Forum: Offtopic Langlebige Geräte mit µC


von Lukas K. (carrotindustries)


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Hallo Zusammen,
nehmen wir an, ich möchte einen Frequenzzähler bauen. Nun hätte ich die 
Wahl:
1. 74HC* TTL-Grab
2. bisschen TTL und nen µC
Da wir im 21. Jhd leben wird wahrscheinlich alles µC schreien. Doch 
sollte ein solches "Basismessgerät", wie ein Frequenzzähler >40 Jahre 
halten; das R&S URI geht ja auch immer noch prima. Wenn der µC, in sagen 
wir mal 20 Jahren, ausfällt steht man höchstwahrscheinlich vor einem 
gewaltigen Verfügbarkeitsproblem. Sei es ein MSP430 oder ein AVR. Wenn 
man doch noch ein Exemplar auftreiben könnte, wie Programmieren? (Dass 
man die Firmware noch hat mal Vorausgesetzt) Wer weiß ob die dazu 
notwendige Software noch auf den zukünftigen Rechnern läuft. Die 80er 
Jahre EPROMs bekommt man mit jedem Chinaprogrammer beschrieben, weil sie 
standardisiert sind, bei den Programmierschnittstellen von heutigen µCs 
herrscht proprietärer Wildwuchs.

74HC* TLL ICs wird es mit Sicherheit auch noch in mehreren Jahrzehnten 
geben, womit der Frequenzzähler auch noch dann reparierbar wäre. Doch 
ist der Aufwand der Entwicklung eines Frequenzzählers nur aus 
Logikgattern aufwendiger und teurer als die Entwicklung eines 
Frequenzzählers mit µC.

Als Mittelweg blieben noch (hoffentlich) langlebige µC-Urgesteine wie 
Z80 oder 80C51 mit externem Programmspeicher, damit man nicht von den 
heute aktuellen minderdokumentierten Programmierschnittstellen abhängig 
ist.

Der Frequenzzähler dient hier nur als (schlechtes) Beispiel, ich denke 
das lässt sich ebensogut auf anderer (Mess)geräte übertragen.

Was meint ihr dazu? Oder ist es vollkommen Abwegig Geräte mit >10 Jahren 
anvisierter Lebensdauer zu entwickeln, die auch noch in ferner Zukunft 
reparierbar sein sollen?

von Ben _. (burning_silicon)


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was länge hält bringt kein geld.

von Lukas K. (carrotindustries)


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Ben _ schrieb:
> was länge hält bringt kein geld.
Um den kommerziellen Aspekt geht es hier nur sekundär.

von Bernhard B. (schluchti)


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Luk4s K. schrieb:
> 74HC* TLL ICs wird es mit Sicherheit auch noch in mehreren Jahrzehnten
> geben,[...]

Was macht dich da so sicher?

von Hanna P. (hanna_p)


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Wenn Du Millitärtechnik entwickelst, benutze 74'er IC's

Wenn du Bastler bist, nimm das, was Du hast und was Spass macht.

Wenn Du Geschäftsmann bist, nimm den neuesten Prozzi, schleife ihn ab
und verdongele alles, denn hanna will auch Spass haben. ;-)

von Lukas K. (carrotindustries)


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Bernhard B. schrieb:
> Luk4s K. schrieb:
>> 74HC* TLL ICs wird es mit Sicherheit auch noch in mehreren Jahrzehnten
>> geben,[...]
>
> Was macht dich da so sicher?

1. Es gibt sie schon sehr lange.
2. Irgendwo werden die immer gebraucht.
3. Opamps werden auch nicht in absehbarer Zeit aussterben, warum also 
Logik-ICs?

Ich finde es einfach nur beeindruckend, dass es die Ingenieure vor >35 
Jahren geschafft haben, Geräte zu entwickeln, die heute immer noch 
funktionieren, und sich sogar auch noch halbwegs reparieren lassen. Was 
die damals geschafft haben, sollten wir heute doch auch schaffen, oder?

von Martin K. (maart)


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>Was die damals geschafft haben, sollten wir heute doch auch schaffen, oder?
Ist alles machbar, nur wer soll es bezahlen?
Oder anders ausgedrückt: Mit langlebigen Produkten verdient es sich 
schlecht.

von Bernhard B. (schluchti)


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Luk4s K. schrieb:
> Ich finde es einfach nur beeindruckend, dass es die Ingenieure vor >35
> Jahren geschafft haben, Geräte zu entwickeln, die heute immer noch
> funktionieren, und sich sogar auch noch halbwegs reparieren lassen. Was
> die damals geschafft haben, sollten wir heute doch auch schaffen, oder?

