Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Open-Loop Gain Simulation


von loxagon (Gast)


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Guten morgen,

ich versuche die Open-Loop-Gain des LTC6244HV in LTSpice zu simulieren. 
Dazu gebe ich eine kleine Testspannung auf den Invertierenden Eingang 
und setzte den Nichtinbvertierenden Eingang auf Masse. Das ganze erfolgt 
ohne Gegenkopplung. Wenn ich eine Frequenzanalyse mache, erhalte ich 
nicht das, wie es im Datenblatt vorgegeben ist. Ich meine zb die 
Bandbreite von 50MHz ist doch gleich der Frequenz, bei der der 
Verstärker eine Verstärkung von 1 hat,oder habe ich da was falsch 
verstanden? Das ist hier nicht der Fall. Oder die Verstärkung beginnt 
bei -36dB. Woran könnte das liegen? Liegt es vielleicht am enthaltendem 
Spicemodell, das das nicht so genau ist?

Für antworten bin ich sehr dankbar!!

Gruß loxagon

: Verschoben durch Moderator
von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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loxagon schrieb:
> Dazu gebe ich eine kleine Testspannung auf den Invertierenden Eingang
> und setzte den Nichtinbvertierenden Eingang auf Masse.

Wichtig ist es, einen sinnvollen Arbeitspunkt festzulegen. Schon die
Offsetspannung des Opamps verschiebt üblicherweise bei fehlender
Gegenkopplung den Arbeitspunkt am Ausgang so weit, dass der Opamp
übersteuert und damit seine AC-Verstärkung stark reduziert wird.

Das erste Beispiel im Anhang zeigt eine Simulation mit dem LT1013. Das
AC-Signal hat einen Gleichanteil von 5V, um den Arbeitspunkt auf die
halbe Versorgungsspannung zu legen, also dorthin, wo der Opamp seine
volle Verstärkung haben sollte (in der Nähe der Versorgungsspannungs-
grenzen nimmt die Verstärkung — auch beim einem Rail-to-Rail-Typ — ab).

Damit die Ausgangsspannung ebenfalls etwas bei 5V liegt, muss am nicht
invertierenden Eingang eine Spannung von 5V plus der Offsetspannung des
Opamps angelegt werden. Die Offsetspannung (63,5µV) habe ich per Transi-
enten-Analyse bestimmt. Wie kritisch dieser Wert ist, erkennt man daran,
dass schon eine Abweichung um nur 1µV wegen der hohen Differenzverstär-
kung von über 6·10⁶ zu einem deutlich anderen Ergebnis führt.

Und warum habe ich die Simulation mit dem LT1013 und nicht gleich mit
dem LTC6244HV gemacht? Weil das gleiche Vorgehen bei letzterem gar nicht
funktioniert ;-)

Und das, obwohl sowohl Verstärkung und Offsetspannung des LTC6244HV
niedriger als beim LT1013 sind. Wahrscheinlich spielen irgendwelche
Rundungsfehler in der Simulation so ungünstig zusammen, dass man die
Offsetspannung über die Transienten-Analyse gar nicht mit der erforder-
lichen Genauigkeit bestimmen kann.

Deshalb bin ich einen anderen Weg gegangen und habe den Offseteinfluss
mit einer Gegenkopplung beseitigt, die aber erst bei sehr niedrigen
Frequenzen aktiv wird (Zeitkonstante des RC-Glieds 1 Jahr ;-)). Die
DC-Verstärkung der Schaltung ist damit 1, so dass der Offset nicht
stört. Im interessierenden Frequenzbereich ab 1Hz wird die Verstärkung
durch die Gegenkopplung praktisch nicht beeinflusst.

Jetzt erhält man als Ergebnis eine plausible DC-Verstärkung (126dB bzw.
2·10⁶), und auch die GBW liegt mit 13,5MHz zumindest in der Größenord-
nung der erwarteten 50MHz. Die Ursache für den Unterschied ist wahr-
scheinlich im Modell des LTC6244HV zu suchen, denn für das Universal-
Opamp-Modell kommen exakt die erwarteten Ergebnisse heraus.

Edit: Die im Datenblatt angegebenen 50MHz sind ja nicht die Bandbreite
bei Verstärkung 1, sondern die GBW bei 20kHz und einem Lastwiderstand
von 1kΩ. Die Simulation sagt hier 70Mhz, was nicht mehr ganz so weit vom
Datenblattwert entfernt ist. Da der Frequenzgang bei 1MHz einen leichten
Schlenker nach unten macht, ist ab dieser Frequenz die GBW nicht mehr
konstant, so dass die deutlich Abweichung der Bandbreite von den 50MHz
bei Verstärkung 1 schon in Ordnung ist.

