650ns / (650ns + 450ns) = 0,59

der oben angegeben Verlustleistung belastet, bei 20A also mit 80W bzw.
66W. Je nachdem, wie lange der Motor zum Abbremsen und Wiederanlaufen
braucht, kann auch das die Mosfets zerstören.

Dies kann man verhindern, indem man das Wiedereinschalten des Ausgangs
ausreichend verzögert. In Figure 7 des Datenblatts ist gezeigt wie. Man
schaltet am Enable-Eingang zusätzlich zum Serienwiderstand einen Paral-
lelkondensator. In deiner Schaltung ist zwar ein Kondensator vorhanden,
er sitzt aber an der verkehrten Stelle.

Fazit: Ein Kondensator fehlt (an den Versorgungsspannungsanschlüssen des
ICs), ein zweiter (C10) sitzt an der falschen Stelle. Wenn du das korri-
gierst, stehen die Chancen gut, dass das ICs den nächsten Umpolversuch
unbeschadet übersteht :)

von Mine Fields (Gast)


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Der Strom ist weniger das Problem, sondern eben die Überspannung, die 
dort auftritt.

Es gibt im Prinzip drei Lösungen:

- großer Kondensator (reicht bei sehr kleiner Energie)
- dicke Z-Diode zur Spannungsbegrenzung
- Bremschopper

Letzerer ist besonders bei großen Motoren oder bei Anwendungen, bei 
denen prinzipiell oft im Generatorbetrieb gefahren wird, besonders 
interessant. Wenn man aber sowieso einen µC hat, ist die Lösung 
hardwaretechnisch auch nicht extrem viel aufwendiger als eine Z-Diode.

von Harry G. (humming)


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So ein Problem hatten ich mal mit zwei in Reihe geschalteten (48V + 
24V)Schaltnetzteilen, welche 72V für eine Motorversorgung 
bereitstellten. Dort führte es zwar nicht zur unmittelbaren Zerstörung 
von Schaltungsteilen aber das 24V-Netzteil schaltete sich mit 
Überspannung ab. Die Anlage lief unbemerkt mit 48V weiter, was aber 
langfristig zu einer Schädigung des Motors führte. Angehängte Schaltung 
löste das Problem.
Sobald die Spannung an der Katode von D1 0,7V über der 
Versorgungsspannung liegt, wird T2 leitend, was bewirkt, daß die 
Bremsenergie im Motor selbst verbraten wird. Vorteil gegenüber einer 
Z-Diode ist, daß die Schaltung in einem recht weiten Spannungbereich 
arbeitet aber immer bei Ub+0,7V zu arbeiten beginnt.
Für niedrigere Eingangsspannungen müssen die Spannungsteiler allerdings 
geändert werden.

Gruß Harry

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