Die Frage ist nur, ob das Ziel der damaligen Ingenieure wirklich war, 
möglichst langlebige und wartbare Geräte zu entwickeln oder ob man 
mangels Alternativen einfach zum Erstbesten gegriffen hat?

von Rufus Τ. F. (rufus) Benutzerseite


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Luk4s K. schrieb:
>> Was macht dich da so sicher?
>
> 1. Es gibt sie schon sehr lange.
> 2. Irgendwo werden die immer gebraucht.

In Neuentwicklungen? Kaum. Für Reparaturen, ja. In Neuentwicklungen 
werden Ein-Gatter-Varianten verbaut, oder, im Falle von Bustreibern, 
neue Ausführungen mit 16 Bit Busbreite o.ä.

Ansonsten wird programmierbare Logik eingesetzt (FPGA/CPLD) oder die 
Funktion durch einen geeigneten µC erreicht.

In Neuentwicklungen finden sich klassische, "diskrete" Logikbausteine 
nur noch in Ausnahmefällen.
Und wenn, dann in Gehäusebauformen, die nicht mehr als basteltauglich 
gelten. DIL/DIP sind praktisch komplett tot, ebenso die klassische 
5V-Technik.

von Lukas K. (carrotindustries)


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Wie schon erwähnt, ich will kein Geld verdienen. Ziel ist es zum einen 
für sich selbst und für nachbauwillige (Mess)Geräte zu schaffen, die, 
etwas prosaisch ausgedrückt, ein ganzes Leben lang halten.

von Hanna P. (hanna_p)


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Dann musst Du aber auf Röhrentechnik oder Relaisschaltungen
zurückgreifen, wo man alles noch buchstäblich "begreifen" konnte.

Wie lange wird es noch Einzeltransistoren geben?

von Rufus Τ. F. (rufus) Benutzerseite


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Das war schon verständlich, nur dürfte es schwierig bis unmöglich sein, 
das Ziel zu erreichen. Die von Dir postulierte Verfügbarkeit der 
Ersatzteile in der Zukunft ist ein Vabanquespiel, wie bereits dargelegt 
ist sie eher unwahrscheinlich.

Daher kannst Du nur für übersehbare Zeiträume entwickeln, da bleibt 
keine andere Möglichkeit. Dokumentiere das Gerät gut, verwende einen 
modularen Aufbau, dann hat jemand, der es in zwanzig Jahren reparieren 
will, vielleicht eine Chance, dann verfügbare Elektronik mit Deiner 
Schaltung zu verknüpfen. Falls das dann überhaupt noch von Interesse 
ist; bedenke, daß heutzutage bereits Einsteigermessgeräte Funktionen 
bieten, die vor zwanzig Jahren noch für die meisten unter uns absolut 
nicht finanzierbar waren.

Ich kann mich noch an meine erste Begegnung mit einem DSO erinnern, das 
hatte aus heutiger Sicht absolut lächerliche Daten, kostete aber ein 
Vermögen (und stand deswegen im Uni-Labor herum).

Und so ist zu befürchten, daß das, was Deine aufwendig konstruierten 
Messgeräte jetzt besonders können, in einigen Jahren zur 
Standardausstattung jedes 08/15-Messgerätes gehört.

Der Aufwand, für die nächsten 40 Jahre zu bauen, lohnt also nur, wenn Du 
eine Marsexpedition ausstatten willst.

von Derk L. (wichtel)


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Als Beispiel für langlebiges Gerät mit servicefreundlichem Aufbau 
(mechanisch und elektrisch) kann ich nur den Grundig ST6000 Tuner 
nennen, auch wenn er kein Messgerät ist und momentan auch erst 30 Jahre 
auf dem Buckel hat.

Service-manual gibts hier, leider durchwachsene Qualität: 
http://grundig.pytalhost.com/ST6000s/

Und dort steht beschrieben wie man den eigentlichen Tuner völlig ohne 
das Prozessormodul in Betrieb nehmen kann, gleiches gilt für das 
Synthesizer-Modul:
http://grundig.pytalhost.com/ST6000s/ST6000-06.jpg

Da hätte ich, verglichen mit einiger anderer Technik, am wenigsten 
Bedenken im Fall des Falles eine Ersatzsoftware für einen neueren 
Prozessor mit vertretbarem Aufwand für programmieren zu können. Es ist 
eben wirklich nur das nötigste vom µC abhängig.