Wenn man das simulierte Diagramm mit dem aus dem Datenblatt vergleicht,
ist die Übereinstimmung schon ganz gut.

von loxagon (Gast)


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Yalu X. schrieb:
> Edit: Die im Datenblatt angegebenen 50MHz sind ja nicht die Bandbreite
> bei Verstärkung 1, sondern die GBW bei 20kHz und einem Lastwiderstand
> von 1kΩ. Die Simulation sagt hier 70Mhz, was nicht mehr ganz so weit vom
> Datenblattwert entfernt ist. Da der Frequenzgang bei 1MHz einen leichten
> Schlenker nach unten macht, ist ab dieser Frequenz die GBW nicht mehr
> konstant, so dass die deutlich Abweichung der Bandbreite von den 50MHz
> bei Verstärkung 1 schon in Ordnung ist.
>
> Wenn man das simulierte Diagramm mit dem aus dem Datenblatt vergleicht,
> ist die Übereinstimmung schon ganz gut.

Vielen Dank für deine Antwort. Bis auf den obigen Teil habe ich das 
verstanden. Ich denke ich habe ein allgemeines Verständnisproblem mit 
der GBW. Dachte immer das sei die Frequenz, bei der der OPv die 
Verstärkung 1 besitzt.

Ansatt 20kHz meintest du 100kHz, oder nicht?
Also gehe ich dann wie folgt vor: Ich bilde den Quotienten aus GBW und 
den 100kHz und erhalte damit die Verstärkung bei 100kHz?

>Die Ursache für den Unterschied ist wahr-
>scheinlich im Modell des LTC6244HV zu suchen, denn für das Universal-
>Opamp-Modell kommen exakt die erwarteten Ergebnisse heraus.

Wie meinst du das? Hast du dir das Model nochmal gezogen und mit dem 
Universal OPamp eingefügt?


Gruß

von Purzel H. (hacky)


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Falls der OpAmp bei Gain=1 stabil ist kann man die GBW so messen : 
Positiver Eingang auf Mittelspannung, 100 Ohm an den  negaitiven 
Eingang, 100 Ohm als Feedback und dann 100mV reinlassen. Die GBW bezieht 
sich nicht volle Amplitude. Das waere dann die Full Power Bandwidth, und 
die ist ueblicherweise duch die Slewrate begrenzt.

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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loxagon schrieb:
> Ich denke ich habe ein allgemeines Verständnisproblem mit der GBW.
> Dachte immer das sei die Frequenz, bei der der OPv die Verstärkung 1
> besitzt.

Ein Opamp verhält sich im nutzbaren Frequenzbereich normalerweise wie
ein Hochpass erster Ordung. Beispiel LT1013 (linkes Diagramm in meinem
letzten Beitrag): Die Grenzfrequenz liegt bei etwa 0,1Hz. Zwischen 0,3Hz
und 300kHz fällt die Verstärkung mit 20dB/Dekade, d.h. die Verstärkung
ist umgekehrt proportional zur Frequenz. Somit ist das Produkt aus
Verstärkung und Frequenz in diesem Bereich konstant. Diese typspezifi-
sche Konstante heißt Verstärkungs-Bandbreiteprodukt (oder engl. Gain
Bandwidth, GBW) und liegt beim LT1013 bei etwa 600kHz. Bei 1Hz ist die
Verstärkung 6·10⁵, bei 600Hz ist sie 1000 usw., das Produkt ist also
immer 600MHz.

Die Konstante heißt Verstärkungs-"Bandbreite"produkt, weil bei einer
gegengekoppelten, nichtinvertierenden Verstärkerschaltung das Produkt
aus DC-Verstärkung und 3dB-Bandbreite genau denselben Wert ergibt.

Setzt sich der Verstärkungsabfall von 20dB/Dekade bis zu der Frequenz
fort, wo die Verstärkung 1 ist, ist diese Frequenz logischerweise gleich
der GBW.