Das Gerät habe ich als "Dachbodenfund mit abgeschnittenem Netzstecker" 
in der Bucht erstanden. Bis auf das neue Netzkabel und die Enfernung der 
ausgelaufenen Speichererhaltungs-Batterien aus dem Fach in der 
Bodenplatte waren keine Reparaturen nötig. Im Gegensatz zum passenden 
Vorverstärker SXV6000 wo klassischerweise die Tantalelkos inzwischen 
Kurz- und Feinschlüsse aufweisen klingt er von Anfang an astrein, ohne 
Aussetzen, Brumm- oder Knackstörungen und hat eine sehr gute 
Empfangsleistung.

Dank Bedienelementen wie dem magnetisch rastenden Inkrementaldrehgeber 
mit Lichtschranken-Abtastung funktioniert die Bedienung so gut wie am 
ersten Tag und hat eine Haptik von der viele moderne Geräte nur träumen 
selbst wenn sie über 1000 Euro kosten.

Und das ist immerhin "reine Consumertechnik", da müsste also noch 
weitaus mehr möglich sein.

von Martin O. (ossi-2)


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Ich denke wenn ein 30 Jahre altes Selbstbaugerät irreparabel
ausfällt, baut man sich lieber ein besseres mit aktueller
Technik.

von Thilo M. (Gast)


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Derk L. schrieb:
> auch wenn er kein Messgerät ist und momentan auch erst 30 Jahre
>
> auf dem Buckel hat.

So einen Langläufer habe ich auch noch in Betrieb.
ein SABA-Radiowecker, läuft seit 1979 ununterbrochen ohne Probleme.
DAS ist Qualität! ;-)

von Jens M. (Gast)


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Luk4s K. schrieb:
> Wenn der µC, in sagen
> wir mal 20 Jahren, ausfällt steht man höchstwahrscheinlich vor einem
> gewaltigen Verfügbarkeitsproblem.

Warum nicht 2 oder 3 programmierte auf Sockeln im Gerät einbauen?

von Johnny B. (johnnyb)


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Derk L. schrieb:
> Als Beispiel für langlebiges Gerät mit servicefreundlichem Aufbau
> (mechanisch und elektrisch) kann ich nur den Grundig ST6000 Tuner
> nennen, auch wenn er kein Messgerät ist und momentan auch erst 30 Jahre
> auf dem Buckel hat.

Fragt sich nur, was Dir heute und morgen so ein Tuner noch nutzt. Selbst 
wenn er noch weitere 10 Jahre funktioniert, ändert das nichts an der 
Tatsache, dass sowohl Fernsehen als auch Radio unaufhaltsam auf digitale 
Technik umgestellt wird.
Schon heute gibt es Länder in denen terrestrischer Fernsehempfang nur 
noch digital erfolgt.

Langlebige Geräte und Qualität ja, aber normalerweise reicht eine 
angepeilte Lebensdauer von 5...10 Jahren auch für hochpreisige Geräte. 
Und nicht zu vergessen; gut gepflegt kann so ein Gerät ja dann durchaus 
auch 20 Jahre oder länger funktionstüchtig sein.

von Lukas K. (carrotindustries)


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Johnny B. schrieb:
> Radio

DAB ist ja nicht gerade der Knüller...

von Johnny B. (johnnyb)


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Ich bin auch kein Fan von DAB und meide es, trotzdem wird es uns wohl 
früher oder später aufgezwungen werden...

von Uhu U. (uhu)


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Johnny B. schrieb:
> Ich bin auch kein Fan von DAB und meide es, trotzdem wird es uns wohl
> früher oder später aufgezwungen werden...

Das sieht im Moment nicht so aus und die UKW-Sender waren ja schon mal 
abgekündigt...

von Wilhelm F. (Gast)


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Immerhin habe ich hier ein paar 20 Jahre alte Hameg-Geräte, die klaglos 
ihren Dienst tun: Oszi, Frequenzgenerator, und Frequenzzähler.

Ein Blick in die Schaltpläne bzw. durch die Lüftungsgitter im Gehäuse 
zeigt: In Frequenzgenerator und Frequenzzähler befinden sich ganz 
stinknormale 8051-er im DIL-Gehäuse. Und ein paar Standard-GALs, wobei 
die Datenerhaltung mit 10-20 Jahren angegeben ist. Ansonsten 
Standard-TTL, Standard-OPs, und Standard-Transistoren. Also alles am 
Markt sehr lange erhältliche Teile. Die GALs sind auf Fassungen 
gesteckt, kann ich aber auch nicht auslesen, haben sicher den 
Ausleseschutz programmiert. Der 8051 ist jedoch fest eingelötet. Machen, 
kann ich da aber auch nichts, denn die Dinger sind maskenprogrammiert. 
Die Bausteine gibt es aber heute genau so wie vor 30 Jahren. Hätte man 
da einen EPROM-Speicher verbaut, wären die Geräte sogar für jedermann 
leicht wartbar.

Aber immerhin ist so eine Konstruktion mit Standard-Bauteilen schon mal 
ein guter Ansatz. Das Design ist sowohl technisch als auch optisch recht 
zeitlos, möchte auch noch ein paar Jahre was von den Geräten haben. Das 
haben sie also da bei Hameg hervorragend gelöst. Für die meisten 
Anwendungen genügt die einfache Technik auch völlig. So lange ich nicht 
was ganz spezielles veranstalte, z.B. Messungen im 2-stelligen 
GHz-Bereich. Bei hochspeziellen und sehr teuren Geräten, wie z.B. einem 
Analyser, kann man wohl nicht mehr so viel selbst erledigen. Den teuren 
Signalgenerator von R&S mußten wir in der früheren Firma bei einer 
Störung auch einsenden, kostete über 1500 Euronen.

In Vorstellungsgesprächen wurde ich ja gelegentlich schon mal gefragt, 
ob ich in der Lage sei, den Gerätepark selbst zu warten und zu 
reparieren. Diese Sache mit Standard-Technik kommt dem also genau 
entgegen.

Es gibt sogar Leute, die noch 50 Jahre alte Frequenzzähler mit 
Nixie-Röhren haben. Und sich auch freuen, daß sie funktionieren. Messen 
genau so präzise wie aktuelle Geräte auch. Vielleicht ist bei manch 
einem das Budget knapp, ständig das neueste anzuschaffen? Wer weiß. 
Jedenfalls möchte ich meinen Instrumentepark fürs Hobby nicht alle 10 
Jahre erneuern. Dafür ist das nun doch alles zu teuer. Und bei mir würde 
das alte Nixieröhrengerät auch die meisten Dienste noch tun.

Uralte Geräte mit µC oder µP, die ich noch besitze:

-- Commodore SR4148R von 1976 (wissenschaftlicher Taschenrechner)
-- Onkyo TA-2022 Tape-Deck von 1984

Für beide gibt es sicher schon lange keine Ersatzteile mehr. Wohl aber 
noch ganze Geräte für ein paar Euro in der Bucht.

Wer z.B. einen 15 oder 20 Jahre alten BMW 850i besitzt, und ein 
Steuergerät versagt, der steht auch auf dem Schlauch. Für Oldtimer gibt 
es aber spezielle Redesigner, die sich mit solchen Dingen beschäftigen. 
Denn man möchte ja einen sonst noch intakten seltenen Wagen nicht wegen 
eines nicht mehr erhältlichen Chips entsorgen? Und die Besitzer oder 
Sammler solcher Gefährte haben ja meistens auch etwas Kleingeld, da ist 
das alles kein Problem.

von Lafuter Z. (lafuter)


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Prognosen sind im Allgemeinen besonders schwer, wenn sie die Zukunft 
betreffen...

Naja, bau eben alles schön konservativ auf, also mit sehr großen 
Sicherheitsfaktoren bei mechanischen, thermischen und elektrischen 
Belastungsgrenzen, verwende z.B. automotiv-Mikrocontroller, achte auf 
eine perfekte ESD-Umgebung, lege (ausreichend) Ersatzteile ans Lager, 
etc., und Dein Vorhaben kann mit etwas Glück klappen...

Aber ob es sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Auch ein Hobby 
gehorcht gewissen wirtschaftlichen Regeln. Diese Regeln sind etwas 
anders als die für ein gewinnorientiertes Unternehmen, aber dennoch 
ähnlich.

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