Reale Opamps sind aber mehrstufige Verstärker und stellen deswegen
Tiefpässe höherer Ordnung dar. Sie sind aber so aufgebaut, dass die
ersten beiden Pole der Übertragungsfunktion (die den Abwärtsknicken im
Frequenzgang entsprechen) weit auseinander liegen (Pole Splitting), weil
damit eine gute Stabilität bei gegengekoppelten Verstärkerschaltungen
erreicht wird. So liegt bspw. beim LT1013 der zweite Pol bei etwa 1MHz,
also etwas oberhalb der Frequenz, wo die Verstärkung 1 ist. Deswegen
stört der zweite Pol den gleichmäßig abfallenden Frequenzverlauf im
Bereich, wo die Verstärkung größer 1 ist, kaum. Damit ist die GBW bis
zur Verstärkung 1 hinunter weitgehend konstant, und dein Gedanke

> Dachte immer das sei die Frequenz, bei der der OPv die Verstärkung 1
> besitzt.

stimmt für diesen Fall. Das im letzten Abschnitt Geschriebene gilt für
die meisten anderen voll frequenzkompensierten (unity stable) Opamps
ebenfalls.

Es gibt aber auch Opamps die nur teilkompensiert sind und damit bspw.
erst ab einer Verstärkung von 5 stabil sind. Bei diesen liegt der zweite
Pol an einer Frequenz, bei der die Verstärkung noch deutlich größer 1
ist. Zwischen dem ersten und dem zweiten Pol ist auch hier das Verstär-
kungs-Bandbreiteprodukt konstant, rechts vom zweiten Pol aber nicht
mehr, da hier ein doppelt so starker Frequenzabfall von 40dB/Dekade
stattfindet. Man kann also auch für diese Opamps die GBW bestimmen, muss
aber das zu multiplizierende Frequenz-Verstärkungspaar im Diagramm an
einer Stelle zwischen den beiden Polen ablesen, wo die Verstärkung noch
deutlich größer als 1 ist. Deswegen kann deine Regel hier zumindest
nicht direkt angewandt werden. Man kann jedoch die Gerade zwischen den
beiden Polen nach rechts unten verlängern. Diese verlängerte Gerade
schneidet die 0dB-Linie wiederum an der GBW.

Nun zum LTC6244HV: Er ist wie der LT1013 voll kompensiert. Trotzdem
kommt, wie im Diagramm am leichten Knick nach unten zu erkennen ist, der
zweite Pol schon bei 1MHz, also an einer Stelle, wo die Verstärkung noch
satte 35dB (also mehr als 50) ist. Das ist eigentlich ein Kennzeichen
für einen teilkompensierten Opamp. Der LTC6244HV könnte also nicht unity
stable sein, wenn er nicht bei etwa 6MHz noch eine Nullstelle in der
Übertragungsfunktion (Knick nach oben im Frequenzgang) hätte, die die
Wirkung des zweiten Pols weitgehend wieder aufhebt.

Obwohl der LTC6244HV also unity stable ist, kann wegen des S-förmigen
Verlaufs des Frequzenzgangs zwischen 1MHz und 6MHz deine Regel auch hier
nicht angewandt werden. Deswegen muss man auch hier die GBW an einem
Punkt zwischen den Polen ablesen oder den geraden Verlauf bis hinunter
zur 0dB-Linie verlängern. Der Schnittpunkt (und damit die GBW) liegt
etwa bei 70MHz, während der Frequenzgang die 0dB-Linie schon bei 13,5MHz
schneidet.

> Ansatt 20kHz meintest du 100kHz, oder nicht?

Ich habe wohl eine ältere Version des Datenblatts erwischt, dort sind
die Werte noch für 20kHz statt 100kHz angegeben worden. Da aber beide
Frequenzen klar zwischen den beiden Polen liegen, ist die resultierende
GBW in beiden Fällen gleich.

>> Die Ursache für den Unterschied ist wahr- scheinlich im Modell des
>> LTC6244HV zu suchen, denn für das UniversalOpamp-Modell kommen
>> exakt die erwarteten Ergebnisse heraus.
>
> Wie meinst du das? Hast du dir das Model nochmal gezogen und mit dem
> Universal OPamp eingefügt?

Ich habe den LTC6244HV in der simulierten Schaltung einfach durch den
UniversalOpamp ersetzt, weil man bei diesem die GBW und andere Parameter
explizit einstellen kann. So konnte ich die Ergebnisse besser kontrol-
lieren und sehen, dass der Trick mit der Gegenkopplung keinen Fehler im
Ergebnis verursacht.

Aber wie sich mittlerweile herausgestellt hat (und ich im "Edit" nach-
getragen habe), ist die Abweichung der GBWs in Simulation und Datenblatt
ja doch nicht so groß wie zunächst angenommen. Deswegen passt das Modell
des LTC6244HV schon ganz gut.

von loxagon (Gast)


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Wow, vielen Dank für diese präzise Erklärung!

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